Archiv für Februar, 2010

blacula (william crain, usa 1972)

Veröffentlicht: Februar 28, 2010 in Film
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Es gibt Filme, die scheinen einzig und allein aus einem Witz hervorgegangen zu zu sein, an einem bierseligen Abend erdacht und dann nur deshalb tatsächlich in die Tat umgesetzt, um diese eine vermeintlich gute Idee öffentlich gemacht zu haben. So konnte ich mir etwa kaum vorstellen, dass es den Machern bei BLACULA, in der kommerziellen Blüte des Blaxploitation-Kinos entstanden, um mehr gegangen war als die tituläre Verballhornung des berühmten Vampirfürsten.

Diese Unterstellung schlug sich entsprechend in meiner Erwartungshaltung nieder: BLACULA, von vornherein als nicht mehr als Gag konzipiert, macht sich einen Spaß daraus, einen Stoff zu „afroamerikanisieren“, der thematisch kaum weiter entfernt sein könnte. Ein schwarzer Dracula, der in allerbester Pimp-Manier mit schrillen Funkklamotten Babes abgreift und in heiße Vampirbitches verwandelt, bis ein noch tougherer Schwarzer ihm zeigt, wo der urbane Holzpflock hängt. Um nach diesen Ausführungen zum Punkt zu kommen: Diese Erwartung wurde enttäuscht. BLACULA ist nur mäßig witzig, billig sicherlich und inszenatorisch auf dem Niveau einer alten Fernsehserie. Und weil man den Hergang der Geschichte aus geschätzten hundert anderen Filmen kennt, darf man BLACULA durchaus als ein bisschen langweilig bezeichnen.

Aber dann ist da ja auch noch eine andere Seite: Es ist nicht wenig sympathisch, dass William Crain versucht, den Draculamythos adäquat auf afroamerikanische Verhältnisse umzuarbeiten, anstatt sich mit dem oben beschriebenen Bedienen von abgedroschenen Klischees zu begnügen. Das Blaxploitation-Genre wurde seinen schwarzen Urhebern ja recht schnell von findigen weißen Filmemachern und Produzenten entrissen und darf daher im Kern durchaus als zumindest latent rassistisch bezeichnet werden: Weiße Männer erzählen weißen Zuschauern wie der Schwarze denn so ist – oder wie sie glauben, dass er ist. BLACULA ist in dieser Hinsicht auffallend dezent. Sein Vampirgraf, ein afrikanischer Prinz, der beim Versuch, die Sklaverei abzuschaffen, von einem Befürworter dieses Systems – kein Geringerer eben als Graf Dracula –  zum Vampir gemacht und also selbst versklavt wird, ist die absolute Sympathiefigur des Films; ein tragischer Held und weit mehr als nur eine Witzfigur.

Das Erlebnis BLACULA bleibt insgesamt trotzdem zweispältig: Denn all diese lobenswerten, positiven Aspekte ändern eben nix daran, dass Crains Film einfach nicht so richtig aufregend ist. Schade, denn irgendwie würde ich ihn aufgrund der geannten Aspekte gern so richtig gut finden. Mögen darf man ihn auf jeden Fall.

Zu Beginn fliegt ein Satellit durchs Weltall. Ein Sprecher (Laurence Fishburne), der sich als Blind Willie Johnson vorstellt, berichtet, dass dieser Satellit zahlreiche kulturelle Artefakte enthalte, die eventuellen außerirdischen Findern einen Eindruck davon vermitteln sollen, wer der Mensch ist. Nicht ohne Stolz verkündet die Stimme, dass auch einer seiner Songs ausgewählt worden sei, die Menschheit zu repräsentieren. Der Song heißt „Dark is the Night“.

Im zweiten Teil der Dokuserie THE BLUES widmet sich Wim Wenders drei Bluesmusikern, von denen er im Falle von Blind Willie Johnson und Skip James in nachgestellten und „auf alt“ getrimmten Spielfilmszenen, im Falle J. B. Lenoirs mithilfe ausfindig gemachter privater Filmaufnahmen erzählt. Doch schon diese Kurzzusammenfassung muss eigentlich relativiert werden: Von Blind Willie Johnson erfährt man nur wenig; deutlich weniger jedenfalls als von den beiden anderen Musikern. Er fungiert in erster Linie als Erzähler, der dank seiner Funktion als durchs Weltall reisender Botschafter der Menschheit beispielhaft für die Spiritualität, Zeitlosigkeit und Ursprünglichkeit des Blues steht, der – so suggeriert ja der Titel von Wenders Film – direkten Einblick in die Seele des Menschen ermögliche. So weit, so konstruiert.

