Archiv für November, 2011

Die sehnsüchtig-leidenden Bläser von Charles Bernsteins Score untermalen in saftiges Rot getränkte, grob gerasterte, mithin nur schemenhaft erkennbare Szenenbilder aus dem kommenden Film, die wie schon verblasste, nur noch bruchstückhafte Erinnerungen anmuten. Die Musik wird langsam leiser, das letzte Bild bleibt stehen, wird „aufgelöst“, verwandelt sich in die erste Einstellung des Films. Ein Tankwart tankt einen bulligen Pick-up auf. Die Kamera schwenkt nach links, verharrt auf zwei nebeneinander liegenden Türen, die zu den WCs der Tankstelle führen. Eine der beiden Türen öffnet sich, heraus tritt Mr. Majestyk (Charles Bronson), der Titelheld des Films, und wischt sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Sekunden später wird er sich als Melonenbauer entpuppen, der mit einer Busladung von Arbeitern die Ernte einbringen will. So beginnt Richard Fleischers MR. MAJESTYK: eine der ungewöhnlicheren Einführungen eines ebenso ungewöhnlichen Helden. Noch ungewöhnlicher ist allerdings, dass sich an diesen Auftakt nicht die vielleicht zu erwartende, schonungslose Dekonstruktion des Actionhelden anknüpft, sondern dessen fulminante Rekonsolidierung: Mr. Majestyk verleiht Fleischers Film nicht nur seinen Namen, er bestimmt auch dessen ganzen Verlauf. Gäbe es diesen Majestyk nicht, es gäbe gar keinen Film.

Zur Handlung: Majestyk wird von dem großmäuligen Bobby Kopas (wie immer fantastisch: Paul Koslo) provoziert und landet nach einer Handgreiflichkeit mit diesem schließlich im Bau. Dort begegnet er dem Mafiakiller Frank Renda (Al Lettieri), den seine Gangsterkumpels befreien wollen. Majestyk sieht seine Chance, entkommt mit Renda und schlägt der Polizei einen Kuhhandel vor: Renda gegen die eigene Straffreiheit. Doch Renda entkommt und hat fortan nichts anderes im Sinn, als sich an dem Melonenbauern zu rächen …

Zweimal nur muss das Drehbuch von Elmore Leonard „nachhelfen“ um MR. MAJESTYK auf Kurs zu bringen: zu Beginn, wenn der großmäulige Bobby Kopas sich in Majestyks Geschäfte einmischt, und etwas später, wenn der Mafiakiller Frank Renda in den Film eingeführt wird. Abgesehen von diesen beiden schöpferischen Eingriffen sind es einzig und allein Majestyks Handlungen, die den Fortgang des Films bestimmen. Auch Renda bemerkt irgendwann, dass nicht er, der landesweit gesuchte Killer, das Heft in der Hand hält, sondern der von ihm für weit unterlegen gehaltene Bauer (der, soviel sei fairerweise gesagt, ein hochdekorierter Kriegsveteran und ehemaliger Marine-Ausbilder ist): Als er sich von diesem schier blind vor Zorn in eine Autoverfolgungsjagd verwickeln lässt, fest entschlossen, ihm ein Ende zu bereiten, erkennt er zu spät, dass er es ist, der seinem Kontrahenten in die Falle geht. Majestyk hat jeden Schritt vorausgeplant, genau wissend, wie Renda reagieren würde. Der Showdown, bei dem sich Renda, sein Partner Lundy (Taylor Lacher) und Kopas in einer Blockhütte verschanzen und von Majestyk belagert werden, könnte einseitiger kaum sein: Majestyk ist der last of a dying breed, schiere, manngewordene Effizienz, Souveränität und Überlegenheit. Er braucht weder Mätzchen noch coole Sprüche. Wenn er sich Renda stellt, dann ist das für ihn weder Hobby noch Beruf, sondern schlicht reine Natur.

Diese Unverfälschtheit und Reinheit, der völlige Verzicht auf ideologische Konzepte oder eine Einordnung des Geschehens in einen gesellschaftspolitischen Kontext, spiegelt sich auch in der Wahl von Majestyks Berufung: Es geht nicht um Frieden, um die Nation, auch nicht um die Liebe, sondern um die Melonen, die Majestyks Lebensunterhalt bedeuten, mehr noch: sein Leben sind. Er will doch nur seine Melonen ernten, während die Bösewichter des Films für solch simple Motive nur Spott übrig haben. Majestyk ist mit seinem landwirtschaftlichen Beruf, seiner Schiebermütze, den Jeans, seinem Pick-up und der wachsenden Zuneigung zu der mexikanischen Immigrantin Nancy (Linda Cristal) ein Asket wie er im Buche steht. Die zusammengekniffenen Augen sind immer aufs Wesentliche gerichtet, seine Sätze kommen direkt auf den Punkt. Er ist frei von Berechnung. Wenn er die Bedienung in einem Angelshop erst dazu überredet, ihn zwei Telefonanrufe machen zu lassen, und dann mit einem unschlagbar entwaffnenden Lächeln fragt „And a couple of beers to go, alright?“, steht ein „Nein“ für die arme Frau gar nicht zur Diskussion. Majestyk kennt keine Berechnung, keine Hinterlist. Die Tat Rendas, die seinen Geduldsfaden reißen lässt, ist nicht etwa ein Anschlag auf seine Liebe, wie das in diesen Filmen sonst üblich ist, sondern auf seine Melonen. Und so blöd das klingen mag: Wenn Renda und Lundy mit ihren Maschinengewehren die Ernte Majestyks kaputtballern, die wunderbaren Melonen zerplatzen, das Fruchtfleisch herumspritzt und die Arbeit eines Jahres zerstört wird, dann ist das ein unglaublich schmerzhafter Moment, einer der völlig unvermittelt ins Herz trifft. Es ist ein so unerträglich klares Bild, eines, dessen archaischer Wucht man sich einfach nicht entziehen kann.

