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filmische weltreise: update

Veröffentlicht: März 30, 2012 in Film, Zum Lesen
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Vor ein paar Wochen hatte ich für das kommende Ostern ein Blogspecial namens „Filmische Weltreise“ angekündigt: ein Filmmarathon, mit dem ich mich einmal um die Welt schauen will. 36 Filme aus ebenso vielen Ländern hatte ich gesammelt und weil mir mein Hard-Sensations-Kollege Marco Siedelmann noch einen senegalesischen Film via Youtube nahegelegt  hat, ist die Zahl auf 37 angewachsen. Eigentlich hatte ich vor, für diese Weltreise meinen anstehenden Osterurlaub zu nutzen, mich also in gerade einmal sieben Tagen rund um die Welt zu schauen. Man muss kein Mathegenie sein, um zu bemerken, dass das ein ziemlich optimistischer, um nicht zu sagen: hirnrissiger, Plan ist. Weil ich möglichst viele Eindrücke von meiner Weltreise mitnehmen möchte und nicht bloß, um im Bild zu bleiben, von Flughafen zu Flughafen jetten, mit dem Ziel, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu sehen, habe ich beschlossen, die Weltreise auszudehnen – und außerdem meine Gattin mitzunehmen. Was nutzt die tollste Reise, wenn man das Erlebte mit niemandem teilen kann? Eben. Voraussichtlich am 16. April geht es ab Deutschland los und in den folgenden Tagen und Wochen werde ich mich dann möglichst regelmäßig (sprich: annähernd täglich) aus einem anderen Land melden. Und mit den vier bis sechs Wochen, die wir vermutlich für unsere Weltumrundung benötigen werden, sind wir dann immer noch schneller, als es Phileas Fogg in Jules Vernes Abenteuerroman war. Ich denke, diese Planänderung kommt auch meinen Lesern zugute, weil meine Reiseberichte so in kleineren, besser verträglichen Häppchen gereicht werden, für deren „Zubereitung“ ich mehr Zeit habe. Ich bin schon voller Vorfreude, auf das, was mich erwarten wird, und hoffe, dass mich viele Interessierte in Gedanken begeleiten werden. Die Filme, die ich schaue, werde ich vorher übrigens nicht verraten.