So interessant und in Zeiten vollkommen durchprofessionalisierter Musikerbiografien geradezu abenteuerlich fremdartig die Geschichte eines Skip James auch anmutet – der überirdisch talentierte Schnapsbrenner spielte 1931 eine einzige Platte ein, für die er außer Spesen nie einen Pfennig Geld sah und tauchte daraufhin enttäuscht ab, nur um 30 Jahre später wie aus dem Nichts bei einem Bluesfestival wieder aufzutauchen und die Massen zu elektrisieren, als wäre er nie weg gewesen -, so schön Wenders sein nachgestelltes Filmmaterial auch aussehen lässt, so richtig zwingend ist das nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Abschnitt zu J. B. Lenoir: Zwar ist es ebenso spannend wie rührend den Musiker im naiv-amateurhaften Material eines Studentenpärchens zu sehen, das sich mit dem Musiker angefreundet hatte und ihn ohne den geringsten Anflug auch nur gespielter Professionalität in einer karg eingerichteten Wohnung interviewte, in der vergeblichen Hoffnung, das schwedische Fernsehen zu einer Ausstrahlung dieses Materials zu bringen, um den außergewöhnlichen Songwriter einer größeren Hörerschaft bekannt zu machen, doch verhindetr nicht, dass THE SOUL OF A MAN in seiner Gesamtkonzeption ziellos wirkt. Die drei Musiker haben nichts miteinander zu tun, die jeweiligen Abschnitte differieren nicht nur formal, sondern auch inhaltlich, wirken wie unter enormem Zeitdruck zusammengeklebt und mit Mühe auf einen halbwegs glaubhaften Nenner gebracht. Auf Spielfilmlänge kommt THE SOUL OF A MAN durch zahlreiche Ausschnitte, die zeitgenössische Musiker bei der Interpretation von Songs der behandelten Bluesmusiker zeigen. Dies soll wohl die in Wenders‘ Film mitschwingende Behauptung von deren „Zeitlosigkeit“ untermauern, doch das dies vor allem dadurch gelingt, dass sich fast alle der gezeigten Künstler mit ihren Coverversionen lächerlich machen, kann kaum im Sinne des Erfinders gewesen sein. Nichts gegen Beck, Nick Cave, Lou Reed, Vernon Reid oder The Jon Spencer Blues Explosion oder all die anderen, die ich zum Teil durchaus schätze, aber hier beweisen sie nur, dass sie vom gecoverten Material besser die Finger gelassen hätten.

Mein Text ist insofern ein wenig ungerecht, als THE SOUL OF A MAN durchaus unterhaltsam, hier und da informativ und interessant wie auch berührend ist. Aber wie schon Scorseses Einstieg in die Serie gelingt es ihm nicht zu verbergen, dass hier mit ganz heißer Nadel gestrickt wurde. Wäre nicht der wirklich fantastische Score – sprich: die Musik von Skip James, Lenoir und Johnson -, es gäbe keinen Grund, sich diesen Film anzusehen. Schade.

klute (alan j. pakula, usa 1971)

Veröffentlicht: Februar 24, 2010 in Film
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Von meiner Erstsichtung von KLUTE vor rund 15 Jahren ist nichts hängengeblieben, außer der Erinnerung an einen irgendwie ungemütlichen, kalten Film. Diese Erinnerung hat sich jetzt bestätigt. KLUTE erzählt zwar von einem Kriminalfall, der Suche nach einem Vermissten, die sich bald als die Suche nach dem Mörder dieses Vermissten herausstellt, mehr aber noch von seelischer Verkrüppelung, von Isolation und Einsamkeit inmitten einer Großstadt, vom masochistischen Drang, sich zu verletzen, anstatt gut zu sich selbst zu sein, der Unfähigkeit, das eigene Leben zum Positiven zu wenden, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Tief drinnen in Pakulas Film steckt auch ein Film Noir: Da ist der Private Eye, der einen Mörder sucht, aber noch mehr sich selbst, eine attraktive, aber möglicherweise auch (für Männer) gefährliche Frau, eine Metropole, in der Menschen verschwinden und deren Glanz trügerische Tarnung für die zahlreichen Fallen ist, die sie bereithält. Schwärze und Schatten dominieren die Bilder, denen das dezidiert Expressionistische des Noir jedoch vollkommen abgeht, die paradoxerweise von geradezu erschütternder Klarheit sind. Während der Noir das Innenleben seiner Protagonisten nach Außen kehrt, da geht Pakula in KLUTE eher aufklärerisch vor: Er macht kein Geheimnis daraus, dass ihn nicht der Kriminalfall, sondern die Figuren und deren psychische Disposition interessieren.

