Archiv für August, 2011

trapped (richard fleischer, usa 1949)

Veröffentlicht: August 31, 2011 in Film
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Als eine der Blüten auftaucht, für deren Herstellung der Ganove Tris Stewart (Lloyd Bridges) vor ein paar Jahren in den wanderte, versuchen die zuständigen Secret-Service-Beamten vom Treasury Department ihn zur Mitarbeit zu überreden. Tris willigt nach kurzem Zögern ein, doch schüttelt er seinen Aufpasser schnell ab und beginnt auf eigene Rechnung zu arbeiten: Ein letzter Falschgeld-Coup mit dem Besitzer der alten Druckplatten, dem Grundstücksmakler Jack Sylvester (James Todd), soll ihm und seiner Geliebten Meg (Barbara Payton) das nötige Kleingeld für den Ruhestand in  Mexiko bringen. Als Geldgeber und Kollaborateur bietet sich der halbseidene Johnny Hackett (John Hoyt) an. Was Tris nicht weiß: Seine Flucht ist vom Secret Service vorausgesehen, mithin Teil des Plans, die Geldfälscher zu stellen, und Hackett selbst ein Agent …

TRAPPED beginnt wie ein Educational: Ein ernster, sich der großen Bedeutung seines Vortrags bewusster Voice-over-Kommentator klärt den Zuschauer über die vielfältigen Funktionen des Treasury Departments der USA auf und geht dabei mit besonders weihevollen Worten auf den komplexen Vorgang Geldherstellung ein. Die Quintessenz seines Berichts: Wenn sich zur Kompetenz der Staatsbeamten noch die gesteigerte Aufmerksamkeit der Bevölkerung hinzugesellte, hätten Falschmünzer keine Chance. So muss die arme Geschäftsfrau sich traurigen Blickes von der 20-Dollar-Note trennen, die der Bankbeamte, der ihre Einzahlung entgegennimmt, als falsch erkannt hat. An diesem Punkt setzt die Handlung ein: Besagte Note wandert zum Treasury Department, wo die Secret-Service-Beamten sie dem inhaftierten Geldfälscher Tris zuordnen. Jedenfalls hatte der einst identische Blüten produziert.

Der Fokus der Narration wechselt nun zu Tris, der den Plan der Beamten als typischer Hardboiled-Charakter zerschlagen muss. Doch seine Flucht aus einem Gefangenentransport ist in Wahrheit genauso vom Secret Service initiiert wie es Bestandteil des Plans ist, dass er sich seines „Schattens“ entledigt. Und auch jeder weitere Schritt, den Tris im Folgenden unternimmt, wird überwacht, jede seiner Aktionen wird vorausgesehen und von einer entsprechenden Gegenmaßnahme flankiert. Während er also glaubt, eine reelle Chance zu haben, dem Zugriff des Gesetzes ein für alle Mal zu entkommen und ein Leben in Freiheit an der Seite seiner Geliebten zu verbringen, hat er die Gefängniszelle in Wahrheit nie wirklich verlassen. Fleischer unterstreicht diesen Irrglauben Tris‘ – der ja auch ein Irrglauben des Zuschauers ist -, indem er den vermeintlichen Protagonisten bereits 15 Minuten vor Ende des Films aus der Gleichung herausstreicht: Tris landet unvermittelt dort, wo er nie mehr hin wollte: hinter Gittern. Noch nicht einmal eine würdevolle Schlussszene ist ihm vergönnt. Der Rest des Films widmet sich der Jagd auf Sylvester der sich in ein Straßenbahnlager flüchtet, wo die labyrinthische Enge der herumstehenden Waggons das sich erbarmungslos zuziehende Netz des Secret Service verbildlicht.

Wohl auch, weil der Film so ganz anders verläuft, als man das erwartet, habe ich mich gestern etwas schwer mit ihm getan – die dumpfe, verrauschte Tonspur der mir vorliegenden DVD tat ihr Übriges. Erst dieser schöne Text hat mich davon überzeugt, es hier mit einem ziemlich cleveren Stück B-Noir zu tun zu haben, das ich wohl noch einmal sehen muss, um es dann besser würdigen zu können. Für Richard Fleischer bedeutet TRAPPED jedenfalls einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum souveränen Filmemacher mit großem Gespür für eine visuell packende und prägnante Inszenierung.

Seit sechs Monaten versetzt ein Serienmörder namens „The Judge“ die Stadt in Angst: Immer, wenn es regnet, bestraft er jemanden, der seiner Meinung nach Dreck am Stecken hat. Trotz einer Vielzahl von Beweisstücken ist es dem zuständigen Polizisten, Lieutenant Harry Grant (William Lundigan), bislang nicht gelungen, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Frustriert von der eigenen Hilflosigkeit hat er eine Idee: Mithilfe der zusammengetragenen Indizien lässt er eine lebensgroße Puppe ohne Gesicht herstellen, die dem Phantom eine greifbare Gestalt geben soll. Der Erfolg bleibt zwar vorerst aus, doch dafür entwickelt Grant eine Beziehung zu dem Pappkameraden …

Zwar kommt auch FOLLOW ME QUIETLY nicht ganz ohne die damals üblichen B-Movie-Formeln aus – ein weitestgehend unnötiger Subplot um eine Yellow-Press-Reporterin, die Grant für eine Story gewinnen will, bringt einen Hauch Romantik ins Spiel und bietet den Aufhänger fürs obligatorisch unpassende Happy End mit Hochzeitsplänen -, doch sieht man darüber hinweg, entdeckt man dahinter einen raffinierten und erstaunlich modernen Serienmörderfilm, der Fleischers Abstraktionsbemühungen im 22 Jahre später gedrehten SEE NO EVIL vorwegnimmt. Der Killer ohne Gesicht wird nicht nur zum Spiegel des Ermittlers Grant, der von Fleischers Inszenierung immer wieder als Verdächtiger angeboten wird (und sich einmal gar anhören muss, er benehme sich langsam selbst wie der „Judge“), sondern auch zur idealen Projektionsfläche für gesellschaftliche Angstzustände und zur Chiffre für die zerstörerische Potenz, die in jedem schlummert, stilisiert.

