Der Mafiakiller Johnny (Brad Rijn) wird bei der Ausübung seines Berufs von dem dreijährigen Matthew beobachtet, der gemeinsam mit seiner alleinerziehenden Mutter Sally (Anne Carlisle) in Manhattan lebt. Als Johnny seinen Arbeitgebern von seinem Missgeschick berichtet, fordern diese eine baldige „Lösung“ des Missstands. Johnny stürzt in ein moralisches Dilemma, als er sich das Vertrauen der Kleinfamilie erschleicht, um den kleinen Matthew umbringen zu können, sich aber unerwarteterweise sehr wohl in der neuen Vaterrolle fühlt. Als Fred (John Woehrle), Sallys Exmann und Matthews leiblicher Vater, von dem „Neuen“ erfährt und aus lauter Misstrauen einen Privatdetektiv auf ihn ansetzt, spitzt sich die Situation zu …
Back to back mit dem phänomenalen SPECIAL EFFECTS gedreht, ist PERFECT STRANGERS ein gänzlich anderer Film: klares und konzentriertes Suspensekino statt intellektuelles Vexierspiel. Zumindest auf den ersten Blick. Cohens Klasse und sein Einfühlungsvermögen als Autor kommen hier weniger in einem kühnen Gesamtentwurf, sondern vielmehr in kleineren Details zum Vorschein, die seinen Film von vergleichbaren 08/15-Thrillern abheben. Der Klassenunterschied zu diesen ist vor allem deshalb erkennbar, weil PERFECT STRANGERS mit einer Prämisse aufwartet, die recht konventionell ist. Die Spannung erwächst hier aber weniger aus dem Wissen, dass der neue Hausfreund ein Killer ist, der jederzeit zuschlagen kann, wie dies in etlichen Thrillern vor allem der Neunzigerjahre durchexerziert worden wäre, sondern aus dem inneren Konflikt Johnnys, der Matthew zwar nicht töten will, sich dem Willen seiner Bosse aber auch nicht konsequent zu widersetzen traut. Die Frage ist, wann das Abwägen zwischen seinen moralischen Prinzipien und der aufkeimenden Liebe für Sally und Matthew auf der einen und der Angst um sein eigenes Leben auf der anderen Seite zu Ungunsten der Kleinfamilie ausfallen wird. Nicht das Hoffen um die Unversehrtheit Matthews ist also die Quelle der Spannung, sondern das Hoffen um die anhaltende moralische Integrität Johnnys, eines Killers, der in der Inszenierung Cohens eine Chiffre bleibt, obwohl er doch einen Großteil der Screentime erhält. Es bleibt unklar, ob er ein guter Junge ist, der lediglich die falschen Leute kennen gelernt hat, oder ein ausgewachsener Psychopath. Die Schattenrisse, die er per Sprühdose überall in der Stadt von sich hinterlässt, lassen auf eine verwundete Seele schließen: Als seine Beziehung zu Sally und Matthew am intensivsten ist, sprüht er eine Schattenfamilie mit ihm im Zentrum an eine Mauer. Hier fühlt sich jemand einsam, der nie gelernt hat, eine Beziehung zu führen.
PERFECT STRANGERS ist aber auch ein Film über sexuelle Verwirrung und Identitätssuche in den Achtzigerjahren: Sallys beste Freundin verwechselt Feminismus mit Männerhass, eine Szene auf einer Frauenrechtsdemo ist längst nicht nur deshalb enthalten, weil Larry Cohen solche öffentlichen Veranstaltungen gern in seine Filme einbaut, um ihnen Größe und Authentizität zu verleihen (man denke nur an die St.-Patrick’s-Day-Parade in GOD TOLD ME TO), und der Konflikt zwischen Sally und ihrem Exmann Fred liefert ein beredtes Beispiel für die Herausforderungen, mit denen sich eine heterosexuelle Beziehung im ausgehenden 20. Jahrhundert konfrontiert sah. Es sind wie so oft – siehe auch mein Text zu ALEXANDRA’S PROJECT – die Frauen, die diesen Herausforderungen besser gewachsen sind als die Männer, die sich nicht anders zu helfen wissen, als mit Gewalt zu antworten. Auch dieser vermeintlich „einfache“ Cohen-Film eröffnet auf den zweiten Blick also eine weitere, sozialkritische Dimension, entpuppt sich als differenzierter als man zunächst meint, vor allem, wenn man ihn mit den oben genannten Neunzigerjahre-Thrillern vergleicht, die lediglich bürgerliche Paranoia und Verlustängste bedienen. PERFECT STRANGERS oszilliert ebenso zwielichtig wie das spätsommerliche New York – eine Stadt, die nur wenige Regisseure so einzufangen und einzusetzen wissen wie Cohen – zwischen Sonnenschein und Regen.