Mein Ruf steht auf dem Spiel, weil ich dabei bin, G.I. JOE: RISE OF THE COBRA abzufeiern, die Verfilmung einer Achtzigerjahre-Trickfilmserie, die ihrerseits wiederum auf einer seit den Sechzigerjahren existierenden martialischen Spielzeugreihe basiert, für die man in Deutschlands politisch korrekten Spielwarenläden wohl nur wenig Verständnis aufbringen würde. Einen Film von Stephen Sommers, der einst mit DEEP RISING einen herrlich albernen Monsterfilm vorlegte, diesen Kredit aber mit dem wahrhaft abscheulichen VAN HELSING längst wieder verspielt hat. Eines Regisseurs also, dessen Namen man vor allem mit überbordenden seelenlosen CGI-Orgien verbindet, die gut zu finden man als denkender Mensch nur vor vertrauenswürdigen Menschen zugeben würde, wenn das nicht sowieso gänzlich unmöglich wäre (das Gutfinden meine ich). Auch G.I. JOE: RISE OF THE COBRA hat genau zwei Arten von Reaktionen hervorgerufen: die herablassende Ablehnung der Kulturwächter, die in ihm nur erkennen, wie sehr es mit unserer tollen Kultur doch bergab gegangen ist, dass wir uns über so etwas überhaupt amüsieren können, und die etwas verzagte Parteiergreifung der Nerds, die aber immer wieder betonen müssen, dass das ja nur Unterhaltung sei, die nichts bedeute und die man doch nicht so ernst nehmen solle, wahrscheinlich um der befürchteten sozialen Ächtung zu entgehen.
Armond White (ein höchst streitbarer Filmkritiker, den ich aber trotzdem immer wieder gern lese, weil er jeden Film betrachtet, als hinge von ihm der Fortbestand der Menschheit ab) hat das ganz schön gesagt: Filme wie G.I. JOE: RISE OF THE COBRA (oder auch Bays TRANSFORMERS-Filme) bieten Kritikern eine wunderbare Gelegenheit, sich als humanistisch geprägte Schöngeister, als Gatekeepers „guter Kultur“ zu inszenieren, weil es so wunderbar leicht ist, sie zu verreißen: Mein Gott, sie basieren auf SPIELZEUG!!! Wie kindisch ist das denn?!? Dabei geht es in Sommers‘ Film eben um wenig anderes als zweistündiges Entertainment, das er mit einer solchen Leichtigkeit bietet, die angesichts des immensen materiellen und technischen Aufwands, der für den Film betrieben wurde, schon beeindruckend ist. Das allein für minderwertig zu halten, würde ich im Gegenzug als „herablassend“ und „arrogant“ bezeichnen. Gern wird auch die ideologiekritische Keule ausgepackt (die man bei einem solchem hasserfüllten Werk wie P. T. Andersons THERE WILL BE BLOOD natürlich stecken gelassen hat, ist schließlich ein „Meisterwerk“), sich über Soldaten als Superhelden und den allgegenwärtigen Technik- und Waffenfetisch aufgeregt. Dabei ist es nicht die Aufgabe und auch nicht die Intention von G.I. JOE: RISE OF THE COBRA, Realität abzubilden, zur Reflexion anzuregen: Er bietet Affektkino, das ganz entscheidend auf einer klaren Trennung von Gut und Böse aufbaut und in seinem ungebrochenen Glauben an Helden, deren Ziele a priori und zweifellos richtig und gut sind, sehr heilsam wirkt.
Und meine Güte, gibt dieser Film Gas: Seine vier großen Action-Set-Pieces erstrecken sich fast lückenlos über den ganzen Film, sind brillant komponiert und getimt und begeistern mit zahlreichen Ideen und Gags. Allein die zentrale Verfolgungsjagd in den so genannten Accelerator Suits durch den Pariser Straßenverkehr, an deren Ende der Einsturz des Eiffelturms steht, lohnt die Sichtung. Dass die Materialschlacht stets mit der Sommers-typischen Naivität gepaart ist, seine Inszenierung trotz des betriebenen Aufwands eher nach Handwerk, denn nach Magie aussieht, tut der Freude keinerlei Abbruch, zumal sich in dieses kunterbunte Tohuwabohu immer wieder ganz unverhofft und heimlich wirklich visionäre Bilder mischen: Wenn eine extreme Totale das Aufeinanderprallen zweier High-Tech-U-Boot-Flotten tief unter dem Polareis als Spiel aus Lichtstrahlen und -punkten auflöst, streift Sommers haarscharf an der abstrakten Malerei vorbei. Abstraktion scheint überhaupt ein gutes Stichwort, denn fokussiert man nicht den Plot, sondern die reine Form, dann entpuppt sich G.I. JOE: RISE OF THE COBRA als bewegtes expressionistisches Gemälde, in dem Farben auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt und von einer Seite auf die andere geschossen werden. Das erstaunlichste ist aber, was dieses Spektakel überhaupt antreibt: Es sind weder die Technik noch das Geld, das hinter ihr steht. Es sind tatsächlich die Figuren (ich sage bewusst nicht: Charaktere, das ginge dann doch zu weit), deren Backstorys Sommers per Rückblenden in den Flow einwebt, die den Film antreiben: Der globale Konflikt des Films entpuppt sich mehr und mehr als das Ergebnis höchst privater Fehden, was ich schon für eine recht interessante Sichtweise halte. Noch nicht einmal der sonst immer wieder gegen das so genannte Popcorn-Kino vorgebrachte Kritikpunkt, es sein nicht an Menschen interessiert, lässt sich also aufrecht erhalten. Aber das scheint jetzt auch egal, weil das Schwert über G.I. JOE: RISE OF THE COBRA hinsichtlich seiner kritischen Rezeption ja eh schon gebrochen ist.
Ich jedenfalls stehe dazu, auch wenn ich für die „seriöse“ Kritik nun verloren bin: Sommers ist hier genau der große Unterhaltungswurf gelungen, den Bay mit seinem TRANSFORMERS: REVENGE OF THE FALLEN angepeilt, aber leider unter Tonnen überflüssiger Subplots und infantilen Humors begraben hat.
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