Aber es ist kaum weniger unheimlich, was er zu Tage fördert: die emotionale Verkarstung des Callgirls Bree (Jane Fonda), die so gut darin ist, Männern etwas vorzuspielen, dass sie sich ihr falsches Glück fast selbst abkauft, aber einfach keinen Job als Schauspielerin findet; die wortkarge Verklemmtheit Klutes (Donald Sutherland), der wie ein Stalker in einem mit Fotos von Bree dekorierten Kellerloch sitzt und sich nicht dagegen wehren kann, das lachhafte Klischee zu bedienen, indem er sich in das Objekt seiner Ermittlungen verliebt: eine Frau, die noch dazu gar nicht in der Lage ist, zu lieben.

Aber Pakula hat mit KLUTE keine Thesenkino gemacht, er bietet keine Moral von der Geschichte. Auch das macht diesen Film so unheimlich: Dass er die Fakten ausbreitet, kaum Fragen übrig lässt und einen mit den Antworten allein lässt. Das ist ja auch die Erkenntnis aus dem Film: Dass wir allein sind, egal wie viele Menschen sich um uns tummeln, und wir uns noch nicht einmal selbst richtig kennen. Und dann noch diese Musik … Eisig.

FEEL LIKE GOING HOME ist der erste Beitrag einer siebenteiligen Serie, in der sich verschiedene namhafte Regisseure dem Blues widmen. Ist die Serie auch im weitesten Sinne dem „Genre“ der Dokumentation zurechenbar, geht es bei den einzelnen Filmen keineswegs darum, bloß einen filmischen Abriss der Geschichte des Blues zu liefern: Vielmehr wählt jeder der Filmemacher seinen eigenen, persönlichen Zugang zum Thema. Den Auftakt macht Scorsese mit seinem Film FEEL LIKE GOING HOME, der sich – wie man dem Titel unschwer entnehmen kann – auf die Suche nach den Wurzeln des Blues begibt und sich damit einer Suche widmet, die dieser Musikrichtung schon beinahe körperlich eingeschrieben ist.

„Die Wurzeln eines Baums werfen keine Schatten.“: Dieses afrikanische Sprichwort benutzt Scorsese zu Beginn per Voice-Over, um zu illustrieren, wie ursprünglich der Blues ist. Die Musik sei so tief in den Leben ihrer Urheber verwurzelt, dass sie, so Scorsese weiter, das Einzige gewesen sei, das die weißen Herrenmenschen den schwarzen Sklaven niemals hätten nehmen können. Der Blues ist ein Stück afroamerikanischer Identität – das ist die Aussage des Films, in dem sich Scorsese hinter dem kontemporären Bluesmusiker Corey Harris „versteckt“, der sich auf der Suche nach den Ursprüngen seiner Musik ins Mississippi-Delta begibt, um so auch seine eigenen Wurzeln zu finden. Nur, wer seine Wurzeln kennt, so Harris, weiß nämlich auch, wer er ist und wohin ihn sein Weg in Zukunft führen wird: Der Film versucht somit in dokumentarischer Form das zu leisten, was Walter Hill in CROSSROADS in Spielfilmform brachte. Im Süden der USA besucht Harris zusammen mit noch lebenden Bluesmusikern und Zeitgenossen verstorbener Legenden die Schauplätze der Bluesgeschichte, fühlt, wie die Musik dort „in der Luft liegt“, wie sie nicht zufällig hier entstanden ist, sondern aus diesem Boden förmlich organisch gewachsen ist. Doch die Reise endet hier nicht: Inspiriert von der Fife & Drum-Musik von Otha Turner führt ihn die Spur nach Mali, Westafrika, von wo aus einst die Sklavenschiffe in Richtung USA in See stachen.

FEEL LIKE GOING HOME beginnt sehr stimmungsvoll. Bild- wie auch Tonaufnahmen vom Beginn des Jahrhunderts belegen ebenso einfach wie eindrücklich die Wurzeln des Blues als „Arbeitsmusik“, zeigen längst verstorbene Urväter wie Huddie „Leadbelly“ Ledbetter, Son House oder Muddy Waters beim Musizieren oder lassen deren Zeitgenossen Anekdoten erzählen, die den Mythos des Blues als einer „gelebten“ Musik bekräftigen, ihn darüberhinaus als alternative Geschichtsschreibung definieren, etwa wenn ein altes Stück, das von einer gewaltigen Flut erzählt, eingespielt und von entsprechenden Archivaufnahmen einer tatsächlichen Flut (die an O BROTHER WERE ART THOU? erinnern) begleitet wird. Auch der Lokalkolorit, auf den sich Harris ja explizit bezieht, sorgt für athmosphärische Bilder, die mehr erzählen als jedes Wort, kommt jedoch letztlich ebenso zu kurz, wie so vieles andere in dem mit 75 Minuten für sein ambitioniertes Vorhaben viel zu knapp bemessenen Film, dem genau das abgeht, was er doch immer wieder als Kern des Blues ausgibt: Gefühl.  