MR. MAJESTYK ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Unter seinem deutschen Titel DAS GESETZ BIN ICH war er schon in relativ jungen Jahren mein erster Bronson, nach wie vor halte ich ihn für den wahrscheinlich besten Film, den der kernige Sohn litauischer Einwanderer gedreht hat (C’ERA UNA VOLTA IL WEST lasse ich hier mal außen vor, weil das kein Bronson-Film im klassischen Sinne ist). Das wunderschöne polnische Poster, das auch diesen Eintrag schmückt, ist die Zier unserer Wohnung und Bronsons stählerner Blick wacht von seinem Platz neben dem Fernseher aus bei jeder Filmsichtung über mich. Die letzte Sichtung von MR. MAJESTYK liegt schon wieder ein paar Jahre zurück und mir sind jetzt zum allerersten Mal überhaupt ein paar Schönheitsfehler aufgefallen (Renda kann sich arg unbehelligt durch die Stadt bewegen, in der er der Polizei entwischte) trotzdem ändert das nix an meiner Zuneigung zu ihm. Es ist ein Film von voraussetzungsloser Klarheit, völlig zeitlos und der beste Film Fleischers seit THESE THOUSAND HILLS von 1959. Ich bin sehr glücklich darüber, ihn als festen Bestandteil meines Lebens bezeichnen zu können. Das macht es mir einfacher, diesen Text jetzt, wo eigentlich noch so viel zu sagen wäre, zu beenden. Ich habe ihn nicht zum letzten Mal gesehen, nicht zum letzten Mal über ihn geschrieben.

Die drei Farmersöhne und Freunde Will (Gary Grimes), Les (Ron Howard) und Tod (Charles Martin Smith) stolpern eines Tages über den Körper des schwer verwundeten Bankräubers Harry Spikes (Lee Marvin), den sie bei sich verstecken und gesund pflegen. Als Will wenig später nach einer Misshandlung durch seinen Vater von zu Hause ausreißen will, begleiten ihn die beiden Freunde, die nach der Begegnung mit dem Outlaw ebenfalls die Abenteuerlust gepackt hat. Doch dieses Leben ist schwieriger, als sie sich das vorgestellt haben: Als sie völlig pleite und von Hunger geplagt eine Bank überfallen und Tod nach einem Gerangel plötzlich als Mörder dasteht, ist es mit der jugendlichen Unschuld vorbei. In dieser schwierigen Lage kommt Harry Grimes, der den Jungen für ihre Hilfe noch einen Gefallen schuldet, wie gerufen. Er nimmt sie unter seine Fittiche und plant mit ihnen einen Banküberfall …

THE SPIKES GANG ist ein weitestgehend vergessener Film: Innerhalb Fleischers Gesamtwerk kommt ihm nur marginale Bedeutung zu, selbst wenn man den Fokus auf seinen durchwachsenen Output in den Siebzigerjahren beschränkt, und als Spätwestern steht er zudem in Konkurrenz zu deutlich größeren, maßgeblicheren und auch besseren Filmen. THE SPIKES GANG ist ein kleiner, melancholischer, aber auch seltsam beiläufiger, ja, fast hingeworfener Western, mit dem sich Fleischer von den großen Konzepten, die ihm seit den späten Sechzigern immer mehr im Weg standen, als dass sie seine Filme nach vorne gebracht hätten, vorerst verabschiedet. Eine gute Entscheidung, denn auch wenn THE SPIKES GANG viel zu flüchtig ist, um wirklich bleibenden Eindruck zu erzeugen, am Ende gar etwas überstürzt und unfertig wirkt, so stellt er doch auch eine willkommene Rückkehr zu dem charaktergetriebenen, handwerklich gleichermaßen konzentrierten wie leichtfüßigen Erzählkino dar, für das Fleischer in den Fünfzigerjahren stand. Es ist gerade diese entspannte Regiehaltung, die der Geschichte der drei Möchtergern-Outlaws, die eine bittere Lektion lernen, ohne noch die Gelegenheit zu bekommen, von ihren Erkenntnissen profitieren zu können, ihren emotionalen Nachhall verleiht.

Wie meine Gattin gestern nach der Sichtung sagte, erzählt THE SPIKES GANG eigentlich eine eher konservative Crime-does-not-pay-Geschichte: Für die drei Kids ist Bankenüberfallen ein großes Abenteuer, das Dasein als Outlaw eine Traumvorstellung, die selbst die offenkundigen Schattenseiten noch verklärt. Sie lernen, dass es in Wahrheit ein ziemlich undankbares Geschäft ist, Tod und Mord nichts Heldenhaftes an sich haben und der Ehrenkodex des Banditen nur solange Bestand hat, wie er keine Nachteile bringt. Sie wären besser alle bei ihrem langweiligen Leben auf der Farm geblieben. Das ist vielleicht nicht besonders revolutionär, für einen Western aber dann doch wieder ungewöhnlich. Selbst wenn Sam Peckinpah den Western als moralisches Schwarz-Weiß-Szenario mit seinem THE WILD BUNCH entzaubert, so lässt er an der moralischen Integrität seiner Helden ja keinen Zweifel. Wenn sie am Ende im berühmten Kugelhagel untergehen, so ist das zwar durchaus folgerichtig, aber wir trauern trotzdem mit ihnen, weil sie diesen Weg ja ganz bewusst einschlugen. Mehr noch: Sie haben gar keine Alternative und sind demzufolge bereit, ihn konsequent bis zum Schluss zu gehen. Mit Will, Les und Tod auf der einen und Harry Spikes auf der anderen Seite verhält es sich aber anders: Die drei Jungs haben keine Ahnung, worauf sie sich einlassen, sie haben von der Welt noch nichts gesehen und sind kaum weniger geblendet als der Höhlenbewohner aus Platons berühmtem Gleichnis, der zum ersten Mal die Sonne erblickt. Sie schlagen einen Weg ein, dessen Beschaffenheit sie genauso wenig  kennen wie sein Ziel. Und Harry? Der scheint auf den ersten Blick einer jener Gentleman-Banditen zu sein, aus denen sich auch Peckinpahs Wild Bunch zusammensetzt, ein harter Hund zwar, aber kein Psychopath, sondern jemand, der nach einem klar definierten Kodex handelt. Er fungiert zunächst tatsächlich als Vater für den orientierungslosen Haufen, doch ist dieses Verhalten nicht bedingungslos, sondern an äußere Umstände geknüpft. Er ist sich letztlich selbst am nächsten und jederzeit bereit, den vermeintlichen Freund zurückzulassen, wenn es die Situation erfordert. Keine Spur von selbstloser Solidarität und der sprichwörtlichen honor among thieves, zumindest nicht in dieser Konstellation.

