L’AMOUR EN FUITE, der letzte Film des Antoine-Doinel-Zyklus, ist ein streitbarer Film, dem man anmerkt, dass Truffaut sein Experiment nur noch zu einem Abschluss bringen wollte. Wie er in dem Interview sagt, das im Bonusmaterial der DVD enthalten ist, betrachtete er sein Experiment, eine Filmfigur über 20 Jahre zu beobachten und sie darüber für den Zuschauer zu einem echten Menschen zu machen, als gescheitert. Sein Doinel war in seinen Augen kaum mehr als eine Comicfigur, die sich durch einige überzeichnete Eigenschaften auszeichnete, aber ansonsten leer blieb. Eine übermäßig harte Einschätzung, auch wenn sie im Kern richtig ist. L’AMOUR EN FUITE wirkt dann auch wie eine Pflichtübung, so als habe sich Truffaut nur noch ein Problem vom Hals schaffen wollen, ohne jedoch seine Skrupel, sein Schuldgefühl gegenüber seiner Schöpfung völlig ablegen zu können. Das macht L’AMOUR EN FUITE letztlich – trotz des teilweise fühlbaren Desinteresses, des spürbaren Unwillens, der Distanz des Regisseurs zu seiner Schöpfung – zu einem ungemein menschlichen Film, der belegt, was für ein besonderer Filmemacher Truffaut tatsächlich war, was Film ihm bedeutete. Truffaut erlöst seinen Protagonisten, ermöglicht ihm die Selbsterkenntnis, die er braucht, um auf eigenen Füßen stehen, ein Leben ohne ihn führen zu können. Dazu führt er ihn noch einmal mit verschiedenen Charakteren der ersten Filme zusammen, die, mittlerweile selbst gereift bzw. gealtert, Antoine gegenüber ihre Einschätzung von ihm abgeben, ihm erklären, wieso sie sich ihm gegenüber so verhielten, wie sie das taten, oder ihn mit anderen neuen Erkenntnissen konfrontieren. Und so wie Antoine im Verlauf des Films und seiner Episoden mehr und mehr ein Licht aufgeht, so setzen sich die einzelnen Segmente auch für den Zuschauer zu einem Ganzen zusammen, erhalten Szenen aus früheren Filmen plötzlich einen neuen Sinn, erscheinen in einem andere Licht.
Nach der Leichtigkeit der ersten Einträge in den Doinel-Zyklus verwundern, ja irritieren die deutlich sichtbaren Schwierigkeiten Truffauts. L’AMOUR EN FUITE ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern nur aus dem Zusammenhang heraus zu begreifen, ein Epilog, der für sich allein genommen kaum eigenen Wert hat. Formal und als Experiment ist er natürlich trotzdem interessant, aber seinen größten Reiz erlangt der Film aus seinem Scheitern heraus, das man nur verstehen kann, wenn man die Beziehung zwischen Truffaut und seinem Antoine Doinel kennt und die Filme gesehen hat, die aus dieser entstanden sind. Man muss Doinel verstehen, um seine Geschichte zu verstehen.
Archiv für März, 2009
l’amour en fuite (francois truffaut, frankreich 1979)
Veröffentlicht: März 31, 2009 in FilmSchlagwörter:Francois Truffaut, Jean-Pierre Leaud, Komödie, Liebesfilm, Nouvelle Vague
fantasy filmfest nights 2009 Vol. 2
Veröffentlicht: März 27, 2009 in Film, Zum LesenSchlagwörter:Ökothriller, Drama, Fantasy Filmfest Nights, Horror, Jamie Blanks, Jim Caviezel
Fantasy Filmfest Nights 2009
Veröffentlicht: März 26, 2009 in Film, VeranstaltungenSchlagwörter:Action, Dennis Quaid, Fantasy Filmfest Nights, Horror, John Harrison, Jonas Akerlund, Kim Jee-Woon, Komödie, Monsterfilm, Mystery, Südkorea, Serienmörder, Splatter, Thriller, Tommy Wirkola, Tony Wilkins, Western, Zombies
Horsemen (USA 2009)
Regie: Jonas Akerlund
Michael Bays Produktionsfirma Platinum Dunes produziert offensichtlich für den DVD-Markt und die Videotheken. Das Schlimme an diesem Serienkillerfilm ist nicht, dass er generisch und derivativ ist, sondern dass Bay anscheinend nach einem Patentrezept für generische und derivative Filme produziert. An HORSEMEN gibt es nichts, das auch nur annähernd auf ein ernsthaftes Interesse der Macher an ihrem Produkt schließen ließe, noch auch nur auf den Funken einer eigenständigen Idee.
Dead Snow (Norwegen 2009)
Regie: Tommy Wirkola
Der Funsplatter-Film ist das Äquivalent zu Heimatfilm und Volksmusik: Es ist nur dazu da, seiner Zielgruppe das Gefühl von Vertrautheit zu geben. Mit BRAINDEAD wird ein Film hofiert, der mittlerweile auch fast 20 Jahre auf dem Buckel hat und von dem man damals (leider) zu Unrecht behauptet hat, er sei der konsequente Schlusspunkt unter ein Subgenre. Im Gegenteil: Er dient immer noch als oberste Inspirationsquelle für Filmemacher (und Fans), für die Stillstand eine Tugend ist. Das Gegröhle im Kino und das monotone Mitklatschen im Musikantenstadl: Sie sind verschiedene Ausprägungen derselben Geisteshaltung. Fanboys, ich hasse euch!
