Archiv für Dezember, 2010

Das jungdynamische Erfolgspärchen Camilla (Carey Lowell) und Phil (Dwier Brown) ist jüngst nach Los Angeles in ein schickes Designerhaus umgesiedelt, als sich auch schon Nachwuchs ankündigt. Weil beide ihre Karriere nicht vernachlässigen wollen, engagieren sie eine Kinderfrau: die attraktive und sinnliche Camilla (Jenny Seagrove), die sich fortan rührend um den kleinen Jake kümmert. Doch in Wahrheit führt sie Böses im Schilde …

William Friedkin interessierte sich laut Audiokommentar für den Kontrast zwischen einem im Leben stehenden, modernen Paar und dem altertümlichen Unerklärlichen, das in dessen Leben Einzug hält: Camilla ist nämlich eine Bäume anbetende Druidin, die ihrem Heiligtum frische Babys zuführt. Das klingt schon nicht so, als habe Friedkin wirklich große Pläne für THE GUARDIAN gehabt, und so kommt der Film dann auch über effektives, aber natürlich famos inszeniertes Genrekino nicht hinaus. Dass Friedkin mit seinem Vorsatz, den genannten Zusammenprall des Gegensätzlichen abzubilden, scheitert, liegt vor allem daran, dass Camillas Druidenkult eine Leerstelle bleibt. Was sie von den Babyopfern hat, welche Macht sie tatsächlich hat und wer sie überhaupt ist, lässt der Film völlig unbeantwortet.

Aber dieser erklärerische Mangel hat auch den Vorteil, dass THE GUARDIAN ohne Durchhänger und Längen zur Sache kommt. Dazu trägt Friedkin natürlich einen nicht unerheblichen Teil bei: Er weiß einfach, wie man ökonomisch erzählt, und eine eigentlich banale Sequenz wie das Kinderfrauen-Audtioning mausert sich so unter seiner Regie zu einem der Highlights des Films, bei dem sich zahlreiche Regisseure hinsichtlich Timing und Pointierung noch etwas abschauen können. Weil darüber hinaus auch die happigen Splattereffekte und die atmosphärisch fotogafierten Gruseleinlagen ausgezeichnet sind, darf man THE GUARDIAN trotz aller Schwächen durchaus zu den besseren Horrorfilmen seiner Zeit zählen. Aber ich bin mir sicher, dass Friedkin noch deutlich mehr hätte herausholen können, hätte er sich mehr auf sein Protagonistenpärchen konzentriert, dass ein Kind in die Welt setzt, aber mit dessen Erziehung offensichtlich nichts zu tun haben möchte. Im Bild des Karrierepärchens, das die Arbeit einer Kinderfrau überlässt, während es sich mit seinen hippen Karrierefreunden über das Elterndasein austauscht, dann aber eilig zur Kettensäge greift, als ihr „Besitz“ plötzlich in Gefahr schwebt, ist THE GUARDIAN nämlich wirklich gruseliges Spätachtziger-Horrorkino.

Französisch-Westafrika im Jahre 1938: Lucien Cordier (Philippe Noiret) ist der Polizist des kleinen Örtchens Bourkassa, aber keine Respektsperson. Seine Frau Huguette (Stéphane Audran), die Bordellbesitzerin, betrügt ihn offen mit Nono (Eddy Mitchell), zwei Zuhälter, von denen Lucien Schmiergeld-zahlungen empfängt, nutzen diese Begegnungen, um ihn auf offener Straße zu demütigen, und seiner Arbeit nachzugehen, Menschen zu verhaften und tatsächlich einmal für „Ordnung“ zu sorgen, ist ihm viel zu lästig: Er faulenzt sich durch seinen Job, immer unter dem Vorsatz, nirgends anzuecken, bis ihm sein Vorgesetzter die Idee einpflanzt, es seinen Peinigern heimzuzahlen. Cordier ermordet die beiden Zuhälter kaltblütig und entdeckt, einmal auf den Geschmack gekommen, eine ganz neue Seite an sich  …

