Archiv für September, 2008

Das Ehepaar Charles (William Powell & Myrna Loy) begibt sich ohne Kind, aber dafür mit Hund Asta, in Nicks Geburtsort Sycamore Springs, um dort seine Eltern zu besuchen. Die Ankunft des Meisterdetektivs sorgt für reichlich Aufregung und Spekulationen in dem kleinen Städtchen, doch tatsächlich wird Nick erst aktiv als der junge Maler Peter Berton (Ralph Brooks) vor seinen Augen erschossen wird. Seine Ermittlungen ergeben, dass fast der gesamte Ort in das Verbrechen verwickelt ist …

Der fünfte THIN MAN-Film – zum ersten Mal nicht mehr unter der Regie von William van Dyke entstanden, sondern vom IVANHOE-Regisseur Thorpe mit etwas mehr Hang zum körperbetonten Slapstick inszeniert – setzt die Tradition der vorangegangenen Sequels fort: Er bringt die beiden Kernelemente der Serie, die Betrachtungen des Lifestyles des Ehepaars Charles und die detektivische Tätigkeit von Nick Charles, nicht mehr so sauber unter einen Hut wie dies im ersten Teil gelungen war. Seine schillerndsten Momente hat auch THE THIN MAN GOES HOME, wenn er die Beziehungen seiner Protagonisten beleuchtet, während der Whodunit-Plot immer auch etwas von Pflichterfüllung hat. Teil 5 gewinnt vor allem durch die Konfrontation des Lebemannes Nick mit seinem für die Anwandlungen seines Sprösslings nur wenig Verständnis aufbringenden Vater, der seinen Sohn – die Geschehnisse der Vorläufer im Hinterkopf – für einen unverbesserlichen Säufer hält, aber im Laufe des Films natürlich eines Besseren belehrt wird. Schön ist immer wieder auch die Raffinesse anzusehen, mit der die süße Nora versucht, ihren Gatten vom Müßiggang abzuhalten und seiner detektivischen Bestimmung zuzuführen. Seine Renitenz ist aber immer auch ein bisschen gespielt: Er weiß ganz genau, wie gut er in seinem Beruf ist, er lässt es sich halt nur immer wieder gern von seiner Nora bestätigen. Auch wenn alle THIN MAN-Filme, den großartigen ersten Teil mit eingeschlossen, völlig unspektakulär sind: Was Powell, Loy und ihre Regisseure aus den Hauptfiguren herausholen, ist einmalig. So war auch dieser fünfte Teil ein einziges Vergnügen, das filmische Äquivalent zu einem mit Wolldecke dösig auf dem Sessel verbrachten Nachmittag, der gerade deshalb so paradiesisch ist, weil man man weiß, dass die Lieben nicht weit sind, und ihre Stimmen auch im Halbschlaf noch an das Ohr dringen und einem sagen: Hier bist du zu Hause.

sniper (luis llosa, usa/peru 1993)

Veröffentlicht: September 29, 2008 in Film
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Der erfahrene Scharfschütze Beckett (Tom Berenger), der den Dschungel Mittelamerikas kennt wie seine Westentasche, bekommt für einen Tötungsauftrag einen neuen Partner an seine Seite gestellt. Der junge Miller (Billy Zane) hat zwar strammen Schrittes die Karriereleiter des Militärs erklommen, jedoch kann er keinerlei praktische Erfahrung und noch keinen „Kill“ vorweisen. Für Beckett wird er zusehends zur Belastung: Denn jeder Fehlschuss kann das eigene Ende oder das Scheitern der Mission bedeuten …