Franklyn (Großbritannien 2009)
Regie: Gerald McMorrow
Das Bedürfnis, aus der Masse herauszustechen, treibt manchmal komische Blüten. Zum Beispiel in diesem eigentlich recht schönen Debütfilm, der daran krankt, dass man den Eindruck erhält, der Regisseur meine, etwas beweisen zu müssen. Etwas weniger verschwurbelt for its own good und FRANLYN hätte richtig gut sein können. So darf man auf den nächsten Film McMorrows gespannt sein, in dem er dann hoffentlich nicht mehr jede Idee unterbringt.
My Bloody Valentine 3D (USA 2009)
Regie: Patrick Lussier
Eine schlechte Idee (= das Remake eines seinerseits schon unoriginellen Kopisten eines Erfolgsrezept, das auch beim ersten Mal schon nicht besonderns originell war) wird auch dadurch nicht besser, dass man sie in 3D präsentiert. Nur die Augen tun mehr weh.
Deadgirl (USA 2008)
Regie: Marcel Sarmiento, Gadi Harel
Einer von zwei guten Filmen bei den diesjährigen Nights. Eine Prämisse, die bescheuert klingt, aber dann doch perfekt funktioniert, eine konzentrierte Umsetzung, die sich überflüssigen Firlefanz erspart, eine Aussage, die trifft, ohne dass sie sich aufdrängt. So muss gutes Genrekino aussehen.
Splinter (USA 2008)
Regie: Tony Wilkins
So hingegen nicht. Welchen Sinn hat Monster- und Effektkino, wenn man Monster und Effekte „dank“ miserabler Bildführung und elender Wackelkamera gar nicht erkennen kann? Da helfen auch die guten Darsteller und der Verzicht auf Debilhumor, den man sonst aus dem Genrekino kennt, nichts.
The Good The Bad The Weird (Südkorea 2008)
Regie: Kim Jee-Woon
Über 90 Minuten ist Kims stilistische Brechstangenmethode toll anzusehen, großes Adrenalinkino. Dumm nur, dass sein Film 140 Minuten dauert. Lieber nochmal Sergio Leones Original schauen und sich zeigen lassen, dass Stil und Design eben doch zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Erster Merksatz für Actionregisseure: Bewegung ist relativ.
Book of Blood (Großbritannien 2008)
Regie: John Harrison
Aus Kurzgeschichten entstehen nur selten richtig gute Filme. BOOK OF BLOOD (nach Clive Barker) belegt dies perfekt: insgesamt nicht schlecht, recht ernst und durchaus atmosphärisch, aber zäh wie ein Kaugummi. Und als wollte er dieses Manko zum obersten Struktur- und Stilprinzip erheben, versäumt er gleich mehrfach den richtigen Zeitpunkt für das Ende.
Long Weekend (Australien 2008)
Regie: Jamie Blanks
Der beste Film des Festivals: spannend, zermürbend, vielschichtig, unvorhersehbar, beklemmend. Nach STORM WARNING mausert sich Blanks langsam aber sicher zum Spezialisten für dysfunktionale Mann-Frau-Beziehungen. Wer hätte das nach URBAN LEGENDS für möglich gehalten? Große Klasse.
tropic thunder (ben stiller, usa 2008)
Veröffentlicht: März 26, 2009 in FilmSchlagwörter:Action, Ben Stiller, Hollywood, Komödie, Kriegsfilm, Robert Downey jr.
Zweitsichtung. Filmforen-User The Critic warf diesem Film einmal vor, dass er sich gegen alle Seiten absichere. Dieser Vorwurf ist verständlich: Ben Stiller versammelt Stars vom Kaliber eines Tom Cruise, Robert Downey jr., Jack Black oder Matthew McConaughey um sich, um ein großes Spekatkel zu inszenieren, in dem er nicht zuletzt die Eitelkeit, Verlogenheit und den Größenwahn der Traumfabrik und damit seines eigenen Arbeitgebers aufs Korn zu nehmen. Hollywood kritisiert Hollywood mit den Mitteln Hollywoods – man muss kein großer Denker sein, um das Problematik dahinter zu erkennen. Wer jedoch Heuchelei diagnostiziert, sitzt einem Trugschluss auf: nämlich dem Glauben, ein Objekt von einem archimedischen Punkt aus quasi-göttlicher Persektive kritisieren zu können. Insofern wird die Kritik von TROPIC THUNDER dadurch, dass sie vor sich selbst gar nicht haltmachen kann und dies auch nicht tut, nicht etwa abgeschwächt oder gar illegitim, sondern im Gegenteil nur schärfer. Wenn Downey jr. sich als eitler Kirk Lazarus einer Pigmentbehandlung unterzieht, um einen Schwarzen spielen zu können, und er diese Rolle auch dann noch weiterspielt, wenn die Kamera gar nicht mehr läuft, ist dies eine scharfe Abmahnung der hollywood’schen Behandlung der afroamerikanischen Bevölkerung und auch ein bissiger (und überfälliger) Kommentar dazu, wie die weiße Mittelschicht „ihren“ Neger gern mag. Wenn sich der für die Quote des Films-im-Film gecastete Rapper Alpa Chino sich nicht nur als intelligentester des Casts entpuppt, sondern darüber hinaus auch noch als Homosexueller, der seine sexuelle Orientierung hinter dem Image des promiskuitiven Sexmonsters verstecken muss (inkl. Fitnessdrink „Booty Sweat“ und Schokoriegel „Bust-a-Nut“), ist dies der treffliche Konterpart, der die Kritik keinesfalls abschwächt, sondern