Und so nimmt THE SPIKES GANG tatsächlich einen metafilmischen Zug an: Er konfrontiert den Zuschauer, der bestimmte nicht zuletzt vom Kino geprägte Vorstellungen über den „Wilden Westen“ hat, mit dessen Realität, lässt die Träumer Will, Les und Tod mit dem vermeintlichen Westernhelden zusammentreffen. Es sind zwei Welten, die da aufeinanderprallen. Das Drama besteht letztlich darin, dass beide Seiten meinen, das Gleiche zu wollen. THE SPIKES GANG behält lange Zeit einen heiteren Ton, auch noch, nachdem es schon den ersten Toten zu beklagen gab. Fleischer hält die Hoffnung, der Traum lasse sich vielleicht tatsächlich verwirklichen, lange am Leben. Der Umschwung erfolgt überstürzt, vollzieht sich so schnell, dass gar keine Zeit dazu bleibt, die Vorgänge zu betrauern. Ein Drehbuchfehler? Vielleicht. Vielleicht aber auch ein Zugeständnis gegenüber der Realität, die sich nur selten Gedanken darüber macht, ob sie leinwandtauglich ist.

Hmmm. Je länger ich drüber nachdenke, umso besser gefällt mir THE SPIKES GANG.

armond doesn’t live here anymore

Veröffentlicht: November 23, 2011 in Zum Lesen
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Wer den kontrovers diskutierten, selbsternannten Filmkritik-Papst Armond White auf New York Press vermisst (oder überhaupt die Filmreviews der New York Press), der kann seine Texte seit einiger Zeit auf City Arts lesen, wo der Mann offensichtlich eine neue Anstellung gefunden hat. Mir scheinen seine Texte etwas moderater zu sein, was ihm ganz gut zu Gesicht steht. Wahrscheinlich ist auch ihm klar geworden, dass es nicht sein Ziel sein sollte, möglichst viele Menschen aus der eigenen Branche anzupissen und sich selbst komplett unmöglich zu machen.

alternative movies: expect the unexpected

Veröffentlicht: November 22, 2011 in Film, Veranstaltungen
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Ich hätte schon viel früher darauf aufmerksam machen sollen: Die mehr und mehr zu einem Kleinod des deutschen Filmjournalismus jenseits der ausgetretenen Pfade heranreifende Seite Hard Sensations veranstaltet in Kooperation mit dem Aachener Apollo Kino seit einigen Monaten die Filmreihe „Alternative Movies“: Immer Montags um 22:30 Uhr wird ein Klassiker aus der weiten Welt der Exploitation gezeigt, und zwar nicht via schnödem Beam, sondern mittels echter Filmkopien. So liefen in den vergangenen Wochen Filme wie VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA, DIE JUNGEN AUSREISSERINNEN und WILD STYLE, für die kommenden Termine stehen Perlen an wie EIN MANN SIEHT ROT, THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS und – man höre und staune – George A. Romeros DAWN OF THE DEAD. Wer Zeit und 5 Euro übrig hat, sollte sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, sich im Apollo Kino einzufinden und ein unterstützenswertes Projekt am Leben zu erhalten.

PS: Damit es nicht zu Verstimmungen in meiner Leserschaft kommt: Ja, ich schreibe auch für Hard Sensations.

Die mittlerweile als Fotografin arbeitende Molly (Mitz Kapture) begegnet durch Zufall ihrer Mutter Gloria (Anna Navarro), die sie als Teenagerin verlassen hatte. Von ihr erfährt Molly auch, dass sie eine Halbschwester namens Michelle (Tawny Fere) hat. Als ihr die völlig aufgelöste Mutter wenige Stunden später am Telefon unter Tränen gesteht, dass Michelle in Gefahr sei, und kurz darauf einem Mordanschlag zum Opfer fällt, begibt sich Molly auf die Suche nach ihrer Schwester. Dazu nutzt sie erneut ihre Verbindungen ins Rotlichtmilieu und schleicht sich als Pornodarstellerin in das Luxusbordell von Nadine (Maud Adams) ein …

ANGEL 3: THE FINAL CHAPTER ist solide gerfertigtes, aber komplett nichtssagendes Gebrauchskino, das man sich am besten zu Gemüte führt, wenn man nichts mit seiner Zeit anzufangen weiß und zu faul für einen „richtigen“ Film ist. Der tausendfach heruntergeleierten Story kann man auch unter völligem Ignorieren der Dialoge noch lückenlos folgen, nichts bewegt, fesselt oder berührt auch nur im geringsten Maße, nervt dafür aber eben auch nicht. Das filmgewordene Äquivalent zur Fahrstuhlmusik. Lediglich eine kurze Sequenz, die Molly bei ihrer Undercover-Arbeit im Pornogewerbe zeigt, wo sie einen lustigen Film mit Höhlenmensch-Sujet dreht, entlockte mir ein großzügiges Grinsen, ansonsten ist ANGEL 3: THE FINAL CHAPTER auf eine fast schon spektakulär zu nennende Art und Weise durchschnittlich. Nicht wirklich schlecht, aber auch auf gar keinen Fall richtig gut, zeigt sich hier, was so ein richtig schöner Baddie eigentlich wert ist. Schade, dass es nach dem formidablen ersten Teil so steil bergab ging mit der Reihe und selbst die doch recht ansehnliche Besetzungsliste dieses Films sie nicht mehr vor dem Versumpefen in der Beliebigkeit bewahren konnte. Das Positivste, was ich über ANGEL 3: THE FINAL CHAPTER sagen kann, ist, dass der Vorgänger AVENGING ANGEL, der auch schon nicht gerade das Gelbe vom Ei war, im direkten Vergleich eine deutliche Aufwertung erfährt.