Als „realistischer“ Krimi betrachtet wirft FOLLOW ME QUIETLY viele Fragen auf, die nahelegen, dass Fleischer ein solcher nicht interessiert hat: Kein Polizist der Welt kämme wohl auf die Idee, eine Puppe ohne Gesicht könnte ein wertvolles Hilfsmittel bei den Ermittlungen sein, und eine von diesmal drei großartigen Szenen, ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn man sie nicht allegorisch interpretiert: In seinem nächtlichen Büro hält Grant Zwiesprache mit der vor ihm im Stuhl sitzenden Puppe. Der Regen prasselt gegen die Scheiben und Grant spürt, dass der Killer heute wieder zuschlagen wird. Sein Kollege kommt herein, lädt Grant zur Entspannung auf einen Drink ein. Beide verlassen zusammen den Raum. Plötzlich erhebt sich die Puppe: Es war die ganze Zeit der echte Killer! Er holt die Puppe aus einem Versteck hervor, setzt sie wieder auf den Stuhl und verlässt dann ebenfalls den Raum. Nichts deutet jedoch später darauf hin, dass der Killer die Polizei ausspioniert haben könnte, wie es in dieser Szene suggeriert würde, verstünde man sie „wörtlich“. Der Killer entpuppt sich als einfacher, eher ängstlich wirkender Mann, der kaum die Gefahr eingegangen wäre, sich einfach so ins Büro seines ärgsten Widersachers zu schleichen. Als Bild hingegen zeigt diese Szene, wie die Puppe perfekt als oben genannte Projektionsfläche funktioniert und so tatsächlich „Gestalt“ annimmt, aber auch, wie der Killer in den Hinterköpfen ihrer Gegner herumspukt. Die effektvolle arrangierte Bühneninszenierung, mit der Grant diese Puppe den Polizisten vorstellt, steht in ihrer Wirkung der packenden Inszenierung Fleischers in nichts nach. Der hat wie in den beiden Vorgängern auch wieder einen tolle Hitchcock-Moment untergebracht, in dem er den Film kurz vor dem Showdown förmlich einfriert. Toll!

Ein schlafender Mann in einem Bett. Eine Hand nähert sich seinem Gesicht, legt sich schließlich um seinen Hals, drückt zu. Der Schlafende erwacht, die Kamera zieht auf, zeigt ein Krankenhauszimmer. Der „Würger“ entpuppt sich als geistig etwas derangierter Patient, der sein „Opfer“ als Verräter beschimpft, bevor er sich von der resoluten Krankenschwester vertreiben lässt. Fleischers THE CLAY PIGEON etabliert gleich vom Start weg eine Atmosphäre der Bedrohung und des Schocks, die den Zuschauer unmittelbar mit dem Protagonisten verbindet und ihn so in den mit knapp 60 Minuten erneut sehr knackig geratenen Film hineinzieht.

Als der Marinesoldat Jim Fletcher (Bill Williams) nach zwei Jahren mit partieller Amnesie aus dem Koma erwacht, dann als Verräter beschimpft und darüber aufgeklärt wird, dass ihn das Kriegsgericht erwartet, ergreift er die Flucht. Auf der Suche nach seinem Kameraden erfährt er zudem, dass er genau diesen umgebracht haben soll. Zusammen mit dessen Ehefrau Martha (Barbara Hale), die er schließlich von seiner Unschuld überzeugen kann, setzt er alles daran, seinen Namen reinzuwaschen und den wahren Mörder dingfest zu machen …

Die Story des unschuldigen Fletcher, der sich als vermeintlicher Mörder in der Mitte eines Komplotts wiederfindet, aber weder eine Ahnung hat, wie er in diese Rolle hineingerutscht ist, noch wer sie ihm aus welchem Grund zugedacht hat, ist ungleich interessanter und spannender als der noch recht biedere BODYGUARD und weitet zudem die sich in jenem Film noch auf kurze Szenen beschränkenden hitchock’schen Suspense-Strategien auf seine gesamte Lauflänge aus. Die schönste Szene des Films soll hier wieder mal als Illustration meiner Aussage herhalten: Fletcher besucht bei seinen Ermittlungen eine chinesische Frau in ihrer Wohnung. Als seine Verfolger vor der Tür stehen, versteckt die Frau ihn hinter einem Vorhang, der das Zimmer ihres Babys vom Rest des Raums abtrennt. Fletcher muss nun darauf hoffen, dass das Baby, das ihn fröhlich beäugt, nicht losschreit und ihn so möglicherweise verrät. Das Baby bleibt ruhig, doch stattdessen fällt den Gangstern der zugezogene Vorhang auf. Auf die Frage, was sich dahinter befinde, antwortet die Frau halbwegs wahrheitsgemäß, dass dort ihr Baby seinen Mittagsschlaf halte. Doch das überzeugt die Schurken nicht. Fletcher ahnt, in welcher Gefahr er schwebt. Im Unterschied zu seiner Situation wenige Sekunden zuvor, würde das Schreien des Babys ihn nun gerade retten: Es wäre der Beweis, dass die Frau die Wahrheit gesagt hat. Fletcher ergreift kurzerhand eine Puppe des Kindes und bricht dieser mitleidlos den Arm ab. Das Baby beginnt zu schreien, die Frau beklagt, dass ihr Kind nun aufgeweckt worden sei, die Schurken drehen konsterniert ab. Nicht nur der Aufbau dieser Szene – wie das Schreien des Kindes erst eine Gefahr und dann die Rettung bedeutet -, auch die sadistische Pointe mit der mutwillig zerstörten Puppe erinnert an den Großmeister.