sie nur erweitert. Dialoge wie der zwischen Stiller, dem abgehalfterten Actionstar Tugg Speedman, und eben Downey, in dem sie die Schwierigkeit diskutieren, geistig Behinderte darzustellen und die Konsequenzen einer solchen Darstellung auf die Academy, ist das nicht nur ein unfassbar böswitziger Moment: Er zeichnet sich gerade durch seine Ambivalenz aus, dadurch, dass er eben ganz unterschiedliche Parteien angreift. Die Zeit der einfachen Statements und der von moralisch sicherem Terrain aus geführten Bergpredigt ist vorbei. TROPIC THUNDER betreibt keinen Ausverkauf, wenn er seine Kritik publikumswirksam verpackt: Er wird umso schärfer. Tom Cruise, der als widerlich-großkotziger Produzent Les Grossman brilliert, verdichtet die Vielschichtigkeit der Kritik/des Humors von TROPIC THUNDER mit seinem finalen Tanz zu Ludacris‘ „Get Back“, der als paradigmatisch für Stillers Methode gelten darf. Man kann TROPIC THUNDER durchaus lediglich als alberne Komödie und (gelungenen) Partyfilm rezipieren und dabei einen Heidenspaß haben. Aber dann verpasst man die Hälfte. Intelligenteres Mainstreamkino sucht man derzeit jedenfalls vergeblich.
der knochenmann (wolfgang murnberger, österreich 2009)
Veröffentlicht: März 20, 2009 in FilmSchlagwörter:Drama, Josef Hader, Komödie, Krimi, Wolfgang Murnberger
Der dritte Film um den Ex-Polizisten/Detektiv Brenner (Josef Hader) aus Wolf Haas‘ brillanten Romanen ist wieder einmal ein schmerzhafter Beleg dafür, dass selbst ein Filmzwerg wie Österreich dem deutschen Kino in Sachen Originalität, Mut, Witz und Intelligenz meilenweit voraus ist. Basierend auf einem gemeinsam mit Haas verfassten Drehbuch ist es gelungen, den Stoff adäquat umzusetzen, ohne dabei eine langweilige und letztlich sinnlose Eins-zu-eins-Kopie des Buches oder aber ein mit diesem nur noch den Namen teilendes Cash-in zu produzieren. DER KNOCHENMANN geht, was die Handlung betrifft, eigene Wege, teilt mit dem Roman aber die staubig-morbide Stimmung und den lakonischen Humor. Schlüssel zum Erfolg ist sicherlich Haders Interpretation des Brenner, einem Gegenwarts-Marlowe, der dessen verruchten Glamour in die triste Realität überführt und damit einen der sympathischsten und glaubwürdigsten Charaktere des neueren deutschsprachigen Kinos schafft. Gegenüber den Vorgängern, den auch schon famosen KOMM, SÜSSER TOD und SILENTIUM!, zeigt sich die neueste Adaption als noch etwas ambitionierter (abzulesen an der Länge von knapp zwei Stunden) und düsterer. Man liegt tatsächlich nicht so daneben, wenn man Murnberger attestiert, in punkto Atmosphäre und Intensität teilweise gar in die Nähe eines epochalen THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE zu gelangen. Wenn der Hähnchenwirt Löschenkohl (Josef Bierbichler, Hader in nichts nachstehend), von der verzweifelten Liebe zu einer Prostituierten getrieben, keine andere Möglichkeit sieht, als seine Feinde durch den Fleischwolf zu jagen, dann eröffnet sich eine menschliche Dimension hinter seinen Verbrechen, die frösteln macht. DER KNOCHENMANN gelingt somit das, was all den sich an realen Gräueltaten orientierenden Filmen, die letztlich doch nur auf die Sensationsgeilheit ihres Publikums schielen, vollkommen abgeht: Nämlich durch künsterische Arbeit ein Verständnis für die Abgründe des menschlichen Daseins zu ermöglichen. (Ich sage das natürlich vor dem Hintergund, dass in der Berichterstattung über den Fritzl-Fall schon jetzt die Rede von einer möglichen Verfilmung ist.) Wenn man überhaupt etwas Negatives über DER KNOCHENMANN sagen kann, dann dass er sich gegen Ende etwas in der Zusammenführung der einzelnen Subplots verzettelt: Wäre Murnbergers Film vielleicht zehn Minuten kürzer, er wäre perfekt. Aber auch so gilt aber: Anschauen! Und am besten danach in sämtliche sechs Brenner-Romane kaufen.
allan quatermain and the lost city of gold (gary nelson, usa 1986)
Veröffentlicht: März 15, 2009 in FilmSchlagwörter:Abenteuer, Achtzigerjahre, Cannon, Fantasy, Gary Nelson
Allan Quatermain (Richard Chamberlain) und seine Verlobte Jessie (Sharon Stone) stecken mitten in den Vobereitungen für ihre Hochzeit in den USA, da stürzt ein Freund schwer verletzt zur Tür herein und bringt schlechte Nachrichten von Quatermains Bruder Robeson. Dem scheint auf einer Expedition nämlich etwas zugestoßen zu sein. Quatermain begibt sich zusammen mit Jessie, dem tapferen Krieger Umslopogaas (James Earl Jones) und dem indischen Seher Swarma (Robert Donner) auf die Spur des Bruders und findet diesen in einer legendären Stadt aus Gold, dessen friedliche Bewohner von dem bösen Priester Agon (Henry Silva) gebeutelt werden.