SNIPER, in einer Zeit erschienen als das Actionkino im Stil der Achtzigerjahre schon durch das Eventkino abgelöst worden war, ist eigentlich erst heute wieder richtig zu würdigen, wo die Trends von damals – allen voran das Heroic-Bloodshed-Kino aus Hongkong – Schnee von gestern sind und man festgestellt hat, dass auch ein John Woo nur mit Wasser kocht. Heute treten die Qualitäten von Llosas Film unso stärker hervor: Die Kameraarbeit, die den Urwald zum dritten Protagonisten des Films macht und auf brillante Art und Weise die eingeschränkte Perspektive der Scharfschützen imitiert, kann man kaum genug loben. Es ist auch diese fast malerische Bildgestaltung, die mich zu der Aussage versteigen lässt, dass SNIPER ein beinahe impressionistischer Actionfilm geworden ist. Natürlich geht es im Actionfilm immer auch um innere Zustände und Kämpfe, aber so deutlich wie hier wurde das nur selten herausgestellt. Das beginnt schon bei den Subjektiven, dem Blick durch das Zielfernrohr: Mindestens genauso wichtig wie sein Ziel im Auge zu behalten, ist es nämlich, die Peripherie zu ignorieren. Ein guter Scharfschütze kann nur sein, wer nicht zu viele Fragen stellt, in der Lage ist, Kontext auszublenden. Darin besteht auch der Konflikt zwischen Beckett und Miller: Während ersterer über die perfekte Ausübung seines Jobs zum eiskalten Mörder geworden ist, für den ein normales Leben nur noch als Traum existiert, gefährdet Miller sein eigenes und das Leben seiner Mitstreiter, weil er nicht in der Lage ist, gesellschaftliche Normen abzuwerfen. Es sind sein Gewissen und sein Festhalten an einer Moral, die ihn im Dschungel von Panama zur Gefahr für seinen Kollegen werden lassen. Doch wie soll er sich verhalten? Die Fesseln der Zivilisation abstreifen und damit auch die Zugehörigkeit zur menschlichen Gesellschaft verlieren oder an der Moral festhalten und somit paradoxerweise erst recht zu Mörder werden? SNIPER kann natürlich keine Antwort auf diese Frage geben. Als Actionfilm muss er die Introspektion zugunsten der Aktion überwinden und somit wird Llosas Film dann spätestens zum Showdown wieder von der Realität eingeholt. Als Scheitern würde ich das dennoch nicht bezeichnen: SNIPER bietet komprimiert auf knapp 100 Minuten eine Menge Stoff zum Nachdenken und darüberhinaus prächtig inszenierte Actionszenen und Spannungsmomente. Für mich eine der Wiederentdeckungen des Jahres.

the octagon (eric karson, usa 1980)

Veröffentlicht: September 29, 2008 in Film
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Eine Terrororganisation murkst und meuchelt sich quer durch die Weltgeschichte. Als der Karatechamp Scott James (Chuck Norris) durch Zufall in ein Attentat involviert wird, an dem ein auch paar Ninjas beteiligt sind, hat er eine furchtbare Ahnung: Sein abtrünniger Stiefbruder Seikura (Tadashi Yamashita), zusammen mit Scott der letzte in der Kunst des stillen Tötens unterwiesene Kämpfer, muss irgendetwas mit den Anschlägen zu tun haben. Und tatsächlich werden irgendwo in der Einöde Freiwillige von ihm zu Ninjas ausgebildet …

Die Meriten von THE OCTAGON lassen sich schnell zusammenfassen: Ihm kommt die Ehre zu, den Ninjamythos noch vor der umtriebigen Cannon für den Actionfilm urbar gemacht zu haben, die erst ein Jahr später den allerdings ungleich besseren ENTER THE NINJA auf den Markt warf. So finden sich in Karsons Norris-Vehikel schon viele Elemente, die später einfach nur noch übernommen wurden: die Rivalität der ungleichen Brüder, die in Rückblenden wieder aufgerollt wird, und die lustigen Trainingseinlagen, denen die Söldner ausgesetzt werden, findet man sowohl in der erfolgreichen AMERICAN NINJA-Reihe als auch in der dieser vorangehenden Ninja-Trilogie der Cannon wieder. John Fujioka, der hier Scotts Ziehvater gibt, sollte seine Rolle in AMERICAN NINJA ebenso wiederholen wie Yamashita die seine als böser Obermotz. Leider hat THE OCTAGON abgesehen von seinem Status als Inspirationsquelle kaum etwas zu bieten: Dramaturgie und Inszenierung kommen über Fernsehserien-Standard nicht hinaus und die Actionszenen sind überaus sparsam über die ungewöhnlich üppige Laufzeit von 105 Minuten verteilt. Wenn der Showdown nach 90 langen Minuten endlich beginnt, hat Karson die Geduld seiner Zuschauer längst über Gebühr strapaziert und ihr Interesse verspielt. Es ist vollkommen unverständlich wie umständlich und überkompliziert THE OCTAGON strukturiert ist: Von Action fehlt über weite Strecken des Films jede Spur, stattdessen muss der Zuschauer eine uninteressante und unansehnliche Dialogszene nach der anderen über sich ergehen lassen. Zu diesem Manko gesellen sich vollkommen unerklärliche Schachzüge wie jener, Scotts Gedanken mittels eines unverständlich geflüsterten und mit Hall versehenen Voice Over hörbar zu machen, was nicht nur vollkommen überzogen und albern wirkt, sondern  den Protagonisten zu allem Überfluss auch noch der völligen Lächerlichkeit preisgibt. Natürlich tut auch Norris das Seine, um diesen Eindruck durch sein hölzernes, unbeholfenes Spiel zu unterstreichen: Man sieht ihm teilweise geradezu an, wie er die Anweisungen des Drehbuchs memorieren muss, bevor er sie dann mechanisch ausführt. Letzten Endes muss man das Versagen des Films aber ganz klar dem Regisseur anlasten, der aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln rein gar nichts macht. Eigentlich müsste man sich darüber ärgern, wie hier jedes durchaus vorhandene Potenzial ungenutzt bleibt, aber nach durchlittener Spieldauer ist keinerlei Energie mehr für solche Temperamentsausbrüche übrig. Man ist einfach nur froh, dass es vorbei ist.