Betrand Tavernier adaptierte gemeinsam mit Jean Aurenche den US-amerikanischen Pulproman „Pop. 1780“ von Jim Thompson und verlegte dessen Geschichte aus den USA von 1910 in eine französische Kolonie kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und liefert einen bissigen Kommentar zu Kolonialismus und Rassismus, aber auch zu menschlicher Niedertracht ganz allgemein. Sein Held, vordergründig ein trauriger Clown, mit dem man Mitleid empfindet, entpuppt sich mit laufender Spielzeit immer mehr als gewissenloser Opportunist ohne jegliche Prinzipien. Er ist der klassische Mitläufer, der die großen Ideen, philosophischen und weltanschaulichen Thesen anderen überlässt, diese dafür aber ganz wörtlich nimmt und so jede Verantwortung von sich weisen kann. Kurz bevor er einen armen Schwarzen erschießt, als würde er ein benutztes Taschentuch wegwerfen, erklärt er diesem die Welt: „Wer ist Schlimmer? Der Blinde, der aus dem Fenster pinkelt, oder der Witzbold, der ihm gesagt hat, es sei ein Urinal?“ Cordier ist der Blinde in diesem Bild und so fühlt er sich bei jedem seiner skrupellosen Morde immer auf der sicheren Seite. Er hat die Regeln schließlich nicht gemacht. Aber er hält sich an jede von ihnen.

Was an Taverniers Film beeindruckt, das ist die völlige Abwesenheit einer  bevormundenden Stellungnahme oder auch nur einer klaren Perspektive. So wie es die Steadicam unmöglich macht, Position zum Geschehen zu beziehen, COUP DE TORCHON zwischen beschwingter Komödie, düsterem Drama und brutalem Crimefilm schwankt, wird man auch als Zuschauer einer emotionalen Wechseldusche unterzogen, bei der man nie genau weiß, was man von den Charakteren und ihren Handlungen halten soll. Nun ist es fast schon ein Klischee, Filmen zu unterstellen, sie verweigerten einfache Antworten: Doch meist ist im Gegenteil selbst bei solchen sehr klar, welche Haltung sie einnehmen (man denke etwa an Oliver Stones „bösen“  NATURAL BORN KILLERS, der im Übrigen von der Kameraarbeit von Taverniers Film durchaus beeinflusst scheint). Das ist bei COUP DE TORCHON tatsächlich anders: Gut und Böse, Richtig und Falsch sind hier keine fixen Größen mehr, sondern ständig in Bewegung. Seine Charaktere  sind keine bloßen Gesinnungsstellvertreter mehr, handeln eben nicht nach festen moralischen Grundsätzen, sondern gemäß ihres Charakters und der äußeren Umstände und sind somit immer zu beidem fähig. Und das spiegelt sich eben auch im Blick des Films wider.

COUP DE TORCHON wurde von einem zeitgenössischen Kritker laut Tavernier einmal in völliger Übertreibung – aber trotzdem gar nicht mal so unzutreffend – als (sinngemäß) „größte Beleidigung der weißen Rasse“ bezeichnet. Die Menschen kommen wirklich nicht gut weg, trotzdem bleibt der Film immer ambivalent und nimmt niemals den bitteren Zynismus so vieler anderer filmischer Abrechnungen an. COUP DE TORCHON schreit förmlich nach Mehrfachsichtungen – und Taverniers letzter, IN THE ELECTRIC MIST, erscheint im direkten Vergleich gleich nochmal so enttäuschend.

Als die Hardrock-Combo „Black Roses“ mehrere Konzerte in einer amerikanischen Kleinstadt ankündigt, geraten die Bürger dort in Aufruhr: Die Eltern sind schockiert über die antisozialen, antiautoritären Texte von Damian (Sal Viviano), dem charismatischen Frontmann der Band, und fürchten Verrohung der Sitten und Indoktrinierung ihrer braven Kinder, diese wiederum sind erbost über die elterliche Bevormundung und Intoleranz. Die „Black Roses“ können schließlich alle Befürchtungen der Erwachsenen zerstreuen, doch ist dies nur ein Trick, sie in Sicherheit zu wiegen: Denn mit ihrer Musik verwandeln sie die armen Kids in blutgierige Amokläufer …

Nach dem unfassbaren ROCK ‚N‘ ROLL NIGHTMARE widmet sich Regisseur John Fasano hier zum zweiten Mal auf seine unnachahmliche Art der Hardrock- und Metal-Musik. Im ersten Drittel mutet der Film mit seiner Gegenüberstellung der erwachsenen und jugendlichen Perspektive, den Dialogen, in denen alle argumentativen Klischees des Diskurses aufgefahren werden – den Vorwürfen der Elterngeneration, Rockmusik propagiere Teufelswerk und Gewalt, wird etwa mit dem Hinweis begegnet, dass deren Eltern dies auch von Elvis und den Beatles behauptet hätten –, fast ein bisschen wie ein Educational oder eine Dokumentation an, die die Parteien versöhnen soll, bevor der Film dann in seinem Horrorteil lustigerweise alle bestehenden Vorurteile gegenüber Rockmusik zu bestätigen scheint. Unter Beschallung des biederen, aber eingängigen Hardrocks der „Black Roses“ mutieren die lieben Kinder zu willenlosen Mordmaschinen, denen selbst der liberale, väterliche Englischlehrer mit seinen Appellen an Toleranz, Selbstständigkeit und Aufgeklärtheit nichts mehr entgegenzusetzen hat. Das beschauliche Städtchen wird vom rasenden Rockmob überrannt, nervende Eltern erschossen oder über den Haufen gefahren. Und am Ende kündigt sich mit der Nachricht, die Black Roses spielten mehrfach vor ausverkaftem Madison Square Garden, gar das Ende der Zivilistaion an.

