Archiv für September, 2011

Der alternde Reggie Dunlop (Paul Newman) verdingt sich als Spielertrainer des unterklassigen Eishockeyteams der Charlestown Chiefs, das in einer deprimierenden Industriestadt vor nahezu leeren Rängen spielt. Die Mannschaft kassiert Niederlage um Niederlage, bis infolge einer unfairen Aktion ein glücklicher Sieg erzielt werden kann. Dunlop ändert daraufhin die Strategie, setzt konsequent auf Gewalt, fährt damit Sieg um Sieg ein und begeistert mithilfe der psychotischen Hanson Brothers zudem die sensationslüsternen Massen. Nebenbei streut er das Gerücht, ein Investor ineressiere sich dafür, das Team zu kaufen, das nach Ende der Saison aufgelöst werden soll. Nur einer bleibt ob der neuen Marschroute skeptisch: der talentierte Jungstar Ned Braden (Michael Ontkean) …

Ich führe jetzt – mit Ausnahme einer kleinen Pause – seit fast sieben Jahren ein Filmtagebuch, aber SLAP SHOT, der in meiner Kindheit und Jugend einer meiner absoluten Lieblingsfilme war, habe ich in diesem Zeitraum noch kein einziges Mal gesehen. Ein Missstand, dem dringend Abhilfe geschaffen werden musste. Berühmt ist SLAP SHOT natürlich vor allem für seine zahlreichen Schlägereien, die vulgäre Sprache und die schlagkräftigen Hanson Brothers, idiot savants wie sie im Buche stehen, auch das sich dahinter eine zwar mit den Mitteln der Komödie geführte, aber dennoch relativ kompromisslose Kritik an Sensationslust und sportlich sublimierter Gewaltgeilheit verbirgt, ist weitestgehend Allgemeingut. Hills Film demonstriert sehr schön, dass hehre Grundsätze von Fair Play nur allzu gern über Bord geworfen werden, wenn sie dem Erfolg im Wege stehen. Diese Kritik zielt längst nicht nur auf Sport und Entertainment ab, denn diese sind auch nur Ausdruck einer kapitalistischen Philosophie. Das Stahlwerk, dem Charlestown überhaupt seine Existenz verdankt, muss schließen, Tausende arbeitslos werden, die Kleinstadt ausbluten; die Chiefs werden trotz der profitablen Entwicklung aufgegeben werden, weil eine Steuerabschreibung dem Eigentümer mehr bringt als ein Verkauf; und Reggie Dunlop wird weiter in einer Branche arbeiten, aus der er besser so schnell wie möglich verschwinden sollte, solange er noch etwas anderes beginnen kann. Er ist längst nicht mehr die treibende Kraft, sondern nur noch ein Fähnlein im Winde, nicht mehr in der Lage, eine Entscheidung zu treffen und danach zu handeln.

Dass SLAP SHOT überaus geschickt in der dramaturgischen Umsetzung dieser Kitik ist – der Film drängt sich mit seiner Botschaft nie unangenehm auf, verliert nie seinen spielerischen Ton –, ist aber nicht der Grund, weshalb ich den Film so schätze: Vielmehr bewundere ich an ihm, wie es ihm gelingt einen Sinn für den Ort, die Zeit und seine Figuren zu entwickeln. Für Freunde des Siebzigerjahre-Kinos bietet SLAP SHOT selbverständlich jede Menge Zeitkolorit, aber das ist nicht, was ich meine. Charlestown wird mit seinen Nöten während der 120 Minuten zum Leben erweckt, das Team der Chiefs entwickelt durch das Zusammenspiel seiner Mitglieder eine echte Identität und das fröhliche, aber eigentlich tieftraurige Finale weist über die Grenzen des Films weit hinaus, wirft die Frage auf, was aus Reggie, seiner Frau Francine (Jennifer Warren), Ned Braden, seiner Lily (Lindsay Crouse) und Charlestown wohl werden wird. Ich liebe diesen Film und entdecke immer noch etwas Neues, obwohl ich ihn nun schon seit 25 Jahren kenne.

„Jeff“ (Jennifer Gan) wird von ihrem drogendealenden Freund Rudy (Charlie Davao) – nebenbei unterhält er einen Vergnügungsdampfer, auf dem reiche Männer dem Glücksspiel nachgehen und sich an Prostituierten vergehen können – hintergangen und landet im Gefängnis. Dort führt die amerikanische Wärterin Alabama (Pam Grier) ein hartes Regiment, hält sich die Frauen wahlweise als Liebesspielzeug oder steckt sie in den „Playpen“ – eine Folterkammer. Jeff freundet sich mit ihren Zellengenossinnen an, doch hat sie bald noch ganz andere Sorgen als Alabama: Denn ihr Rudy fürchtet eine belastende Aussage und weil er gute Kontakte in den Knast hat, beauftragt er Stoke (Roberta Collins), seine Freundin umzubringen …

