Archiv für Juni, 2011

back in action

Veröffentlicht: Juni 29, 2011 in Über mich, Film, Zum Lesen

Gut Ding will Weile haben: Nachdem das „Sauft Benzin, ihr Himmelhunde!“-Blog seine Pforten schon vor einiger Zeit geschlossen hatte, lag mein persönliches Projekt der Actionfilm-Exegese weitestgehend auf Eis – unterbrochen von kleinen Zuckungen in Form meiner Blogeinträge hier, die jedoch unter einem ganz anderen Vorzeichen standen. Meine lieben Kollegen vom Hard Sensations-Blog haben mir nun eine kleine Kolumne geschaffen, in der ich meine Arbeit ab sofort fortsetzen werde. In voraussichtlich unregelmäßigen Abständen, mindestens aber einmal im Monat gibt es dort Aufsätze von mir, die sich mit allen möglichen Aspekten des Actionkinos beschäftigen werden. Ich bin selbst noch ganz geschockt von den sich damit eröffnenden Möglichkeiten und bin gespannt, in welche Richtung sich das entwickeln wird. Ich würde mich freuen, wenn ihr dieser Entwicklung beiwohnt und in Form von Kritik, Lob, Kommentaren oder auch Vorschlägen vielleicht sogar zu ihr beitragt. Genug der Faselei: Hier findet ihr meine einleitenden Worte und hier meinen ersten langen Text. Und jetzt: Anschnallen und abfahren!

In den späten Siebzigerjahren schließt sich der 1974 nach dem Watergate-Skandal aus dem Amt entlassene Präsident Richard M. Nixon in seinem Arbeitszimmer ein. Er trägt einen samtroten Hausmantel, schenkt sich ein gutes Glas Scotch ein, lädt seinen Revolver, schaltet die Überwachungsbildschirme an und bereitet ein Aufnahmegerät vor. In den folgenden 90 Minuten wird er einen Monolog halten, der als Verteidigungsrede vor einem imaginären Richter beginnt, jedoch immer wieder in einen ausufernden, konfusen Stream of Consciousness abgleitet. Er wird seinen Werdegang beschreiben, seine Feinde angreifen sowie seine Version des Watergate-Skandals darlegen, der doch nur das kleinere Übel gegenüber einem weitaus schlimmeren Vergehen war, das es zu vermeiden galt …

SECRET HONOR ist das Ergebnis von Altmans Gastprofessur an der Universität von Michigan, wo der Film unter Mithilfe der Studenten gedreht wurde, und basiert auf dem Bühnenstück von Donald Freed und Arnold M. Stone, das Altman mehreren Quellen zufolge annähernd eins zu eins auf die Leinwand übertrug. Anders als bei der misslungenen Adaption von STREAMERS, bei dem Altman überwiegend Großaufnahmen einsetzte, und eine schlüssige Raumdramaturgie völlig vermissen ließ – unverzeihlich eigentlich bei einem Stück, das in nur einem einzigen Raum spielt -, findet er für SECRET HONOR wieder zu einer kraftvollen Inszenierung zurück. Die Kamera gleitet mit Nixon durch dessen mondänes Arbeitszimmer, steht wie dieser kaum still, beleuchtet ihn von allen Seiten wie einen Fetisch und suggeriert so immer die Präsenz jener Entität, um die es bei Nixon immer auch und gerade dann ging, wenn es eigentlich nur um ihn zu gehen schien: die Öffentlichkeit, das Volk. Das Stück von Freed und Stone ist eine Fiktion, mit dem Ziel „to illuminate the character of President Nixon“ „in an attempt to understand“, wie eine Texttafel zu Beginn erklärt. Es geht also nicht in erster Linie um Fakten, auch wenn sie die Basis für die Fiktion Stones und Freeds bilden, sondern in erster Linie darum, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sich die Figur Nixon als Mensch verstehen lässt. SECRET HONOR verfolgt damit zwar ein ähnliches Ziel wie Stone in seinem NIXON, doch die Mittel sind komplett andere: Während Stone eine anscheinend objektive biografistische Sichtweise bemüht, um ein dichtes Biopic zu weben, das Nixon in der Verstrickung in einen größeren Gesamtzusammenhang konturiert, blendet SECRET HONOR jedes wie auch immer geartete Außen aus, lässt somit nie einen Zweifel an seinem spekulativen Gehalt, kommt dem Menschen Nixon ironischerweise aber gerade dadurch näher als Stone.

Es sind Sympathie und Empathie, die aus Altmans Film sprechen, doch werden diese nicht um den Preis der Geschichtsklitterung erkauft. Der Zuschauer sieht einen mit Worten ringenden, mal schäumenden, dann wieder jammernden, gebrochenen, verbitterten, enttäuschten und neidischen Mann, einen, der unfähig ist, die Verantwortung für sein Versagen zu übernehmen, und der gerade deshalb unseres Mitgefühls sicher ist, weil sein Verhalten nicht zu entschuldigen ist. Nixon ist trotz der Macht und des Wohlstands, die er seinem Amt zweifelsfrei zu verdanken hatte, ein Opfer seiner Erziehung, seiner Zeit, seiner Nation und seines Ichs. Und eben dies machte ihn für das US-amerikanische Volk, das ihn – das sollte man nicht vergessen – zu einem beispiellosen Wahlsieg und einer zweiten Amtsperiode verholfen hatte, zu einem Traumkandidaten, einer Projektionsfläche für alle eigenen unerfüllten Ambitionen. Nixon – das zeigt sich mehrfach im Film, etwa wenn er einen unbekannten Dritten namens Roberto per Aufnahme instruiert, Passagen, in denen er sich zu sehr verstrickt hat, wieder zu löschen – ist besessen von seinem Bild und seiner Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit und die Anerkennung der Bevölkerung schwebt immer als höchstes Ziel über seinen Entscheidungen. Es ist die bittere Ironie der Fabel von Stone und Freed, dass sie gerade jenes Ereignis, mit dem sich Nixon auf ewig als Verräter brandmarkte, als seinen größten Dienst an seinem Land und vielleicht als seinen einzigen wirklich selbstlosen Akt zeichnen. Weil Nixon sich ganz und gar der Macht verschrieben, einen faustischen Pakt mit denen geschlossen hatte, die ihn im Präsidentenamt halten konnten, hatte er sich zu ihrer Handpuppe gemacht: Ein jämmerlicher Strohmann, der die Drogengeschäfte der Mächtigen mit Fernost decken sollte, indem er das Ende des Vietnamkriegs hinauszögerte. Watergate, so bekennt er am Schluss, war seine Inszenierung, um ihrem Zugriff zu entgehen, den ihm ekelhaft gewordenen Pakt von seiner Seite aufzukündigen. Er opferte sich und den Ruf des höchsten Amtes der USA, um Leben zu retten.

