Im ersten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts erhält der schwarze Boxer Jack Jefferson (James Earl Jones) eine Chance auf den Titel im Schwergewicht – und gewinnt. Der im rassistischen Klima der USA aufgrund seiner Hautfarbe eh schon verhasste und offen angefeindete Jefferson spornt seine Gegner durch die Beziehung zu der weißen Eleanor Blackman (Jane Alexander) noch zusätzlich an, gegen ihn vorzugehen. Als die Behörden ihn auf Basis des Mann-Acts -eines Paragrafen, der es verbietet, Prostituierte über die Staatsgrenzen zu bringen – anklagen, Eleanor mithin als Prostituierte diffamieren und Jefferson verbieten, seinen Sport weiter professionell auszuüben, setzt der sich mit seinem Tross nach Europa ab. Doch auch dort begegnet man ihm mit unverhohlenem Rassismus, der den stolzen Mann mehr und mehr in jenen „Neger“ verwandelt, den die Weißen in ihm sehen wollen, und die Beziehung zu Eleanor auf eine Zerreißprobe stellt …
Ritt hat aus seinem Skeptizismus gegenüber dem Menschen und seiner Eignung, friedlich zusammenzuleben, in seinen bisherigen Filmen keinen Hehl gemacht: Die gesellschaftlichen Mechanismen, Außenseiter zu brechen oder auf Linie zu bringen, funktionieren zu gut, als dass man sich allzu große Hoffnungen auf eine von Toleranz, Gleichberechtigung und Gutmütigkeit beherrschte Welt machen könnte. Ritts Protagonisten sind allesamt Opfer dieser Mechanismen, Einzelgänger, von der Gesellschaft Enttäuschte oder Ausgestoßene, denen selten einen andere Möglichkeit bleibt, als sich offen in Opposition zur silent majority stellen – und dabei unterzugehen. THE GREAT WHITE HOPE stellt den konsequenten Schlusspunkt von Ritts Werk bis zu diesem Zeitpunkt dar: Jefferson dabei zuzusehen, wie er sich unter den gezielten Nackenschlägen der Gesellschaft in einen gehetzten, wild um sich schlagenden Narren verwandelt, der letztlich auch noch die verprellen muss, die ihn als einzige noch lieben und unterstützen, ist eine der härtesten und schmerzhaftesten Erfahrungen meines doch schon immerhin 30 Jahre währenden Filmseherlebens, sodass ich THE GREAT WHITE HOPE als eine der präzisesten, schonungslosesten und konsequentesten filmischen Thematisierungen von Rassismus und seinen verheerenden psychischen wie physischen Folgen überhaupt bezeichnen muss (man sehe mir die Häufung von Superlativen nach).
James Earl Jones folgt den Hauptdarstellern, die Ritts Filmen bisher ihren Stempel aufdrücken durften: Er interpretiert Jefferson (der dem realen ersten schwarzen Boxweltmeister Jack Johnson nachempfunden ist) als sympathischen, charismatischen, selbstwbewussten, liebevollen und intelligenten Mann, der auf den ihm entgegengebrachten Hass eben nicht selbst mit Hass, sondern nur mit spöttischer Verachtung reagiert, dafür aber umso deutlichere Töne für den latenten Selbsthass und reverse racism seiner schwarzen Mitbürger findet. Er weigert sich, bei dem bösen Spiel mitzumachen, schlägt die schmutzigen Deals, die ihm angeboten werden, aus und muss erfahren, dass ein Einzelner noch so stark und mutig sein kann, gegen die weiße Mehrheit hat er niemals eine Chance. THE GREAT WHITE HOPE ist vor allem wegen Jones so brutal: Der Unterschied zwischen dem Jefferson des ersten Akts und dem des dritten ist immens. Man wohnt der systematischen Zerstörung eines Menschen bei und bekommt keinerlei Chance auf eine Wiedergutmachung. Ritts auf einem von Howard Sackler geschriebenen Theaterstück basierender Film macht sich in einer entscheidenden Szene kurz vor Schluss die „Theaterhaftigkeit“ der Vorlage zu eigen und entfaltet das Schicksal von Jack und Eleanor in einer langen Dialogszene, deren dramatischen Verlauf mitzuverfolgen eine Tortur für jeden empathischen Menschen ist. Wenn trotzdem keine Tränen fließen, kann das nur daran liegen, dass der Stein, der auf die Brust drückt, zu schwer ist.
Die ganze Härte des Films kommt in dessen kongenialem, bitter ironischem Titel kristallklar zum Vorschein. Der Ausdruck „the great white hope“ geht auf den Schriftsteller Jack London zurück, der ebenjene forderte, um den schwarzen Boxweltmeister Johnson von seinem Thron zu stoßen. Der Film greift diese Verwendung auf, indem er Jeffersons Gegner im Kampf um den Titel ebenfalls so benennt: eine Hoffnung, die nur wenig später bereits bitter enttäuscht wird. Damit aber gewinnt der Titel in Verbindung mit Jeffersons folgender Geschichte eine weitere Bedeutung: Die „große weiße Hoffnung“ ist nun die Brechung des schwarzen Boxweltmeisters bzw. dessen Selbstzerstörung. Der stolze Mann, an dem zu Beginn jede rassistische Verunglimpfung abprallt, außer der Behauptung eines anderen Schwarzen, er mache sich durch seinen Ruhm zum „white nigger“, verwandelt sich selbst in das Zerrbild des rassistischen Klischees. Kurz vor dem Tiefpunkt, an dem er in einem billigen Varieté-Theater in Ungarn die Titelrolle in einer Aufführung von „Onkel Toms Hütte“ spielen muss, betrinkt er sich mit preußischen Soldaten. Vom Alkohol enthemmt, beginnt er sich unter den Achseln zu kratzen und für die um ihn sitzenden den Affen zu spielen, akzeptiert er schließlich das Bild, das Weiße von ihm haben, als Selbstbild an. Der schwarze Jack Jefferson selbst wird zum Symbol des Triumphes der Rassisten.
Es ist der Meisterschaft und Subtilität Ritts zuzuschreiben, dass er diesen zutiefst deprimierenden Stoff nicht in tristen Bildern der Hoffnungslosigkeit und Düsternis erzählt, sondern in den wunderschönen epischen Kompositionen von Burnett Guffey (in seiner vorletzten Arbeit). Nihilismus und Zynismus sind Ritts Sache – gottseidank – nicht. Aber diese äußere Schönheit sorgt nicht dafür, dass seine bitteren Pillen leichter zu schlucken wären, im Gegenteil. Sie vergrößert den Schmerz, den man als Humanist empfinden muss. Die Welt hat diese Menschen nicht verdient.