FEEL LIKE GOING HOME verliert sein Ziel ironischerweise endgültig aus den Augen, wenn er eine kurz per Voice-Over aufgestellte Ähnlichkeitsbehauptung zum Anlass nimmt, den dramaturgisch zwar folgerichtigen, letztlich aber dennoch unmotivierten Sprung nach Afrika zu machen. Die danach zu hörende afrikanische Musik belegt die behauptete Verwandtschaft mit dem Blues nämlich keineswegs und desavouiert so das Grundkonzept des Films massiv. Selbst der in seiner Neugier so sympathische  Harris scheint den pathetischen Worten Ali Farka Tourés, der den US-amerikanischen Blues reichlich paternalistisch zur kommerziellen und damit minderwertigen Abart afrikanischer Volksmusik degradiert, nicht wirklich beipflichten zu wollen, die als konkludierendes Statement doch sozusagen die Quintessenz von Scorseses Film darstellen.

FEEL LIKE GOING HOME leidet damit genau an derselben Krankheit, die auch schon Scorseses Spielfilme in den letzten 10 Jahren (spätestens seit BRINGING OUT THE DEAD) immer wieder befallen hat: Wo woher ein genauer Blick und chronistische Akribie vorherrschend waren, ist nun eine gewisse Schlampigkeit und Faulheit eingekehrt, die den Dingen nicht mehr auf den Grund geht, sondern das vorhandene Material mit dem Holzhammer bearbeitet, damit es zur These passt. Und wenn das nicht gelingt, ist das auch nicht weiter schlimm. Wer sich selbst erkennen will, muss die Reise zu seinen Wurzeln antreten. Scorsese hat die Abkürzung genommen.

THE BLUES BROTHERS habe ich jetzt zum ersten Mal seit etlichen Jahren wiedergesehen und – wenn ich mich nicht irre – zum ersten Mal im Originalton. Grund für das Wiedersehen ist unter anderem meine derzeitige Begeisterung für Blues und Rhythm & Blues – ganz abgesehen davon, dass es einfach mal wieder an der Zeit war, diesen Film anzuschauen und die Erinnerung aufzufrischen. Eine weise Entscheidung, denn nicht nur hat mir Landis‘ gern als solcher apostrophierter „Kultfilm“ ausgezeichnet gefallen, ich glaube auch, dass ich ihn zum ersten Mal so richtig „verstanden“ habe.

Das mag sich etwas komisch anhören, schließlich gibt es an THE BLUES BROTHERS nicht viel zu ver- und demzufolge auch wenig misszuverstehen. Aber der Film ist trotzdem hochgradig merkwürdig und eigenartig. Beschriebe man ihn in Stichworten, so hörte sich das Ergebnis kaum nach einem gelungenen Film an, sondern höchstens nach einer exzentrischen Kuriosität. Tatsächlich trägt Landis‘ Film das Potenzial einer schrecklich aufgeblasenen kreativen Totgeburt in sich: Er basiert auf einem Saturday-Night-Live-Sketch, hat aber eine Laufzeit von 140 Minuten. Er ist eine Komödie, hat allerdings kaum „echte“ Gags, sondern bezieht sein komisches Potenzial fast ausschließlich aus massiver Übertreibung, mit der er seine Welt ins Cartooneske verzeichnet. Seine „Geschichte“ ist kaum mehr als eine Prämisse, die durch die Einbindung von Musicalpassagen und groteske Materialschlachten auf über zwei Stunden ausgewalzt wird. Seine Protagonisten sind keine Menschen, mit denen man tatsächlich mitfühlt, sondern allenfalls Figuren, mit denen man sympathisiert, die sich einem aber nicht wirklich erschließen. Und eines seiner wichtigsten erzählerischen Elemente ist die Autoverfolgungsjagd, deren Selbstzweckhaftigkeit zu verstecken sich Landis gar nicht mehr die Mühe macht, die er stattdessen geradezu aufreizend mitinszeniert.