Zweitsichtung. Letztes Jahr hat mich TROLLJEGEREN bei den Fantasy Filmfest Nights einfach nur glücklich gemacht: Es handelt sich um einen dieser seltenen Filme, bei denen zur makellosen Umsetzung einer für sich genommen schon großartigen Idee noch genau jenes Quäntchen Extracharme hinzukommt, das dafür sorgt, dass man den Kinosaal mit einem breiten Grinsen und eben diesem nicht weiter definierbaren kindlichen Glücksgefühl verlässt. TROLLJEGEREN ist pure Kinomagie:  Für knapp 90 Minuten gibt es nichts anderes als die zerklüftete Landschaft Norwegens und seine zwar gefählrichen, aber auch ungemein liebenswerten mythischen Ureinwohner, die Trolle. Weil ich schon einen ausführlichen Text über diesen Film geschrieben  und diesem auch ein Jahr später nichts Wesentliches hinzuzufügen habe, will ich mich hier nur kurz auf einen Aspekt beschränken, der mir diesmal besonders aufgefallen ist. Der im Dienste der norwegischen Regierung stehende Trolljäger Hans hat meiner Meinung nach durchaus das Zeug dazu, zu den großen (tragischen) Helden des Genrekinos zu avancieren. Zunächst war ich gestern über eine vermeintliche Drehbuchschwäche gestolpert: Mir schien es nicht plausibel, dass Hans den Umschwung vom unnahbaren, schweigsamen Eigenbrötler zum bereitwilligen Kollaborateur des Filmteams so überaus abrupt vollzieht: Nachdem er zunächst alle Annäherungsversuche der Studenten brüsk, einsilbig und sehr bestimmt abweist, ist er plötzlich bereit, alle Geheimnisse mit ihnen zu teilen. Zwar kann man sich durchaus immer noch darüber streiten, ob ein fließenderer Übergang dramaturgisch besser gewesen wäre, aber seine Motivation tritt dann doch deutlich zu Tage, mehr als mir das bei der ersten Sichtung bewusst geworden wäre. Im Verlauf des Films gibt es nämlich einige Hinweise darauf, warum Hans gegen das Geheimhaltungsdiktum der Regierung verstößt: Es geht ihm nicht in erster Linie um die Aufklärung der norwegischen Bevölkerung, sondern tatsächlich darum, Buße abzulegen für seine Taten. So souverän und sachlich Hans in der Erfüllung seiner Aufgabe auch scheint, der „Scheißjob“, wie er ihn bezeichnet, hat ihn tief traumatisiert. In seinem von „Trollstank“ durchzogenen Wohnwagen schläft er ausschließlich unter Solariumsleuchten, weil er die Dunkelheit nicht mehr ertragen kann: Hans hat Angst. Dann ist da schließlich das Geständnis, er habe im Auftrag der Regierung ein wahres Massaker unter der Trollbevölkerung angerichtet, Neugeborene und Mütter umbringen müssen, um Trollgebiet für Menschen besiedelbar zu machen. Und die Schuld an diesem Vergehen an der Natur lastet schwer auf seinen Schultern. TROLLJEGEREN ist unter der kindlich-liebevollen, humorigen Fassade auch ein Film über die Hybris des Menschen, der radikal in die Natur eingreift. Um sich die Landschaft nutzbar zu machen schickt er seine Soldaten vor, die ihm den Weg bereiten: Hans ist einer jener Soldaten; ein stummer Diener, der Ergebnisse zu liefern, die Drecksarbeit zu erledigen hat. Er lädt die Schuld auf sich, damit wir sauber bleiben können. Am Schluss geht er dann wahrscheinlich – der Film lässt das im Unklaren – in den Freitod, in dem Glauben, dazu beigetragen zu haben, das Verbrechen publik zu machen. Doch wie es sich für eine gute Verschwörungstheorie gehört, lässt sich das System nicht von einem Handwerker bezwingen. Das kollektive Gewissen muss porentief rein bleiben.

Jahre, nachdem ihr Mitschüler, der nerdige Loser Marty (Simon Scuddamore), bei einem nach hinten losgegangenen Aprilscherz brutal verstümmelt wurde, werden die Verantwortlichen, eine Clique nun im Berufsleben stehender Unsympathen, in das mittlerweile leerstehende Schulgebäude eingeladen, um dort einer mysteriösen Überraschungsparty beizuwohnen. Doch das reich gedeckte Büffet entpuppt sich als Henkersmahlzeit, die zum bekannten Zehn-kleine-Negerlein-Spielchen gereicht wird …