Pam Grier, die Philippinen und das Genre selbst verbinden WOMEN IN CAGES mit dem Vorgänger THE BIG BIRD CAGE, der aber kaum weiter entfernt sein könnte von diesem Runterzieher. Bot jener farbenfrohen Eskapismus, deutet in De Leons Film schon die monochromatische Farbpalette aus Schwarz, Grau und dunklen Blautönen an, woher hier der Wind weht. Nicht ein Sonnenstrahl verirrt sich in den Film und analog zu den berühmten Day-for-Night-Aufnahmen – also Nachtszenen, die bei Tage gedreht und dann nachträglich abgedunkelt wurden – muss man hier von Night-for-Day sprechen: Selbst über Szenen, die bei Tag spielen, hat sich schon eine unfreundliche Dämmerung gelegt. Auch der Titel ist durchaus paradigmatisch zu verstehen, weist nicht nur auf das Frauenknast-Setting, sondern allgemeiner auf die Lebenssituation der Frauen hin, von denen im Gegensatz zu Jack Hills THE BIG BIRD CAGE keine einzige Souveränität erlangt, jede einzelne vielmehr „gefangen“ ist – und dies auch bleibt. Jeff hofft auch dann noch auf Rettung von ihrem Rudy, wenn ihr doch längst klar geworden sein müsste, dass der ein übles Spiel mit ihr getrieben hat; die drogenabhängige Stoke verkauft sich Rudy, weil sie sich erhofft, von ihm befreit zu werden, und bekommt am Schluss die Quittung: Sie ist die eigentliche tragische Heldin des Films. Aber selbst die schurkische Alabama ist von den ursachlos bösen Sadisten des WiP-Genres weit entfernt, eigentlich auch nur ein Opfer der Umstände. In Harlem aufgewachsen, Opfer des Rassismus und „strung out on crack at the age of ten“ ist ihre Gewalt nur ein fehlgeleiteter Versuch, ihre Traumata zu verarbeiten. Als ihre Macht am Ende dahin ist, fallen die Banditen, die sie engagiert hat, um die Flüchtlinge einzufangen, gnadenlos über sie her. Der Kreis hat sich geschlossen.

Pam Grier ist brillant in der Rolle der Alabama, gerade weil ihr Schauspiel zu jener Zeit am Anfang ihrer Karriere jede Geschliffenheit und Souveränität noch vermissen ließ. Sie hat kaum mehr als ihre Respekt einflößende Physis und jede Menge attitude, wirft sich voller unkontrollierter Inbrunst in ihre Rolle, kommt dabei weniger wie ein totalitärer, unterkühlter Herrscher, sondern eher wie ein amoklaufender Bully rüber, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist und der nun die Gelegenheit hat, alle inneren Frustrationen und Ängste nach außen zu richten, anstatt sie verarbeiten zu müssen. Dank dieser Darstellung und der ruppigen, ungeschliffenen Inszenierung vermittelt WOMEN IN CAGES eine Ahnung davon, was Rassismus mit seinen Opfern anrichtet. Will man De Leons Film kritisieren, dann könnte man ihm vorwerfen, dass er in seiner ausnahmslos düsteren Weltsicht über 80 Minuten ganz schön ermüdend ist. Aber Spaß, Kurzweil und leichtes Entertainment wären hier auch kaum angemessen.

Bei einem Überfall nehmen die beiden Revoluzzer Django (Sid Haig) und seine Geliebte Blossom (Pam Grier) das Jetset-Girl Terry (Anitra Ford) als Geisel. Als sie sie schließlich zurücklassen, wird sie verhaftet und in ein Frauenlager im Urwald gesteckt, dessen Leiter Hunderte von Frauen im „Bird Cage“, einer riesigen Zuckerrohrmühle aus Bambus, arbeiten lässt. Während die Frauen dort gequält, gedemütigt und ermordet werden, kommen Blossom und Django auf die Idee, das Lager zu infiltrieren und die Gefangenen zu befreien. Blossom lässt sich gefangen nehmen und Django dient sich als homosexueller Wärter an …

Für mich verkörpert dieser Film alles das, was das Exploitation-Kino Roger Cormans so liebenswert macht: schöne Frauen, greller Humor, bunte Farben und (nie zu schmerzhafte) Gewalt in einer kompetenten Darbietung. THE BIG BIRD CAGE hat dann auch mit den schmuddelig-niederträchtigen Frauenknast- und Frauenlagerfilmen, wie man sie aus Europa oder auch Asien kennt, nicht viel zu tun. Zwar werden dieselben Zutaten verwendet und man kann – anders als beim zuletzt besprochenen CAGED HEAT – beim besten Willen nicht von einem kritischen Gestus oder einer reflektierten Haltung sprechen, aber die schwungvolle Regie und das clevere, humorvolle Drehbuch des freundlichen Jack Hill betonen eher den pulpigen Comicbook-Charakter und damit die Fiktionalität des Ganzen, anstatt den Zuschauer gewissermaßen durch den Schmutz zu ziehen. Wer seine Blaxploiter COFFY oder FOXY BROWN kennt, der weiß, was ihn erwartet.