In Südostasien soll unter der Regie des Briten Damien Cockburn (Steve Coogan) der Erlebnisbericht des Vietnamveteranen Four Leaf Tayback (Nick Nolte) verfilmt werden. Für die Stars des Films geht es um viel, denn alle stehen an einem entscheidenden Punkt ihrer Karriere: Der Stern des Actionstars Tugg Speedman (Ben Stiller) ist im Sinken begriffen und verzweifelt kämpft er um Anerkennung als ernster Schauspieler; der fünfmalige Oscar-Gewinner Kirk Lazarus (Robert Downey jr.) sucht die Herausforderung im Actionfach; Jeff Portnoy (Jack Black), Star zahlreicher niveauloser Komödien und schwer drogenabhängig, will sich endlich in einem ambitionierten Film beweisen und für Rapper Alpa Chino (Brandon T. Jackson) geht es darum, zu zeigen, dass er mehr kann als seinen Energy Drink „Booty Sweat“ zu promoten. Leider steht „Tropic Thunder“ schon nach wenigen Drehtagen vor dem Aus, weshalb Cockburn zu extremen Methoden greift: Er setzt seine Stars im mit versteckten Kameras gespickten Urwald aus, wo sie ohne Regieanweisungen agieren sollen, um dem Film mehr Realismus zu verleihen. Doch als der Regisseur einer Landmine zum Opfer fällt, sind die Schauspieler auf sich allein gestellt, ohne zu wissen, dass sie längst nicht mehr in einem Film agieren …

Schon nach den dem Film vorangestellten Fake-Trailern zu den Werken der Tropic-Thunder-Stars ist klar, dass Ben Stiller (dessen ZOOLANDER ich verehre) ein großer Wurf gelungen ist. Sein TROPIC THUNDER ist gespickt mit absurden Einfällen und famosen Gags, aber gleichzeitig von großer Wahrheit. Zielscheibe seines Films ist nichts weniger als die Traumfabrik selbst, die er als große Lügenmaschine enttarnt. Das beginnt schon bei den bescheuerten Anwandlungen seiner Stars, die in der ihnen eigenen Mischung aus Narzissmus und Größenwahn kein Fettnäpfchen auslassen. So landete Speedman einen gewaltigen Flop mit der Darstellung eines Schwachsinnigen in „Simple Jack“, der ihm eigentlich einen obligatorischen Behinderten-Oscar einbringen sollte; Lazarus hat sich extra einer Pigmentbehandlung unterzogen, um die Rolle eines schwarzen Soldaten zu übernehmen, was natürlich zu Konflikten mit Alpa Chino führt, hinter dessen aufgesexter Rapper-Persona sich ein Homosexueller verbirgt. Und Tayback, Verfasser der literarischen Vorlage, war niemals in Vietnam: Er war an der Heimatfront für die Reinigung der Kasernentoiletten verantwortlich. Hinter dem Projekt steht der jüdische Produzent Les Grossman (Tom Cruise), ein Brutalkapitalist ohne Gewissen, der in seinem Büro gern zu sexistischen Hip-Hop-Songs tanzt. Diese Verlogenheit der Charaktere spiegelt sich wiederum in den Wendungen des Plots wider und am Ende, wenn „Tropic Thunder“ dann als Dokumentation über die Dreharbeiten zu einem Film, der nicht fertiggestellt wurde, in die Kinos kommt, wissen wahrscheinlich auch die Darsteller selbst nicht mehr, an welchem Projekt sie eigentlich mitgewirkt haben. Zur umfassenden Verwirrung trägt Stiller nicht zuletzt dadurch bei, dass sein Film ebenfalls unter dem Titel TROPIC THUNDER firmiert und somit die Geschichte über die Entstehung eines Making-Ofs … Es sollte klar geworden sein, worauf ich hinaus will. All die strukturelle Finesse wäre aber nichts wert, würde TROPIC THUNDER nicht am laufenden Meter Gags produzieren, die die ganze Palette von „abgrundtief böse“ bis „komplett bescheuert“ durchmessen. Schlüssel zu diesem Erfolg sind die Darsteller, die allesamt hervorragend aufgelegt sind und sichtbar Spaß an der Sache hatten. Besonders Robert Downey jr. und Tom Cruise stürzen sich mit Verve auf ihre Larger-than-Life-Charaktere, die  allerdings – das sei relativierend eingeräumt – dankbares Material darstellen. Die anderen Figuren fallen demgegenüber naturgemäß etwas ab, was der Balance des Gesamtwerks aber sehr wohl bekommt. TROPIC THUNDER ist ein perfekter Partyfilm geworden, den man aber schwer unterschätzen würde, reduzierte man ihn darauf. Tolles Ding!