Jahre, nachdem eine Raumkapsel mit Proben außerirdischen Lebens beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zerbrach und in Mexiko landete, ist ein Großteil des mittelamerikanischen Staates Sperrzone: Gewaltige Mauerkonstruktionen sollen die gigantischen Monster von den menschlichen Sieldungen außerhalb dieser „Infected Zone“ fernhalten. Der amerikanische Fotograf Andrew Kaulder (Scoot McNairy) erhält den Auftrag, Samantha Wynden (Whitney Able), die Tochter eines reichen amerikanischen Verlegers aus Mexiko zurück in die USA zu bringen. Doch dafür müssen beide gemeinsam die besagte „Infected Zone“ durchqueren …

Thematisch und ikonografisch fügt sich MONSTERS gut ein in das apokalyptische Genrekino der vergangenen Jahre, sucht und findet seinen Platz zwischen Filmen wie CARRIERS, (dem von mir noch nicht gesehenen) THE ROAD, Frank Darabonts unterbewertetem THE MIST, Spielbergs brillantem WAR OF THE WORLDS und dem inhaltlich verwandten DISTRICT 9: Auch wenn der eigentliche Grund für die Endzeitstimmung außerhalb unseres Planeten zu suchen ist, so ist doch nicht zu leugnen, dass es vor allem menschliches Versagen ist, das die Welt von MONSTERS sich in so ein trostloses Fleckchen verwandeln konnte. Mit Mexiko hat die Alien-Invasion ein sowieso schon armes Land hart getroffen, die gut bewachte Grenze zum reicheren Nachbarn im Norden, die zu überqueren Jahr für Jahr Tausende von Emigranten große Anstrengungen in Kauf nehmen, ist nun endgültig nur noch für wohlhabende Menschen zu überwinden. Mit der gewaltigen Mauerkonstruktion, die die Monster in der „Infected Zone“ halten soll, hat sich auch die erste von der dritten Welt abgeschottet. Die Reise der beiden Amerikaner, die sich erst einmal daran gewöhnen müssen, dass ihr sie normalerweise  als Angehörige einer Wirtschaftselite ausweisender Pass nun kaum noch etwas wert ist, ist auch eine Reise ins Schuldbewusstsein des US- (bzw. Erste-Welt-)Bürgers. Wenn Andrew und Samantha in Sichtweite der gewaltigen Mauer auf einem alten Tempel im mexikanischen Urwald kampieren und die Selbsterkenntnis plötzlich sehr grafisch wird, der Blick von außen ins Innere buchstäblich an einer Wand abprallt,  hinter der der amerikanische Traum geschützt werden soll, während vor den Pforten die real gewordenen Albträume herumspuken, dann reizt Edwards sein Bild vielleicht etwas zu sehr aus, um noch guten Gewissens von einem Subtext sprechen zu können. Gleiches gilt für die Szene in einer Geisterstadt in der die „Infected Zone“ umgebenden Quarantänezone, die unweigerlich Assoziationen an die vom Hurricane Katrina heimgesuchte Stadt New Orleans weckt. Trotzdem bieten diese Assoziationen Anlass für weitere Gedanken: Etwa jenen, dass Grenzen, egal wie hoch und sicher sie auch sein mögen, die Außenstehenden stets auch dazu einladen, über das, was hinter ihnen liegt, zu fantasieren. Man weiß nicht, ob Vereinigten Staaten sich hinter einer Mauer verbergen, damit die Monster draußen bleiben oder um zu insinuieren, dass es im Inneren überhaupt noch etwas gibt, dass es vor einem Außen zu beschützen lohnt – was sich ja von außen eben nicht überprüfen lässt.

Dass diese zu so etwas wie einer Zivilisationskrankheit des modernen Kinos gewordene Überdeutlichkeit dem Film nicht wie anderen (DISTRICT 9 anyone?) völlig das Genick bricht, liegt vor allem daran, dass Edwards sonst eher wenig didaktisch unterwegs ist, nur wenig erklärt, Dialoge eher zur Charakterisierung denn zur Exposition benutzt und sich ganz der Schaffung einer nicht wirklich greifbaren, deshalb umso beunruhigenderen Atmosphäre einer bevorstehenden Aufruhr widmet. Das gelingt ihm sehr gut: Die Monster bleiben lange unsichtbar, ohne dass ihre Präsenz dadurch beeinträchtigt würde, die unwirklichen Bilder städtischer Verwüstung hallen lange nach und die surrealen Bilderwelten, die sich dem Zuschauer im weiteren Verlauf während der Urwalddurchquerung eröffnen, tragen ihren Teil dazu bei, dass MONSTERS im gegenwärtigen Genrekino einerseits sehr heimisch ist, aber andererseits nie so ganz zum supercleveren Metakino dazugehören möchte.