Angesichts dieser Merkmale ist es kaum verwunderlich, dass THE BLUES BROTHERS bei seiner Erstverwertung nur auf wenig Gegenliebe stieß und seinen Kultstatus erst im Laufe der Jahre erlangte. Die Massen werden das Kino damals wahrscheinlich recht irritiert und vollkommen überwältigt verlassen haben. Wie auch Landis INTO THE NIGHT haftet diesem vermeintlich leichten Film etwas zutiefst Befremdliches an, das sich nur schwer benennen lässt. Im Kern ist er nämlich von schwerer Melancholie gekennzeichnet: Die Welt, die er zeichnet, ist trist und grau, die Taschen seiner Figuren sind leer und anstatt sich selbst zu verwirklichen, stecken sie im Knast oder aber in miesen Jobs fest. Als wäre das noch nicht genug, machen ihnen desolate Beziehungen und das unnachgiebige Gesetz ständig zusätzlichen Ärger. Es ist das Camus’sche Absurde, das Landis zeigt, auf das seine Figuren aber längst nur noch mit Resignation reagieren. Doch an dieser Stelle kommt die Musik ins Spiel: Sie ist nicht nur der Antrieb für die Blues Brothers und ihre Band, das, was sie am Laufen hält, was sie beflügelt und antreibt, was ihnen Freude macht und ihre Sorgen vergessen lässt, sie ist auch das, was diesen Film erst funktionieren lässt, das Herz, das alles andere antreibt und in dem alles zusammenläuft.

Die Musicalpassagen inszeniert Landis als farbenfrohe Explosionen, in denen alles plötzlich Sinn ergibt, sich die Tristesse, die den Film umfängt, buchstäblich in Wohlgefallen auflöst. Wenn die Blues-Brothers-Band am Ende zusammen mit Cab Calloway „Minnie the Moocher“ intoniert, verwandeln sich ihre abgewetzten Straßenklamotten in weiße Smokings, der bescheidene Bühnenaufbau in eine prächtig glitzernde Kulisse und wenn James Brown einen Gospel-Gottesdienst zelebriert und eine ganze Kirche zum Beben bringt, alle Leiber ekstatisch zucken, ist plötzlich alles so klar, dass Jake gar eine göttliche Vision ereilt. Die Musik stiftet den Sinn, der der Welt – und mit ihr dem Film – völlig abhanden gekommen ist.

Ich möchte das zum Schluss noch einmal hervorheben, weil es mir sehr wichtig ist, hier nicht missverstanden zu werden: Es ist nicht so, dass THE BLUES BROTHERS von seinen zahlreichen Musicalszenen vor dem Versagen gerettet würde. Er ist vielmehr so konstruiert, dass erst die Musik ihm den Sinn einschreibt. Sie ist das zentrale Element des Films, um das sich alles andere herumgruppiert. Neben der Musik, die den Menschen in THE BLUES BROTHERS ohne Ausnahme und mit Haut und Haaren ergreift, ihn ganz für sich einnimmt und der seine Liebe vollkommen bedingungslos zufließt, weil sie als einziges vorurteilsfrei und unkalkuliert ist, muss alles andere verblassen. Mir fällt im Moment kein einziger Musikfilm ein, der das ähnlich direkt, intuitiv, griffig und vor allem vollkommen unpathetisch in Bilder übersetzen würde. Ganz groß und viel, viel mehr als nur ein „Kultfilm“.

EDIT, 01.08.2013: Die in der oben durchgestrichenen Passage gemachten Behauptungen sind schlicht falsch. THE BLUES BROTHERS war sowohl in den USA als auch in Deutschland bei Erstverwertung sehr erfolgreich. Hat lange gedauert, jetzt konnte ich das endlich richtigstellen.

Auf F.LM findet sich eine neue Rezension zu diesem überrschend gut gelungenen Science Fiction/Fantasy/Monsterfilm-Crossover mit James „Jesus“ Caviezel in der Titelrolle. Hier geht’s lang.

frage an die leser

Veröffentlicht: Februar 19, 2010 in Über mich

Eitler Pfau, der ich nunmal bin, verfolge ich natürlich regelmäßig die Zugriffszahlen auf mein Blog und freue mich darüber, dass Monat für Monat mehr Menschen meinem Sermon folgen. Zwar bin ich noch sehr weit davon entfernt, zur so genannten Internetprominenz zu gehören und solange ich nicht regelmäßig über DSDS, Big Brother oder aber die TWILIGHT-Filme schreibe, wird sich daran wohl auch nichts ändern, aber dafür, dass ich das hier in erster Linie mache, um mich selbst zu unterhalten, bin ich mit dem Zuspruch ganz zufrieden.