Was THE BIG BIRD CAGE aber auch für empfindsame Gemüter so goutierbar macht, ist die Zeichnung seiner weiblichen Charaktere: Die Frauen sind eindeutig die Identifikationsfiguren des Films, nicht bloß schön anzusehende Objekte, an denen sich der männliche Blick und die Schurken reiben können, sondern mit Herz und Seele, Bedürfnissen und Gefühlen ausgestattet, die THE BIG BIRD CAGE zwar nicht gerade in den Rang des authentischen Psychodramas erheben, ihn aber trotzdem von quasipornografischen Werken des Genres abheben. Schon die Thematisierung von Sex verdeutlicht das: Da die Wärter allesamt homosexuell sind, brodelt es unter den Gefangenen gewaltig. Doch anstatt nun in Ermangelung verfügbarer Männer übereinander herzufallen, wie das im Frauenknastfilm ja nicht unüblich ist, staut sich die sexuelle Spannung bis zum Finale an, in dem – man höre und staune – der dicke, schwule Wärter Rocco (Vic Diaz) einem Gang Rape, der einzigen Vergewaltigung des Films, unterzogen wird. Na klar, auch solche Szenarien bedienen natürlich männliche Fantasien, aber diesem Zweck wird eben nicht alles unterworfen, die weiblichen Häftlinge dürfen ihre Würde behalten. Ein Satz von Terry, nur eine von vielen starken, sexuell selbstbestimmten Frauenfiguren des Films, verdeutlicht ganz gut, was ich meine. Als ihr Django am Anfang – eher scherzhaft, auch er ist ein guter Kerl – damit droht, über sie herzufallen, sagt sie ganz trocken: „You can’t rape me, I like sex.“ Das Mittel, das die Wärter anwenden, um die Frauen unter Kontrolle zu halten, ist mithin nicht die sexuelle Unterwerfung und Ausbeutung, sondern der Sexentzug. Ein Plan, der nach hinten losgeht. Und wenn sich die Frauen am Ende gegen ihre Unterdrücker vereinen, ihre kleinen Rivalitäten vergessen, dann weht schon ein Hauch vom Empowerment durch den Film.

THE BIG BIRD CAGE ist wahrlich eine Wolke, über die ich noch länger schwärmen könnte: Der Film sieht super aus, bietet vom Schlammcatchen über die obligatorische Folterszene – Terry wird an ihrem Haarzopf aufgehangen – alles, was das Exploitationherz begehrt, ohne dem Betrachter dabei ins Gesicht zu rotzen. Das Drehbuch hat trotz kleinerer Plotholes – warum sich die Revoluzzerfreunde von Blossom und Django so lange bitten lassen, anstatt das Lager einfach zu stürmen, bleibt ein Rätsel – viele kleine Subplots und Wendungen zu bieten, die das Geschehen interessant halten. Und obendrauf gibt es dann noch die göttliche Pam Grier und den von mir immer gern gesehen Sid Haig. Wie der die beiden schwulen Wärter um den Finger wickelt, ist einfach nur herrlich. Und die Szene, in der er beim Pinkeln vom verzückten Rocco beäugt wird, der humoristische, ähem, Höhepunkt des Films. Ein Film zum Glücklichwerden und -sein.

Wegen der Beihilfe zum versuchten Mord wandert Jacqueline Wilson (Erica Gavin) in den Knast. Dort freundet sie sich mit Pandora (Ella Reid) und Belle (Roberta Collins) an, die sich von den zweifelhaften Methoden der Gefängnisleiterin McQueen (Barbara Steele) noch nicht haben einschüchtern lassen und deren Geduld mit zielgerichteten, intelligenten Provokationen auf die Probe stellen. Als Jacqueline wegen einer Auseinandersetzung mit der streitsüchtigen Maggie (Juanita Brown) in den „Genuss“ der Elektroschocktherapie kommt, die der perverse Dr. Randolph (Warren Miller) im Rahmen von McQueens Umerziehungsprogramm durchführt, beschließt sie zu fliehen. Gemeinsam mit Maggie gelingt die Flucht und mit deren schießfreudigen kriminellen Freundinnen wird schließlich zum Sturm auf das Gefängnis geblasen, um die Kameradinnen rauszuhauen …

Wieder was gelernt. Eigentlich hatte ich gedacht, dass Jonathan Demme das WiP-Subgenre mit CAGED HEAT überhaupt erst losgetreten hatte, doch tatsächlich waren unter dem Siegel von Cormans New World Pictures zuvor schon die (von mir später verorteten) THE BIG DOLL HOUSE und THE BIG BIRD CAGE, WOMEN IN CAGES sowie THE BIG BUST-OUT entstanden. Es war an Demme, dem Frauengefängnisfilm eine gewisse Respektabilität zu verschaffen, ohne jedoch die potenziellen Zuschauer, die sich wenig mehr als Sex, Gewalt und gute Laune erhofften, gänzlich zu verprellen. Zu behaupten, dass der Plan aufging, ist eigentlich untertrieben: Näher als in CAGED HEAT waren sich der Frauengefängnis-Film, ein Genre, das in erster Linie Männerfantasien von Nacktheit, Lesbensex, Unterwerfung und sadomasochistischer Gewalt bedient, Feminismus und linke Gesellschaftskritik wohl noch nie. Dabei bedient Demme, wie oben erwähnt, die speziellen Bedürfnisse seiner Zuschauer sehr genau, dem neutralen Beobachter bleibt aber dennoch kaum verborgen, wie der Regisseur zu den entsprechenden Szenen steht.