dvd-regal vol. 14

Veröffentlicht: September 28, 2008 in Film

running scared (wayne kramer, usa/deutschland 2006)

Veröffentlicht: September 27, 2008 in Film
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Joey Gazelle (Paul Walker) arbeitet für den Gangster Tommy Perello (Johnny Messner). Bei einem Überfall auf ein paar Drogendealer gibt es einen Schusswechsel, bei dem sich die vermeintliche Konkurrenz als Undercover-Cops entpuppen. Sehr ärgerlich, weil Polizistenmördern selten ein rosiges Schicksal blüht. Joey erhält daher den Auftrag, die Mordwaffen verschwinden zu lassen, was ihm auch gelingt, allerdings nicht so, wie er sich das gedacht hat: Der kleine Oleg (Cameron Bright), bester Freund seines Ziehsohnes Nicky und Misshandlungsopfer, klaut die Pistole, um damit seinen Peiniger zu erschießen. So macht sich Joey auf die Suche nach der Waffe, die gleichzeitig auch eine Suche nach Oleg ist, der von einer Gefahr in die nächste tappt …

Erst die Endcredits rücken das vorige Geschehene in Perspektive: In düsteren Bildern wird die Nähe der Handlung zu populären Märchen hergestellt. Leider sucht man diese Nähe während des Films vergeblich, weil Wayne Kramer ganz den Möglichkeiten der intensified continuity und dem fragwürdigen Charme des Schmutzes und der Gewalt erliegt, er mit dem Hammer inszeniert, wo eine elegante Federführung notwendig gewesen wäre. So unterscheidet sich RUNNING SCARED leider nur wenig von anderen modernen Krawallbrüdern, die das stilistische und inhaltliche Repertoire des Actionfilms auf markige Sprüche, coole Typen und überzogene Gewalttaten reduzieren und die Möglichkeiten des Genres somit noch nicht einmal ansatzweise ausschöpfen. Die Figuren in RUNNING SCARED sind zwar als Typen angelegt, was zwar ihre schreckliche Eindimensionalität entschuldigt, nicht aber, dass sie dem Zuschauer schon nach kurzer Laufzeit vollkommen egal sind. Die Hatz nach der Waffe, die auf eine Laufzeit von zwei Stunden aufgebläht sowieso nur leidlich spannend ist, wird so zur echten Belastungsprobe für das Sitzfleisch. Dennoch lässt sich Kramers Film hier und da Positives abgewinnen, was – wen wundert es – vor allem der Ästhetik des Films zuzurechnen ist. Gerade in der rasanten Exposition gibt es ein paar schöne Einfälle und Effekte zu beobachten, mit denen Kramer dann aber so inflationär umgeht, dass sie sich schnell abnutzen und man froh ist, wenn RUNNING SCARED wieder etwas bodenständiger wird. Das Programm des Films ist klar: Die Welt des Verbrechens unterscheidet sich aus der Perspektive eines Kindes nicht von  der Welt der Märchen, in denen der böse Wolf hinter jedem Baum lauert und kinderfressende Hexen sich gierig die Lippen lecken. In RUNNING SCARED wird diese Allegorie aber auf die denkbar platteste Weise abgehandelt und bietet lediglich den Vorwand für abgeschmackte Klischees. Nun muss ich einschränkend und abschließend sagen, dass Kramers Film ist für mich nicht die Katastrophe ist, die mir manche Freunde prophezeit haben – die Szene mit den beiden Pädophilen etwa fand ich mit am gelungensten, weil Kramer hier tatsächlich einmal so etwas wie Subtilität walten lässt und sich nicht kreischend im Dreck suhlt (vielleicht durfte er auch einfach nicht) -, die Neuerfindung des Kinos, die Kollege Tarantino vom Cover aus beschreit und damit erneute Belege für seinen angeschlagenen Geisteszustand liefert, ist RUNNING SCARED aber ganz gewiss nicht – Gott bewahre, wenn dem so wäre. So bleibt letztlich nur eine Frage: Was hat Kramer, der doch vor ein paar Jahren mit THE COOLER immerhin einen wenn schon nicht wirklich guten, so doch immerhin recht sympathischen Film gedreht hat, dazu bewogen, RUNNING SCARED zu drehen, der doch ein recht typischer Vertreter des neumodischen Proletenkinos und damit das komplette Gegenteil von THE COOLER ist? Vielleicht muss man einfach Tarantino sein, um seine Brillanz zu erfassen. Ohne mich.