SLAUGHTER HIGH ist mal wieder ein Eintrag ins Buch meiner nostalgischen Reisen in die Horror- und Venloer-Videotheken-Zeit meiner frühen Adoleszenz. Der nur mäßig bekannte Film zählt zur zweiten Welle des abebbenden Slasherbooms und muss insofern schon als Kopie der Kopie bezeichnet werden. Alle Bestandteile der Handlung – die ätzende Clique und ihr grausam missglückter Streich, der leidtragende Mitschüler, die rätselhafte anonyme Einladung, der erste April als Tag der Handlung – wurden schon in anderen Filmen verwurstet und die Macher unternehmen nicht einmal im Ansatz den Versuch, den Zuschauer, der von Anfang an weiß, was hier gebacken ist, zu überraschen. So sind es denn – mal wieder – einzig und allein die Mordszenen, die das Interesse wachhalten und zumindest hier liefert SLAUGHTER HIGH: Der sich nach dem Genuss einer vergifteten Bierdose aufblähende und dann schließlich mit Schmackes platzende Bauch, aus dem die Eingeweide putzig hervorquellen, darf als einer dieser kleinen Höhepunkt verzeichnet werden, die man damals auf Compilation-Tapes festgehalten hat. Kaum weniger schön, wenn auch weniger blutig, ist das unter Strom gesetzte Bett, auf dem zwei arglos Vögelnde bei lebendigem Leib geröstet werden. Der Gewaltpegel stimmt also und weil die Macher von SLAUGHTER HIGH wenig Zweifel daran lassen, dass das das Einzige ist, worum es ihnen geht, läuft der Film ganz gut rein. Das Setting der runtergekommenen, düsteren Schule ist durchaus etwas überdurchschnittlich und bietet die Stimmung, die diesem filmischen Malen-nach-Zahlen sonst gänzlich abgeht, und das Drehbuch genau jene Menge haarsträubend idiotischer Motivationen und Logiklöcher, die zu zählen dann ja auch einen nicht unbeträchtlichen Teil des Charmes solcher Werke ausmachen: Dass sich keiner der Protagonisten über die Einladung wundert, ja sie es sogar als großen Spaß betrachten, allein in einer Ruine am Arsch der Welt abzuhängen, weil es gratis billiges Dosenbier gibt, kennt man ja kaum anders, dass eine der anwesenden Frauen aber erst einmal eine Badewanne (?) besteigt, nachdem ihr kurz zuvor der Bauchinhalt ihres Kumpels ins Gesicht explodiert ist, erfordert hingegen schon ein größeres Maß an Toleranz vom Zuschauer.

Dann ist da noch der Streich, der den Film einleitet: Zuerst wird der bebrillte Marty von der schönen Carol (Caroline Munro, die sich mit ihren damals 37 Lenzen sicherlich gefreut hat, nochmal ein High-School-Schülerin spielen zu dürfen) unter dem Vorwand des Liebesspiels in die Damenumkleide gelockt, dann voll entblößt von der ganzen Horde ausgelacht, fotografiert und gedemütigt und schließlich kopfüber ins Klo gesteckt. Doch damit nicht genug: Als nächstes wird auch noch sein Chemieexperiment sabotiert, sodass er sich erst selbst anzündet und ihm dann auch noch eine selten dämlich auf einem wackligen Regal postierte Flasche Säure ins Gesicht klatscht. Auch wenn ich mir mit meinen 36 Jahren mittlerweile keine Illusionen mehr über die unbegrenzte Blödheit des Menschen und sein Potenzial zum Bösen mache: In keiner Welt käme jemand auf die Idee, dass es lediglich ein lustiger, harmloser Scherz sei, im Chemielabor an irgendwelchen Substanzen oder der Gasleitung rumzupfuschen. Mitleid fällt angesichts der Grausamkeit und Blindheit, mit der da gegen Marty vorgegangen wird, ziemlich schwer: Strukturalistisch könnte man daher argumentieren, dass SLAUGHTER HIGH eine der typischen Eigenschaften des Slasherfilms – nämlich die Umkehrung des Verhältnisses von Protagonist zu Antagonist – schon auf der Ebene der Handlung verortet. Oder man drückt sich weniger gespreizt und apologetisch aus und konstatiert lediglich, dass die Masterminds hinter diesem Epos sich nicht so wirklich viele Gedanken gemacht haben. Immerhin trägt ihr Killer einen lustigen Hut. Und diese Szene mit dem Bauch, die hat was, definitiv …