Dass es Fleischer nicht ganz gelingt, den Drive des Films bis zum Ende beizubehalten, ist wohl auch ein strukturelles Problem dieser Art von B-Movies: Der Rahmen ist mit 60 Minuten eng gesteckt und limitiert die Möglichkeiten, zumal auch noch ein Happy End mit Liebesglück vorgeschrieben scheint. Die Auflösung des so spannend gestarteten Films ist banal und etwas enttäuschend, da hätte man sich doch deutlich mehr Raffinesse gewünscht, die in der Kürze der Zeit aber wohl nicht zu haben war. Dennoch darf man eine deutliche Qualitätssteigerung zum Vorgänger verbuchen.

Als der Polizist Mike Carter (Lawrence Tierney) wegen seiner ruppigen Methoden erst suspendiert und nach dem folgenden wütenden Angriff auf seinen Vorgesetzten Lieutenant Borden (Frank Fenton) ganz entlassen wird, wird er von Freddie Dysen (Phillip Reed) als Bodyguard für dessen Tante angeheuert, die Fleischfabrikantin Gene Dysen (Elisabeth Risdon), auf die es angeblich ein Mörder abgesehen hat. Als Carter wenig später selbst nur knapp einem Anschlag entgeht und dabei zudem über die Leiche Bordens stolpert, weiß er, dass ihm die Rolle des „Fall Guy“ in einem großen Komplott zugedacht ist …

Wäre es nicht bloßer Zufall, dass meine Richard-Fleischer-Retro mit seinem fünften Spielfilm beginnt (es ist der früheste, der auf DVD erhältlich ist), ich müsste mir dafür selbst auf die Schulter klopfen: Die Geschichte zu BODYGUARD erdachte nämlich kein Geringerer als Robert Altman, der hier zuletzt ausgiebig behandelt wurde. Man sollte sich davon aber nicht zu viel versprechen: BODYGUARD ist nicht mehr als ein kleiner, unaufgeregter, unspektakulärer und etwas steifer Krimi, der von RKO für den B-Slot eines Double Features produziert wurde: ein B-Picture eben. Das ist nicht verwerflich und manchmal gibt es kaum was besseres, als so einen knackig kurzen Krimi voller kantiger Herren in maßgeschneiderten Anzügen und eleganten Autos, die zwar kein Kung-Fu beherrschen, aber dafür die Kunst des gepflegten Kinnhakens zur Perfektion gebracht haben, und darüber hinaus kaum weniger stilvoll gekleidete Damen an ihrer Seite haben, die genau wissen, wann Intelligenz und Selbstständigkeit gefragt sind und wann es an der Zeit ist, in Ohnmacht zu fallen.

BODYGUARD ist insgesamt etwas zu stromlinienförmig, um wirklich begeistern zu können, aber ein paar Szenen und Momente bleiben doch haften und lassen erahnen, dass Fleischer zu Größerem in der Lage war: In der Szene, in der Carter in einem Auto neben der Leiche seines ehemaligen Chefs zu Bewusstsein kommt und ein Licht auf sich zukommen sieht, das er erst in letzter Sekunde als einen auf ihn zurasenden Zug erkennt, wird recht effektv mit dem Kontrast von Licht und Schatten gearbeitet, und eine spätere Sequenz, in der der wegen Mordverdacht gesuchte Leibwächter sich zu Nachforschungen in das Geschäft eines Optikers begibt und ihm dort erst ein schlagkräftiger Gangster auflauert und dann zu allem Übel auch noch ein Polizist mit Augenschmerzen eintritt, kann man als den durchaus gelungenen Versuch bezeichnen, die Suspense-Strategien Hitchcocks mit bescheidenen Mitteln nachzuahmen. Auch visuell gibt es immer wieder kleine Lichtblicke, die aus dem sonst eher einfach gehaltenen Film herausstechen. BODYGUARD ist sicher nichts, was man unbedingt gesehen haben müsste, aber wer Crimefilme jener Zeit mag, wird auch diesem hier etwas abgewinnen können. Ein guter, wenn auch kein spektakulärer Start in meine Fleischer-Retro also.

Die Richard-Fleischer-Retrospektive

Veröffentlicht: August 24, 2011 in Film, Zum Lesen
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Es war im April, als ich meine Richard-Fleischer-Werkschau zum ersten Mal angekündigt hatte (siehe hier und hier). Etwas voreilig vielleicht, wie sich inzwischen herausgestellt hat, denn meine Beschäftigung mit Robert Altman war dann doch etwas zeitaufwändiger, als ich das damals geahnt hatte. Aber hinsichtlich meiner nun startbereiten Retrospektive war die Zeit nicht ganz vertan, denn immerhin habe ich die Gelegenheit genutzt, Fleischers immens kurzweiliges und lesenswertes Buch „Just tell me when to cry“ zu lesen, das einige gute Ansätze liefert, sich einem Filmemacher zu widmen, der eher nicht als klassischer auteur und somit als jemand verstanden wird, dessen Werk eine ausführliche Exegese erforderte, sondern der eher als „Auftragsarbeiter“ bekannt ist, diesen Begriff aber vielleicht so gut verkörperte wie kaum ein anderer Hollywood-Regisseur – und ihn darüber hinaus mit Seele zu füllen verstand.

Mit ziemlicher Sicherheit war er eine der fleißigsten und langlebigsten hired hands: Über fast vier Jahrzehnte, von den späten Vierziger- bis in die späten Achtzigerjahre, war er tätig. Und während sich Hollywood und das Filmgeschäft in dieser Zeit massiv veränderten, neue Technologien Einzug hielten, einst erfolgreiche Filmemacher auf dem Abstellgleis landeten (etwa im Übergang der Sechziger- zu den Siebzigerjahren) und eine jüngere Generation das Ruder übernahm, drehte Fleischer fleißig weiter, ohne jemals wirklich den Anschluss an den Publikumsgeschmack zu verlieren. Er arbeitete erfolgreich in nahezu jedem populären Genre, im Noir, Western, Musical, Thriller, Drama, Gangster-, Monumental-, Polizei-, Science-Fiction-, Kriegs-, Fantasy-, Action-, Horror- oder Liebesfilm, landete etliche Kassen- und auch Kritikererfolge und schaffte es, seinen Produzenten meist das zu liefern, was sie sich erhofft hatten, ohne dabei jedoch gesichtslose Stangenware zu produzieren. Der Spagat zwischen Dienstleistung und Selbsverwirklichung gelang ihm wie kaum einem anderen jener oft etwas abschätzig betrachteten Auftragsarbeiter.