Was mich aber immer mehr verwundert, wenn nicht gar verstört, sind die Details, die WordPress über die Lesegewohnheiten meiner Besucher ausspuckt. Für Nichteingeweihte: Man kann hier ja ganz einfach nachvollziehen, welche Artikel die meisten Hits erhalten haben, wie Leser meine Seite gefunden haben und was sie sich hier angeschaut haben. Das ist manchmal ganz interssant: Als etwa vor einiger Zeit SHOWGIRLS im Fernsehen lief, verzeichnete ich hier Besucherrekorde. Auch meine Fantasy-Filmfest-Texte werden gut frequentiert, wenn einer der besprochenen Filme hierzulande endlich seine DVD- oder Kinopremiere erfährt. Andere Texte werden hingegen fast gar nicht geklickt: Mein Review des Ted-V.-Mikels-Debüts STRIKE ME DEADLY etwa hatte bis heute erst einen einsamen Leser (dessen Leben aber wahrscheinlich nicht mehr das selbe ist), ebenso wie mein Text zur Dean Martin/Jerry Lewis-Klamotte SAILOR BEWARE – beides Filme, die sich nicht gerade damit rühmen dürfen, zum „heißesten Scheiß“ zu zählen. So weit, so nachvollziehbar also. Aber andere Zahlen kann ich mir einfach nicht erklären. Sie hinterlassen mich so ratlos, dass es mir fast schon unheimlich ist.

Der meistgeklickte Text auf meiner Seite ist etwa Michael Bays Spielzeugroboterfilm TRANSFORMERS mit rund 3.000 Besuchen: Verständlich, nicht nur, weil mein Text dazu so unglaublich lesenswert und klug ist (natürlich), sondern weil der Film ideales Nerdfutter ist und damit wie für das nerdige Internetpublikum pickliger Stubenhocker gemacht. So mag man mir entgegnene, doch wie kommt es dann, dass mein Review zum Sequel REVENGE OF THE FALLEN nur lausige 25 mal gelesen wurde? Klar, ich fand ihn auch scheiße, aber das hält die Nerds doch sonst auch nicht davon ab, ihre digitalen Spuren zu hinterlassen. Wirklich mysteriös wird es aber beim Blick auf Platz 2 meiner internen Hitliste steht: Mit knapp 2.000 Besuchen zwar weit hinter TRANSFORMERS, aber immer noch mit doppelt so vielen Klicks ausgestattet wie der Drittplatzierte (SHOWGIRLS) kommt diese Ehre ausgerechnet ACE VENTURA zu. Entschuldigt die Ausdrucksweise, aber: What the fuck?!

Jeden Tag – ich buchstabiere: j.e.d.e.n. T.a.g. – lesen Menschen meinen kleinen Eintrag zu Jim Carreys Film, kommen mit der expliziten Suchanfrage „Ace Ventura“ auf mein Blog, scheinen ein nicht versiegendes Interesse an diesem Film zu haben, der dieses Jahr seinen 16 Geburtstag feiert. Was ist hier los? Verstehen wir uns nicht falsch, ich mag den Film, habe mir die DVD freiwillig und absichtlich im Doppelpack mit dem Sequel gekauft (der mit immerhin rund 850 Besuchen auf Platz 7 steht), aber ich würde vehement bestreiten, dass er besonders gut oder besonders wichtig ist, dass er anderthalb Jahrzehnte, nachdem er in Deutschland vor leeren Kinosälen lief (ich war mit einem Freund einer von zwei Besuchern in der damaligen Sneak Preview), noch großes Interesse rechtfertigte, dass er eine vergessene Perle sei, über die man im Internet nachrecherchieren müsste, um etwas darüber zu erfahren. Wenn man ihn sehen will, dann wahrscheinlich deshalb, weil man Lust auf eine alberne Jim-Carrey-Komödie hat, in welchem Fall man wohl auch eine gewisse Vorstellung davon hat, was einen erwartet. Das Risiko, danebenzuliegen, ist recht gering. Und wenn man ihn sich angeschaut hat, gibt es wahrscheinlich auch eher wenig Bedarf, noch mal im Internet nachzulesen, was andere denn zu diesem Film zu sagen hatten. Wir reden hier immerhin von ACE VENTURA und nicht von ERASERHEAD. Wie viele Leute werden wohl sagen: „Ich habe nicht verstanden, warum Ace Ventura mit seinen Arschbacken redet, mal sehen, ob es dazu Interpretationen im Web gibt.“ Genau.

Ehrlich, manchmal glaube ich, dass WordPress mich verarschen will. Oder dass Jim Carrey, der nach seinen obligatorischen Ausflügen ins Charakterfach vor rund zehn Jahren nun langsam den von Eddie Murphy und Robin Williams ad nauseam erprobten Weg  der generischen Disneykinderfilme zu gehen scheint, täglich ein Script auf seinem Rechner laufen hat, das die Namen seiner Filme googelt, um sich a) zu vergewissern, dass sich noch Menschen für ihn interessieren, und b) die Leute, die sich nicht mehr für ihn interessieren, glauben zu lassen, dass es immer noch Menschen gibt, die sich für ihn interessieren. Eine andere Erklärung habe ich nicht.