Das alles ist marginal aufwändiger und vor allem besser gespielt als in genanntem ROCK ‚N‘ ROLL NIGHTMARE, aber kaum weniger trashig. Schon der Auftakt, bei dem die „Black Roses“ sich bei einem Gig als Dämonenwesen entpuppen, ist dank der putzigen Gummimasken zum Schreien komisch und verwischt alle Hoffnungen auf einen halbwegs effektiven Horrorfilm (die ich aber eh nicht hatte). So geht das dann weiter: Eine Szene, in der ein Vater (Vincent Pastore, der „Pussy“ aus THE SOPRANOS) von einem unbeweglichen Skorpionmonster aus einer Lautsprecherbox attackiert wird, ist geradezu absurd lahmarschig und statisch inszeniert, wirft die Frage auf, warum der dicke Papa nicht einfach weggeht (er müsste noch nicht einmal rennen, um das fußkranke Monster abzuhängen), anstatt schreiend darauf zu warten, gefressen zu werden. Und der oben von mir als „charismatisch“ apostrophierte Damian wäre vielleicht als schmieriger Kellner glaubwürdig besetzt, aber bestimmt nicht als Sänger einer Metalband. Er muss eine groteske Langhaarperücke tragen und sieht in seinem Ledergeschirr aus, wie ein Anorektiker, der sich in einem Hosenträger verheddert hat. Super ist auch die Szene, in der sich des Lehrers Lieblingsschülerin in einen glatzköpfigen Dämon mit Giraffenhals verwandelt, der aber wie weiland die Tiffy aus der Sesamstraße nie hinter einem Pult hervorkommt, das seinen Unterleib bzw. wohl eher die Puppenspieler verdeckt. Eigentlich ist jede Szene erwähnenswert, die unglaublich infantil gereimten Lyrics der „Black Roses“ immens zitierwürdig (herrlich etwa der patriotische Schnulzensong, mit dem Damian im weißen Pludermantel die ängstlichen Eltern besänftigt) und wie beim Vorgänger gelingt es Fasano auch hier, die Sympathien des Zuschauers auf seine Seite zu ziehen. Im Gegensatz zu anderen Trashschoten ist dieser hier auf absolute liebenswürdige Art und Weise schlecht und man muss den Mut der Macher, ihr Ding trotz des zu geringen Budgets durchgezogen zu haben, irgendwie bewundern. Ebesnso wie die Tatsache, dass es ihnen gelungen ist Carmine Appice, seines Zeichens Drummer solcher Rockacts wie Vanilla Fudge, Cactus, Ozzy Osbourne, Jimmy Page und etlichen anderen, zum Mitmachen zu bewegen.

Als ein Blitzeinschlag im Garten ein tiefes Loch hinterlässt, beginnt für den kleinen Glen (Stephen Dorff) und seine ältere Schwester Alexandra, die von den Eltern zum ersten Mal für mehrere Tage allein gelassen wurden, ein absoluter Albtraum. Das Loch ist nämlich ein Tor zur Hölle, dem prompt ein paar Dämonen entsteigen, als Glen und sein Metal-erprobter Freund Terry (Louis Tripp) aus Versehen eine Beschwörungsformel sprechen. Diese sind jedoch nur die Vorhut eines noch mächtigeren Dämonen, der nichts weniger als die Weltherrschaft anstrebt …

Ein Klassiker meiner frühen Jugendtage, der bei seiner Ausstrahlung auf RTLplus mit putzigen Stop-Motion-Effekten, viel unheilvollem Tamtam, einer Prise Heavy Metal und natürlich den idealen Identifikationsfiguren punkten konnte. Lang, lang ist’s her, dass ich Tákacs Film zum letzten Mal gesehen habe, aber der Film hat zum einen nichts von seinem damaligen Reiz verloren, ist erstaunlich gut gealtert – Stop-Motion-Animation hat gegenüber anderen, damals schon avancierteren Techniken den eindeutigen Vorteil, dass ihre technischen Mängel ihr eine eigene fremdartige Qualität verleihen, die sie von schnödem Authentizismus emanzipiert – und gewinnt aus erwachsener Perspektive sogar noch einmal dazu, weil man hinter all dem okkulten Dämonengeraune überdeutlich die Coming-of-Age-Geschichte erkennt. So kann sich die Apokalypse auf dem Grundstück von Glens Familie (beinahe) vollziehen, ohne dass dieses zum einen auch nur eine Sekunde lang verlassen würde oder zum anderen die Nachbarn davon etwas mitbekämen. Die dämonische Invasion ist von Anfang an allein das Problem der Geschwister und Terry (der den frühen Tod der Mutter zu überwinden hat), das sich nicht zufällig just zu dem Zeitpunkt stellt, als sie allein zu Hause sind. Es ist vielmehr Teil der Prüfung, die es auf dem Weg zum Erwachsenwerden zu bestehen gilt.