Schon sein oben erwähntes Buch macht das deutlich, vor allem im Abgleich mit der Autobiografie eines nicht gerade kompromissfreudigen auteurs wie etwa Samuel Fuller: Ordnet Fuller in seinem fantastischen „The Third Face“ sein Werk vollständig in sein Leben ein, macht er transparent, welche Erfahrungen und Ereignisse seine Filme prägten, und lässt er diese somit als genuinen Ausdruck seiner Persönlichkeit erkennen, hält Fleischer alles Persönliche, was nicht in direktem Bezug zu seiner Arbeit als Filmemacher steht, aus seinem Buch raus. Ihm geht es nicht darum, seinen Lebensweg nachzuzeichnen, auf dem das Filmemachen dann nur eine, wenn auch wichtige, Station war, und sich selbst als Person in den Vordergrund zu rücken. Er ist selbst immer nur insofern von Interesse, als er einer unter vielen (bedeutenderen) Darstellern während eines bestimmten Abschnitts der Hollywood-Filmgeschichtsschreibung war, somit Zeuge von (mehr oder weniger) spannenden Ereignissen und Zeitgenosse von ungleich raumgreifenderen Charakteren, als er selbst einer war. „Just tell me when to cry“ hat somit unweigerlich anekdotischen Charakter und erhebt keinen Anspruch auf Lückenlosigkeit: Filme, über die er nichts zu erzählen hat, werden ganz einfach ausgelassen, und die kleinen Anekdoten, die sich nicht in eine große Geschichte einbinden ließen, sammelt er in in einem kurzen Kapitel zum Schluss und lässt sie für sich stehen.

Das Filmemachen war für Fleischer zu allererst ein Beruf, aber in einem viel weiteren Sinn, als man diesen Begriff heute versteht. Er war ambitioniert und hatte durchaus Interesse daran, auf der Karriereleiter weiter nach oben zu kommen, sprich: gutes Geld zu verdienen, aber er war gleichzeitig keineswegs bereit, dafür alles zu machen, sich selbst komplett unterzuordnen. Er hatte hohe Ansprüche an die Qualität der Filme, die er drehte, und auch an sich, und wenn er glaubte, diesem Anspruch nicht gerecht werden zu können, dann lehnte er ein Filmangebot lieber ab. Damit zog er unter anderem den Zorn des großen John Wayne auf sich: Als Fleischer es ablehnte, einen Film mit dem eitlen Superstar zu machen, weil ihm das Drehbuch nicht gefiel, und der so Verschmähte ihn daraufhin bei einem Treffen mit der rhetorischen Frage konfrontierte: „Du bist also der Regisseur, der keinen John-Wayne-Film machen will?“, antwortete Fleischer: „Nein, ich will nur keinen schlechten John-Wayne-Film machen.“ Spannende Geschichten filmisch adäquat umzusetzen und somit Filme zu drehen, die das Publikum je nach Sujet fesseln, berühren, unterhalten, zum Lachen bringen oder zum Nachdenken anregen: Das war sein Ziel, seine Form der Selbstverwirklichung.Und dieser hohe Qualitätsanspruch reichte schon aus, um ihn mit einigen weniger kleinlichen Produzenten zusammenprallen zu lassen.

Stellt man sich den auteur gemeinhin als kompromisslosen, unnachgiebigen, wahlweise in sich selbst versunkenen oder aber krass extrovertierten Menschen vor, der keine Alternative zur künstlerischen Arbeit hat, dem es geradezu unmöglich ist, sich nicht künstlerisch auszudrücken, und der also von seinem Werk überhaupt nicht zu trennen ist, so stellt sich Fleischer in der Art, wie er über seine Tätigkeit schreibt, als das komplette Gegenteil dar, nämlich als diplomatischen Projekt- und Krisenmanager, dessen Bestreben es nicht sein kann, seine Vision ohne Rücksicht auf Verluste gegen andere zu verteidigen, sondern diese im Gegenteil mit viel Fingerspitzengefühl von ihrer Richtigkeit zu überzeugen oder aber vertretbare Kompromisse anzubieten. Gerade weil Fleischer als nüchterner, sachlicher Arbeiter zwischen aufgeblasenen Schauspieler- und Produzentenegos oftmals auf verlorenem Posten stand, war „Filmemachen“ für ihn ungefähr gleichbedeutend mit „Probleme lösen“. Dass er – zum Teil noch am Anfang seiner Karriere – mit als äußerst schwierig bekannten Leuten wie Robert Mitchum, Kirk Douglas, Charles Bronson, Orson Welles, Charlton Heston, George C. Scott oder auch Howard Hughes zusammenarbeitete und am Ende trotzdem ein erfolgreiches Produkt abliefern konnte, ohne dabei einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, mag als Beleg dafür gelten, dass er das Inszenieren als Problemlösen ziemlich perfektioniert hatte.