Oder ist ACE VENTURA ein Szenephänomen, ein geheimer Kultfilm, von dem ich noch nichts wusste? Wer Hinweise zur Aufklärung hat, möge sich bei mir melden. Danke.

drei rezensionen

Veröffentlicht: Februar 18, 2010 in Film
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Auf F.LM sind drei neue Rezensionen von mir zu finden:

THE HOUSE OF THE DEVIL
WASTING AWAY
CABIN FEVER: SPRING FEVER

Wer Splatting Image #80 besitzt, kennt die Texte aber schon. 🙂

Der Schönling und Taugenichts Chance Wayne (Paul Newman) kehrt mit der alternden – und alkoholisierten – Hollywood-Diva Alexandra Del Lago (Geraldine Page) im Schlepptau in das Südstaaten-Nest zurück, aus dem ihn der Tycoon Tom „Boss“ Finley (Ed Begley), Vater von Chances großer Liebe Heavenly (Shirley Knight), einst vertrieben hatte. Alle Versuche von Chance, Kapital aus seinem guten Aussehen zu schlagen und Finley so davon überzeugen zu können, doch der richtige Mann für seine Tochter zu sein, sind fehlgeschlagen. Nun soll ihm die Beziehung zu der abgehalfterten Schauspielerin die Türen Hollywoods und damit auch zu Heavenly öffnen. Doch seine Rückkehr reißt nur alte Wunden wieder auf …

Nach dem Erfolg von CAT ON A HOT TIN ROOF musste natürlich ein Nachfolger her: Mit SWEET BIRD OF YOUTH verfilmte Brooks also erneut ein Stück von Tennessee Williams, erneut mit Paul Newman in der Hauptrolle, der als Chance Wayne erneut Unfrieden in ein erneut nur anscheinend friedliches System bringt, das erneut in den Südstaaten situiert ist. Wie „Sequels“ es so an sich haben, ist SWEET BIRD OF YOUTH im Vergleich zum Vorgänger nicht mehr ganz so zwingend: Statt des archetypischen Familienkonflikts, der Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, gibt es hier ein etwas komplizierteres und damit auch konstruierteres Personengefüge, dem der emotionale Impact von CAT etwas abgeht. Dass BIRD einen deshalb kalt lassen würde, trifft aber keineswegs zu. Newman brilliert in einer Rolle, die schon den vor kurzem hier unter die Lupe genommenen Cool Hand Luke antizipiert: einen jungen Mann, dem jegliche Erdung abgeht und der deshalb im Bestreben, es selbst seinen ärgsten Feinden noch zu beweisen, die Herrschaft über sein eigenes Leben zu verlieren droht. Anstatt auf die Meinung des rassistischen Patriarchen zu scheißen und sich seine Geliebte einfach zu nehmen – so wie die es insgeheim doch von ihm erwartet -. läuft er weg und sucht bei Leuten nach Anerkennung, für die er nie mehr ist als ein zwar hübsch anzusehendes, aber doch eher einfältiges Landei, ein hoffnungsloser Träumer. Und über diesen zum Scheitern verurteilten Versuchen, droht er nicht nur seine Selbstachtung, sondern auch Heavenly endgültig zu verlieren, für die als einzige er mehr ist als nur ein hübsches Gesicht.

Der Titel von Brooks Film spielt auf den Verlust der Jugend und Unbeschwertheit an, der neben Chance, der erkennt, dass ihm nichts mehr bleiben wird, wenn sein größtes und einziges „Talent“ – sein Aussehen – mit dem Alter schwindet, auch die Schauspielerin Del Lago ereilt. Als sie ihr gealtertes Gesicht auf der Leinwand ins Unermessliche vergrößert erblickt, stürzt sie sich in Depressionen, Selbstmitleid und Drogen, ihr Talent – das sie doch eigentlich berühmt gemacht hat – völlig vergessend. Am deutlich jüngeren Chance zieht sie sich wieder hoch, beide begeben sich in ein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit, das ihnen beiden zu neuem Erfolg verhelfen soll, stattdessen jedoch ihren Komplex zementiert und die klare Sicht auf die Dinge verbaut. Dass die Geschichte für beide dann doch noch eine Wendung zum Guten erfährt, will nicht so ganz zum vorherigen Film passen, der doch schnurstracks auf eine Katastrophe zuzusteuern scheint, die dann ausbleibt. Trotzdem ist Brooks Film sehenswert, vor allem wegen der prächtigen Farben und der Leistungen der Darsteller – Rip Torn gibt in einer Nebenrolle ein famoses Arschloch, das einem schier die Galle überkochen lässt -, aber auch wegen einiger Inszenierungseinfälle, die 1962 schon erahnen lassen, was dank Splitscreen erst ein paar Jahre später zur Reife kommen sollte: die bildliche Verschmelzung von Vergangenem und Gegenwärtigem.