Jenseits dieses Subtextes bietet THE GATE kurzweiligen und effektiven Horror, der trotz seiner kindlichen Protagonisten selten kindisch ist und dank seiner kanadischen Herkunft ein paar Ecken und Kanten mehr besitzt als vergleichbarer Stoff aus den USA. Die Teenager sind gerade so nervig, wie sie es sein müssen, kommen mit ihrem niedlichen pseudoerwachsenen Gehabe, das sich aber schnell verflüchtigt, wenn Ärger droht, realistisch, aber vor allem sympathisch und liebenswert rüber, die Szene, in der Terry die tote Mutter erscheint, ist tatsächlich bewegend und nicht bloß Effekthascherei, und der Angriff des eingemauerten Zombies eine hübsche Überraschung, die auch in einem härteren und ernsteren Film ihren Zweck mehr als erfüllt hätte. Und Stephen Dorff als properen kleinen Sausebraus eine scheinbare Ewigkeit vor Dreitagebart, blondierten Strähnchen, Koksfresse und Sofia-Coppola-Engagement sehen zu dürfen, stellt ebenfalls ein nicht zu verachtendes Vergnügen dar.

Vor Jahren schwor Mr. Fox (George Clooney) seiner Gattin (Meryl Streep), sein Leben nicht mehr bei der Hühnerjagd zu riskieren. Doch das folgende beschauliche Leben als Kolumnist einer Zeitung und Vater des schwer pubertierenden Ash (Jason Schwartzman) hält nur wenig Herausforderungen und Befriedigung für den geborenen Räuber bereit. Der letzte große Coup, ein dreifacher Überfall auf die Höfe der bösartigen Bauern Boggis, Bunce und Bean, soll alte Lebensgeister wecken. Doch stattdessen bringt Mr. Fox sich, sein Familie und alle anderen Tiere in Gefahr …

Im Vorfeld von THE DARJEELING LIMITED war ich mir nicht sicher, ob ich mich zu den Anderson-Verehrern oder doch eher zu den -Verächtern zählen sollte. Der wunderbare Film zerstreute dann jeden Gedanken an eine zuvor unterstellte mögliche Substanzlosigkeit oder einen leeren Manierismus. Klar, wer schon den Untergang des Abendlandes oder der künstlerischen Integrität wittert, bloß weil ein iPod ins Bild gerückt wird, der soll sich von Andersons Filmen besser fernhalten: Ein solcher Griesgram wird mit seinem Stilwillen und seinem moralischen Ästehtizismus eh nix anfangen können. Auch FANTASTIC MR. FOX ist zunächst mal eine sinnliches Erlebnis: Die Idee, Dahls Vorlage mithilfe vermeintlich altmodischer Puppenanimation zum Leben zu erwecken, ist so großartig wie sie eigentlich auf der Hand liegt, und ihre Umsetzung so reich und lebendig, dass die ganzen aufgeblasenen 3D-Animationsschinken mit ihrem Einheitslook daneben komplett seelenlos wirken. Trotzdem ergeht sich Anderson nicht in barockem Kitsch, heimeliger DIY-Romantik oder Früher-war-alles-besser-Nostalgie: Diese seltsam unterkühlte Atmosphäre, die mir vor allem daher zu rühren scheint, dass Emotionen bei ihm selten nonverbal, sondern meist in den eloquenten Dialogen zum Ausdruck kommen, verhindert ein allzu bequemes Disney-Gefühl und macht FANTASTIC MR. FOX – aller familienkompatibler Message zum Trotz – zu einem unverkennbar modernen Film. Und zu einem ungemein witzigen obendrein.