Was ihn über diese Interpretation der Auftragsarbeit hinaus interessant macht, ist sein technisches wie logistisches Geschick, das wohl nicht zuletzt auf seinen Vater zurückging. Max Fleischer war Stumm- und Trickfilmpionier und hatte gegenüber seinem großen Konkurrenten Walt Disney lange Zeit die Nase vorn (Fleischers brühmteste Schöpfungen sind Popeye und Betty Boop). Er führte seine eigene Animationsfirma, beschäftigte viele talentierte Zeichner und musste sich dem Rivalen lediglich deshalb geschlagen geben, weil dessen Studio das Potenzial des Animationsfilms erkannte und ihm demzufolge auch mehr Geldmittel zur Verfügung stellte. Disney kaufte Fleischers Angestellte weg und durfte schließlich den ersten Farb-Trickfilm machen, während Fleischers Produzenten noch glaubten, damit sei kein Geld zu verdienen. Fleischers Stern ging zwangsläufig unter, während Disney ein Imperium aufbaute – und im Hause des gekränkten Max Fleischer zur Persona non grata wurde. Ein Hang zu technisch ambitionierten Filmen lässt sich bei Fleischer früh erkennen: 1952 drehte er mit THE NARROW MARGIN einen Thriller, der fast ausschließlich in einem Zugabteil spielt und ihm euphorische Kritiken einbrachte (der Publikumserfolg blieb ihm verwehrt, weil Howard Hughes den Film in seinem Schrank verschimmeln ließ), und ein Jahr später steuerte er mit ARENA einen Film zum damaligen 3D-Boom bei (der rechtzeitig zu dessen Veröffentlichung aber schon wieder vorbei war). Der Auftrag, ausgerechnet für Disney 20.000 LEAGUES BENEATH THE SEA zu inszenieren (er fragte den Vater vor der Annahme des Angebots um Erlaubnis) beendete nicht nur frustrierende Jahre in der B-Movie-Warteschleife von RKO, er etablierte Fleischer auch mit einem Schlag als Top-Adresse für aufwändige, mit Special Effects gespickte und demzufolge schwierige Blockbuster wie etwa THE VIKINGS, FANTASTIC VOYAGE, DOCTOR DOLITTLE, TORA! TORA! TORA! und THE BOSTON STRANGLER, dessen Einsatz der Split-Screen-Technik als visionär bezeichnet werden darf. Neben diesen lassen sich aber auch andere Filme in Fleischers umfangreichem Werk finden, die nahelegen, dass der Auftragsarbeiter zum einen nicht gern auf der Stelle trat, sondern sich stattdessen immer wieder neuen Herausforderungen stellte, und er zum anderen durchaus persönlich in seine Filme involviert war. Wie ließen sich sonst seine in den Jahren 1968 bis 1971 entstandene Reihe von Serienmörderfilmen oder seine Entscheidung, sich für MANDINGO auf gänzlich untypische und provokante Art und Weise mit dem Thema „Sklaverei“ auseinanderzusetzen (der Film wird heute noch weit gehend missverstanden), interpretieren? Ihm musste klar gewesen sein, dass er mit MANDINGO weit eher Kritik und Unverständnis als Ruhm und Ehre ernten würde.

Ich hoffe, meine Beschäftigung mit Fleischers Werk in den kommenden Wochen (und wahrscheinlich Monaten) wird den Filmemacher Fleischer noch deutlicher konturieren, als ich das hier sehr vorläufig versucht habe, den Menschen noch stärker aus seinen Filmen herausarbeiten und die scharf gezogene Trennlinie zwischen dem individualistischen auteur und dem anonymen Auftragsarbeiter etwas verwischen.

Am Ende, während die Abschlusscredits laufen, fährt die Kamera einen Stadtplan von Los Angeles ab, zeigt die unüberschaubare Vielzahl von sauber vertikal und horizontal oder aber kurvig und scheinbar natürlich verlaufenden Linien, die die Straßen der Westküstenmetropole repräsentieren, und deren gemeinsame Kreuzungen. Mit SHORT CUTS, mit dem Altman nach seinem Comeback THE PLAYER bewies, dass der mitnichten ein Zufallstreffer gewesen war, und an seinen ambitionierten, ausschweifenden Ensemblefilm NASHVILLE anknüpfte, entwirft der Regisseur so etwas wie einen emotionalen Straßenplan, zeichnet die Stadt als ein engmaschiges Geflecht, aus sich kreuzenden Lebenswegen von Menschen, die über mehrere Ecken miteinander in Verbindung stehen, ohne es zu wissen. Nicht alle dieser Begegnungen begründen eine dauerhafte Beziehung, manche sind sehr flüchtig und werden von den Betroffenen kaum weiter bemerkt, weil ihnen der Kontext fehlt, sie in den „Stadtplan“ einzuordnen. Genau daraus entspringt die Schönheit, die Komik, aber auch die Tragik von SHORT CUTS: Altman zeigt, wie Jeder mit Jedem verwoben ist, wie die Handlungen des Einzelnen das Leben eines Fremden auf völlig unvorhergesehene Weise beeinflussen und wie alle viel zu sehr mit ihren niederen Problemchen oder auch großen Krisen beschäftigt sind, als dass sie diesen größeren Zusammenhang, in den sie eingebunden sind, verstehen könnten. Der Mensch ist in SHORT CUTS wie ein Tourist ohne Straßenplan.