Das ist gut so und MONSTERS somit mit Leichtigkeit einer der besten Beiträge zum erwachsenen Science-Fiction-und Horrorkino der vergangenen Jahre. Was nicht heißt, dass er frei von Fehlern ist: So gut mir sein (zugegebenermaßen derivatives) Monsterdesign als Lovecraft-Anhänger auch gefallen hat, so wenig fügt das Auftreten der Monster dem Film insgesamt hinzu. Das liegt zum einen daran, dass sie ein ständiges Déjà-vu verursachen, abwechselnd an die genannten WAR OF THE WORLDS, THE MIST, Lovecraft oder auch JURASSIC PARK denken lassen, zum anderen daran, dass ihr Auftreten irgendwann sehr redundant wird. Schlimmer ist jedoch die Auftaktsequenz, die mit ihren Found-Footage-Bildern Böses befürchten lässt,  einem die Freude über diesen gelungenen Film dann aber doch erst im Nachhinein verdirbt, weil man sie erst dann einordnen kann. Auch wenn sie inhaltlich durchaus konsequent ist: Wann kommen Filmemacher endlich wieder zu der Einsicht, dass es völlig ausreicht, eine Geschichte mit einem Anfang und einem Ende zu erzählen, und es nicht nötig ist, irgendwelche Twists oder Surprise Endings als Prolog oder Epilog vor- bzw. nachzuschalten und für sich genommen perfekt funktionierende Filme damit auszuhebeln?

Als Don Paolo verstirbt, treffen sich die Vorsitzenden der drei großen Mafiafamilien New Yorks, um über die Aufteilung seines Erbes zu bestimmen: Sein Sohn, der ungeduldige und ehrgeizige Frank (Robert Forster) geht zwar leer aus, aber Don Angelo (Anthony Quinn) nimmt sich seiner an und verspricht, ihn zu einem künftigen Anführer auszubilden. Nur einem passt die neue Besitzverteilung nicht: Orlando (Charles Cioffi), der Consiglieri des inhaftierten Mafiabosses Don Bernado (Barry Russo), will alles an sich reißen und spinnt eine Intrige, die das fragile Machtgefüge der Familien mit einer verheerenden Kettenreaktion in einen Abgrund aus Gewalt und Tod reißt …

Nachdem THE GODFATHER 1972 eingeschlagen war wie eine Bombe, schossen die Mafiafilme wie Pilze aus dem Boden. Mit THE DON IS DEAD leistete auch Richard Fleischer einen Beitrag zum Genre, der sich zum Teil zwar deutlich an das große Vorbild anlehnt – hinsichtlich seiner Geschichte von einer unaufhaltsamen Zeitenwende oder der Entwicklung des unwilligen Tony Fargo (Frederic Forrest) vom Aussteiger hin zum mächtigsten Mann in New York etwa – mit diesen Ähnlichkeiten aber eher unterstreicht, dass er eigentlich einen krassen Gegenentwurf zu Coppolas Meisterwerk darstellt. Ich war während der gestrigen Sichtung hin- und hergerissen: Mit seiner klaustrophobischen Stimmung, seinen wenig glamourösen Settings und dem generellen Mangel an „Scope“, die zusammen jedes Aufwallen einer behaglichen Gangsterromantik im Keim ersticken, den Charakteren, die reichlich hilflos umherirren und von denen keiner jene Souveränität erlangt, die die Anführer des Corleone-Clans auszeichnete, der Betonung fehlgeschlagener oder ganz unterlassener Kommunikation als Ursache des Mordens und Sterbens und dem auffallenden Verzicht auf die eine Identifikationsfigur, etabliert Fleischer einen sehr individuellen, dem Gros des Genres diametral entgegengesetzten Zugang zur Mafiathematik. Leider jedoch verfolgt er diesen Ansatz  nicht nachdrücklich genug, scheint THE DON IS DEAD eher zufällig zu seiner Haltung zu kommen, als dass in ihm eine künstlerische Vision ihren Ausdruck fände. Dass der Film etwa keine echte Identifikationsfigur aufweist, lässt sich meines Erachtens am ehesten auf ein zerfahrenes Drehbuch oder aber massive nachträgliche Kürzungen zurückführen, als auf eine erzählerische Absicht. Letztlich kann es einem als Betrachter natürlich egal sein, ob ein Film absichtlich oder nur zufällig zu sich findet und ich will hier keinesfalls den Intentionalismus predigen. Das Problem an THE DON IS DEAD ist, dass er keine klare Linie findet, aber noch nicht einmal im ziellosen Mäandern wirklich konsequent ist.

THE DON IS DEAD dauert knapp 115 Minuten, in die er aber eine Handlung presst, die dem fast doppelt so langen THE GODFATHER durchaus Konkurrenz macht. Statt eines über den Film gespannten Spannungsbogens gibt es viele kleine, der Film zerfällt in mehrere Episoden, wechselt im Laufe der Spielzeit mehrfach den Fokus, und Konflikte, die zuerst sehr zentral scheinen, lösen sich einfach auf, um neuen Platz zu machen. Man möchte gern glauben, dass das Methode ist, aber wenn der junge Tony Fargo in einer Szene noch seinen Ausstieg ankündigt, nur um zwei Szenen später plötzlich zum inbrünstigen Rächer zu werden, dann kann man diesem Gesinnungswandel einfach nicht folgen. Auf der anderen Seite ist es wiederum extrem auffällig, dass Fleischer ein kohärentes Erzählen offensichtlich bewusst vermeidet: wenn man etwa sieht, wie Menschen etwas sagen, aber man ihre Worte nicht hören kann, oder wenn von wichtigen Ereignissen nur berichtet wird, anstatt dass sie gezeigt würden. Im Gegensatz zu THE GODFATHER, der ja von einer durch und durch patriarchisch geordneten Welt erzählt, in der wenigstens einer kraft seiner Übersicht und seines strategischen Geschäftssinns weiß, wo es lang geht, entpuppt sich das organisierte Verbrechen in THE DON IS DEAD als undurchschaubares Chaos, als Ringelpiez der gekränkten Egos, in dem die verschiedensten Befindlichkeiten aufeinander prallen und schon lange keiner mehr weiß, womit das Elend eigentlich seinen Anfang nahm. Fleischers merkwürdig steife Inszenierung, die alles Leben aus dem Film saugt, ist zwar alles andere als schön anzuschauen, in diesem Kontext aber sehr effektiv.