Viele der Schwächen des ersten Teils merzte BLACK HOLE-Regisseur Gary Nelson für sein Sequel aus: Sein Film verfügt über eine richtige Dramaturgie und besser ausgearbeitete Charaktere. Trotzdem fällt er weit hinter seinen Vorgänger zurück. Wo Thompson mit Verve und einer diebischen Freude am Blödsinn inszenierte und so die konzeptionellen und finanziellen Limitierungen seines Filmes auffing, mutet ALLAN QUATERMAIN AND THE LOST CITY OF GOLD gerade deshalb müde und blutleer an, weil er sich für Quatsch zu fein ist. Doch für einen ernstzunehmenden Abenteuerfilm ist die Story einfach viel zu blöd: Die Utopie um die verlorene Stadt, deren blonden Einwohnern die Sonne förmlich aus dem Arsch scheint, obwohl sie von einem schlecht frisierten Henry Silva unterjocht werden, stinkt einfach zum Himmel und weil sie außerdem mit der Brechstange in das letzte Drittel des Films gequetscht wurde, machte sich bei mir große Konfusion breit. Nach munterem Auftakt war ich am Ende eher froh darüber, dass der Film vorbei war. Schade, denn hier war durchaus Potenzial für mehr da.
king solomon’s mines (j. lee thompson, usa 1985)
Veröffentlicht: März 15, 2009 in FilmSchlagwörter:Abenteuer, Achtzigerjahre, Cannon, Fantasy, J. Lee Thompson
Der Abenteurer Allan Quatermain (Richard Chamberlain) wird von der Archäologiestudentin Jessie Huston (Sharon Stone) beauftragt, ihren Vater, einen berühmten Archäologen, aufzuspüren, der während seiner Forschungen in Afrika verschwunden ist. Es stellt sich heraus, dass er die sagenumwobene Schatzkammer des Königs Salomon gefunden hat und in die Hände des türkischen Ganoven Dogati (John Rhys-Davies) und des deutschen Colonel Bockner (Herbert Lom) gefallen ist, die beide sehr am Schatz des Königs interessiert sind. Ein Wettlauf beginnt …
KING SOLOMON’S MINES lässt sich als Versuch der Produktionsfirma Cannon beschreiben, großes Familienkino zu machen. Auf Basis der literarischen Vorlage, eines klassischen britischen Abenteuerromans von H. Rider Haggard, inszenierte Cannon-Hausregisseur Thompson einen Film, dessen große Vorbilder, Spielbergs INDIANA JONES-Filme, immer wieder um die Ecke lugen, und der mit Chamberlain einen Star aufzuweisen hatte, der sich nach den megaerfolgreichen TV-Mehrteilern SHOGUN und THE THORN BIRDS nun auch im Kino als Publikumsmagnet erweisen sollte. Die Rechnung ging finanziell wie so oft nur bedingt auf, nicht zu leugnen ist aber, dass KING SOLOMON’S MINES ein amüsantes Spektakel geworden ist, das von seinen gelegentlichen Unzulänglichkeiten sogar profitiert. Den Charakter der Kinoserials der Dreißigerjahre, denen Spielberg mit seinen Filmen Tribut zollen wollte, trifft Thompson zumindest strukturell fast noch besser: KING SOLOMON’S MINES lässt eine den Film überspannende Dramaturgie fast vollkommen vermissen, präsentiert sich als eineinhalbstündige Abfolge von Set Pieces, die von einer Minihandlung notdürftig zusammengehalten werden. Wären alle Episoden so gut gelungen wie der Auftakt, einer Hatz durch das Sklavenhändlernest Tongola, an Thompsons Film gäbe es nichts zu bekritteln, doch leider geht dem Film gegen Ende etwas die Puste aus. Die gegenüber dem Vorbild deutlich geringeren finanziellen Mittel fordern ihren Tribut und die finale Enthüllung der legendären Schatzkammer des Königs darf durchaus als Enttäuschung und Antiklimax bezeichnet werden. Letztlich ist KING SOLOMON’S MINES aber ein herrlich naives Vergnügen: Vor allem Herbert Lom als aufgeblasener, Knackwurst essender und Wagner hörender Popanz ist herrlich und die vielen, vielen heute sehr fadenscheinig wirkenden Effekte entführen in eine Zeit, als das Kino vielleicht zum letzten Mal noch ein Ort war, an dem man sich „bezaubern“ ließ und dem man nicht total abgeklärt gegenüberstand.