Diese Offenbarung, der Stoff, aus dem die Verschwörungstheorien sind, ist zwar der dramaturgische Höhepunkt des Films, doch tritt er hinter der Leistung Philip Baker Halls zurück, der seinen Nixon bis zur Selbstaufgabe und aller Ketten entledigt interpretiert, jeden Zentimeter des Settings erkundet, alle Fassetten seiner Stimme nutzt und damit eine Darbietung für die Ewigkeit gibt. Er ist der menschliche Kern des FIlms, der den Zugang zu ihm auch dann ermöglicht, wenn man – wie ich und wahrscheinlich viele Zuschauer, die Nixon nur aus zweiter Hand kennen – mit den Details seiner Präsidentschaft nicht so vertraut ist. Die Namen fliegen manchmal nur so an einem vorbei, aber das ist nicht entscheidend, weil es vor allem um das „Wie“ von Halls Monologisierung geht, die Emotionen, die in seinen Tiraden zum Ausdruck kommen. SECRET HONOR ist ein hoch komplexer Film. Es geht um einen Mann, in einem Zimmer, mit einem Bedürfnis. Aber gleichzeitig um alles.

Eigentlich will Maria (Dagmar Lassander) beim begüterten Philantropen Dr. Sayer (Philippe Leroy) nur Textmaterial für ihren Artikel zur Zwangssterilisation von Männern zur Lösung des Bevölkerungsproblems ausleihen, doch der hat andere Pläne für die attraktive und noch dazu selbstständige Frau: Er ist in Wahrheit nämlich ein sadistisch veranlagter Lustmolch mit Unterwerfungsfetisch und so wird Maria von ihm gefangen genommen, gedemütigt, erniedrigt, schließlich auch körperlich gequält. Als Maria erkennt, dass sie auf die Gnade des Mannes nicht zu hoffen braucht, schmiedet sie ihrerseits einen Plan. Das Blatt wendet sich …

Ein Film, der mit einer Einstellung beginnt, die mehrere Karrieremänner zeigt, die wortlos durch die Vagina Dentata in den gigantischen Unterleib jener berühmten Nana-Skulptur von Niki de Saint-Phalle blicken, gibt unmissverständlich seine thematische wie formale Marschroute preis. Es spricht Bände, dass Schivazappas Film dem Zuschauer trotzdem immer einen Schritt voraus ist. FEMINA RIDENS ist ein Pop-Art-Traum der Swingin‘ Sixties, allerdings weniger an drogeninduzierter Schönfärberei und enthemmter Euphorie interessiert, als vielmehr daran, die den Ideen von freier Liebe entgegenstehenden und immer noch mächtigen reaktionären Tendenzen zu enthüllen. Doch er setzt dabei nicht auf Schock und Ekel, sondern auf eine schwer zu beschreibende Mischung aus unterkühlter Distanziertheit und  erotischem Tease. Tatsächlich findet Schivazappa mit seiner Inszenierung eine treffende filmische Umsetzung für die erotischen Spiele der Betörung, Täuschung und Verführung. Er lockt den Zuschauer, lullt ihn ein und schrekct ihn dann aus seiner Träumerei auf. Und das gleiche Spiel spielen Sayer und Maria. Aber wer ist der Regisseur?

Dr. Sayer hält aller nach außen getragener Menschenliebe zum Trotz rein gar nichts von der von Gleichberechtigung und interpretiert Sex nicht als Akt der Liebe und Einheit, sondern als reine Machtdemonstration. Seine Philosophie von der sexuellen Dominanz des Mannes, der sich die Frauen kraft seines allmächtigen Phallus zu Untertan machen soll, weil das die ihnen von Natur aus zukommende Rolle ist, hat deutlich nietzscheanischen Einschlag und vermengt sich mit Ideen von Transzendenz sowie der Ästhetisierung von Auflösung und Leid, die im Kern körperfeindlich ist. Es geht ihm bei der Unterwerfung Marias jedoch weniger um den Schmerz der Frau, die Zerstörung ihres Körpers, sondern eher um die Brechung ihrer Identität. Er will, dass sie nur noch Körper ist, Werkzeug, dem Mann zu dienen. Es ist nur ein weiterer Aspekt seines Wahnsinns, dass er diesen „Idealzustand“ als gottgegeben ansieht und nicht bemerkt, als sich das Kräfteverhältnis umkehrt. Was er als das zwangsläufige und unvermeidbare Resultat seiner unwiderstehlichen männlichen Anziehungskraft auf die Frauen betrachtet, ist in Wahrheit genau das Gegenteil: seine Blindheit für die Fähigkeiten des anderen Geschlechts, das sich längst weiterentwickelt hat.

Schivazappas FEMINA RIDENS ist in jeder Hinischt atemberaubend: Das beginnt bei der fantastischen Besetzung mit der bezaubernden Dagmar Lassander und dem eisig-kantigen Philippe Leroy, die schlicht perfekt sind in ihren Rollen, setzt sich fort bei dem betörenden Score von Stelvio Cipriani, den fantastischen psychedelischen Set Designs und der Fotografie von Carlo & Sante Achilli, die immer wieder neue spannende Blickwinkel in den begrenzten Interieurs finden, und endet bei dem famosen Drehbuch, das sich nicht bloß in Oberflächlichkeiten ergeht und die Spannung lange, lange hält.  Thematisch erinnert FEMINA RIDENS ein bisschen an Yasuzo Masumuras MÔJÛ, doch hebt er dessen Sadomaso-Spiele auf eine höhere Stufe und entpuppt sich zum Schluss als ziemlich cleverer, reflektierter Rachethriller, der sein wahres Gesicht lediglich hinter einer Maske aus Nihilismus und Niedertracht verborgen gehalten hat.