Gleich zu Beginn verweigert er in der obligatorischen Untersuchungsszene erst einen allzu ausführlichen Blick auf die Anatomie seiner weiblichen Figuren, lässt die Frauen dann auf einen sehr eindeutig zu verstehenden Spruch des Arztes mit einem Blick antworten, der sagt „Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?“, mithin eher Langeweile und Genervtheit als Wut oder gar Angst ausdrückt, und schneidet unmittelbar danach weg. Später sieht man Pandora in einem medium shot anscheinend im Stadium orgasmischer Erregung, bevor die nächste Einstellung, ein Close-up auf ein paar rollende Würfel, die tatsächliche und überaus weltliche Ursache ihrer Verzückung enthüllt: Sie hat lediglich ihr Glück beschworen. In einer anderen Szene, in der Pandora und Belle Sketche für ihre Mithäftlinge aufführen, werden schließlich die Rollenklischees und der Verkleidungsaspekt des Genres persifliert und wenn es endlich unter die Gemeinschaftsdusche geht, interessiert sich die Kamera nicht für die nackten Tatsachen, sondern für den Plan der bekleidet bleibenden Belle, der in Einzelhaft sitzenden Pandora Essen zukommen zu lassen.

Dass Demme sich vor der bloß erwartungsgemäßen Erfüllung der Klischees versperrt, ist aber nicht bloß seinem Unwillen, in die Vollen zu gehen, geschuldet, vielmehr passt es zum Gesamttenor, den er in CAGED HEAT anschlägt. Der Film zeigt eine Welt, in der Außenseiter keinen Platz mehr haben, vom „System“ um jeden Preis auf Linie gebracht und notfalls mithilfe medizinischer Eingriffe gebrochen werden müssen: Die klaustrophobische Bonnie, die in ihrer Zelle stets einen Schreianfall bekommen hatte, schreit nach ihrer Behandlung zwar nicht mehr, zeigt dafür aber auch keine andere Willensregung. Die „Umerziehung“ appeliert nicht mehr an die Vernunft, sie versucht nicht zu verstehen, sie zielt nicht mehr auf das Bewusstsein, sondern direkt und ohne Umschweife auf den Körper. Für diese Art der Kritikführung ist der Frauengefängnisfilm natürlich ideal: Gewalt am weiblichen Körper, die Vergewaltigung, wird zum Bild für die Gewalt des Staates an den Verlieren des Systems. Diese Haltung schlägt sich auch auf die Gesellschaft nieder, die entsprechend indoktriniert wird: In den Verbotsschildern, die die Gefängniswände schmücken, spiegeln sich die Werbebotschaften und Leuchtreklamen der Außenwelt, die zum Konsum auffordern. Der Andere wird infolge dieser krassen Objektivierung nur so lange respektiert, wie er die Regeln (des Marktes) befolgt: Der Freier von Maggies Freundin Crazy (Crystin Sinclaire) offenbart sich mithin erst als Cop, als sie ihm den Dienst versagt, und will sie daraufhin wegen Prostitution  festnehmen. Es ist doch auffällig, dass sich die Menschheit, die CAGED HEAT bevölkert, fast ausschließlich aus Gefangenen und Wärtern bzw. Kriminellen und Polizisten zusammensetzt. Wenn Jacqueline und Maggie am Ende das Gefängnis stürmen, die Terrorherrschaft von McQueen und ihrem Folterarzt durchbrechen, dann ist das eine Revolution, angestachelt von denen, die an den Rand gedrängt und kriminalisiert wurden. Und John Cale, head honcho von The Velvet Underground, akzentuiert diesen Aspekt mit einem Score, der sowohl den Blues als auch Hillbilly-Country instrumentalisiert. CAGED HEAT ist bestes, abgründiges Seventies-Exploitation-Kino, aber eigentlich kaum gealtert, wie ein Blick in die aktuellen Nachrichten beweist.

Als ein Attentat auf den Wissenschaftler Jan Benes (Jean De Val) verübt wird und dieser ins Koma fällt, werden eine Gruppe von Wissenschaftlern und der Kommunikations-experte Grant (Stephen Boyd) mithilfe einer Erfindung von Benes geschrumpft und in dessen Blutkreislauf injiziert. Ziel ihrer Mission ist es, einen Bluterguss im Gehirn des Forschers zu beseitigen und so sein Leben zu retten. Das Problem: Dem Rettungskommando steht dafür nur ein Zeitraum von 60 Minuten zur Verfügung, bis die Schrumpfung aufgehoben wird und das Leben aller Beteiligten gefährdet wird. Und als wäre das noch nicht genug, befindet sich auch ein Saboteur an Bord …

Vier Jahre nach BARABBA inszenierte Fleischer diesen Science-Fiction-Film, dessen Spezialeffekte seinerzeit State-of-the-art waren, als Auftakt einer ganzen Reihe von teuren Crowdpleasern. FANTASTIC VOYAGE gilt auch heute noch als kleiner Klassiker des Sci-Fi-Genres und erfreut das Auge mit seinen farbenfrohen Setdesigns und den psychedelischen Visual Effects. Dass er fast 50 Jahre nach seiner Entstehung zwangsläufig etwas altbacken wirkt, ist dann auch nicht das Problem: Vielmehr ist im Drehbuch versäumt worden, zwischen Innen und Außen jenes Spannungsverhältnis zu zu erzeugen, das den verlässlich schnurrenden Motor von Joe Dantes Quasi-Remake INNERSPACE von 1987 bildet. Dabei beginnt FANTASTIC VOYAGE überaus viel versprechend: Die kurze Exposition, die die Ankunft Benes‘ am Flughafen und seine anschließende Fahrt in der Obhut diverser Agenten bis zu seinem Unfall zeigt, kommt ohne jeden Dialog aus, stattdessen übertönen Umgebungsgeräusche jeden menschlichen Laut. Mit wenigen präzisen Einstellungen gelingt es Fleischer, den Eindruck von Dringlichkeit und Gefahr zu erzeugen, die kalte Welt der Spionage und Diplomatie abzubilden, ohne dass er diesen Kontext explizit erklären müsste. Dem Unfall folgen die Credits, die mit den Bemühungen der Mediziner unterlegt sind, Benes zu retten. Zwischen Fieberkurven und Herzfrequenzen rattert eine Schreibmaschine die Namen von Schauspielern und Technikern runter: Hier darf keine Zeit verloren werden, es geht um alles. In diesem Tempo geht es weiter bis zur Schrumpfung der Crew und des U-Bootes. Und versucht Fleischer diesem Stakkatostil auch treu zu bleiben, indem er die Rettungsmission annähernd in Echtzeit erzählt, so kann er den atemlosen Rhythmus der ersten halben Stunde dennoch nicht halten.