Roxy (Marilyn Manning), die Freundin des ambitionierten Teenieboppers Tom (Arch Hall Jr.), wird nachts auf offener Straße von einem riesenhaften Urzeitmenschen (Richard Kiel) attackiert. Ihr Vater (Arch Hall Sr.), hauptberuflich Autor und Abenteurer, begibt sich daraufhin mit Tropenhelm, Fotoapparillo, Bermudashorts und Hubschrauber auf die Reise in die Berge, in denen der Troglodyt nach dem Überfall verschwunden ist – und landet bereits nach wenigen Minuten, in denen es ihm nicht gerade gelungen ist, würdevoll und professionell auszusehen, in dessen Gefangenschaft.

Tom und Roxy machen sich in Toms duftem Buggy auf die Suche nach dem Papa, erreichen aber nur, dass die Tochter diesem bald schon als Gefangene Gesellschaft leisten darf: Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. Schließlich können die beiden Unglücklichen aber fliehen, der tapfere Tom tut seinen Teil, damit die Flucht gelingt. Doch der arme Höhlenmann hat sich unsterblich in die fesche Roxy verliebt und verfolgt sie in die Zivilisation, wo sie eine wilde (NOT!) Poolparty feiert. Eegah der Riesendepp sprengt die Feier und kriegt zur Strafe eine Kugel in den Wanst. Ende.

Nach TOUCH OF EVIL kann man eben nur so was gucken: Eine quietschbescheuerte Aneinanderreihung von Bildern, die als „Film“ zu bezeichnen nur belegt, wie schwammig der Begriff eigentlich ist, das darunter sowohl Orson Welles als auch EEGAH Platz findet. Diese minderbemittelte KING KONG-Variation ist natürlich strunzblöd und eigentlich auch ziemlich öde: Spannung kommt jedenfalls nicht auf und selbst, um so richtig unfreiwillig komisch zu sein, ist er irgendwie zu bieder und zu billig. Aber – oh Wunder – da gerät ihm die Not durchaus zur Tugend: EEGAH ist so herrlich naiv, mit dem Gemüt und der Weltsicht eines Dreijährigen inszeniert (hinter dem Pseudonym „Nicholas Merriweather“ verbirgt sich Arch Hall Sr.) und mit diesem speziellen Charme ausgestattet, den man ausschließlich in US-amerikanischen Ultrabillig-Exploitern findet (der Orson Welles des Trash, Ray Dennis Steckler, wird auch am Ende von Eegah in den Pool geschubst).

Ehrlich, ich liebe diesen Quatsch, der mir fast die Tränen der Rührung in die Augen treibt: Wenn selbstgemalte Credits einen Film einleiten, in dem „Star“ Arch Hall Jr. seinen unfassbar lethargischen „Rock ’n‘ Roll“ intoniert – der mangels entsprechender Tontechnik natürlich vollinstrumentiert vom Band kommt, obwohl Arch nur eine Klampfe in der Hand hat –, dazu Bilder von seiner sich im Pool vergnügenden Freundin zwischengeschnitten werden als seien es die aufregendsten Aufnahmen seit Beginn der Filmkunst, endlose Szenen mit dem Buggy Spielzeit rauben, der lustig vor sich hinbrabbelnde Eegah sich von Roxy den Rauschebart rasieren lässt, der Abenteurerpapa nicht laufen kann, weil er einen gebrochenen Arm hat und am Ende ein hanebüchener Voice-over Kreationismus und Evolutionstheorie zusammenbringt als gehörten diese zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille, dann entwickelt sich aus dieser schieren Ballung des Blödsinns vor dem geneigten Auge eine ganz eigene Form von Schönheit.

Interessierte sollten eine Arch-Hall-Jr.-Retro in Erwägung ziehen, bestehend aus Stecklers WILD GUITAR – meiner Meinung nach einer der schönsten Low-Budget-Filme ever –, dem famosen Prä-Slasher THE SADIST und eben EEGAH. Zu welchem Schluss man am Ende kommt, steht in den Sternen, ganz gewiss ist man aber um eine Erfahrung reicher.