Eine Hochzeitsgesellschaft sieht sich auf einem alten Schloss am Rand der italienischen Alpen merkwürdigen Attacken und Halluzinationen ausgesetzt. Eine okkulte Vereinigung, die in den Verliesen ihr Unwesen treibt, braucht Blutopfer für die Wiedererweckung der vor 500 Jahren hingerichteten Hexe Isabella (Rita Calderoni), deren Reinkarnation die schöne Braut Lauren ist. Nach etlichen Toden, Scheintoden, Vergewaltigungen, Nippelgroßaufnahmen und Vermisstenmeldungen verwandeln sich die männlichen Gäste, unter ihnen Jack Nelson (Mickey Hargitay), der wiedergeborene Lover Isabellas, auch noch in Vampire und machen Jagd auf schöne Frauenhälse …

Es ist recht schnell klar, dass Polsellis auch mit RITI, MAGIE NERE E SEGRETI ORGE NEL TRECENTO … nicht als flammender Verfechter der formalen oder überhaupt nur irgendeiner Logik in die Geschichtsbücher eingehen wird. Gleich zu Beginn wird eine miniberockte Trulla von rotgewandeten Butzemännern auf einem Plastikaltar geopfert, der etwas an die maßstabsungenaue Bühnendeko von Spinal Tap erinnert. Nach einem harten Schnitt verbreitet sich die Kunde ihres Todes unter ihren Freundinnen wie ein Lauffeuer, doch so richtig überrascht sind die Damen nicht: „Sie wurde umgebracht!“ – „Ja, ich weiß, Dämonen haben ihr das Herz rausgerissen.“ All das kann die Damen nicht davon abhalten, zur Hochzeit Laurens auf ein düsterromantisches Schlösschen zu fahren und dort dumm in der Gegend rumzustehen. Es muss in der Folge gar nichts wirklich Außergewöhnliches passieren, um das Gefühl zu haben, eines besonders miesen Albtraums teilhaftig zu werden: Die ausnehmend hölzern agierenden, mit nur einem Gesichtsausdruck ausgestatteten Darsteller sondern am laufenden Meter hanebüchenes Zeug ab, ihre „Charaktere“ sind meist kaum mehr als körperlich präsent und erhalten teilweise erst in den letzten zehn Minuten des Films überhaupt einen Namen, was einer herkömmlichen Identifikation eher abträglich ist. Das narkoleptische Temperament, das ich eben schon ansprach, ist allen zu eigen, sodass auch die merkwürdigsten Vorgänge nie zu Konsequenzen führen. Und, oh ja, es gehen einige wirlich rätselhafte Dinge auf dem Schloss vor, die die auch schon nicht gerade langweilige Polselli-Realität noch mächtig durcheinander wirbeln. Da wird gehobelt, dass es nur so kracht, Frauen werden von imaginären Vampiren überfallen, die ihnen an den Brüsten rumschrauben, im alten Folterkeller gepiekst oder auch mal „nur“ eine Treppe runtergeschubst und herzzerreißend idiotische Erklärungsversuche für dieses Treiben bemüht. Das Highlight für mich war aber eindeutig Laurens Bräutigam, der einer akzidentellen Lebendigbeerdigung im schwarzen Lederanzug und mit einer weißen Fellmütze ausgestattet beiwohnt: Sein Style ist geil genau wie ’ne X-File.

Es ist aber vor allem Polsellis Inszenierung, die dem Fass namens RITI, MAGIE NERE E SEGRETI ORGE NEL TRECENTO … endgültig den Boden ausschlägt und ihn zu einem geradezu metaphysischen Filmerlebnis macht: So müssen sich Menschen fühlen, wenn sie langsam in den Wahnsinn abgleiten. Der Schnitt zerstört jede Ahnung von Kohärenz und Chronologie, ohne dies jedoch zur erkennbaren Erzählstrategie zu machen. Für Polselli scheint das alles ganz normal zu sein. Personen tauchen auf und verschwinden wieder, zum Showdown wechseln Tag- und Nachtaufnahmen sich munter ab, das Zeit-Raum-Kontinuum es wird zum Spielball in Polsellis klobigen Flossen. Ich war auf dieses Chaos einigermaßen vorbereitet, kenne ich doch Polsellis nicht weniger deliriösen DELIRIO CALDO: Dieser merkwürdige Serienkillerfilm – ebenfalls mit Janye Mansfields Ehemann Mickey Hargitay – glänzt in der deutschen Fassung mit einer sprachlos machenden Synchro, die ihn zu einem der größten Baddies neben Lenzis ebenfalls kreuzdebilen LE PORTE DELL’INFERNO macht, aber auch durch die beschriebene Handschrift des Regisseurs. Man ist geneigt, diesen Film als Machwerk eines komplett Ahnungs- und Talentlosen zu verlachen, bis dann ein Plottwist herniedergeht, der Adrian Lynes JACOB’S LADDER um fast 20 Jahre vorwegnimmt und die Einordnung plötzlich gtar nicht mehr so einfach macht. RITI, MAGIE NERE E SEGRETI ORGE NEL TRECENTO … entlässt mich kaum weniger ratlos: Der Film ist komplett bescheuert, unterirdisch gespielt und verstößt so ziemlich gegen jedes geschriebene und ungeschriebene Gesetz des filmischen Erzählens. Anflüge von echtem im Gegensatz zu unfreiwilligem Humor, die schiere Konzentration verfremdender Effekte und eine zumindest teilweise wirklich schöne Fotografie und expressive Beleuchtung halten mich aber davon ab, Polselli einfach nur als Dilettant zu bezeichnen. Man kann nicht verleugnen, dass RITI, MAGIE NERE E SEGRETI ORGE NEL TRECENTO … auf seine eigene unerklärliche Weise funktioniert und ja, auch irgendwie ziemlich effektiv dabei ist. Bei surreal angehauchten Filmen wird schnell das Wörtchen „traumgleich“ oder „Traumlogik“ bemüht, nur ganz selten trifft es aber dermaßen ins Schwarze wie bei Polselli, wo zu jeder Zeit alles möglich ist und gerade deshalb nichts mehr überrascht. Die leichenartige Contenance der Figuren scheint die einzig angemessene Möglichkeit, noch auf das Chaos zu reagieren, und dennoch steigert sich der Film in einen wahren Rausch aus schmuddeligem Sex, Folterkellerromantik, knatschrotem Tomatenketchupblut, hingeschluderten Dialogszenen, Stroboskopschnitten, meterbreiten Schnurrbärten und geschmacklosen Kostümen. Sinn im herkömmlichen Sinn ergibt das zu keiner Sekunde, aber, und da geht es mir wie seinen Charakteren, es ist einfach scheißegal. Hauptsache, es knallt.