Sprichwörtlich aus heiterem Himmel fallen sieben Soldaten und Mörder und landen in einem unwirtlichen Urwald, der sich bald schon als außerirdisches Sportjagdgebiet der gemeinen Predators erweist. Die lassen regelmäßig die Härtesten der Harten aus dem ganzen Universum bei sich einfliegen, um ihre eigenen Fähigkeiten zu schärfen. Royce (Adrien Brody) und seine Leidensgenossen müssen nicht nur um ihr Leben kämpfen, sondern auch noch einen Fluchtweg zur Erde finden …

Hmmm, so ganz verstehe ich nicht, warum PREDATORS so durchwachsene Reaktionen eingefahren hat. Klar, die schiere Power des 1987er Originals mit einem Arnold Schwarzenegger kurz vorm totalen Superstardom erreicht dieses Sequel nicht, aber mit dem zweiten Teil von Stephen Hopkins kann es Antals Film durchaus aufnehmen. Zwar lässt PREDATORS einen erkennbaren eigenen visuellen Stil vermissen, reiht sich vielmehr in die Grau-in-Grau-Tristesse des modernen Genrefilms ein, doch hat er dafür einige schöne Ideen und vor allem einige Härten aufzubieten, die den Fan bei Laune halten: Die Ausgangsidee (die etwas an CUBE oder auch dessen erfolgreicheren Epigonen SAW erinnert) passt gut in die auch von den ALIENS VS. PREDATOR-Filmen (von denen zumindest der erste sträflich unterbewertet ist, wie ich finde) ausgebaute Predator-Mythologie, Laurence Fishburne bringt mit seinem wahnsinnig gewordenen Survivor etwas Gravitas in den ansonsten vor allem auf Rasanz und Thrill ausgelegten Film und gegen Ende stellt das Drehbuch dann auch die richtigen Fragen: Inwiefern unterscheiden sich all die bis an die Zähne bewaffneten Soldaten, Söldner und Killer eigentlich von den außerirdischen Mordmaschinen? Und sind die Gekidnappten auf dem Planet der Predatoren nicht viel eher zu Hause als auf der Erde?

Was dem Film aber eindeutig fehlt, ist Ambition: Alle Beteiligten waren wohl damit zufrieden, einfach nur einen Genrefilm zu machen. Das ist ihnen, wie gesagt, durchaus gelungen, aber wenn man sich anschaut, wie die recht beachtliche Darstellerriege für eindimensionale Klischeefiguren mit maximal anderthalb Charakatereigenschaften und unsäglich hohle Dialogzeilen verheizt wird, trauert man schon etwas den verschenkten Möglichkeiten hinterher. Ein Walton Goggins etwa, der in THE SHIELD einen der fassettenreichsten Charaktere der Fernsehgeschichte verkörperte, hätte für seine erste große Filmrolle etwas Besseres verdient als seinen selten eindimensionalen White-Trash-Idioten. Adrien Brody hingegen, von Fanboys in vorauseilendem Gehorsam als Fehlbesetzung verspottet, macht sich als muskelbepackter, Oneliner ausspuckender Held wider Willen hingegen sehr ordentlich und braucht sich um sein zukünftiges Einkommen keine Sorgen zu machen. Wenn die chronisch unloyale Arthaus-Klientel ihn vergessen hat, kann er in knalligen DTV-Produktionen den Wesley Snipes machen. Ich freue mich darauf ebenso wie auf den nächsten Predatoren-Film.

Als der krummen Dingern nicht abgeneigte Cop Terence McDonagh (Nicolas Cage) während der Flut nach Hurricane Katrina einen ertrinkenden Häftling rettet, wird er dafür zwar ausgezeichnet, doch die erlittene Rückenverletzung leitet seinen langsamen Sündenfall ein. Der Schmerzmittelabhängigkeit folgen härtere Drogen und diesen schließlich die Wettschulden. Gleichzeitig gilt es den brutalen Mord an einer afrikanischen Familie aufzuklären und die Prostituierte Frankie (Eva Mendes) vor einem gewissenlosen Mobster zu beschützen. McDonagh schwimmen die Felle davon …