L’amour l’aprés-midi (eric rohmer, frankreich 1972)
Veröffentlicht: März 11, 2009 in FilmSchlagwörter:Drama, Eric Rohmer, Komödie
Frédéric (Bernard Verley) ist glücklich verheiratet mit Hélène (Francoise Verley), die gerade das zweite gemeinsame Kind erwartet, und auch beruflich erfolgreich. Als plötzlich und unvermittelt Chloe (Zouzou) in seinem Büro auftaucht, die Exfreundin eines ehemaligen Freundes, die er seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen hat, ist er zunächst vor allem verwirrt. Doch mit der steigenden Häufigkeit ihrer Besuche wächst auch sein Interesse an ihr …
Von den Rohmer-Filmen, die ich vor ungefähr einem Jahr gesehen habe, unterscheidet sich L’AMOUR vor allem darin, dass seine Hauptfigur in einer festen Beziehung steht und auch sonst seinen Platz im Leben schon gefunden zu haben scheint. Umso mehr werden Frédérics Grundfesten erschüttert als er bemerkt, dass er sich dem Reiz Chloes nicht entziehen kann, seine unzweifelhaft bestehende Liebe zu seiner Ehefrau ihn nicht davor schützt, auch von einer anderen Frau angezogen zu werden. Rohmers Film dreht sich unschwer erkennbar um die Unfähigkeit der Männer, sich der gesellschaftlichen Konvention der Monogamie vollständig zu unterwerfen, bzw. mit dem moralischen Dilemma, in das sie geraten, wenn sie bemerken, dass sie es nicht können. Frédéric lässt sich gern treiben: Er erklärt in für Rohmer typischen Monologen, wie sehr er es genießt, in den Fußgängerströmen von Paris zu verschwinden, Teil der Welle zu werden, sie aber immer auch wie ein Wellenreiter zu benutzen, um an sein Ziel zu gelangen. Während eines Einkaufsbummels, bei dem er einen Pullover sucht, lässt er sich von der Verkäuferin ein Hemd aufschwatzen, obwohl er gar keins haben will. Doch es sind längst nicht nur ihre Schmeicheleien, die ihn verleiten: Er kauft das Hemd, weil es ihm gefällt, seinen spontanen Neigungen nachzugeben, Dinge zu tun, die er nicht tun muss, die „unlogisch“ scheinen, keiner inneren Notwendigkeit folgen. Gern sieht er sich in seinen Tagträumen als Verkörperung des männlichen Prinzips, das er nur sehr unzureichend verkörpert: Eine seiner anhaltenden Fantasien dreht sich um ein Amulett, das ihn zur Ursache jedweder weiblichen Eigenschaft macht, ihn in die Lage versetzt, den Willen der Frauen komplett beugen zu können. Doch schon in diesen Träumen macht ihm eine Frau einen Strich durch die Rechnung, versagt das Amulett seinen Dienst und auch in der Beziehung zu Chloe gerät er, der erfolgreiche Geschäftsmann mit der adretten Ehefrau, dem Eigenheim und den zauberhaften Kindern, mehr und mehr in die Rolle des hilflosen Opfers. Zwar will er zunächst gar keine Liebschaft, doch als Chloe diesem „Wunsch“ von sich aus zu entsprechen scheint, fühlt er sich von ihr betrogen und wird eifersüchtig. Letztlich wird er von ihr in die Rolle des Liebhabers gezwungen, auch wenn das nicht unbedingt ihre Intention sein mag. Wie alle Rohmer-Charaktere Verfügt auch Frédéric über ein sehr genaues Wissen über seine inneren Wünsche, Bedürfnisse und Wertvorstellungen, doch entpuppt sich dieses vermeintlich objektive Wissen immer wieder als idealisiertes. Frédéric ist gleichzeitig mehr und weniger als das, was er von sich weiß. Das Leben bezieht seine Spannung letztlich daraus, dass man sich in seinen Einzelsituationen wie in einem Experiment immer wieder erproben muss. Nur sind die Voraussetzungen bei jedem Experiment andere.
L’AMOUR L’APRES-MIDI, der letzte Teil von Rohmers sechsteiligem Zyklus der „Moralischen Geschichten“, entstand ca. zehn Jahre vor dem von mir vor einem Jahr gesehenen, ebenfalls sechsteiligen Zyklus „Comedies et Proverbs“. Anders als jene funktioniert dieser Film stärker auf einer psychologischen Ebene: Die Dialoge, im Vergleich zu herkömmlichen (sprich: nicht-rohmerschen) Filmen immer noch ausschweifend, muten sparsamer und realistischer an, die Selbstbeobachtungen der Figuren sind weniger verquast und durch ihre partielle Verlegung auf die Voice-Over-Spur von ihrer Gespreiztheit befreit. Das macht L’AMOUR zunächst „leichter“, nachvollziehbarer, nimmt ihm aber auch einiges vom Zauber, den Filme wie LA RAYON VERT oder PAULINE A LA PLAGE versprühten. Im Vergleich zu jenen mutet dieser beinahe depressiv an: Die „Farben“ sind dunkel, es dominieren Erdtöne, ein Grauschleier liegt über dem ganzen Film und die wenigen Farbflecken, die hier vor allem der Garderobe Chloes zuzuordnen sind, scheinen vor dem Hintergrund der Narration eher wie eine Bedrohung als wie ein Zeichen von Lebenfreude. Überhaupt diese Chloe: Wenn sie zum ersten Mal auftritt, in einen eng anliegenden Rollkragenpullover und eine Jeans gekleidet, ihre prägnante, zwar sinnliche, aber auch irgendwie aggressive Physiognomie durch das ostentative Rauchen einer Zigarette noch unterstrichen, bekommt man beinahe Angst vor ihr. Ihre langsam voranschreitende Verwandlung zur verletzbaren Frau, die erst beginnt Damenblusen und dann schließlich Kleider zu tragen, bevor sie bei ihrem letzten Auftritt schließlich nackt in ihrem Bett liegt und Frédéric erwartet, zeichnet sie erst recht ambivalent: Sie ist bestimmt kein männermordender Vamp, aber gerade das unterstreicht die Gefahr, die von ihr für Frédéric ausgeht.