 

Der junge Martial Artist „Bruce“ Leroy Green (Taimak) hat von seinem Lehrer alles gelernt, was der ihm beibringen kann. Jetzt gilt es den Weisen Dum Sum Goy in New York ausfindig zu machen, der allein ihn auf die letzte Stufe hieven und ihm den sagenumwobenen „Glow“ verleihen kann. Der etwas naive Leroy begibt sich sogleich auf die Suche, erregt mit seiner bloßen Anwesenheit den Zorn von Sho’nuff, dem „Shogun of Harlem“ (Julius Carry), und kommt der süßen Laura Charles (Vanity), ihres Zeichens musikalische Trendsetterin, V-Jane und Leiterin des Clubs „7th Heaven“, zu Hilfe, die von dem Gangster Eddie Arkadian (Christopher Murney) bedrängt wird. Der will, dass Laura ihm dabei hilft,  seine untalentierte Geliebte Angela (Faith Prince) zum Next Big Thing zu machen …

Es gibt Filme, die gibt’s gar nicht. Oder präziser: Es gibt Filme, die sind so sehr Kind ihrer Zeit, bringen alles, was diese auszeichnete, so genau auf den Punkt, dass sie 25 Jahre später aussehen wie Außerirdische, wie aus einem der Zeit enthobenen Paralleuniversum entstammend. THE LAST DRAGON ist so ein Film. Vom Motown-Gründer Berry Gordy wahrscheinlich im Koksrausch der Achtzigerjahre ersonnen und produziert, stellt er wohl den je nach Perspektive sagenhaft missglückten oder geradezu triumphal verlaufenen Versuch dar, einen Blaxploiter im Hochglanzgewand der Achtzigerjahre zu inszenieren. (Ich tendiere zu letzterem.) Zwar sind alle nötigen Zutaten vorhanden – ein mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestatteter Held, ein attraktives Love Interest, ein weißer, das Kapital repräsentierender Schurke, ein schwarzer Gegner von der Straße, dazu viel, viel Musik, debiler Humor  sowie etliche Tanz- und Kampfszenen -, aber sie werden mit einer dicken Schicht Zuckerguss überzogen, mit deren Verdauung man noch Tage später beschäftigt ist.

Nun war der Blaxploitation-Film der Siebzigerjahre auch in erster Linie eine Erfindung weißer Geschäftsleute. Und bis auf einige wenige Ausnahmen ging es diesen sicherlich nicht um eine ernstgemeinte Botschaft von Empowerment und Gleichberechtigung, sondern vor allem darum, zahlungswilliges Publikum in die Kinos zu locken. Man muss sich nur den Namen des wohl berühmtesten Blaxploitation-Helden John Shaft auf der Zunge zergehen lassen (ähem …), um zu verstehen, dass der Blaxploitation-Film nicht zuletzt grelle Abbildung der weißen Angst vor dem schwarzen Mann war, der dessen Zivilisiertheit mit der ungebändigten Wildheit des (urbanen) Dschungels gegenübertrat. Aber immerhin gelang es den Filmemachern, diese Wildheit adäquat einzufangen und so dennoch ein halbwegs authentisches Bild von afroamerikanischer Kultur und „Street Life“ zu zeichnen: Wahrscheinlich einer der Gründe, warum die Protagonisten des Blaxploitation-Films auch heute noch im Hip-Hop refenrenziert werden und zu echten Kultur-Ikonen heranwachsen konnten.

In THE LAST DRAGON hingegen sieht man vor allem die alles gleichmachende Kraft der Reaganomics am Werk, die alle störenden Ecken und Kanten abschleift, um alles und jeden für den Markt verfügbar zu machen und der Maschine überantworten zu können. Eddie Murphy, zu Beginn seiner Karriere der legitime Erbe der Blaxploitation-Stars von einst, musste seinen Duktus schon einem Maschinengewehr angleichen und mit Homo- und Transsexualität kokettieren, um dem anderen schwarzen Superstar jener Zeit etwas entgegenhalten zu können: Es ist durchaus kein Zufall, dass die kleine Schwester von Leroy in THE LAST DRAGON von Keshia Knight gespielt wird, jener kleinen Knuddelmaus, die inTHE COSBY SHOW für Zuckerschocks am laufenden Band sorgte. Und so wie Bill Cosby die andere Seite eines Spektrums besetzt, das in den Siebzigerjahren bei Richard Pryor begann und sich mit Eddie Murphy in die Gegenwart der Eighties fortsetzte, so war es ein weiter Weg von den übersexten, ungezähmten Detektiven, Pimps, Pushern, Mackern, Bad Bitches und Gangstern des Blaxploitation-Films hin zu den Huxtables, die sich vom Gynäkologen-Gehalt des Papas eine schöne Stadtvilla auf der Upper West Side leisten und in ihren geschmacklosen Strickpullis darüber freuen konnten, so richtig in der Gesellschaft der W.A.S.P.s angekommen zu sein.