Wie gesagt: Ich habe mich enorm schwer mit dem Film getan, während der Sichtung eigentlich im Zehn-Minuten-Takt mein Urteil geändert. Das spricht schonmal dagegen, ihn kurzerhand als „schlecht“ abzutun. Ein „guter“ Film, so viel sollte klar geworden sein, ist THE DON IS DEAD aber nun auch nicht, dafür ist er einfach zu zerfahren und unrund. Ein klassischer Fall von „interessant“ also, auch wenn ich als der weltgrößte Al-Lettieri-Fan dem Film auch sonst noch etwas abzugewinnen wusste. Wer sich für den Mafiafilm interessiert, sollte ihn sowieso wenigstens einmal gesehen haben.

Dank der Hilfe von Detective Hugh Andrews (Robert F. Lyons) hat Molly Stewart (Betsy Russell) es geschafft, dem Rotlichtmilieu zu entkommen und eine Karriere als Rechtsanwältin einzuschlagen. Doch als ihr väterlicher Freund bei einem Einsatz in L. A. erschossen wird, schlüpft sie wieder in Minirock und Trägertop, um als „Angel“ mit ihren alten Freunden Kit Carson (Rory Calhoun) und Solly (Susan Tyrrell) gemeinsam herauszufinden, wer hinter dem Mord steckt. Der Straßenkünstler Johnny Glitter (Barry Pearl) kann ihnen dabei als Augenzeuge behilflich sein, doch auch die Killer sind bereits hinter ihm her …

AVENGING ANGEL hat ein ganz großes Problem: den Vorgänger. War es Regisseur O’Neill mit ANGEL noch bravourös gelungen, die Geschichte der minderjährigen Prostituierten mit viel Respekt, Einfühlungsvermögen, Sympathie und Menschlichkeit zu erzählen, sich potenziell darbietende Untiefen – Sexismus, Voyeurismus, Kitsch – zu umschiffen und so ein bewegendes, authentisch wirkendes und vom Exploitationfilm weitestgehend emanzipiertes Drama vorzulegen, stürzt er sich mit dem Sequel umso euphorischer in die Arme des Kintopps. Heraus kommt dabei ein Film, dem man seinen Unterhaltungswert nicht absprechen kann, der aber ständig vom Schatten des um ein Vielfaches besseren Vorgängers überragt wird. Alles, was ich von ANGEL eigentlich erwartet hatte, bevor ich dann positiv überrascht wurde, findet sich in AVENGING ANGEL: Der klischeehafte Selbstjustiz-Plot wirkt allein durch die Kontrastierung mit dem ersten Teil schon unglaubwürdig und Angels Rückkehr ins alte Gewerbe, von der sie sich erhofft, an exklusive Informationen heranzukommen, ist vollkommen unmotiviert und unnötig, weil sie eh von allen Bekannten wiedererkannt wird und jeder bereit ist, ihr zu helfen. Man liegt vermutlich nicht falsch, wenn man hinter ihrer Motivation, wieder in den Nuttenfummel zu schlüpfen, nicht so sehr die Erfordernisse der Geschichte, sondern eher kommerzielle Aspekte vermutet. Wahrte ANGEL stets schamvoll Distanz zu seiner minderjährigen Protagonistin, werden ihre Beine hier gleich mehrfach aufreizend in Szene gesetzt und genau jener Voyeurismus bedient, dem sich der erste Teil noch beharrlich verweigerte. Wäre AVENGING ANGEL nicht dennoch ziemlich zahm, man könnte meinen, O’Neill habe es kaum erwarten können, die Fortsetzung mit der erwachsenen Angel zu drehen, um darin endlich alles das unterbringen zu können, was ihm vorher verboten war.

Auch Angels Freunde Kit, Solly und der anstelle Maes hinzugekommene Johnny Glitter sind nur noch ein Schatten der ersten Filminkarnation. Vorbei ist es mit der behutsamen Charakterisierung und der Differenzierung, hier werden alle zu reichlich eindimensionalen Karikaturen gemacht. Zwar bewahrt O’Neill auch im zweiten Teil das Außenseitertum seiner Figuren und sympathisiert mit ihrem nonkonformen Lebensstil, doch wird dieser kaum noch weiter von ihm ergründet: Stattdessen reicht ihm das äußere Erscheinungsbild aus, um Kit, Solly und Johnny als „Freaks“ zu kennzeichnen. Was sie antreibt, was sie sich erhoffen, wohin sie wollen, bleibt unklar. So fuchtelt der aus dem Altersheim befreite Kit wieder mit seinen Knarren rum, was hier, wo es um gefährliche Schwerverbrecher geht, reichlich albern wirkt, und Solly verkommt zigarrenstummelkauend zur weiblichen Beatnik-Antwort auf Kater Karlo. Die Freude über das Wiedersehen wird mächtig getrübt, weil alles das, was die Charaktere zuvor ausfüllte, nun fast völlig weg ist.

Anhand meiner Kritik, die vor allem aus dem Vergleich von AVENGING ANGEL mit ANGEL entsteht, sollte klar geworden sein, was ich mit meinem einleitenden Satz sagen wollte: AVENGING ANGEL wäre deutlich besser, wenn man nicht immer seinen Vorgänger im Kopf hätte. Als flotter 90-minütiger Timewaster ist O’Neills Sequel nämlich durchaus zu gebrauchen: Die Story ist flott, die Originalschauplätze verleihen dem Film jenen authentischen Straßenlook, der für mich jeden Film aus dieser Zeit aufwertet, einige äußerst blutige Schießereien sorgen immer wieder für Oho!-Momente (auch wenn O’Neill definitiv kein Action-Regisseur ist) und der Schluss, bei dem Angel und ihre Freunde vor dem Problem stehen, dass die Geisel, die sie im Tausch gegen ein entführtes Baby herausgeben sollen, bereits tot ist und sie die Leiche deshalb geknebelt und gefesselt im Rollstuhl ankarren, ist von genau jener hübschen Abseitigkeit, die einen den Umschwung vom ernsten Drama zum Exploiter viel leichter hätte verschmerzen lassen können, aber leider viel zu selten angestrebt wird. Das allergrößte Manko ist aber sicherlich, dass die Art und Weise, wie sich das Sequel seinem Sujet nähert, die Aufrichtigkeit des Vorgängers nachträglich in Frage stellt. Wenn eine minderjährige Prostituierte Angel im Knast mal eben so gesteht, dass sie von ihrem Vater missbraucht wurde, dann ist das genau in jenem Maße platt und theatralisch, in dem es der erste Teil nicht war. Dort benötigte Angel fast den ganzen Film, um ihre Scham zu überwinden und jemandem anzuvertrauen, dass sie von ihren Eltern verlassen wurde und nun ganz allein lebt; ein Schicksal, dass dadurch umso glaubwürdiger erschien, weil es mit spürbarem Schmerz verbunden war. In AVENGING ANGEL haben die Figuren keine echte Geschichte und damit auch keinen Schmerz mehr, nur noch eine Dialogzeile oder ein Etikett, die sie vollständig umreißt. Sie sind dem Zweck unterworfen, prostituiert.