Ein nominelles Remake eines grandiosen Ferrara-Films mit Nicolas Cage in der einst von Harvey Keitel verkörperten Titelrolle? Eine der zahlreichen unfassbar blöden Ideen, die Hollywood in den letzten Jahren am Fließband auszuspucken scheint, so als bettelte man dort förmlich darum, ausgelacht zu werden. Als jedoch klar war, dass der wenig stromlinienförmige und stets unvorhersehbare Werner Herzog die Regie für dieses vermeintlich zum Scheitern verurteilte Projekt übernehmen sollte, verwandelte sich der sichere Rohrkrepierer in einen der potenziell interessantesten Filme des Jahres. Und das ist THE BAD LIEUTENANT: PORT OF CALL – NEW ORLEANS dann auch geworden. Werner Herzog gewinnt, weil er sich dem Original überhaupt gar nicht verpflichtet sieht. Zwar erzählt er eine ähnliche Geschichte, doch sowohl deren Verlauf und Stimmung als auch der Tonfall der Inszenierung unterscheiden sich erheblich vom düster-deprimierenden Ferrara-Film. Herzog etabliert einen surreal-komischen Ton, der nur wenig mit Ferraras katholischer Schuld-und-Sühne-Meditation zu tun hat, stattdessen auf geradezu vergnügt boshafte Art und Weise amoralisch ist. Terence McDonagh benimmt sich wie die Axt im Walde, betrügt, klaut, bedroht und überschreitet seine Kompetenzen in jeder erdenklichen Hinsicht und ist am Ende selbst mehr als nur etwas verdutzt darüber, dass sich alles wie von Zauberhand für ihn zum Besten fügt. Im Polizeifilm, der sich vorzugsweise einer dokumentarischen Trockenheit oder eines zynischen Defätismus befleißigt, nimmt Herzogs BAD LIEUTENANT eine Exotenstellung ein, weil er seine Geschichte mit dem Blick fürs Märchenhafte erzählt, darin den Filmen von David Lynch nicht unähnlich (mit dem Herzog kurz darauf auch den Film MY SON, MY SON, WHAT HAVE YE DONE? gedreht hat). Vielleicht ist das auch der Grund, dass Cage, dessen Rollenauswahl und Leistungen in den vergangenen Jahren Verlust der Zurechnungsfähigkeit vermuten ließen, hier an seine lang, lang zurückliegende Glanzleistung aus WILD AT HEART anknüpfen kann, dem bad cop McDonagh die clownesk verzerrte Maske des permanent am Nervenzusammenbruch vorbeihyperventilierenden, zu allem Entschlossenen Junkies verleiht, die keiner so gut hingrimmassiert wie er.

Das exzentrische Genie Tony Stark (Robert Downey jr.) ist wegen seiner Superheldennebentätigkeit als Iron Man zur internationalen Popikone geworden, gleichzeitig aber auch zum Sicherheitsproblem geworden. Wenn er einen High-Tech-Maschinenanzug bauen kann, dann sollten auch andere Menschen mit weniger guten Absichten dazu in der Lage sein. Tony Stark wiegelt ab, doch dann tritt der Russe Ivan Vanko (Mickey Rourke) mit seinen mörderischen Elektronenpeitschen auf. Im mäßig erfolgreichen Waffenproduzenten Justin Hammer (Sam Rockwell) findet er einen willigen Finanzier …

Das Übermaß positiver Reaktionen auf den sehr guten, aber doch auch etwas zu runden IRON MAN sollte wohl durch das kaum weniger unverhältnismäßige bashing des zweiten Teils wieder ausgeglichen werden. Tatsächlich versagt Favreaus Sequel immer dann, wenn er auf den Pfaden des ersten Teils wandelt und lediglich klassisches Superhelden-Erzählkino sein will. Die nötigen klischierten Plotpunkte werden nämlich lediglich lustlos abgehakt, die eigentlich zentrale Rivalität zwischen Stark und Vanko bleibt sträflich unterentwickelt, kaum mehr als eine Fußnote in einem Film voller wesentlich interessanterer Subplots, was auch der finale Zweikampf belegt, der lediglich pflichtschuldig abgespult wird und – wie schon im Vorgänger – enttäuscht. Dass IRON MAN 2 mehr sein könnte, wenn er nicht so sklavisch der Vorgabe verpflichtet wäre, massentaugliches Entertainment mit den typischen Beigaben zu liefern, wird offenkundig, wenn Favreau sich vom abgegriffenen Gut-gegen-Böse-Schema ab- und den Verwicklungen von Politik, Wirtschaft und Militär zuwendet. Schon die Auftaktsequenz, in der sich Stark/Iron Man während einer Eröffnungsfeier in einer überaus befremdlichen Popchoreografie buchstäblich als Messias feiern lässt, muss demjenigen Zuschauer, der hier seinem Comichelden zujubeln wollte, eigentlich die Kehle zuschnüren. Klar, der unverhohlene Narzissmus gehört zur Stark-Figur nunmal dazu, aber mit ihrer Verortung in einer mit unserer Welt stark verwandten Quasirealität verliert er eindeutig seine Unschuld. Zu den stärksten Momenten des Films, der mit seiner High-Gloss-Optik im Kontext sehr treffend auf Verführung und Täuschung seiner Konsumenten abzielt, zählt eine gerichtliche Anhörung Starks, bei der dieser von sich behauptet, den Weltfrieden privatisiert zu haben. Solche kurzen Momente liefern weitaus mehr Gedankenfutter, als der restliche Film mit seiner reichlich uninteressanten Materialschlacht, denn von einem solch „privatisierten Weltfrieden“ und den Problemen, die ein solcher aufwirft, scheinen wir in einer Welt, in der Privatunternehmer mit ihren Erfindungen plötzlich ganz erheblich in die Politik eingreifen – man denke da aktuell nur an den Wirbel um Wikileaks –, tatsächlich nicht mehr allzu weit entfernt zu sein.