Und der brave Leroy, wenngleich nicht solch begüterten Verhältnissen, sondern der Familie eines Pizzabäckers entstammend, ist nun nicht gerade der Stoff, aus dem weiße Albträume gemacht sind. THE LAST DRAGON ist komplett unterbelichtet, was genitale Regungen angeht, der weiße Toastbrot-Soul von Pommeslocke DeBarge zielt vielleicht auf die Füße, aber garantiert nicht auf den Unterleib, und wenn Vanity/Laura Charles ihre Liedchen trällert, werden auch eher Assoziationen zum Mülleimer von Andrew Lloyd Webber geweckt als zum rasenden, dampfenden Funk der Siebziger.  (Dass Vanity den Vorschlag ihres einstigen Gönners Prince, sich den Bühnennamen „Vagina“ zuzulegen, ablehnte, muss man wohl als Beleg für ihren intakten Selbstrespekt werten, aber es passt auch ganz gut in mein hier skizziertes Bild der Reaganomics-Achtziger.) Sho’nuff, der zehn Jahre vorher noch zum Held seines eigenen Films avanciert wäre, gereicht hier nur noch zum tumb-vertierten Schurke, zur Karikatur und Parodie auf Bootsy Collins und Rick James, dessen Niederlage gegen Leroy dann den durchaus symbolischen Höhepunkt des Films darstellt: Als Leroy den „Glow“, eine sichtbare, leuchtende Aura erlangt, die ich hier nicht weiter in meinem Sinne interpretieren muss, den „Shogun of Harlem“ bezwingt und schließlich in einem paradiesischen Discoszenario mit seiner Laura gen „Himmel“ schweben darf (nachdem er sie spitzbübisch grinsend aufgefordert hat, ihr einige „Moves“ beizubringen, ihm also die Jungfräulichkeit zu nehmen), ist auch er bereit, als vollwertig produktives Mitglied in die kapitalistische Gesellschaft aufgenommen zu werden.

All dieser ideologiekritische Sermon sollte aber nicht verhüllen, dass THE LAST DRAGON ein wahres Fest ist. Die Szene, in der ein mit begeisterten Kids vollbesetztes Kino zu Bruce Lees ENTER THE DRAGON abgeht und Breakdancer im Mittelgang ihre eigene Interpretation der Kung-Fu-Moves vorführen, ist eine der schönsten Würdigungen des Martial-Arts-Kinos, die ich kenne, und macht etwa den für spätgeborene Europäer immer etwas fremd gebliebenen Eastern-Fetischismus des Wu-Tang Clan, der auf mit Eastern-Doppelpacks in Billigkinos verbrachte Nachmittage zurückgeht, sofort transparent. Und Michael Schultz, der mit dem kurz darauf entstandenen Hip-Hop-Filmklassiker KRUSH GROOVE und dem unfassbaren Fat-Boys-Film DISORDERLIES seinen Beitrag zur schwarzen Kultur der Achtzigerjahre leistete, gelingt es auch sonst ganz ausgezeichnet, quer durch die Filmgeschichte zu wildern und sich von Blaxploitation, Kung-Fu-Kino oder auch Frank Tashlins Masterpiece THE GIRL CAN’T HELP IT inspirieren zu lassen.

THE LAST DRAGON ist Eighties-Pop-Art vom allerfeinsten, auch wenn das bedeutet, dass er auch die hässlichen Seiten dieses Jahrzehnts, die wir eigentlich alle vergessen wollten, gnadenlos ans Licht zerrt: Wer den Motown-Soul der Sechziger- und Siebzigerjahre in sein Herz geschlossen hat, für den ist dieser Film nicht weniger als ein bad trip, der zeigt, wie sehr die Gegenkultur hier durch den Synthesizer assimiliert wurde. Adressierten die schwarzen Helden früher noch ihre sozialen Probleme, besingt DeBarge in seinem Falsetto-Hit „Rythm of the Night“ poesiearm die Kapitulation vor dem Elend: „Forget about the worries on your mind, you can leave them all behind“. THE LAST DRAGON hat alles und mehr, ein Piranhabecken, hässliche Klamotten, Glückskekse, eine idiotische „Glaub‘ an dich selbst“-Botschaft, eine quäkige Cyndi-Lauper-Verarsche, bemackte Kung-Fu-Esoterik, stulligen Wortwitz und William H. Macy im Jogginganzug, ist purer, manipulativer Eskapismus, aber solcher der dümmsten, grellsten, lautesten, naivsten, lustigsten, lebendigsten und ja, auch der schönsten Sorte. Wer hier keinen Spaß hat, der hat echte Probleme, bei denen ihm auch glattgebügelter Synthiesoul nicht helfen kann.

Jonathan Parker (Peter Berg), als Kind Zeuge der Ermordung seiner Eltern, sieht in seinem Traum nicht nur das Gesicht eines seine Heimatstadt unsicher machenden Serienmörders, sondern auch dessen neueste Gräueltat detailgenau vorher, den Mord an Jonathans Pflegemutter und seiner Stiefschwester, ohne ihn jedoch verhindern zu können. Jonathans Pflegevater, der Polizist Don Parker (Michael Murphy), ist skeptisch, geht den Hinweisen aber nach, macht den Mörder Horace Pinker (Mitch Pileggi) schließlich gemeinsam mit Jonathan dingfest und bringt ihn auf den elektrischen Stuhl. Doch der lässt sich von ein bisschen Strom nicht unterkriegen und jagt den Jungen, der ihm das alles eingebrockt hat, fortan in wechselnden Körpern …