spartan (david mamet, usa/deutschland 2004)

Veröffentlicht: September 26, 2008 in Film
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Die unter ständiger Beobachtung des Secret Service stehende Tochter des Präsidenten, Laura Newton (Kristin Bell), verschwindet durch eine Unachtsamkeit eines zuständigen Beamten. Um eine nationale Krise zu vermeiden, wird der Spec-Ops-Agent Scott (Val Kilmer) beauftragt, das Mädchen wiederzufinden. Die Spur führt ihn zu einem internationalen Mädchenhändler-Ring, der aus Dubai heraus operiert und offensichtlich gar nicht weiß, wer ihm da in die Fänge geraten ist. Als sich Scott und seine Männer darauf vorbereiten, das Hauptquartier der Verbrecher zu stürmen, erhalten sie die Nachricht, dass man Lauras Leiche in den USA geborgen habe …

David Mamet hat sich seinen Ruf vor allem als Playwright und Drehbuchautor erarbeitet. Seine Dialoge sind gefeierte Beispiele der Gegenwartsliteratur und sein Stammschauspieler William H. Macy sagt in einem Interview, dass jeder Schauspieler es liebt, seine Zeilen zu sprechen. Sie seien schwierig zu meistern, aber wenn man den Bogen einmal raus habe, sei es als steuere man ein irrsinnig schnelles Rennauto. Mamet als Regisseur eines – im weitesten Sinne – Actionfilms zu sehen, erscheint auch wegen dieser Qualifikation erst einmal ungewöhnlich, geht es in diesem Genre doch in erster Linie um – man höre und staune – Aktion und weniger um das gesprochene Wort. Nach SPARTAN muss man jedoch erkennen, dass es gerade Mamets Spezialtalent ist, dass aus seinem Film einen der herausragenden Genrebeiträge der letzten Jahre macht und dem in die Jahre gekommenen Genre neue Impulse gibt. Dazu muss man wissen, dass Mamet Sprache und Dialoge selten einsetzt, um Informationen zu geben. Während Charaktere in anderen Filmen sich ständig mit Namen ansprechen, um sich vorzustellen, offenbaren, was sie gerade denken, tun oder zu tun gedenken, benutzt Mamet Dialoge zur Charakterisierung und zur Schaffung von Atmosphäre. Die ersten zwanzig Minuten von SPARTAN stellen deshalb eine echte Herausforderung dar: Fachsprache, technischer und sozialer Code etablieren die abgeschlossene Gesellschaft der Geheimdienste und den isolierten Charakter Scotts, doch was eigentlich passiert, muss sich der Zuschauer selbst erarbeiten und hechelt dem Geschehen erst einmal hinterher. So geht SPARTAN von Anfang an ein enormes Tempo, ohne sich in spektakulären Set-Pieces zu ergehen.

Das ist aber nur eine Fassette dieses grandiosen Films. Auf der Inhaltsebene wirft Mamet einen unglaublich desillusionierten Blick auf die Machenschaften der Geheimdienste und der Politik, in deren Dienst sie stehen. Scotts Handeln wird nicht geschönt, aber hinter seiner eiskalten Fassade sehen wir den Mann, der letztlich nur tut, was getan werden muss. Wir können froh sein, dass uns diese Welt vollkommen fremd bleiben wird. Wie perfide, rücksichts- und skrupellos die Geheimdienste aber wirklich vorgehen, bleibt lange im Verborgenen. Die schreckliche Wahrheit hinter dem „Unfall“ der Entführung kommt erst nach und nach ans Licht und überrumpelt den Zuschauer förmlich. Es ist einer der vielen Leistungen Mamets, wie es ihm gelingt, den Zuschauer im Unklaren zu lassen, ohne ihn zu „verarschen“, ihm entscheidende Informationen vorzuenthalten. Wie Ebert sehr treffend über Mamets Manipulationsstrategien schreibt: „In his plots, the left hand makes a distracting movement, but you’re too smart for that, and you quick look over at the right hand to spot the trick, while meanwhile the left hand does the business while still seeming to flap around like a decoy.“ Besser kann ich es auch nicht erklären, aber es ist einer der Freuden bei der Betrachtung von SPARTAN, dass man bald erkennt, es mit einem Werk zu tun zu haben, dass einem immer einen Schritt voraus ist, auch wenn man meint, mit ihm auf Augenhöhe zu sein oder es gar durchschaut zu haben.