So bleibt ein zwiespältiger Film, der sich nicht so recht zwischen klassischem, affirmativen Erzählkino und einem postmodernen, fragmetarischen Erzählen entscheiden will, stattdessen versucht, beides auf einmal zu bieten und in der Folge keines von beiden schafft. Schade um die guten Ansätze und die verbratenen Millionen. Besser als belangloser Müll wie X-MEN ORIGINS: WOLVERINE oder ähnliche Langweiler ist er aber natürlich trotzdem.

Die Bewohner eines Altenheims haben dank ihrer Heimleiterin Hélène (Betty Beckers) das Geheimnis des ewigen Lebens erlangt: Menschenfleisch, in regelmäßigen Abständen verzehrt. Ihre Opfer rekrutieren die solchermaßen Unsterblichen aus dem Pflegepersonal. Und just hat die hübsche Martine (Isabelle Goguey) ihre Stellung angetreten …

Weit gehend unbekannt ist dieser atmosphärische kleine Schocker aus Frankreich, der – durchaus typisch für das Subgenre des Kannibalismus-Films (nicht des Kannibalenfilms meist italienischer Prägung wohlgemerkt) – dem Zuschauer neben der Gänsehaut auch das ein oder andere Grinsen abringt. Mit Filmen wie MOTEL HELL oder THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE PART 2 hat LA NUIT DE LA MORT neben dem Thema dennoch nicht allzu viel gemein: Statt durch comichaft überdrehte Komik zeichnet sich Delpards Film durch die unterkühlte Stimmung aus, die man am französischen Kino zu schätzen gelernt hat. Herbstliche Tristesse liegt in Bild und Ton (der Soundtrack ist schauderhaft schön), dem Schauplatz und der Thematik durchaus angemessen, über dem Film, der sich zwischen Ernsthaftigkeit und Humor nie so ganz entscheiden mag, aber gerade deshalb so effektiv ist, obwohl er inhaltlich eigentlich wenig Neues bietet. Wer etwa THE TERROR AT RED WOLF INN kennt, der dürfte sich auch im „Deadlock House“ aus LA NUIT DE LA MORT schnell zurechtfinden. Das spricht aber wie gesagt nicht gegen diesen schönen unterrepräsentierten kleinen Schocker, der in dieser Form aus keinem anderen Land als aus Frankreich kommen könnte und auch ein paar happige Splattereffekte aufbietet, die den Film aber niemals kippen lassen. Und der hinterhältige Schlussgag belegt, dass der gegenwärtige Trend, Filme mit Twists, Turns und Last-Minute-Überraschungen aufzuwerten, nicht schon per se scheiße ist: So gut wie in LA NUIT DE LA MORT funktioniert dieses erzählerische Mittel heute aber in der Tat nur ganz, ganz selten. So bleibt mir als Fazit nur, eine Empfehlung an Horrorfreunde auszusprechen (Synapse haben den Film auf DVD veröffentlicht): Wer den dann doch irgendwann recht gleichförmig anmutenden US-, Italo- oder J-Horror satt hat, findet hier eine schöne, eigenständige Alternative. Die Franzosen werden zwar wahrscheinlich nicht mehr als Meister des Horrorfilms in die Annalen eingehen, aber wenn sie in diesem Genre gearbeitet haben, so hatte das meist Hand und Fuß.

UN FLIC ist Melvilles letzter Film (er starb ein Jahr später) und man kommt nach Betrachtung kaum umhin zu sagen: Das ergibt Sinn. Oder andersherum formuliert: Der Film, den Melville nach diesem noch hätte inszenieren sollen, ist nicht mehr vorstellbar. Und noch weniger wäre er ansehbar gewesen.