Die Kellnerin Doreen Piggot (Lily Tomlin) fährt den kleinen Casey an, Sohn von Andy und Howard Finnigan (Andie McDowell & Bruce Davison). Der Junge übersteht den Unfall anscheinend unverletzt, doch er wird an seinen Folgen sterben, seine Eltern in tiefe Trauer stürzen, während Doreen am Schluss die Überwindung einer Ehekrise ausgelassen mit ihrem Gatten Earl (Tom Waits) feiert, nicht wissend, welches Leid ihre Unachtsamkeit ausgelöst hat. Die Ehe des für Casey zuständigen Arztes Dr. Ralph Wyman (Matthew Modine) mit der Malerin Marian (Julianne Moore) krankt an einem nicht aufgearbeiteten vermeintlichen Seitensprung der Frau, die des Polizisten Gene Shepard (Tim Robbins) und seiner Frau Sherri (Madeleine Stowe) an der Unfähigkeit beider, sich ihrer sexuellen Zuneigung zu versichern. Jerry Kaiser (Chris Penn) leidet an der Telefonsex-Tätigkeit seiner Frau Lois (Jennifer Jason Leigh) und der wahrgenommenen Diskrepanz zwischen dem Enthusiasmus, mit dem sie diesen ausübt, und der Tristesse des gemeinsamen Sexlebens, die Cellistin Zoe (Lori Singer) an der Unaufmerksamkeit und Selbstbezogenheit ihrer Mutter Tess (Annie Ross), die für ihre emotionale Unfähigkeit wiederum den Drogentod ihres einstigen Mannes heranführt. Stuart Kane (Fred Ward) betrachtet die Leiche der jungen Frau, die just dort am Flussufer liegt, wo er mit seinen Freunden ein Angelwochenende verbringt, nicht als Körper eines Menschen, der Angehörige hat, sondern lediglich als Hindernis, das es für ein paar Tage zu ignorieren gilt, und die Versuche von Howard Finnigans Vater Paul (Jack Lemmon), den jahrelang brachliegenden Kontakt zu seinem Sohn wiederherzustellen, scheitern daran, dass er sich dafür ausgerechnet den Zeitpunkt ausgesucht hat, an dem der mit seiner Frau wohl den schlimmsten Tag erlebt, den sich Eltern vorstellen können.

Keine dieser ursprünglich von Raymond Carver als einzelne Short Stories verfassten und erst von Altman verbundenen Geschichten ist besonders spektakulär, genauso wenig wie ihre am Ende des dreistündigen Films manchmal doch etwas abrupt wirkenden Auflösungen. Sie sind, wie meine Gattin nach dem Film sagte, damit einen unausgesprochenen Gedanken von mir bestätigend (wenn man über Film schreibt, formuliert man ja noch während des Filmschauens ständig mögliche Sätze), „wie das Leben“. Das heißt aber konsequenterweise nicht nur, dass sie sehr authentisch erscheinen, sondern auch, dass sie immer wieder auch banal, hässlich, undramatisch, unterentwickelt, pointen- und humorlos sind. Dies ist aber keineswegs als Kritik gemeint, schon deshalb nicht, weil es dazwischen immer wieder auch zahlreiche Momente von sprühendem Witz, menschlicher Wärme und bleischwerer Traurigkeit gibt, sondern eben ausdrückliche Stärke des Films, der sein Thema nicht aus einem Zurechtbiegen oder eine dichterischen Überhöhung und Stilisierung entwickelt, sondern einzig aus der Verbindung seiner einzelnen, kompakten Teile. Die Gesamtheit aller menschlichen Leben, ist jedes einzelne davon auch noch so mangelhaft und defizitär, ergibt ein wahrhaft göttliches Konstrukt, dessen wahre Schönheit auch im Hässlichen dem Menschen leider verschlossen bleiben muss, weil er zu sehr in seiner individuellen Narration gefangen ist, ihm der Überblick fehlt, sich selbst als Puzzleteil in einer gewaltigen Erzählung namens „Leben“ zu begreifen.

Vielleicht finde ich es auch deshalb so schwierig, mich zu SHORT CUTS zu verhalten. Die drei Stunden vergehen wie im Flug und die Charaktere werden einem – so idiotisch man ihre Neurosen und Probelme vielleicht auch finden mag – über die Spielzeit mit all ihren Macken so vertraut, dass man sich unweigerlich fragt, was beim eigenen Nachbarn denn eigentlich so vor sich geht. Aber dann ist der Film, dessen Protagonisten ja alle im Sumpf der irdischen Durchschnittlichkeit gefangen bleiben, ohne Hoffnung jemals aus diesem emporzusteigen, auch verdammt deprimierend. Und nichts, aber auch gar nichts kann für mich den Tod des kleinen Casey, die Schmerzen seiner Eltern und die unweigerlich aufkeimende Angst, es könnte dem eigenen Kind genauso ergehen, in eine tröstliche Perspektive rücken oder irgendwie abmildern. Diese auch von Altman zentral positionierte Geschichte prägt die Stimmung des ganzen Films, der damit sehr unmissverständlich in Erinnerung ruft, dass Leben immer ein Leben mit dem stets zur falschen Zeit eintreffenden Tod ist. Ich sagte es bereits: SHORT CUTS ist wie das Leben: voller Paradoxien. Ganz leicht zu schauen, dabei nur schwer zu ertragen. Eine ambitionierte Abhandlung über das moderne urbane Leben, die dabei aber nie zur Erbauungsprosa verkommt, auf metaphysische Paradiesversprechen und Romantisierungen ganz verzichtet. Ein zweifellos großer filmischer Wurf, der mir jedoch nie das Gefühl gab, einem Meister der Kunst bei der Ausübung seiner heiligen Kunst zusehen zu dürfen, sondern der in seiner narrativen Akribie nur wie gewissenhafte, ganz dem Zweck unterworfene Arbeit wirkt. Ein Film, der nicht dafür gemacht zu sein scheint, ihn schön zu finden, oder der sonstwie auf Zustimmung und Applaus aus wäre, sondern der einfach da ist. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt noch klarer hinbekomme: Mir ist SHORT CUTS irgendwie unheimlich.

Das war der vorläufige Abschluss meiner am Ende doch etwas ermüdenden Altman-Reihe. Ein guter Schluss, weil SHORT CUTS doch auch gut als Antwort Altmans auf den nicht zuletzt von mir öfter mal erhobenen Zynismus-Vorwurf gelten darf. Das letzte Drittel seines Werkes werde ich bestimmt irgendwann mal nachholen. Jetzt freue ich mich erst einmal, mich neuen Dingen zuwenden, die längst überfällige Fleischer-Werkschau mit neuem Elan beginnen und mich einem Regisseur widmen zu können, der einen gänzlich anderen Typus des Filmemachers vertritt.