Schließlich ordnet sich SPARTAN wie schon erwähnt auch noch in den Actionfilm ein und auch hier leistet er seinen Beitrag, das Genre voranzubringen: Val Kilmers Scott ist ein Profi, ein Mann, der sich daran gewöhnt hat, äußerst schmutzige Arbeit zu erledigen, um damit noch größere Schweinereien zu verhindern. Es ist kein Job, auf den er stolz ist, aber einer, der erledigt werden muss. Und ja: Scott ist gut, in dem, was er tut, ohne sich allzugroßen Illusionen hinzugeben. Ein Held ist er nicht und noch weniger wird er als Sympath gezeichnet, im Gegenteil. „If I wanted camaraderie, I would’ve joined the masons.“ sagt er schonungslos direkt zu einem jungen Rekruten, der die Nähe zu seinem Ausbilder sucht, einem anderen Agenten haut er ohne zu zögern in die Fresse, um ein Geständnis aus ihm herauszupressen. Ja länger SPARTAN dauert, umso mehr wird aber deutlich, dass Scott keineswegs der Macher und Entscheider ist, als der er zunächst präsentiert wird, sondern auch nur eine Schachfigur in dem Spiel ungleich mächtigerer Männer. So steht er plötzlich selbst auf der falschen Seite und muss feststellen, dass die Ideale, die er zu vertreten glaubte, nur so lange Gültigeit besitzen, wie sie bequem sind. Wenn es darauf ankommt, dann wird auch er eiskalt aus dem Weg geräumt werden. SPARTAN räumt ziemlich auf mit dem Glauben, der einfache Fußsoldat (Scott bezeichnet sich selbst immer wieder als „worker bee“) sei nur ein Befehlsempfänger und -ausführer, der sich nicht die Frage nach der Moral stellen müsse. Der Begriff „cockeyed“ spielt eine wichtige Rolle in Mamets Film: Er beschreibt einen verqueren, schiefen Blick auf die Welt, der jedoch gerade deshalb in der Lage ist, die Missstände zu enttarnen, durch den bullshit hindurch auf die Wahrheit zu sehen. Laura hat diese Fähigkeit, weil sie als Tochter des Präsidenten hautnah miterlebt hat, das auch die Blutsverwandtschaft nichts wert ist, wenn es um große politische Zusammenhänge und um das große Geld geht. Scott muss erst von ihr lernen, die Welt so zu sehen, denn er ist in den Codes seiner Zunft gefangen, die ihm die Sicht verstellen.

Zu Beginn fällt der Blick der (großartigen) Kamera auf drei Schilder, die in einem Spec-Ops-Ausbildungslager hängen. Auf diesen steht: „Welcome to the precinct of pain.“ “ A goddess lives here.“ „Her name is victory.“ Zu Beginn hat Scott eine sehr klare Vorstellung davon, was dieser „Sieg“ bedeutet. Am Schluss von SPARTAN weiß er, dass er sich geirrt hat. Aber dafür hat er einen größeren Triumph erlangt: Wahrheit.

Henry Holland (Alec Guinness) verrichtet seit 20 Jahren gewissenhaft und routiniert seinen Job – er bewacht den Transport von Goldbarren zur britischen Landesbank -, ohne dabei einmal negativ aufgefallen zu sein. Er ist der Prototyp des Durchschnittsbürgers und sein Chef sagt von ihm, er habe weder Fantasie noch Ehrgeiz. Aber er irrt: Denn hinter der braven bürgerlichen Fassade steckt ein kriminelles Mastermind, das all die Jahre auf einen geeigneten Moment gewartet hat, zuzuschlagen. Und der Moment ist gekommen, als Holland den Kunsthandwerker Alfred Pendlebury (Stanley Holloway) kennen lernt, der Eiffelturm-Modelle aus Blei gießt …