Wenn man sich über Rohmer unterhält, dann scheint selbst das größte Wohlwollen irgendwann auf inneren Widerstand zu stoßen: Rohmer, das ist der Inbegriff dessen, was gern peiorativ (und in vollkommener Unkenntnis) als „Franzosenkino“ bezeichnet wird. Seine Filme sind „Kunst“, sicherlich, aber damit geht eben auch einher, dass sie geschwätzig, sentimental, langweilig und eben nicht für jede Tageszeit, jede Laune geeignet sind. Mir sind seine Filme aber ganz im Gegenteil allesamt sehr gut „reingelaufen“: Ich habe sie nicht als schwierig empfunden und die meisten von ihnen haben einen durchaus bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie drängen sich mir immer wieder sehr lebhaft ins Gedächtnis. L’AMOUR hat mich nicht ganz so stark getroffen, vielleicht auch, weil er, wie schon erwähnt, thematisch etwas gewöhnlicher wirkt, leichter zuordenbar ist. Aber auch hier gibt es Momente, die schlicht wunderbar sind: das Amulett, das Hemd, Chloe im Badezimmer, das nackte Kindermädchen … Und letztlich ist es dieser unaufgeregte Rhythmus, der vorurteilsfreie und neugierige Blick des Regisseurs, der mich gefangen nimmt.
southland tales (richard kelly, deutschland/usa/frankreich 2006)
Veröffentlicht: März 4, 2009 in FilmSchlagwörter:Endzeit, Fantasy, Komödie, Richard Kelly, Science Fiction
SOUTHLAND TALES gehörte schon zu den großen, epischen Flops, den sagenhaften Rohrkrepierern, bevor er überhaupt einem breiten öffentlichen Publikum zugänglich gemacht worden war. Während der Filmfestspiele in Cannes geriet die Aufführung der Urfassung zu einem Fiasko, das Regisseur Kelly zu einem Umschnitt und der Hinzufügung weiterer Special Effects verleitete – Maßnahmen, die die erneute kritische Geißelung aber auch nicht mehr abwenden konnten. Die Kenntnis dieser Vorgeschichte und der Bedingungen, unter denen die nun veröffentlichte 140-Minuten-Fassung entstanden ist, ist ausgesprochen hilfreich bei der Betrachtung des Films: Man weiß, dass man einen „runden“ Film eher nicht erwarten sollte. Doch es darf zumindest bezweifelt werden, dass SOUTHLAND TALES in der vom Regisseur ursprünglich intendierten Fassung diesem Ideal näher gekommen wäre. Schon DONNIE DARKO, mit dem Kelly über Mund-zu-Mund-Propaganda zum neuen Regiewunderkind avancierte, war ein einigermaßen verschrobener und an seinem Debütstatus gemessen überambitionierter Film, der jedoch aufgrund seiner narrativen Klammer – eines recht typischen Coming-of-Age-Dramas – trotzdem universell verständlich war und seine Zuschauer damit ermutigte, sich auch den verquasten philosophischen Diskursen des Films zu öffnen. Mit SOUTHLAND TALES spannt Kelly nun aber einen deutlich größeren Rahmen, fokussiert nicht auf ein Individualschicksal, sondern macht zumindest vordergründig Ernst: Hier geht es nun wirklich um das Ende der ganzen Welt, steht nicht nur ein Junge als Identifikationsfigur zur Verfügung, sondern gleich eine ganze Armee verschrobener Charaktere, die sich in einem entsprechend verschachtelten Plot die Klinke in die Hand geben. Die Überambitioniertheit und Konfusion, die man bei DONNIE DARKO noch einer gewissen Unreife und bei Tony Scotts DOMINO, zu dem Kelly das Drehbuch beisteuerte, dem fragmentarisierenden Regiestil des Briten zuschreiben konnte, entpuppt sich bei SOUTHLAND TALES als größtes Manko des Regisseurs, der geradezu versessen darauf scheint, noch jede bei Verfassen des Drehbuchs entstandene Idee auch in den fertigen Film zu retten. Dass SOUTHLAND TALES darüber hinaus als filmisches Ende einer Geschichte konzipiert ist, deren Anfang und Mittelteil Gegenstand einer vom Regisseur verfassten Graphic Novel sind, macht die Sache nicht einfacher. SOUTHLAND TALES ist ein reichlich inkonsistentes Ideensammelsurium, dessen Sinn sich so nicht ganz erschließen will. Der für eine Dystopie typische Bezug zur gegenwärtigen Realität reduziert sich auf ein paar reichlich naiv anmutende Anspielungen auf Irakkrieg, schwankende Ölpreise, Product Placement und Pornokult und jeglicher kritische Impetus hat rein simulativen Charakter. Man könnte SOUTHLAND TALES also durchaus so einhellig abfertigen, wie dies in der Rezeption überwiegend geschehen ist.