Ich habe SHOCKER jetzt zum dritten Mal in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren gesehen, immer wieder in der Hoffnung, ihn jetzt mögen zu können, immer wieder mit dem Ergebnis, von seiner grenzenlosen Blödheit und seinen zahlreichen unergründlichen inszenatorischen wie erzählerischen Fehlentscheidungen verprellt zu werden. Ich muss dazu sagen, dass ich es mit Wes Craven eh nicht so habe, ihn für einen intelligenten Mann, aber bestenfalls für einen mittelmäßigen Regisseur halte. Beides ist für mich kausal durchaus miteinander verbunden: Er scheint mir einfach zu klug, um einen Horrofilm zu machen, der einem so richtig die Luft raubt, weil er sich von seiner humanistischen Ader nicht losmachen kann. Seine heterogene Filmografie – einige gute, aber auch schon nicht makellose Filme (mein Liebling von ihm ist und bleibt THE SERPENT AND THE RAINBOW) tummeln sich zwischen echtem Schott der Marke DEADLY FRIEND oder VAMPIRE IN BROOKLYN und viel Durchschnitt – lässt darüber hinaus nur den Schluss zu, dass er echte Probleme damit hat, gute von schlechten Ideen zu unterscheiden und SHOCKER ist geradezu ein Paradebeispiel für diese These. Es mag sein, dass das nicht seine Schuld allein ist: SHOCKER riecht auch Meilen gegen den Wind nach der Geldgeilheit des Studios, das mit Horace Pinker wohl einen neuen Freddy Krueger heranzüchten wollte, auf dass man etliche Sequels und Merchandising unters willige Volk bringen könne. Ein bisschen Slasher, etwas greller Humor, ein bisschen gut dosierte Medienkritik, die niemandem wehtut, ein bisschen Selbstreferenzialität für die Fans, ein bisschen Gewalt, aber bloß nicht zu viel, und stattdessen einen aufdringlichen Rocksoundtrack: Fertig ist der Horrorhit. Die Rechnung ging verdientermaßen nicht auf und wenn es einen Grund gibt, sich diesen aufgeblähten Quark anzusehen, dann wohl darum, um sich zu vergewissern, dass damals definitiv nicht alles besser, manches sogar noch viel, viel schlimmer war. Da overactet sich ein unterentwickelter Killer in unmotivierter Körpertausch-Manier durch den Film, verfolgen sich Held und Schurke am Schluss in einer videoclippigen Sequenz durchs Fernsehprogramm als seien sie das amerikanische Pendant zu Mike Krüger und Thomas Gottschalk in DIE EINSTEIGER, lassen einen miese visuelle Effekte die modernen CGI-Orgien als Balsam für die Augen empfinden, quäken Megadeth ihr unwürdiges Alice-Cooper-Cover „No More Mr. Nice Guy“ über eine der potenziell spannendsten Szenen des Films und rettet am Schluss die Kraft der jugendlichen Liebe in Form eines Herzchenanhängers den Tag, bevor sie noch einmal als Blinksternchen vom Himmel grüßt. Es gibt ein paar inspirierte Momente, manchmal wirkt SHOCKER gar wie ein modernes Märchen, das nicht sein durfte, weil es ja die Kids ins Kino locken sollte, und vielleicht kann ein Medienwissenschaftler auch die idiotische Elektrizitätsmetaphorik des Films mit Sinn füllen: Mir ist das ziemlich latte, weil ich den Film so grotesk unansehbar finde, dass mir dazu kaum noch was einfällt.

Detective Sean McKinney (Robert Davi) ist am Boden zerstört, als sein Protegé, die wegen ihrer eigenwilligen Methoden schon mehrfach in die Schlagzeilen geratene Polizistin Katie Sullivan (Gretchen Becker), bei einem Einsatz so schwer verwundet wird, dass nur noch der Hirntod diagnostiziert werden kann. Aufgrund manipulativ geschnittener Filmaufnahmen zweier erfolgssüchtiger Nachrichtenreporter sieht es zudem so aus, als habe Katie eine Unschuldige erschossen. Diese Geschichte beschäftigt jedoch nicht nur McKinney, sondern auch den von den Toten auferstandenen Matt Cordell (Robert Z’Dar), der in der Polizistin eine Seelenverwandte erkennt und ihr zu Hilfe eilt …

Hatte ich bei MANIAC COP 2 zunächst noch Probleme, die sich erst bei einer Zweitsichtung weitestgehend auflösten, machte ich mit MANIAC COP 3 genau die umgekehrte Erfahrung: Am Freitag direkt nach Teil 2 gesehen, gefiel er mir zunächst besser, schien er der interessantere, spannendere und abwechslungsreichere Film zu sein; eine Einschätzung, die ich korrigieren muss, nachdem ich auch diesen Film der Nachprüfung unterzogen habe. Gelang es Cohen und Lustig mit dem zweiten Teil noch, ein gängiges Handlungsmuster des Copfilms mit den Mitteln des Horrorfilms zu überspitzen, ohne dabei jedoch den Rahmen des Glaubwürdigen ganz zu verlassen, so ist Teil 3 mit seinen Voodoo- und Wiederauferstehungsritualen ganz eindeutig dem Bereich des Fantastischen zuzuordnen und büßt damit einiges an Wirkungskraft ein. Die Idee mit der seelenverwandten Polizistin, die Cordell vor der postmortalen Zerstörung ihres Rufs bewahren will, ist eigentlich sehr schön und verleiht dem Film emotionale Schwere: Als hoffnungsloser Fall in einem Krankenhausbett vor sich hin vegetierend ist Katie Sullivan die Seele des Films, doch weiß Lustig nicht so recht, wie er diesen nachhaltigeren Strang des Films mit dem eher formelhaften und auch irgendwie albernen Slasherplot verknüpfen soll. So kollidieren die deutlich schwarzhumorigen und gallig-satirischen Elemente des Films – bitterer Höhepunkt in dieser Hinsicht ist ein Dialog zwischen dem Chefarzt des Krankenhauses (Robert Forster) und einem fiesen Politiker (Paul Gleason), in dem ersterer letzterem gegen ein paar Baseballkarten verspricht, die Kate am Leben erhaltenden Maschinen abzuschalten – mit dem menschlichen Kern des Films und die eh schon nicht rundlaufende Geschichte wird dann noch zusätzlich von einem zombiefizierten Cordell gestört. Wenn der Zombiecop einen zynischen Chirurgen mit einem Defibrillator bis aufs Dach des Krankenhauses verfolgt und dort mit Stromstößen umbringt oder einen frechen Punk in die Luft wirft, um ihn dort wie ein Kunstschütze zu durchlöchern, fühlt man sich eher an die späten Einträge der FRIDAY THE 13TH-Reihe erinnert als an Lustigs/Cohens düstere Selbstjustiz-Saga. Was man MANIAC COP 3 nicht absprechen kann, sind auch diesmal wieder eine erstklassige Besetzung und einige exzellente Feuerstunts: Die finale Verfolgungsjagd mit einem brennenden Maniac Cop am Steuer ist ein Highlight, dem man aufgrund des eingegangenen Risikos gern nachsieht, dass sie ein bisschen zu lang geraten ist.