Movie Marquees

Veröffentlicht: August 15, 2011 in Über mich, Film

Ich mag notorisch unterbeschäftigt, übermotiviert oder gelangweilt bzw. dieses Posting etwas inzestuös erscheinen, aber ich habe ein neues Blog namens „Marquees in Movies“ eröffnet. Anstatt an weiterer Stelle mit meinem Sermon zu nerven, gibt es dort ausschließlich Bilder zu gucken. Und zwar Screenshots aus Filmen, auf denen Kinos im Allgemeinen und deren Billboards, also die weißen Leuchtreklamen, auf denen die gezeigten Filme in schwarzen Lettern angekündigt werden, zu sehen sind. Und das Tollste: Ihr dürft mitmachen, wenn ihr denn wollt!

Griffin Mill (Tim Robbins) hat die Aufgabe, für ein Hollywood-Studio geeignete Drehbücher auszuwählen. Als er mit Larry Levy (Peter Gallagher) einen Konkurrenten bekommt und in Folge Gerüchte kursieren, er befände sich auf dem absteigenden Ast, beginnen seine Nerven zu flattern. Eine Reihe von anonym an ihn gesendeten Droh-Postkarten trägt auch nicht zur Stärkung seines Nervenkostüms bei. Ein Treffen mit dem Drehbuchautor David Kahane (Vincent D’Onofrio), den Griffin vor ein paar Monaten abgewimmelt hat und deshalb als Urheber dieser Postkarten vermutet, endet schließlich in einem Handgemenge und der Ermordung des jungen Autors. Von nun an hat Griffin an zwei Fronten zu kämpfen: Er muss sich in der Hierarchie des Studios behaupten und gleichzeitig die bald mit unangenehmen Fragen auftauchende Polizei von seiner Unschuld überzeugen. Dass er eine Liebschaft mit Kahanes Ex-Freundin, der Malerin June Gudmundsdottir (Greta Scacchi), beginnt, macht seine Aufgabe nicht leichter …

THE PLAYER markierte zu Beginn der Neunzigerjahre eine Art Comeback für Robert Altman. Zwar war er in den Achtzigerjahren keineswegs untätig gewesen, doch keiner seiner in diesen Zeitraum fallenden Filme konnte an seine Erfolge aus den Siebzigern anknüpfen – sie floppten sowohl an der Kasse als auch künstlerisch, zumindest in den Augen der meisten Kritiker. Die Bissigkeit und der Spott, mit der er die Filmindustrie in THE PLAYER überzieht, legen die Vermutung nahe, dass er diesen Liebesentzug nicht erwartet hatte und für ungerechtfertigt hielt, die „Schuld“ nicht bei sich suchte, sondern einem mutlosen Studiosystem zuschob, das sich sein Publikum zurechtverdummt hatte. Sein Film ist bevölkert von Speichelleckern und Arschkriechern, hoffnungslosen Egomanen, Materialisten, rücksichtslosen Karrieristen und einfallslosen und noch dazu geschmacksverwirrten Produzenten, die eine Kunstform mit dem Enthusiasmus eines Versicherungsvertreters, der Ehrfurcht eines Grabschänders und dem Feingefühl eines Schrotthändlers traktieren. Es ist demzufolge alles andere als ein Wunder, dass ein solcher Rundumschlag nicht gerade dazu geeignet ist, das Herz des Zuschauers zu erwärmen. Mit dem Protagonisten, dem ebenso rückgrat- wie skrupellosen Griffin, fiebert man dann auch eher qua Konvention mit: Er ist die Figur, die man von Altman aufgezwungen bekommt und dass man ihm für seinen Mord und das darauf folgende feige Sich-um-die-Verantwortung-Drücken sowie das erbärmliche Abservieren seiner Freundin nicht die passende Strafe an den Hals wünscht, sondern vielmehr hofft, dass er entkommen möge, liegt einzig und allein daran, dass einem keine positiveren Alternativen zur Identifikation angeboten werden.

THE PLAYER ist schon ein besonders abgezockter und böser Film, der sich die Liebe, die normalerweise Menschen zukommt, ganz für seine filmischen Injokes, Meta-Referenzen und selbstreflexiven Tricks aufspart, die Altman am Ende zu einem hintersinnigen Zirkelschluss verwebt. Er eröffnet seinen Film mit der Großaufnahme einer Filmklappe und lässt den Zuschauer so gleich zu Beginn dem – vermeintlichen? – Trugschluss aufsitzen, er befinde sich an einem Filmset, den er mit seiner Schlusspointe dann doch wieder als richtig nahelegt, wenn Griffin über einen Film namens „The Player“ nachdenkt, der genau die Geschichte erzählt, der wir soeben beigewohnt haben. Dazwischen kommentiert Altman das Geschehen immer wieder mithilfe von Verweisen auf Filme, lässt seine Figuren während einer langen Einstellung ohne Schnitt über berühmte lange Einstellungen ohne Schnitt diskutieren oder Griffin Filmideen konstruieren, um Lösungsansätze für seine realen Probleme zu erproben. Film und Realität sind in THE PLAYER überhaupt nicht mehr zu trennen, was durch Dutzende von Cameos berühmter Schauspieler, Regisseure, Autoren und Produzenten, die sich selbst spielen, noch bekräftigt wird.

So gesehen ist THE PLAYER durchaus ein Vorbote des ein paar Jahre später durchstartenden Metakinos eines Quentin Tarantino, der ja ebenfalls eine Welt zeichnet, die aus popkulturellen Zitaten und Verweisen zusammengesetzt ist und von Menschen bewohnt wird, die sich vor allem als Popfans oder zumindest -konsumenten definieren. Der Unterschied ist, dass Altman seinem Zuschauer nicht die Ausflucht bietet, sein moralisch bis ins Mark verrottetes Hollywood als in der Fantasie verortete Parallelwelt zu begreifen. Man ahnt, dass die schwachsinnigen Pitches, die hirnrissigen Ideen und halbherzigen Kompromisse, die das Filmgeschäft in THE PLAYER betimmen, keine Erfindung und Halsabschneider wie Griffin keine Ausnahme, sondern genau der Stoff sind, aus dem die hollywood’schen Erfolgsgeschichten sind. Der unverkennbare, ätzende Humor dient ihm nicht zur Distanzierung, sondern dazu, die bittere Wahrheit umso tiefer einsinken zu lassen.