Die Ealing Studios aus dem gleichnamigen Londoner Stadtteil machten sich in den späten Vierziger- bis in die mittleren Fünfzigerjahre einen Namen mit einigen im Arbeitermilieu angesiedelten Komödien, den Ealing Comedies, zu denen eben auch THE LAVENDER HILL MOB zu zählen ist. Wie auch in den ähnlich gelagerten THE MAN IN THE WHITE SUIT oder THE LADYKILLERS stehen im Mittelpunkt die Versuche eines oder mehrerer Protagonisten, aus der Masse des Mittelmaßes auszubrechen, der sie eigentlich unverdienterweise zugehörig sind. Aber ihr (Klassen)Kampf ist weder von Zorn noch von Selbstmitleid geprägt: Holland und Pendlebury verrichten ihren Coup mit der fleißigen Disziplin, die sie auch für ihre Arbeit aufbringen, beweisen aber dabei einen Einfallsreichtum, eine Risikobereitschaft und Flexibilität, die ihnen ihre Vorgesetzten niemals zutrauen würden. Es geht in THE LAVENDER HILL MOB genauso wenig um die Beute wie es in THE MAN WITH THE WHITE SUIT um den Anzug geht: Letztlich wichtig ist die Energie, die freigesetzt wird, wenn die Otto-Normalverbraucher ihre Pläne schmieden und in die Tat umsetzen oder sie sich vollkommmen in ihrer Arbeit verlieren. Diesen Kontrast zwischen dem lähmenden Alltag und dem Rausch des Abenteuers arbeitet Crichton – seine letzte Regiearbeit war A FISH CALLED WANDA – mit tatkräftiger Unterstützung von Alec Guinness meisterlich heraus. Auf der Straße verschwindet Guinness‘ Holland geradezu im nicht enden wollenden Strom der working men, aber sobald der Entschluss gefasst ist, zuzuschlagen, blitzt es gefährlich aus seinen Augen, ist der einst unscheinbare Mann kaum noch wiederzuerkennen. Am eindrücklichsten entäußert sich das Rauschhafte ihrer neuen kriminellen Tätigkeit in der wunderbaren Eiffelturm-Sequenz: Holland und Pendlebury müssen eine Gruppe von englischen Schülerinnen aufhalten, nur befinden sich diese bereits im Fahrstuhl nach unten. Für die beiden Gauner bleibt nur die Wendeltreppe. Eine denkbar ungewöhnliche Verfolgungsjagd entbrennt, in der das zu verfolgende Objekt gar nicht mehr so wichtig scheint. Das Bild dreht sich wortwörtlich um die beiden Protagonisten, zieht den Zuschauer gleich mit in diesen Wirbel. THE LAVENDER HILL MOB zelebriert das Recht des kleinen Mannes auf das große Abenteuer, preist seinen Mut, alles aufs Spiel zu setzen für den einen Moment, in dem plötzlich alles Sinn zu ergeben scheint, in dem er aufgeht. Das Bemerkenswerte an Crichtons Film ist, dass er diese Botschaft ohne falsches Pathos oder aufdringliche Emphasen schafft, er zwar große menschliche Wärme ausstrahlt, aber dennoch stets angenehm britisch-nüchtern und reserviert bleibt. Man sollte sich nämlich auch keine falschen Hoffnungen machen: Nach dem großen Abenteuer schlägt die Realität irgendwann wieder zu und legt einem die Fesseln an. Der Ausbruch ist nur von kurzer Dauer. Aber das Lächeln, das Holland am Ende auf dem Gesicht trägt, hält ewig.

Durch Zufall wird Privatedetektiv wider Willen Nick Charles (William Powell) in einen neuen Fall hereingezogen: Eigentlich wollte er etwas Geld auf der Rennbahn verwetten, stattdessen wird er zur Lösung eines Mords an einem Jockey herangezogen. DIeser sollte eigentlich gegen die Wettmafia aussagen, sodass zumindest das Motiv klar scheint.  Wenig später gibt es die nächste Leiche im Büro des Glücksspiel-Paten Stephens: ein Doppelmord?