Doch irgendwie fällt das trotz aller wirklich offenkundigen Schwächen nicht so leicht. Erstens ist SOUTHLAND TALES – und das grenzt beinahe an ein Wunder – ein in jeder Sekunde unterhaltsames und auf seine eigene, quasilogische Art und Weise auch durchaus nachvollziehbares Spektakel, dessen Volten, Twists und Turns sich niemals vorhersagen lassen, zum anderen ist Kellys Film eine willkommene Abwechslung zum sonstigen Mainstreameinerlei. Schon möglich, dass das vermeintliche Wunderkind mit solch aufgeblasenem Mummenschanz nur darüber hinwegtäuschen möchte, dass es zum Verrecken keine konzise Geschichte erzählen kann, die Frage ist aber, ob das angesichts des quietschbunten, zwischen greller Groteske, kitschiger Nerd-Fiction, augenzwinkernder Selbstreflexivität und überproduziertem Clusterfuck pendelnden Tohuwabohus überhaupt wünschenswert wäre. Mit SOUTHLAND TALES hat Kelly jedenfalls einen Film gedreht, der seinen Urheber zu jeder Sekunde erkennen lässt (nicht nur wegen des wiederkehrenden Zeitreisethemas) und absolut unverwechselbar ist. Eine nicht zu verachtende Leistung, wie ich finde. Kein „guter“ Film im klassischen Sinn, aber einer, der mir auf seine sehr eigene Art und Weise gefallen hat.
Das letzte Posting liegt schon eine Weile zurück, deswegen wird es Zeit für ein Lebenszeichen. Ich war nicht tatenlos in den vergangenen Wochen, ganz im Gegenteil: Ich bin umgezogen. So ein Umzug ist ja sowieso schon ein Krampf, wenn man aber über eine ausgesprochene Jäger-und-Sammler-Persönlichkeit verfügt und eine entsprechend stattliche Bücher-, CD- und DVD-Sammlung sein eigen nennt, nimmt dieses Unterfangen herkulische Ausmaße an. Die kurzzeitige Mischung aus Erschöpfung und Grippe, die mich im Anschluss für zwei Tage außer Gefecht gesetzt hat, hatte aber auch etwas Gutes: Ich konnte wieder einmal ein paar Filme gucken. Weil diese Sichtungen aber bereits wieder über eine Woche zurückliegen und ich in meinem neuen Heim noch keinen funktionierenden Internetanschluss habe, mache ich kurzen Prozess und handle die gesehenen Filme en bloc ab. Los geht’s!
The Adventures of Robin Hood (USA 1938)
Regie: Michael Curtiz
Curtiz‘ erste von 12 Kollaborationen mit Errol Flynn ist vor allem eines: bunt. Als naiv-unschuldiges Spektakel funktioniert THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD dann auch einwandfrei, wenn man jedoch nach mehr sucht, muss man unweigerlich enttäuscht werden. Natürlich, die Geschichte um den edlen Rächer aus dem Sherwood Forest ist so bekannt, dass es dem Betrachter heute nahezu unmöglich ist, ihrem Verlauf noch gebannt zu folgen, dennoch ist es auffällig, dass es diesem prominenter Vertreter des klassischen Hollywoodkinos an einem ordentlich konstruierten Spannungsbogens vollkommen mangelt. So stehen die sattsam bekannten Tableaus – das Duell zwischen Robin Hood und Little John, die Begegnung mit Maid Marian, das Schützenturnier etc. – irgendwie unverbunden nebeneinander und nur die Auftritte Basil Rathbones, der sich immer mehr zu einem meiner Lieblingsdarsteller der goldenen Hollywoodära entwickelt – sorgen für etwas Würze. Irgendwie mutet dieser ROBIN HOOD an wie ein Musical ohne Gesangseinlagen, was durch die grellen Kostüme der Figuren noch unterstrichen wird. Nett, aber nicht mehr.