1. „Old Chief Wood’nhead“: Die Gemischtwarenhandlung des Ehepaars Spruce (George Kennedy & Dorothy Lamour) wird von dem rebellischen Indianer Sam Whitemoon und seinen weißen Proletenkumpels überfallen, das Ehepaar ermordet. Weil Spruce den Indianern immer wohlgesonnen war, begibt sich Chief Wood’nhead, eine vor dem Laden postierte Indianer-Holzstatue, auf Rachefeldzug, um den Mord zu sühnen. 2. „The Raft“: Vier Jugendliche fahren an einen einsamen Bergsee, um sich auf der in der Mitte treibenden Insel zu sonnen. Doch dort angekommen bemerken sie, dass sie von einer Art monströsem Ölteppich belagert werden, der Appetit auf Menschenfleisch hat. 3. „The Hitch-Hiker“: Die untreue Gattin Annie Lansing (Lois Chiles) überfährt auf der Heimfahrt von ihrem Liebhaber einen Anhalter und begeht Fahrerflucht. Doch der Tote erweist sich als äußerst hartnäckig …

Licht und Schatten liegen bei diesem Sequel, das die Klasse der Vorgängers nicht annähernd erreicht, dicht beieinander: Die Rahmenhandlung, ein Trickfilm um einen jungen Comicfan, der sich gegen eine Horde Bullies mit einer fleischfressenden Pflanze wehrt, die er über eine Anzeige in seinem geliebten Horrorcomic bestellt hat, wirkt wie ein müder Abklatsch und kann technisch nicht mit den Animationssequenzen des ersten Teils mithalten, wirkt irgendwie unpersönlich und uncharmant (ein bisschen wie die doofen Trickfilmserien der Achtzigerjahre). Und mit „Old Chief Wood’nhead“ beginnt der Episodenreigen dann gleich mit der schwächsten Geschichte. Unpointiert, vorhersehbar und ohne echten Höhepunkt wird eine Standard-Rachegschichte abgespult, deren einsame Höhepunkte – der immer verlässliche, immer liebenswerte George Kennedy und die lebende Holzstaue – ziemlich verschenkt sind. Das Niveau steigt mit den beiden folgenden Geschichten zwar erheblich, vor allem „The Raft“ ist ziemlich großartig, wenn man bedenkt, wie beknackt seine Prämisse eigentlich ist, doch den pulpigen, barocken Charme des Originals, das die Ästhetik der zugrunde liegenden Comics durch eine recht avancierte Bildgestaltung und Schnitttechnik und angemessen übersteuerte Performances eines Allstar-Casts einfing, vermisst man hier schmerzlich. Michael Gornick, dessen einziger Kinofilm dies blieb, inszeniert bestenfalls zweckmäßig, ohne nennenswerte Ideen oder das Gespür für saftige Bilder, nach denen der Stoff eigentlich verlangt. Was verwunderlich ist, denn als DoP von solchen nun nicht gerade blass zu nennenden Filmen wie MARTIN, DAWN OF THE DEAD oder DAY OF THE DEAD hätte man das eigentlich erwarten können. So verwundert es immerhin nicht, dass er nach diesem Abstecher  wieder ausschließlich fürs Fernsehen tätig war. Wenn CREEPSHOW 2 packt, dann geht das vor allem auf das Konto der Effektleute, die in „The Raft“ und „The Hitch-Hiker“ ganze Arbeit geleistet haben und erheblich dazu beitragen, dass diese Epsioden dann doch noch eine Schlagseite in Richtung schmerzhaften Körperhorrors bekommen.

Man sollte diese Kritik nicht überbewerten: CREEPSHOW 2 ist ein nettes Horrofilmchen für Zwischendurch, nicht wirklich schlecht, aber eben kein Stück nachhaltig. Was ja nun auch nicht so richtig verwunderlich ist, wenn man bedenkt, welcher Quelle hier Tribut gezollt werden soll. Wie viele dieser Episodenfilme können schon für sich beanspruchen, einen über das kurzweilige Amüsement hianus beschäftigt zu haben? Eben. Daran gemessen schneidet dann auch CREEPSHOW 2 nicht so schlecht ab. Bedenkt man aber, was George A. Romero im Vorgänger aus der Prämisse herausgeholt hatte, dann ist Gornicks Sequel schon ein bisschen ernüchternd.