Unmittelbar nach den Ereignissen des ersten Teils: Die Leiche des Mörders in Polizistenuniform konnte leider nicht geborgen werden, sodass Jack Forrest (Bruce Campbell) und Teresa Mallory (Laurene Landon) mit ihren Behauptungen, bei diesem handelte es sich um den für tot geglaubten Ex-Cop Matt Cordell (Robert Z’Dar), nicht mehr erreichen, als von ihrem Vorgesetzten Edward Doyle (Michale Lerner) an die Polizeipsychologin Susan Riley (Claudia Christian) verwiesen zu werden. Die schenkt ihnen aber genauso wenig Glauben wie der selbst ruppigen Methoden nicht ganz abgeneigte Sean McKinney (Robert Davi). Als jedoch erst Jack ermordet wird und Susan Riley dann selbst der Ermordung Teresas durch einen riesenhaften Polizisten beiwohnt, ändern beide ihre Meinung. Und Cordell hat sich inzwischen einen Vertrauten in Form des Serienmörders Turkell (Leo Rssi) gesucht …

Eigentlich war der Verriss schon geschrieben: Die Sichtung am Freitagabend war nicht so richtig erfolgreich, MANIAC COP 2 schien mir nicht mehr als ein wenig charmanter und vor allem etwas langatmiger Aufguss des Vorgängers. Doch irgendwie wollte ich mich damit nicht zufriedengeben und so habe ich den Film dann nochmal geschaut, mit deutlich besserem Ergebnis. Cohens Script ist ziemlich interessant, weil er der Versuchung, den Maniac Cop zum handlungsarmen Slasher zu machen, das Sequel sozusagen auf Nummer sicher und nach Schablone anzufertigen, widersteht und sich noch stärker am Polizei- und Actionfilm orientiert als im Vorgänger. Cordell mag zwar aussehen wie ein Zombie, aber eigentlich ist er lediglich ein besonders entschlossener Vertreter des von den Vorgesetzten verratenen Vollblut-Cops, der so oft im Zentrum des reaktionären Copfilms steht und der hier nun einen besonders teuflischen Racheplan in die Tat umsetzt. In der Gegenübersellung mit dem soziopathischen Turkell kann der Zuschauer mehr als nur ein bisschen Sympathie für den hintergangenen Polizisten entwickeln, in der Figur des McKinney steht ihm ein Mann auf der Seite der Guten gegenüber, der in der Interpretation seines Jobs wohl selbst das ein oder andere Mal Gefahr läuft, so zu enden wie sein Kollege. Und wie man das von Cohen und Lustig erwarten durfte, wird New York als schmutziger Moloch gezeichnet, in dessen Schatten übles Kroppzeug gedeiht und seinen Rachefantasien auf die Gesellschaft, die sie hat fallen lassen, nachgeht, bis die Fantasie allein nicht mehr ausreicht. Die Stadt steht kurz vor der Amtszeit von Rudolph „Rudy“ Giuliani immer noch vor dem Bürgerkrieg. MANIAC COP 2 behält den dystopischen Tenor des ersten Teils also bei und findet seinen Höhepunkt in einem an THE TERMINATOR erinnernden Überfall Cordells auf ein Polizeirevier, bei dem die Polizisten fallen wie die Fliegen.

Abgerundet wird der Film durch eine Besetzung, nach der sich jeder Fan des Genrekinos die Finger lecken dürfte: Neben den bereits Aufgezählten – Campbell bleibt erneut blass und erhält nach drei Szenen die Quittung dafür – tummeln sich Leute wie Charles Napier, Clarence Williams III, Danny Trejo, Sam Raimi und Marco Rodríguez (der Supermarkt-Psycho aus COBRA) in Klein- und Kleinstrollen und die Entscheidung, Robert Davi in der Hauptrolle zu besetzen, kann ich gar nicht hoch genug bewerten (ich mag den Mann einfach). Der Gewinner des Films ist aber eindeutig Leo Rossi, der normalerweise auf Mafiosi im Anzug oder ähnliche Typen abonniert ist und den ich mit wildem Lockenkopf und von einem dichten Vollart zugewuchterten Gesicht überhaupt nicht erkannt habe. Addiert man nun noch den Score von Jay Chattaway und die spektakulären Stunts hinzu, die so manchen Hollywood-Film in den Schatten stellen, dann gibt’s an MANIAC COP 2 nun definitiv nichts auszusetzen. Keine Ahnung, was mich da am Freitag geritten hat.

park row (samuel fuller, usa 1952)

Veröffentlicht: Juni 17, 2011 in Film
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New York in den 1880er-Jahren: Phineas Mitchell, Redakteur des „Star“, einer von der Unternehmerin Charity Hackett (Mary Welch) geführten Zeitung, und ein feuriger Verfechter journalistischer Ideale, wird nach einem Disput mit seiner Chefin über die Verantwortung einer Zeitung entlassen. Sein ihm vorauseilender Ruf als integrer und kompetenter Zeitungsmann verschafft ihm jedoch schnell einen Geldgeber und eine eigene Zeitung, die er ganz nach seinen Vorstellungen führen darf: „The Globe“. Sein Geschäftssinn, Ideenreichtum und Berufsethos – sowie die Satzmaschine, die sein Angestellter Mergenthaler (Bela Kovacs) erfindet – machen seine Zeitung schnell zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für seine ehemalige Arbeitgeberin, der alle Mittel recht sind, den sich anbahnenden Kampf um die Auflage für sich zu entscheiden …

Wenn man seine wunderbare Autobiografie „The Third Face“ gelesen hat, dann weiß man, dass Sam Fuller nie einen Kinofilm gedreht hat, der ihm nichts bedeutete, der lediglich ein Job gewesen wäre: Bis er es sich zu Beginn der Sechzigerjahre mit den wütenden, antikommerziellen SHOCK CORRIDOR und THE NAKED KISS mit den Hollywood-Studiobossen verscherzte, hatte er, begünstigt durch seinen frühen Erfolg, das Glück, immer die Filme machen zu dürfen, die er machen wollte. Trotzdem lag Fuller PARK ROW besonders am Herzen und das merkt man, wenn man den Film sieht. Wenn Fuller in seinem Buch von seiner Zeit als Zeitungsjunge und dann jener als Journalist spricht, wenn er das geschäftige Treiben auf der New Yorker Park Row beschreibt, jener Straße, auf der die Zeitungen damals entstanden, dann spürt man förmlich, wie ihm das Herz in der Brust hüpft und es ihm wieder in den Fingern kribbelt. Funktionierender Journalismus, also eine freie Presse, das betont er mehrfach, ist für ihn eine der wichtigsten Grundlagen der Demokratie und PARK ROW, den er selbst produzierte und dazu jene Straße, die er so liebte, im Studio nachbauen ließ, ist seine Liebeserklärung an diese freie Presse. Das muss man stets im Hinterkopf behalten, denn sonst könnte man vom zentnerschweren Pathos, das Fuller hier auffährt, schlicht erschlagen werden.