FANTASTIC VOYAGE konfrontiert das Körperliche konsequent mit dem immateriellen, baut dazu eine Art doppeltes Innen-Außen-Verhältnis auf: Auf der einen Seite sind die miniaturisierten Wissenschaftler, auf der anderen Seite zum einen der sie umgebende „Innerspace“ des menschlichen Körpers sowie zum anderen die Außenwelt – das Militärlabor und die Kommandozentrale. Ergeht sich der Chirurg Dr. Duval (Arthur Kennedy) beim Anblick des sich ihm riesenhaft eröffnenden Organismus in philosophischen Schwelgereien über die Spiegelung des Innerspace im Outerspace, sieht Dr. Michaels (Donald Pleasence) immer nur das rein Körperliche. Es ist die Beziehung zwischen der Crew und der Außenwelt, die unterbelichtet bleibt: Während Dante immer wieder beträchtliche Spannung daraus bezieht, dass der den miniaturisierten Piloten beherbergende Körper auf Einflüsse von außen reagiert, die dann schließlich gezielt in die Überlegungen der beiden unfreiwilligen Partner eingebunden werden (etwa, wenn der „Wirt“ sich aufregen soll, damit sein Magengeschwür entsprechend reagiert), bleibt der „Innerspace“ in FANTASTIC VOYAGE bis auf eine kurze Szene hermetisch abgeriegelt. Nicht nur, dass die Probleme, die sich den Forschern stellen, so auf Dauer etwas redundant wirken, es wird auch versäumt, die Spiegelbildlichkeit der beiden Welten außerhalb der reinen Dialogebene zu thematisieren.

Man darf FANTASTIC VOYAGE trotz der ungenutzten Möglichkeiten als Erfolg für Fleischer verbuchen, auch wenn er sich hier sichtbar zurücknimmt, weniger persönlich inszeniert als in den Filmen zuvor. Nach 20.000 LEAGUES UNDER THE SEA und THE VIKINGS empfahl er sich hier erneut als geeigneter Mann für technisch anspruchsvolles Unterhaltungskino, ein Ruf, von dem er in den nächsten Jahren zehren sollte, der ihm in der Nachbetrachtung aber vielleicht eher geschadet hat. Wirklich toll ist jene Anekdote über die Szene, in der die männlichen Schauspieler die Aufgabe hatten, „Antikörper“ vom Luxusleib Raquel Welchs zu entfernen. Waren ihre Brüste nach dem ersten Take noch komplett bedeckt, weil keiner der Männer sie dort betatschen wollte, verhielt es sich nach entsprechender Anweisung Fleischers und dem zweiten Take genau andersherum: Nun wurden nur noch ihre Brüste befreit. Erst der dritte Take brachte dann ein zufireden stellendes Ergebnis. Womit das bekannte Sprichwort wieder einmal bestätigt wäre.

 

freddy quinn zum 80.

Veröffentlicht: September 27, 2011 in Film, Zum Lesen
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Zum heutigen 80. Geburtstag von Freddy Quinn verlinke ich einen Text von mir aus dem Jahre des Herrn 2007, den ich für F.LM anlässlich der Veröffentlichung von FREDDY UNTER FREMDEN STERNEN und FREDDY UND DER MILLIONÄR geschrieben habe. Viel Vergnügen und klick: hier.

Der versoffene, heruntergekommene Ex-Baseballspieler Morris Buttermaker (Walter Matthau) soll ein Team in einer kalifornischen Jugendliga trainieren. Das Geld nimmt er gern, die Arbeit aber nicht besonders ernst. Erst nach einer demütigenden ersten Niederlage fühlt er sich bei der Ehre gepackt, sieht sich in der Verantwortung, die ihm unterstellten Kinder – alles andere als Sportskanonen – wieder aufzurichten. Mithilfe seiner talentierten Stieftochter Amanda (Tatum O’Neal) und dem juvenile delinquent  Kelly (Jackie Earle Haley) formt er aus dem mitleiderregenden Haufen einen Meisterschaftskandidaten, sehr zum Missfallen des überambitionierten Konkurrenztrainers Roy Turner (Vic Morrow) …

DIE BÄREN SIND LOS dürfte eine meiner frühesten Fernseherinnerungen sein, allerdings nicht die Filmversion, die ich gestern tatsächlich zum ersten Mal gesehen habe, sondern die Serienfassung von 1979, in der Jack Warden in die Rolle des Trainers Buttermaker schlüpfte und auch ein kleiner, noch nicht drogenabhängiger Corey Feldman mitwirkte. Diese Serie bedeutete nach zwei Sequels (ohne Beteiligung von Matthau) und einem Rip-off namens HERE COME THE TIGERS das Ende der kommerziellen Ausschlachtung von Ritchies Erfolgsfilm bis zu Linklaters Remake aus dem Jahr 2005. Mit den rudimentären Erinnerungen, die ich an die Serie noch habe, war THE BAD NEWS BEARS schon eine kleine Überraschung.