Der vierte Teil der THIN MAN-Reihe gewinnt, weil er als erster Teil der Reihe seine Verfasstheit als Sequel mitsamt der inhärenten Beschränkungen akzeptiert. Die Krimihandlung wird so konsequent wie in keinem der Vorgänger verfolgt, zum ersten Mal werden alle für die Lösung des Whodunits relevanten Fakten offen ausgebreitet. Paradoxerweise gelingt es Van Dyke gleichzeitig besser als im direkten Vorgänger, die Beziehung zwischen Nick und Nora wieder mehr in den Fokus zu rücken. Der Wortwitz sprüht und Myrna Loy hat einige wunderbare Szenen abbekommen, so z. B. jene, als sie ihren wenig begeisterten Nick beim Besuch eines Wrestling-Matches vor lauter Eifer in den Schwitzkasten nimmt oder sich beim auf der Matte liegenden Catcher persönlich verabschiedet mit dem Wunsch, dass dieser sich doch aus seiner misslichen Lage befreien können möge, worauf der bärtige Koloss brav antwortet: „Thank you, Mam.“ Außerdem wird Nicks Vaterschaft für ein paar kleine amüsante Anekdötchen genutzt: So sieht sich Nick auf dem Karussell dem Spott der anderen Kinder ausgesetzt, weil er sich weigert auf einem bereitstehenden Holzdrachen Platz zu nehmen. Das kann der Gentleman natürlich nicht auf sich sitzen lassen, was dann Anlass für eine von Powell gewohnt subtil umgesetzte Darbietung ist. Es gibt viele solcher kleinen Episoden, die SHADOW vielleicht etwas beliebig machen, ihm aber auch zu großer Kurzweil verhelfen. Es passiert einfach immer etwas: Schön auch die gewaltige Kneipenschlägerei, die Hund Asta verursacht, als sie dem schwer beladenen Kellner zwischen die Beine läuft. Auch wenn es also kleinere Kurskorrekturen gibt, im Grunde ist sich Van Dyke treu geblieben. Am Ende, wenn Nick alle Verdächtigen um sich versammelt, um in einer Demonstration seines Scharfsinns den Täter zu entlarven, fühlt man sich sofort wieder zu Hause. Ein schöner, leichter Film, der mir etwas besser gefallen hat als der dritte Teil.

the condemned (scott wiper, usa 2007)

Veröffentlicht: September 24, 2008 in Film
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Der Fernsehproduzent Ian Breckel (Robert Mammone) will mit seiner neuesten, direkt live ins Web übertragenen Show alle Zuschauerrekorde sprengen: Auf einer kleinen Insel im indischen Ozean setzt er zehn hochgradig gefährliche Schwerverbrecher aus, die er aus den Todeszellen dieser Welt freigekauft hat. Einer dieser Todgeweihten soll nach Ablauf von 30 Stunden die Freiheit geschenkt bekommen, aber nur, wenn es ihm gelingt, als letzter Überlebender übrig zu bleiben. Die Show entwickelt sich tatsächlich zum Erfolg, aber nicht alle sind begeistert …

Inhaltlich erinnert THE CONDEMNED zunächst an eine Mischung aus CON AIR (die bunte Ansammlung brutaler Gewaltverbrecher) und BATTLE ROYALE (Setting und Plot), die sich aber im Verlauf ihrer Spieldauer immer mehr vom bloßen Actioner in ein medienkritisches Drama verwandelt. Zu Beginn spielt Regisseur Wiper ganz das zynisch-widersprüchliche Potenzial seines Films aus: Wir schauen einem Spektakel zu, dass innerhalb des Films als verbrecherisch und inhuman verurteilt wird, und machen uns somit mitschuldig. In der ersten halben Stunde lebt THE CONDEMNED ausschließlich von dieser an Deodatos CANNIBAL HOLOCAUST erinnernden Provokation, die er aber immer mitreflektiert. Danach beginnt Wiper aber den Fokus seiner Betrachtungen auszuweiten: Das Gerangel auf der Insel gerät zunehmend in den Hintergrund – nicht zuletzt, weil die Kandidaten das Spiel nicht mehr so spielen, wie es der Erfinder im Sinne hatte – während die Ränder des Geschehens ins Blickfeld treten: Der „Held“ des Films, der Amerikaner Conrad (Wrestler „Stone Cold“ Steve Austin), erhält eine Vergangenheit samt einer ihn suchenden Ehefrau; eine toughe Reporterin schickt sich an, Breckel und seine menschenverachtende Show bloßzustellen; das FBI interessiert sich plötzlich ebenfalls für die Sendung und in Breckels Team bahnt sich eine Meuterei an. Diese Handlungserweiterung verwässert zwar das skandalöse Potenzial von THE CONDEMNED, sorgt aber auf der anderen aber für die emotionale Involvierung des Zuschauers, der hier eben nicht nur irgendwelchen Comicfiguren zusieht, sondern zunehmends gewahr wird, es mit Menschen zu tun zu haben. Wipers Film ist nicht immer stilsicher und auch nicht immer besonders clever: Seinen Tiefpunkt erreicht er, wenn er die Reporterin nach dem vermeintlichen Ende der Show eine flammende Rede auf den Humanismus halten lässt und dazu die bedröppelten Gesichter der Zuschauer einfängt, die eben noch mitgegröhlt haben. Trotzdem gelingt ihm die Gratwanderung zwischen Medienkritik und Scheinheiligkeit ganz gut und vielleicht ist es sogar sein ausgesprochener Clou, dass er das Terrain des „Gewaltfilms“ nach turbulentem und brutalem Auftakt mehr und mehr verlässt.