Was PARK ROW am meisten von Fullers anderen Filmen unterscheidet, sind seine Dialoge. Man könnte meinen, dass sich der Sujet- und Milieuwechsel – weg von den kernigen Soldaten aus THE STEEL HELMET und FIXED BAYONETS! hin zu den sprachgewandten Journalisten – auch in der Handlung stärker niederschlagen würde, doch bleibt Fuller hier seinem berühmten grafischen und pointierten Wham-Bang-Stil weitestgehend treu: Was sich am Ende auf der Park Row abpielt, ist kaum weniger als ein Krieg. Das liegt wohl auch daran, dass der Journalismus des vorvergangenen Jahrhunderts noch tatsächlich ein Handwerk war, seine Protagonisten keine vergeistigten Schreibtischtäter, sondern Männer der Tat, die sich auf den Straßen auskennen mussten, um ihre Geschichte vor der Konkurrenz zu Papier zu bringen. Phineas Mitchell, passenderweise gespielt von Gene Evans, der auch in den beiden genanten Kriegsfilmen die Hauptrolle innehatte, ist dann auch nicht so weit von den schlagkräftigen Kämpfern entfernt, aber seine Waffe sind in erster Linie die Worte (auch wenn er ein paarmal handgreiflich wird). Und diese Worte formen hier Sätze, die weniger dazu da sind, Charaktere zu konturieren, sondern vor allem Ideen und Ideale zu präsentieren. Fullers Film beginnt nicht wie sonst mit einem Knalleffekt, sondern beinahe literarisch: Über das Bild laufen die Namen aller US-amerikanischen Zeitungen, darüber wird wiederum ein Text eingeblendet, der den Zuschauer direkt anspricht: Eine dieser Zeitungen ist die, die auch du täglich liest! Dann wird auf den Regisseurscredit geschnitten, doch Fullers Name wird nicht bloß eingeblendet, er liegt vielmehr in Form von Lettern, also als Druckstempel, in der Hand einer Statue. Das Bild zieht auf und eine Stimme setzt den Zuschauer darüber in Kenntnis, dass dies Johannes Gutenberg sei, der Erfinder des Buchdrucks, dessen Statue auf der Park Row steht. Die Kamera zieht weiter auf und fängt eine weitere Statue auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein, diesmal von Benajmin Franklin, der als Schutzpatron über die Straße und die Zeitungsredaktionen wache und damit den ideellen Link zwischen der Verfassung der Vereinigten Staaten und der Presse herstellt.

Der Rahmen ist gesteckt: In PARK ROW wird es nicht bloß um singuläre Konflikte im Zeitungsmilieu gehen, sondern um das Wesen des Jorunalismus überhaupt, um die Frage, was Journalismus leisten soll, was er darf und nicht darf. Mit Mitchell und Hackett prallen diametral entgegengesetzte Auffassungen aufeinander: Er glaubt an die Aufrichtigkeitspflicht des Journalisten und weiß um die fundamentale Bedeutung eines guten Journalismus für Gesellschaft und Nation, sie will in erster Linie Gewinn erwirtschaften, die Nachricht selbst ist ihr dabei nur Mittel zum Zweck. Natürlich muss dieser Konflikt aufgelöst  und die böse Kapitalistin geläutert werden, sie muss einsehen, dass ihre Auffassung die falsche ist und ganz im Sinne Fullers ist es ein von Mitchell geschriebener Zeitungsartikel, der ihr die Augen öffnet. Es hat aus heutiger Sicht vielleicht einen kleinen Beigeschmack, dass Hackett eine Frau ist, sie nicht nur als Geschäftsfrau vor Mitchell kapituliert, sondern auch als sexuelles Wesen: Er hat sie ganz und gar erobert. Man sollte dies ebenso wie die manchmal etwas gestelzten Reden, zu denen die Protagonisten anheben, eher als Beleg für Fullers ungebrochenen Glauben an die Kraft des geschriebenen Wortes betrachten oder es aber vor allem als humanistische Geste ansehen, dass Hackett ein Wesen jenseits ihres zweifelhaften Geschäftsgebarens zugedacht wird, ihr das Potenzial zugestanden wird, sich zu ändern, und die Kraft, dies dann auch tatsächlich zu tun. Wie vielen Filmschurken wird diese Fähigkeit verweigert?

Führt man sich schließlich vor Augen, was aus den hier vertretenen Idealen geworden ist, begreift man, dass das Duell zwischen Aufklärung und Kapitalismus komplett anders ausgegangen ist, als in PARK ROW dargestellt, dann lässt sich auch mit Fullers Theatralik ganz gut leben, versteht man, wie wichtig diese Ledenschaft tatsächlich ist. Nachdem ich Fullers Buch gelesen habe und dabei das Gefühl hatte, dieser Mann, der so viel erlebt hat, dass ein Leben dafür gewöhnlich gar nicht ausreicht, sitze direkt neben mir und erzähle mir seine Geschichten, kann ich sowieso nicht anders, als seine Filme zu lieben und zu verehren. Auch diesen hier, der nicht ganz so gut gealtert ist wie seine zahlreichen Großtaten.

 

Auf WHITE LIGHTNIN‘ hatte ich mich sehr gefreut: Die „Edition Störkanal“ hat bislang wenn auch nicht nur Knaller, so doch meist interessante Filme herausgebracht und dieser hier reizte mich wegen seiner Backwood- und Hillbilly-Thematik ganz besonders. Leider bin ich bitter enttäuscht worden und die Tatsache, dass dieser Film mit sehr viel Kritikerlob und sogar diversen Preisen bedacht wurde, lässt mich außerdem wieder einmal so fühlen, als hätte ich einen tollen Witz nicht verstanden. Nee, nee, WHITE LIGHTNIN‘ ist für mich kaum mehr als stumpf provokanter und ästhetisch vollkommen eindimensionaler, um nicht zu sagen: hässlicher Quark. Wen meine Ausführungen zum Film interessieren, kann mein Review auf F.LM – Texte zum Film lesen, und zwar hier.