Der Film ist nämlich gar nicht so leicht und unbeschwert wie ich das erwartet hatte, die Unzulänglichkeiten der kleinen Baseballer werden weitaus weniger ausgeschlachtet, als man das aus vergleichbaren Filmen kennt, und statt von unschuldigem Slapstick wird der Film von einer sehr greifbaren, melancholischen Stimmung dominiert, die ihn – trotz des geringen Alters seiner kindlichen Protagonisten – als Coming-of-Age-Film markiert. Das goldene Licht der südkalifornischen Sonne verzerrt die Bilder ins leicht Unwirkliche, der ganze Film ist in einem dämmrigen Zwielicht angesiedelt, das schon den Beginn einer neuen, weniger unschuldigen Zeit heraufbeschwört. Ritchie hat ernste Absichten: Er zeigt, wie das in den USA vorherrschende Leistungs- und Erfolgsdenken Außenseiter überhaupt erst produziert, wie von Ehrgeiz zerfressene Eltern ihre Kinder aus egoistischen Motiven zu Höchstleistungen antreiben, wie sie „Versagen“ sanktionieren, Individualismus verdammen, ihren Kindern jeglichen nicht auf ein Ziel gerichteten Spaß austreiben und sie so schon früh auf die Rücksichtslosigkeit konditionieren, die allein zum Erfolg verhilft. Wie blinde Profit- und Gewinnsucht selbst noch die Beziehungen zu den eigenen Kindern bestimmt, ein Klima geschürt wird, in dem der Schwächere nicht Zuwendung und Hilfsbereitschaft, sondern Spott, Demütigung und im äußersten Fall sogar Gewalt erntet und jeder, der nicht mitmacht bei diesem Wettkampf, als ewiger Verlierer abgestempelt wird.

So muss selbst der chronische Gammler Buttermaker, der eine potenzielle Gattin samt dazugehöriger Stieftochter vertrieben, eine Baseball-Karriere in den Wind geschossen hat, sich mit armseligen Jobs über Wasser hält und in seinem stets mit einer Kühltasche voller Bier ausgestatteten Auto zu wohnen scheint, irgendwann bemerken, dass er vor lauter Erfolgswillen seine Ideale vergessen, seine eigenen Interessen über die seiner Schützlinge gestellt hat. Es ist der Moment seines Umdenkens, der den eigentlichen Triumph des Films einleitet: Am Ende, just in dem Moment, in dem er die Chance hat, mit seinen Bears den Titel zu gewinnen, allen Spöttern zu beweisen, was er kann, setzt er die schwächsten Spieler ein, gibt jenen eine Chance, die nie eine hatten. Die knappe Niederlage fühlt sich an wie ein Sieg, weil sie auch ein Bekenntnis zu Solidarität und Freundschaft ist – durchaus nicht selbstverständlich für das oft reaktionäre Sportfilm-Genre, das auf den finalen, zählbaren Erfolg als deutlichsten Ausdruck der Entwicklung seiner Figuren selten verzichten mag. In THE BAD NEWS BEARS kann „Sieg“ nur bedeuten, das System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: Indem man die Niederlage zum Triumph umdefiniert, den Pokal in den Dreck wirft, die leeren Respektbekundungen des Gegners als leere Phrasen und sprachliches Mittel der Unterdrückung bloßstellt und ihnen mit der gebührenden Verachtung entgegentritt. Ritchie geht es nicht um staatstragende Ideologie und Volkserbauung: Er weiß, dass das Leben hart ist und die Kindheit ebenso kostbar wie oft auch traurig und deprimierend; dass die Welt der Erwachsenen und der Kinder immer mehr in Konflikt miteinander geraten (er hat sich auch in THE ISLAND mit dem Druck auseinandersetzt, der Kindern von ihren Eltern auferlegt wird). In der emotional am stärksten nachwirkenden Szene ohrfeigt Roy Turner seinen eigenen Sohn auf dem Platz, weil dieser einen Fehler gemacht hat. Ein Sieg der Bears hätte nach dieser Szene kein Happy End mehr sein können.

Als das Volk Jerusalems die Wahl hat, einen zur Kreuzigung Verurteilten zu begnadigen, wählt es statt des angeblichen Sohns Gottes den Räuber und Mörder Barabbas (Anthony Quinn). Als der Ungläubige in Freiheit geführt wird, umfängt ihn ein göttliches Licht, dass die Saat des Zweifels in ihm pflanzt: Gibt es Gott? Ist Jesus tatsächlich sein Sohn? Und wenn ja: Warum hat Gott ihn ihm vorgezogen? Hat Gott selbst ihn auserwählt, um ihm eine Prüfung aufzuerlegen? Tatsächlich scheint Barabbas nach seiner Begnadigung unsterblich geworden zu sein: Er wird nach einem weiteren Mord nicht hingerichtet, sondern zur Zwangsarbeit in den Schwefelminen verurteilt, überlebt diese Höllenarbeit und den Einsturz der Grube wie durch ein Wunder und gelangt schließlich nach Rom, wo er in eine Gladiatorenschule gesteckt wird. Auf seinem Weg beobachtet er die Entwicklung des Christentums, freundet sich mit dem Christen Sahak (Vittorio Gassman) an, der Barabbas bekehren möchte, und versucht schließlich, seine „Schuld“ zu begleichen. Doch Gott schweigt beharrlich …