In den letzten Tagen ist es hier etwas ruhig gewesen: Grund dafür ist meine Sichtung von PUBLIC ENEMIES, der mich doch etwas ausgebremst hat. Ich weiß immer noch nicht genau, was ich über den Film eigentlich schreiben oder sagen soll: Er hat mich überhaupt nicht dazu motiviert, mich irgendwie zu ihm zu äußern. In dieser Erkenntnis steckt eine Menge Frustration und Schmerz: Michael Mann zählt zu meinen Lieblingsregisseuren, müsste ich meine 50 liebsten Filme aufzählen, so hätten sein MIAMI VICE, MANHUNTER und THIEF ausgezeichnete Chancen auf eine Nennung, ALI, COLLATERAL und THE KEEP haben ebenfalls einen Platz in meinem Herzen (THE LAST OF THE MOHICANS, HEAT und INSIDER müsste ich mal wieder sehen). Die mit seinem Namen verbundene Erwartungshaltung kann eine ziemliche Bürde sein: Und PUBLIC ENEMIES hat sie – in Verbindung mit meiner kurz zuvor erfolgten Sichtung von John Milius‘ großartigem DILLINGER – das Genick gebrochen.

Michael Manns Adaption eines Buches von Bryan Burroughs, das sich mit der Fallgeschichte eines der berühmtesten Verbrecher der USA beschäftigt, ist schlicht und ergreifend durchschnittlich. Sklavisch ackert er die in Hunderten von Gangsterfilmen und Biopics standardisierten Plotpoints ab, zeichnet Klischeefiguren, die miteinander Klischeebeziehungen unterhalten und belegt die historische Figur Dillinger und seine „Karriere“ so mit einer dicken Patina, anstatt für Klarheit zu sorgen. Was den Gangster und seine gesichts- und seelenlos bleibenden Kumpane antreibt, bleibt unklar. Klar, irgendwie spielt in der Depression das Geld eine Rolle, aber Mann zeichnet Dillinger – vor allem in seiner Beziehung zur schönen Billie Frechette (Marion Cotillard) – lieber als verträumten und tollkühnen Romantiker, der sich seine Fantasien nicht von der schnöden Realität kaputtmachen lassen möchte, als Künstler und Rebellen, die Staatsdiener hingegen als eiskalte Rationalisten und die eigentlichen Schurken: ein Ansatz, der als hoffnungslos naiv und einseitig bezeichnet werden muss. Tatsächlich gibt es gleich zwei Szenen, die Dillinger als ausgesprochenen Filmfan zeigen und den verklärenden Ansatz Manns zu reflektieren scheinen: Während der ersten sehen sich Dillinger und seine Gang bei einem Kinobesuch plötzlich einem Wochenschau-Bericht über ihre Machenschaften und einem Aufruf ans Publikum, im Saal nach den Verbrechern Ausschau zu halten, ausgesetzt. Doch der Verbrecher bleibt unerkannt, wird förmlich unsichtbar in der vergnügungssüchtigen Menge. Die zweite spielt ebenfalls in einem Kino, unmittelbar vor seiner Erschießung. Gebannt und glücklich wie ein Kind folgt er dem Spiel von William Powell und Clark Gable in MANHATTAN MELODRAMA, völlig befreit und nicht ahnend, dass sein Leben bald ein Ende finden, dies sein letzter Film sein wird. Es ist einer der wenigen wirklich brillanten Momente des Films: Jede Dillinger-Verfilmung behandelt diesen letzten Kinobesuch, erwähnt das Kino und den Film, den Dillinger als letztes sah, doch Mann ist der erste, der Dillinger zeigt, wie er sich diesen Film anschaut. In diesen Sekunden wird der Protagonist tatsächlich lebendig, entsteht eine Verbindung zwischen dem Zuschauer von PUBLIC ENEMIES und dem bankraubenden Zuschauer Dillinger. Vorher blieb der Mann distanziert, eine Chiffre, eine weitere Figur in Depps langer Rollenliste – und eine weitere, die hinter dem Star verschwindet.