Acht „Teens“ – vier Männlein, vier Weiblein, darunter auch ein Ehepaar – verabreden sich für eine „Party“ in der abgeschlossenen Mall, in der just drei hochmoderne Roboter als neue Security installiert wurden. Als diese durch einen Blitzeinschlag einer Fehlfunktion unterliegen, drehen sie durch und machen Jagd auf die Teens, die nun um ihr Leben kämpfen müssen …

Filmemachen kann so einfach sein und keiner weiß das besser als Roger Corman. CHOPPING MALL ist potenziell tausendfach gesehener generischer Quark, aber in der richtigen Situation einfach der beste Film aller Zeiten. Hier bilden die einzelnen Dummheiten eine Symbiose, die sie gegen jede wohlfeile Erbsenzählerei immun macht. Am Ende steht da ein kleiner 75-Minüter mit hauchdünner Prämisse, häusergroßen Plotholes, turmhohen Logikfehlern, zahlreichen In-Jokes und der nötigen Dosis Sex & Gore, bereit zum herablassenden Urteil und alles, was man sagen kann ist: „Wow. War das gerade der unterhaltsamste Film ever?“

Willkommen in Corman’s Exploitation-Land, bitte anschnallen: Der meist humanoide Killer des Slasherfilms wird kurzerhand durch drei seelenlos-blecherne Mordmaschinen ersetzt. Doch noch bevor man „Science Fiction!“ und „Dystopie!“ und „Konsumkritik!“ rufen kann, fällt einem auch schon ein, dass ja schon das Setting CHOPPING MALL mit DAWN OF THE DEAD verbindet und Kelli Maroney bereits im herrlichen NIGHT OF THE COMET mitwirkte, der ebenfalls eine Mall-Sequenz hatte. CHOPPING MALL ist kein hipper Metafilm, seine Zitate stehen einfach so da, bedeuten nicht viel mehr, als dass sie den Film in einem Universum verorten, in dem seine Mängel plötzlich Tugenden sind. Die Vorführung der mitleiderregenden Roboter – der Paul Bartel und Mary Woronov als lästerndes Ehepaar beiwohnen – nimmt ROBOCOP vorweg, lässt dem ein Jahr später Geborenen aber wenigstens das Privileg, diese Szene im Unterschied zu hier gleichermaßen bos- und schmerzhaft enden zu lassen. Dick Miller muss als offensichtlich tief gefallener Ex-Beatnik-Künstler Walter Paisley – remember A BUCKET OF BLOOD? – den Boden wischen, bevor er einem Stromschlag der Robbies zum Opfer fällt, das Waffengeschäft lautet auf den Namen „Peckinpah’s“, eine Zoohandlung heißt „Little Shop of Pets“, im Fernsehen läuft ATTACK OF THE CRAB MONSTERS, über den einer der Protagonisten sagt, dass es einer seiner Lieblingsfilme sei, und die örtliche Frittenschmiede dient als Aushang für Poster zu GALAXY OF TERROR, SLUMBER PARTY MASSACRE, THE LOST EMPIRE und BARBARIAN QUEEN. Wenn das die Referenzen sind, ist man gern bereit zu akzeptieren, dass zwei Menschen in aller Ruhe zusammen einen Film schauen, während ihre besten Freunde sich in Sicht- und Hörweite ineinander verkeilt haben.

CHOPPING MALL ist so kurzweilig, dass man gar nicht auf die Idee kommt, zu bemängeln, dass nichts an diesem Film neu ist. Die Protagonisten sind die übliche Mischpoke, zusammengesetzt aus der silkonbrüstigen Nymphomanin, dem bebrillten, herzensguten Nerd, seinem unvermeidbaren Love Interest (Kelli Maroney), dem kaugummikauenden Chauvi, dem krakeelenden Valley Girl (Barbara Crampton) und dem Ehepaar, das zwar weniger offensiv ist,  dessen männliche Hälfte aber dem noch fehelnden Typus „entschlossener Macher“ entspricht, den solche Filme meist noch brauchen. Die Idee, eine Party in einer Mall zu feiern, war schon in HIDE AND GO SHRIEK so bescheuert, dass sie den Film paradoxerweise umso stärker zusammengehalten hat – und das klappt auch hier wieder. Und dann die Roboter: zyklopen- (oder auch Cylonen-)hafte Hutständer mit verkümmerten Armen und Panzerketten statt Füßen werden einem als neuester Stand der Sicherheitstechnologie verkauft und man fragt sich, wie diese Wunderwerke wohl reagieren, wenn sie mit einer schnöden Treppe konfrontiert werden. (Auch hier denkt man unweigerlich wieder an ROBOCOP.) Wynorski aber erzählt seinen Stiefel so ungerührt von jeglichen Anforderungen an eine innere Logik oder Plausibilität herunter, dass es den Film förmlich on the spot legitimiert. Keine Ahnung wie diese Blecheimer von Etage zu Etage kommen, aber es scheint ihnen irgendwie möglich zu sein, so what, Spielverderber? CHOPPING MALL ist nicht nur Wynorskis wahrscheinlich bester Film (was kein allzu großes Lob darstellt), sondern auch ein Paradebeispiel dafür, was gute Exploitation auszeichnet, was Trash von Trash unterscheidet und warum solche Soße wie MACHETE nur ein gernegroßer Pickel am Arsch des Grindhousefilms ist, dem er sich so verpflichtet fühlt. Es sind die Unbedingtheit und die Selbstgenügsamkeit, die diesem Film genau jene Unschuld verleihen, die es braucht, um solchen Quatsch nicht bloß goutieren, sondern ihn für bare Münze nehmen und ins Herz schließen zu können. Klaro, Corman will auch nur an unser Geld. Aber wenn er uns Filme wie CHOPPING MALL schenkt, hat er jeden Cent verdient.