BARABBA basiert auf dem gleichnamigen Roman des Literatur-Nobepreisträgers Pär Lagerkvist, der bereits 1953, kurz nach seinem Erscheinen, von Lagerkvists Landsmann Alf Sjöberg zum ersten Mal verfilmt worden war. Unter der Regie von Richard Fleischer avanciert BARABBA zum breit angelegten, immens aufwändigen und bildgewaltigen Monumentalfilm, der den Konventionen dieses Genres jedoch nur sehr lose verpflichtet ist. Das wird gleich mit der ersten Einstellung deutlich, bei der der Zuschauer durch einen unerwarteten 90-Grad-Kameraschwenk mit in den Bildraum geholt wird, der in diesem Genre sonst klar vom Zuschauerraum getrennt bleibt. Der Einsatz von Totalen, in denen die Menschen buchstäblich „von Gott verlassen“ scheinen, und die spärliche Verwendung von die Emotionen steuernden Close-ups scheinen dieser Immersion zunächst zu widersprechen, doch sind sie Ausdruck derselben Strategie: Anstatt bloß ein Fenster in eine Jahrhunderte zurückliegende Epoche zu öffnen und Geschichte nachzustellen, geht es Fleischer vor allem darum, den Zweifel, aber auch das Bedürfnis Barrabas‘ nach Transzendenz nachvollziehbar zu machen.

Der Titelheld wird dann auch in eine weitgehend passive Rolle gedrängt: Er ist weniger Handelnder denn im doppelten Sinne ungläubiger Beobachter der sich um ihn herum ankündigenden Umwälzungen und Anthony Quinn ist mit seiner ungeschlachten Physis und der Verwirrung, die sich tief in sein Gesicht eingegraben hat, ein idealer Darsteller. Er ist ein Zögerer und Zauderer, allein dem eigenen Interesse verpflichtet. Und als er am Ende schließlich doch die Initiative ergeift, da macht er alles nur noch schlimmer. Aktiv sind andere: Seine Geliebte Rachel (Silvana Mangano), die sich während seiner Inhaftierung dem Christentum zugewandt hat, verbreitet die Botschaft der Nächstenliebe und wird dafür zu Tode gesteinigt, und Sahak und Lucius (Ernest Borgnine) kämpfen ebenfalls unter Gefährdung ihres Lebens für das Recht, ihrem Glauben zu folgen. Barabbas ist solcher Einsatz nicht möglich: Er möchte glauben, allein ihm fehlt der Mut, sich auf einen Gott, den er nicht sehen kann, der ihm nicht antwortet, zu verlassen. So verfolgt er Sahaks und Lucius‘ Bemühungen, in der Hoffnung auf eine Antwort, doch erst am Ende wird ihm das Wesen des Glaubens bewusst, kann er sich Gott überantworten. Ob Gott dieses Bekenntnis erhört, bleibt dennoch ungewiss.

Trotz seines frommen Themas ist BARABBA vom Pathos kitschiger Bibelfilme weit entfernt. Mehr als die Präsenz des Göttlichen thematisiert Fleischer deren Abwesenheit, zeichnet die Menschheit als auf Irrwegen dahinstolpernd, gewalttätig, grausam, mitleidslos. Das Martyrium, das Jesus durchleiden muss, zeigt Fleischer in kurzen, aber heftigen Bildern (das Gesicht des Heilands sieht man kein einziges Mal). Die Steinigung Rachels, deren Leiche Barabbas in einer niederschmetternd distanzierten Totale findet, die infernalische Schwefelminen-Sequenz und die brutalen Gemetzel im Colosseum sind von einer brachialen Körperlichkeit, die einen unverkennbaren Kontrast zur göttlichen Transzendenz, aber auch zum Diktum des „Liebe deinen Nächsten“ bildet.  BARABBA zeigt Fleischer möglicherweise auf dem Zenith seines Schaffens: Dafür sprechen die großartige CinemaScope-Fotografie, die makellose filmische Organisation spektakulärer Effekt- und Massenszenen wie auch die inhaltliche Umsetzung der Fleischer’schen Leib- und Magenthemen – Macht und Gewalt, die Frage nach dem Ursprung menschlicher Befähigung zum Guten wie zum Bösen und einer höheren Werte setzenden Instanz, aber auch, dass der bis hierhin überaus produktive und fleißige Fleischer – 22 Filme in 14 Jahren! – danach vier Jahre lang abtauchte, um mit dem bunten Science-Fiction-Film FANTASTIC VOYAGE zurückzukehren: Wahrscheinlich war er nach BARABBA genauso leer wie sein Titelheld.

Einen lesenswerten Text zum Film findet man hier.

Für die Filmgazette habe ich eine Rezension zu FINAL DESTINATION 5 geschrieben. Wer es noch nicht gemerkt hat: Die Reihe hat sich vom netten, flüchtigen Spaßhorror längst zu einer etablierten Größe im Genrekino gemausert, die der Konkurrenz regelmäßig eine lange Nase dreht und aus der sequeleigenen Not eine absolute Tugend gemacht hat. Unbedingt ansehen! Klick: hier.