Vier Ganoven – darunter der Anführer Simon (Richard Crenna) und der 60-jährige Paul Weber (Riccardo Cucciolla), ein ehemaliger hoher Bankangestellter, der nach Verlust seines Arbeitsplatzes vor dem Aus steht – überfallen eine Bank und später dann einen Zug, den ein Drogenkurier für einen großen Heroinschmuggel benutzt. Edouard Coleman (Alain Delon) ist ein emotionsloser Kommissar in Paris, dessen Weg den der vier Räuber durch Zufall kreuzt. Mit Simon verbindet ihn darüber hinaus die Liebe zu einer Frau: der Nachtklubbesitzerin Cathy (Catherine Deneuve) …

In meinem Text zu L’ARMÉE DES OMBRES hatte ich Bernd Kiefer zitiert, der Melvilles Kino als „filmische Mythologie der Leere“ bezeichnet hatte: Emotionen sind in seinen Filmen ebenso abwesend wie äußere Motivationen, barocke Plotverwicklungen oder schmückende Details. Seine Protagonisten, egal ob es nun Gangster oder Polizisten sind, sind freudlose Profis, die das tun, was sie am besten können, weil sie nichts anderes können. Es sind weder Rebellen im Sinne Hollywoods, keine romantischen Outlaws noch aufrechte Hüter der Gesellschaft, sondern desillusionierte, aber nicht verzweifelte, sondern vielmehr realistische Männer, die ihr Leben nach beinahe mathematischem Verständnis leben: Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist die Gerade. Und wenn diese Gerade den Weg des Todes kreuzt, dann ist das eben so. Der Existenzialismus ist bei Melville kein heldisches Manifest, sondern schlicht ein unumgehbarer Fakt, über den nachzudenken sich deshalb auch nicht weiter lohnt, und das Geschäft seiner Protagonisten kein Abenteuer, sondern schlicht ein Job, der mit äußerster Routine ausgeübt wird, bis zu dem Moment, an dem diese Routine dann nicht mehr ausreicht. Melvilles Filme enden immer mit dem Tod, doch überrascht wird man davon nicht, weil der Tod von Beginn an über ihnen liegt. In Melvilles Filmen sieht man den Protagonisten beim langen Sterben zu, denn sie suchen den Tod, weil sie wissen, dass er sie von einem Leben erlöst, das keine Überraschungen mehr bereithält.

In UN FLIC wird das alles bis zum Extrem ausgereizt, so weit, dass es für den Zuschauer überhaupt keine Gelegenheit mehr gibt, am Geschehen in irgendeiner Form emotional zu partizipieren. Melville hat alles aus seinem Film herausgesaugt, was über bloßes, nacktes Da-Sein hinausgeht. Coleman fährt mit gelangweilter Miene von einem Tatort zum nächsten, ohne jemals tatsächlich involviert zu sein, und als er Simon und seinen Männern auf die Spur kommt, ist das reiner Zufall. Man kann bei UN FLIC nicht von einer Handlung sprechen: Dinge passieren, ohne dass sie begründet oder auch nur vorbereitet würden, und irgendwie läuft das alles auf den unausweichlichen Endpunkt zu, auch wenn nichts darauf hindeutet, außer der Konvention. Was die Figuren antreibt, was sie denken und fühlen: Man weiß es nicht. Sie sind einfach, voraussetzunglos. Dazu passt die Farbgebung: Das eisige Stahlblau (oder stählerne Eisgrau) des Films verwandelt die bleichen Gesichter der Figuren in wächserne Totenmasken, ein urbanes Schmutzigbraun stellt den einzigen kläglichen Ausbruch aus dieser leblosen Blässe dar.

UN FLIC ist wohl der radikalste Cop- und Gangsterfilm, den das Genre jemals hervorgebracht hat – und man darf mutmaßen, dass ihm kein Film dies mehr streitig machen wird: Melville reduziert dessen Formen, bis nur noch die Tasache, dass er von Polizisten und Gangstern handelt, ihn überhaupt mit diesem Genre verbindet. Aber das alles ist so abstrakt, so fremd und leer, dass man meinen könnte, UN FLIC sei von einem besonders menschenfeindlichen Computer errechnet worden. Das herkömmliche Vokabular der (Gerne-)Filmrezeption muss an ihm abprallen, weil das, was sie in Begriffe bringen möchte, gar nicht mehr da ist. Über das Drehbuch sprechen, Psychologie, Motivationen, Glaubwürdigkeit? Was soll das in Anbetracht dieses Films?

Ich habe UN FLIC zweimal gesehen, weil ich mich nach der Erstsichtung ebenso leer fühlte wie der Film, den ich gesehen hatte. Auch nach der zweiten Ansicht fühle ich mich nur unwesentlich schlauer. Das liegt nicht an mir (behaupte ich jetzt mal): In Melvilles letztem Film gibt es nichts mehr zu verstehen. Es liegt alles auf der Hand. Das muss man erst einmal verkraften lernen. Wahrscheinlich bleibt einem nichts anderes übrig, als zu sterben, wenn man bei dieser Weltsicht angelangt ist. Ein Meisterwerk, das man unmöglich lieben kann.