Jerry Mitchell überhört den Wecker, schreckt dann panisch hoch, um sich für den bevorstehenden Schultag fertigzumachen, an dem er die Verantwortung über den School Store hat. Nach einer hektisch besorgten Katzenwäsche, einem zwischen Tür und Angel eingenommenen Frühstück und dem Missbrauch der Mikrowelle als Wäschetrockner kann für ihn und die schon auf ihn wartende jüngere Schwester die Fahrt zur Schule beginnen, auf der er unterwegs noch seine eigentlich viel zu coole, gelassene und souveräne Freundin aufsammeln muss, deren ausgezeichnetes Timing sie ohne jede Eile und punktgenau in der richtigen Sekunde vor die Tür treten lässt. Kein Vergleich zum entnervten Jerry, der kurz darauf beinahe alle drei in einen haarsträubenden Verkehrsunfall verwickelt, den er nur kraft des unverschämten Glücks des Tüchtigen vermeiden kann. Just in dem Moment, als er den Schock abgeschüttelt hat und auf den Schulparkplatz einbiegt, drängt sich der Popsong vom Soundtrack in den Vordergrund und vermeldet: „This is something to remember me by.“ Das muss tatsächlich dazugesagt werden, denn Jerry ist eher der Typ „Mann ohne Eigenschaften“, der von allen übersehen wird. Sein grauer Wollpullover spricht Bände. Aber wir wissen jetzt: He will overcome.

Phil Joanous THREE O’CLOCK HIGH erzählt von einem Schultag, an dem für Jerry tatsächlich alles daneben geht und den er – wie jenen Unfall aus der Auftaktsequenz – unbeschadet überstehen muss, obwohl doch alle Zeichen auf Schmerzen, Demütigung, Bestrafung stehen. Der Film folgt jener unaufhaltsamen Eskalationslogik, bei der jedes einzelne Detail so in Stellung gebracht wird, dass sich für Jerry daraus entweder unangenehme Konsequenzen ergeben oder schon bestehende Gefahren noch verschärft werden. Für Jerry geht es tatsächlich um alles: Er fürchtet um seine Gesundheit, sein Leben, seine Schul- und Berufslaufbahn und seine Zukunft, aber es ist ja nicht zuletzt diese Furcht, die ihn in immer tiefere Schwierigkeiten treibt, weil sie ihn dazu verführt, weitere Dummheiten zu begehen. Das Schöne an THREE O’CLOCK HIGH ist, dass er sich der naiven Schuljungen-Perspektive Jerry Mitchells total verschreibt, obwohl er gleichzeitig ganz klar aufzeigt, dass die durchzustehenden Konflikte alles andere als existenzielle Bedeutung haben: Der neue Schüler Buddy Revell (Richard Tyson), von dem er um 15 Uhr eine vermeintlich tödliche Tracht Prügel erwartet, weil er es gewagt hat, ihn anzufassen, und über dessen bisherige Verbrechen und Straftaten die Schüler auf den Gängen der Schule fast ehrfurchtsvoll sprechen, ist zwar ein unangenehmer Bully und Angeber, aber eben kein Mörder, die Polizisten und Sicherheitsbeauftragten der Schule, die Jerry außerdem das Leben zu Hölle machen, als sei er ein Schwerverbrecher, letztlich nur ihre Macht auskostende Sesselfurzer. Wenn Jerry seine Nemesis Buddy mit einem Lucky Punch niederstreckt, ist dessen Bann gebrochen und es sind plötzlich Jerrys „Taten“, die im Stille-Post-Verfahren zu Legenden aufgeblasen werden. So bereitet die High School auf das Leben „da draußen“ vor: indem sie es in kleinerem Rahmen simuliert. Und sie ist als Erziehungsanstalt dann erfolgreich, wenn ihre Schüler ihre Simulation für bare Münze nehmen. Jerry ist in diesem Sinne ein absoluter Musterschüler: So arglos und lieb, dass ihm dieser eine Pechtag als einer erscheint, der über den Rest seines Lebens entscheiden könnte.

THREE O’CLOCK HIGH ist ein wunderbar bescheidener Film: Er kommt ganz ohne Subplots aus, konzentriert sich allein darauf, diese eine Geschichte gut und richtig zu erzählen und das gelingt ihm mit Bravour. Timing und Rhythmus, mit denen solche Filme stehen und fallen, sind perfekt, die Gags sitzen, die Figuren sind genau so weit charakterisiert, dass sie als Typen einerseits klar erkennbar bleiben, andererseits aber trotzdem lebendig sind. Die Besetzung ist ausgezeichnet – vor allem natürlich Casey Siemaszko, der fast jede Szene bestreiten muss – und nach 85 Minuten kommt der Film genau zum richtigen Zeitpunkt zum Ende. Kurzweil auf hohem Niveau von Phil Joanou, der später den Gangsterfilm-Klassiker STATE OF GRACE inszenieren sollte und mit THREE O’CLOCK HIGH sowas wie das Negativ zu FERRIS BUELLER’S DAY OFF gedreht hat: einen Film über die Odyssee eines Jungen, dem einfach alles misslingt. John Hughes‘ Films ist der Traum, das hier die Realität.