Der Ire Vic Brennan (Stephen Boyd) hat von einem Freund ein lukratives Geschäftsangebot erhalten: Doch dazu muss er erst nach Afrika reisen. Gemeinsam mit seiner Frau, der resoluten Französin Marie (Juliette Gréco), und seinem Schwager Samuel (David Wayne), der die Investition der Brennan-Familie schützen soll, begeben sie sich mit dem Schiff auf die Reise zur Westküste des Schwarzen Kontinents und setzen ihre Tour ins Landesinnere schließlich mit einem Transporter fort. Den hat Vic in weiser Voraussicht mit Bier beladen lassen …

Nach den ambitionierten Filmen, die Fleischer in der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre gedreht hatte, bedeutet THE BIG GAMBLE wieder die Rückkehr zu den seichteren Abenteuerstoffen in der Tradition von 20.000 LEAGUES UNDER THE SEA oder BANDIDO. Der Film fungiert damit gewissermaßen als Vorbote der hochbudgetierten Eventfilme, die Fleischer von 1966 (FANTASTIC VOYAGE) bis 1970 (TORA! TORA! TORA!) für die Fox drehen sollte; eine Phase, die von Fleischer-Apologeten als Zäsur in seinem bis dahin sehr homogenen Werk betrachtet wird.

Von THE BIG GAMBLE sollte man nicht zu viel erwarten, dann kann man auch mit diesem Film glücklich werden. Die Geschichte ist unverkennbar an Henri-Georges Clouzots Meisterwerk LE SALAIRE DE LA PEUR angelehnt, ersetzt dessen existenzialistische Schwere und das Bild einer unerbittlichen, mitleidlosen Natur aber durch optimistischen, unverzagten Unternehmergeist und bunten Exotismus. Fleischers Film betrachtet man dann auch am besten als visuelle Urlaubsreise, die einem ein wohliges Gefühl in die Magengegend zaubert, wie das eben nur solche altmodischen CinemaScope-Abenteuerschinken hinbekommen. Der Auftakt, der die Bemühungen von Vic und Marie zeigt, seiner streng katholischen Familie das für ihre Unternehmung nötige Kapital aus dem Kreuz zu leihern, ist wunderbar, die Konstellation mit dem jungen Ehepaar auf der einen und dem steifen Aufpasser Samuel auf der anderen verspricht Gelegenheit für humoristische Spitzen, und die spektakuläre Verladung des Transporters vom Ozeandampfer auf ein kleines Ruderboot bei heftigem Seegang legt die Messlatte für das Kommende recht hoch: Hier wurde nicht getrickst, was man zu sehen bekommt ist the real deal und stellt so manche mit CGI aufgeblasene moderne Actionsequenz in den Schatten. Ja, damals war Filmemachen tatsächlich noch ein Abenteuer und nicht bloß Scharade vor dem Green Screen. Leider bleibt diese Szene der Höhepunkt des Films, die späteren Herausforderungen muten geradezu läppisch dagegen an, bedeuten nie eine wirkliche Gefahr für die Protagonisten. Weil den Drehbuchautoren offensichtlich nichts Besseres eingefallen ist, muss sogar mal ein stinknormales Wenden in drei Zügen (zugegebenermaßen am Rande eines Abhangs) als großer Thrill herhalten. Dass man dem Film trotzdem nicht wirklich böse sein kann, liegt daran, dass er von vornherein eher gemütlich als ambitioniert wirkt, so als wolle er den Zuschauern gar nicht zu viel zumuten, sondern sie nur ein wenig kitzeln.

Für Fleischer waren die Dreharbeiten allerdings ziemlich nervenaufreibend: Der große Darryl Zanuck war zu jener Zeit heftig verschossen in Juliette Gréco und erfüllte der Französin, die seine Gefühle geschickt auszunutzen wusste, jeden Wunsch. So bekam sie sowohl die Rolle in CRACK IN THE MIRROR als auch in THE BIG GAMBLE und wie der Aufpasser Samuel in letzterem, wachte auch Zanuck während der Dreharbeiten mit Argusaugen darüber, dass seine Herzensdame genauso gut wegkam, wie sie das seiner Meinung nach verdient hatte. Dreiste Einmischungen in Fleischers Arbeit waren die Folge. Ob man den nächsten Punkt auch unter diesem Stichwort einsortieren kann, bleibt unklar: Wer die IMDb studiert, dem wird der Name Elmo Williams als zweiter Regisseur ins Auge springen. Williams hatte als Editor bereits bei BODYGUARD, FOLLOW ME QUIETLY und 20.000 LEAGUES mit Fleischer gearbeitet, auf dem Weg zur Regisseurslaufbahn zudem die Second Unit bei THE VIKINGS übernommen. Eine Funktion, die er Fleischers Buch „Just tell me when to cry“ zufolge auch bei THE BIG GAMBLE ausfüllte – und das zudem mehr schlecht als recht: Er hatte, so Fleischer, das Glück, seine wenig inspirierende Regie durch sein Geschick am Schneidetisch kaschieren zu können. Glaubt man Fleischers Buch, so rettete er Williams‘ den Job, als er von diesem gedrehtes, aufgrund eines Anschlussfehlers unbrauchbares Material einfach verschwinden ließ. Sollte die Geschichte stimmen, ist es doppelt schmerzhaft, dass Williams einen vollen „Director“-Credit erhalten hat …