Les choses de la vie (Frankreich 1970)
Regie: Claude Sautet
Wenn es sich aufgrund der sprachlos machenden Größe dieses Films nicht absolut verbieten würde, könnte man einen Text zu Sautets Film gut mit den Worten „Viel Rauch um Nichts“ beginnen: Es ist wirklich unglaublich, wie viel in diesem Film geraucht wird. Michel Piccoli saugt in jeder Szene genießerisch an einem Glimmstengel, sein Filmsohn zündet sich einmal sogar eine Zigarette mit der Glut einer soeben aufgerauchten an. Wir befinden uns im Frankreich der frühen Siebzigerjahre, wo diese exzessive Qualmerei wohl zum guten Ton gehörte – und man kommt als Zuschauer nicht umhin, diesem Lifestyle aus Kippen, Pastis, feinen Herrenanzügen und französischer Schöngeisterei hoffnungslos zu verfallen. Dabei gibt es für den Zuschauer in LES CHOSES DE LA VIE wenig Anlass zum Neid (mal abgesehen von der Vorstellung, mit der wunderschönen Romy Schneider liiert zu sein). Der Architekt Pierre Bérard (Michel Piccoli) hat soeben einen Autounfall erlitten, an dessen Folgen er am Ende des Films sterben wird. Während er auf Hilfe wartet und schließlich zum Krankenhaus gefahren wird, laufen die Ereignisse der vergangenen Tage und Jahre an seinem geistigen Auge vorbei. Wir nehmen Teil am Leben eines erfolgreichen Mannes, dem es nicht gelingen will, mit der Vergangenheit und der gescheiterten Ehe zu seiner ersten Frau abzuschließen und sich endgültig zu seiner neuen Geliebten zu bekennen. Stattdessen findet er Ausflüchte, zaudert und zögert – bis es schließlich zu spät ist. Die Wirkung von Sautets Film wird etwas dadurch geschmälert, dass man seinen „Clou“ – Film als der sprichwörtlich ablaufende Film vor dem Auge des Sterbenden – als heutiger Zuschauer aus zahlreichen Epigonen kennt, die ihn als bloßes Gimmick missbraucht und dadurch etwas in Misskredit gebracht haben. Diesen hat LES CHOSES DE LA VIE aber eine Atmosphäre tiefer, aufrichtiger Traurigkeit und eine psychologische Genauigkeit voraus. Dass Bérard just in dem Moment sterben muss, in dem endlich begreift, dass er sich zu seiner Geliebten und seinem neuen Leben bekennen muss, wird hier nicht wie in so vielen anderen zeitgenössischen Filmen als bloßer Schock eingesetzt, vielmehr gewinnt Sautets Film dadurch etwas sehr Tröstendes. Emotionale Vorgänge sind nur schwer in unverbrauchte und angemessene Worte zu fassen, insofern ist LES CHOSES DE LA VIE kein dankbarer Film für einen Text. Zumal er in jeder Hinsicht viel zu komplex ist, um ihn nach einer Sichtung annähernd zu erfassen. Wie konzentriert und gleichzeitig entspannt Sautet seinen Film strukturiert hat, wie viel Inhalt er in die sparsame Spielzeit von gerade einmal 80 Minuten gepackt hat, ohne dass sein Film überladen wirkt, nötigt größten Respekt ab.
Le mepris (Frankreich 1963)
Regie: Jean-Luc Godard
Vor diesem Film kann man als kleiner unbedeutender Filmblogger doch nur versagen: Godards „kommerzieller“ (hahaha) Film ist eine ästhetisch atemberaubende Reflexion über Film, Schein, Sein, Kommerz und Integrität. Vielleicht die beste Verfilmung, die Horkheimers und Adornos „Dialektik der Aufklärung“ je erfahren hat. Jene hat gegenüber der Filmadaption außerdem das Handicap, ohne Jack Palance und den unbeschreiblichen Score von Georges Delerue auskommen zu müssen.
Patton (USA 1970)
Regie: Franklin J. Schaffner
Die Auftaktszene, in der General George S. Patton (George C. Scott) vor einem gigantischen Sternenbanner seinen „Pep Talk“ für die in Kürze in den Zweiten Weltkrieg ausrückenden Truppen (die unsichtbar bleiben) hält, mit markigen Worten zu Tapferkeit mahnt und seine Männer dzu aufruft, so viele „bastards“ wie möglich in die Hölle zu schicken, lässt einen kritischeren Film erwarten als den, den man dann zu sehen bekommt. Handwerker Schaffner zeichnet seinen Patton als ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit, einen Vollblutkrieger, der sich gegenwärtig mit politischen Ränkespielen und humanistischen Bestrebungen „herumschlagen“ muss. Dabei bringt er dem bärbeißigen Haudegen nicht wenig Sympathie entgegen, so deutlich er ihn und seine Methoden auch als „out of time“ kennzeichnet. Ein wenig erinnert sein Patton an die Protagonisten aus Peckinpahs THE WILD BUNCH oder die Schwertkämpfer Chang Chehs, mit dem Unterschied, dass Patton ein Rebell innerhalb des Systems ist. Das macht PATTON auf der einen Seite zwiespältig, auf der anderen aber auch so spannend. Wie sein Held ist Schaffners Film ein Wanderer zwischen den Welten: Kerniges Männerabenteuer auf der einen, Antikriegsfilm auf der anderen. Und George C. Scott führt über dieses Zwischenreich ein eisernes Regiment.
Step Brothers (USA 2008)
Regie: Adam McKay
Nach dem eher enttäuschenden SEMI-PRO ist STEP BROTHERS wieder eine Rückkehr zur alten Form für Will Ferrell. Gemeinsam mit John C. Reilly bildet er nach dem ebenfalls sehr feinen TALLADEGA NIGHTS erneut ein fabelhaftes Gespann, das mir gleich mehrfach die Lachtränen in die Augen getrieben hat. Zugegeben, STEP BROTHER melkt seine Grundprämisse – zwei erwachsene Menschen führen sich auf wie kleine Kinder und weigern sich sehr zum Missfallen ihrer Eltern beharrlich, erwachsen zu werden – ausschließlich für die Lacher, genügt sich darin, das Potenzial an grellen Zoten gnadenlos auszureizen: Jede Möglichkeit, auf eine tatsächlich akute soziokuultrelle Entwicklung einzugehen, wird links liegen gelassen. Wenn STEP BROTHERS dann am Ende etwas ratlos in der bekannten Sei-der-der-du-bist-Anprache mündet, wirkt das angesichts der vorigen Eskapaden seiner beiden Protagonisten doch etwas fragwürdig. Aber wenn das Ergebnis so brutal komisch ausfällt, fällt das letzlich nicht wirklich ins Gewicht.