Um zum Schluss zu kommen: THE PLAYER ist ein meisterlich gefertigter Film und stilistisch tatsächlich eine Rückkehr zu den Großtaten seines Regisseurs. Es mag also an einer sich nach nunmehr 20 geschauten Filmen unweigerlich einstellenden Übersättigung meinerseits liegen – Altman-Filme sind immer Altman-Filme und sein Stil ist ebenso wenig variabel wie seine Themen -, dass er mich nicht mehr zu jenen Begeisterungsstürmen hinreißt, die er für meinetwegen NASHVILLE, CALIFORNIA SPLIT, MCCABE & MRS. MILLER, THIEVES LIKE US oder 3 WOMEN von mir geerntet hat. Ich finde, dass er diesen Meisterwerken aus den Siebzigern in THE PLAYER allerhöchstens noch Nuancen hinzuzufügen hat. Und der pastellige Look der frühen Neunziger ist einfach nicht mein Ding. Ich freue mich darauf, meine Zwei-Drittel-Werkschau mit SHORT CUTS demnächst abzuschließen, um mich mit neuer Frische anderen Dingen zu widmen – und THE PLAYER dann vielleicht in ein paar Jahren neu entdecken zu können.

Der Nachtflug

Veröffentlicht: August 14, 2011 in Film

Ihr kennt dieses Bild aus zahlreichen Actionfilmen: Die Kamera gleitet über die nächtliche Stadt, fängt die leuchtenden Verkehrsadern und die gigantischen Wolkenkratzer ein, die wie schwarze Leerstellen ins Dunkel ragen, so ihre Fenster nicht ebenfalls beleuchtet sind. Dazu treibt synthetische Musik unermüdlich nach vorn und zur Landung im urbanen Kriegsgebiet. In meinem Actionfilm-Blog auf Hard Sensations habe ich mich für meinen zweiten Beitrag mit genau diesem Bild beschäftigt und auf seine ästhetischen wie auch inhaltlichen Implikationen abgeklopft bzw. mich von ihm inspiriert auf eine Assoziationsreise begeben. Ich wünsche viel Vergnügen: Klick.

Als sowohl ihr Berufs- als auch ihr Privatleben implodieren, macht sich die in der Werbung tätige Dinah Hunter (Yvette Mimieux) mit dem Auto auf den Weg von L. A. nach New York, um dort ein neues Leben anzufangen. Eine Verkettung von Missgeschicken und Begegnungen mit schlechten Menschen lässt sie schließlich im Knast von Jackson County landen, wo ihr Leidensweg aber noch nicht zuende ist: Als der Deputy sie vergewaltigt, bringt sie ihn im Affekt um und befindet sich wenig später gemeinsam mit dem Verbrecher Coley (Tommy Lee Jones) auf der Flucht …

JAKSON COUNTY JAIL setzt die Tradition des Crooked-Cop-Subgenres, das Lesern dieses Blogs vor kurzem mit dem sehr ähnlich lautenden MACON COUNTY LINE und vor etwas längerer Zeit mit SHALLOW GRAVE begegnete, fort, ohne jedoch an deren Qualität anknüpfen zu können: Michael Millers Film fehlen der Flow, um mit ersterem, und die Perfidität, um mit letzterem mithalten zu können. Nach seinem ersten Drittel, das sich des von Thrillmeister Hitchcock so geliebten Motivs des zu Unrecht Beschuldigten annimmt und dabei ziemlich effektiv ist – wen packt nicht der nackte Hass, wenn ignorante Staatsdiener unbescholtene Bürger aus bloßer Fauheit und Bequemlichkeit gängeln und die tatsächlich Schuldigen verschonen, weil sie mit ihnen in Kumpanei verbunden sind? –, verliert der Film leider genau in dem Moment an Fahrt, als seine Protagonisten ihre Flucht antreten. Die nun folgenden Episödchen wollen sich nicht so recht zu einem wirkungsvollen Ganzen zusammenfügen, sodass es an den beiden Hauptdarstellern allein ist, das Interesse wachzuhalten. Weil sie ihre Sache jedoch sehr gut machen – vor allem Jones lässt in einer gemessen an seinen späteren Filmen doch eher ungewöhnlichen Rolle sein Können aufblitzen – und JACKSON COUNTY JAIL mit seinen knapp 80 Minuten zudem nur wenig Raum für Leerlauf lässt, bleibt die ganz große Enttäuschung zum Glück aus. Dass Millers desillusionierter Blick auf ein Land, in dem sich die Mächtigen, die die Regeln bestimmen und diese bei Bedarf ändern, wie es ihnen beliebt, jede sonst unverzeihliche Charakterschwäche erlauben können, seinen Film über bloße Exploitation hinaushebt, darf man ihm zusätzlich anrechnen. Leider bleibt seine Kritik jedoch etwas unfokussiert: Die Konzentration der Auftaktsequenz, in der eine fassungslose Dinah sich von einem ihrer männlichen Kunden, einen verfetteten männlichen Ekelpaket, erklären lassen muss, was eine Frau denkt, vermisst man im Folgenden schmerzlich. Trotzdem hat JACKSON COUNTY JAIL das Herz auf dem rechten Fleck und das tragische Finale, das einem weder Triebabfuhr noch eine klare Auflösung gönnt, lässt so manche Drehbuchschwäche wieder vergessen. Miller sollte ein paar Jahre später den famosen Chuck-Norris-Sereinmörderfilm SILENT RAGE inszenieren und sich für weitere Großtaten empfehlen, die dann leider ausblieben. Wie seiner Protagonistin kamen ihm wahrscheinlich die „Powers that be“ in die Quere, die es besser wussten …