Natürlich ist Mann ein Regisseur, der in seinen Filmen immer mehr am Mythos und der Rezeption als an der Realität dahinter interessiert war. Die meisten seiner Filme erzählen typische Genregeschichten, nutzen Archetypen, sind in einer Traum- und Popwelt angesiedelt und nicht in einer historisch verbrieften Wirklichkeit. Auch PUBLIC ENEMIES fügt sich da nahtlos ein und es ist nicht unbedingt eine Überraschung, dass Mann an Dillingers Idealisierung strickt, anstatt ihn zu entlarven.  Das ist nicht das Problem. Doch anders als in seinen stärkeren Filmen gelingt es Mann meiner Meinung nach hier nicht, sich mithilfe der Form von der Formel zu emanzipieren. In MIAMI VICE evoziert er eine unheimliche Empathie mit seinen beiden Klischeepolizisten, weil er insgeheim von ihrem Kampf gegen die sie einengenden (Film-)Konventionen berichtet. Im Grunde ist MIAMI VICE ein Metafilm. In PUBLIC ENEMIES hat er mit dem Problem zu kämpfen, erst einen Riesenhaufen Exposition bewältigen zu müssen, ihm steht genau das im Weg, was ihn sonst immer am wenigsten kümmert: Handlung. Während der ersten eineinhalb Stunden hechelt der Film durch die Karriere Dillingers, hakt die wichtigsten Daten seines Lebens ab, kümmert sich nebenbei um den Aufstieg Hoovers und seines FBI, die Jagd Purvis‘ auf den Superverbrecher, und vergisst dabei, dass es gerade die Momente der Ruhe sind, die seine Filme sonst immer ausgezeichnet haben. Die Beziehung zwischen Dillinger und Billie, die wohl die affektive Bindung des Zuschauers gewährleisten soll, kommt einfach nur corny, unglaubwürdig und halbgar daher. Und diese Formelhaftigkeit hindert dann auch Dante Spinottis Fotografie daran, ihre Durchschlagskraft zu entfalten. In den Actionszenen setzt der auf Digivideo (sorry, bin kein Technikexperte) gedrehte Film eine ungemeine Kraft frei, genau jene Unmittelbarkeit und Direktheit, die dem Film dank seiner klischierten Dramaturgie sonst völlig abgeht. Und Dillinger ist eine Figur, deren Tod eben nicht tragisch ist: Er ist folgerichtig. Wäre er in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, hätte er einen Schlussstrich unter seine Laufbahn gezogen und wäre er mit seinem Geld nach Mexiko gegangen, dann wäre das ein Stoff für Mann geworden. Diesen Film hätte ich lieber gesehen, als wieder einmal die Räuberpistole vom Mann, der durch das Schwert lebt und durch das Schwert stirbt.

Natürlich hat der Film seine Momente, vor allem in der letzten halben Stunde: Ein Besuch Dillingers im Polizeipräsidium Chicagos und den Räumlichkeiten der „Dillinger Squad“ am Tag seiner Erschießung, als bereits alle Beamten zu den entsprechenden Vorbereitungen ausgeflogen sind, der den Staatsfeind Nr. 1 als Held und Zuschauer seines eigenen Films zeigt, ist großartig und zeigt, welche erleuchtende Kraft Dichtung haben kann und sollte. Auch gibt es wieder diese typischen Mann-Bilder, wenn kurz der Fokus verloren geht, das Zentrum in der Unschärfe oder am Rand verschwindet, die Kamera – wie ich in meiner alten MIAMI VICE-Rezension geschrieben habe – sich abzuwenden scheint, weil sie die Schönheit des Bildes nicht ertragen kann. Und obwohl sich die Einzelteile nicht zu einem Ganzen summieren wollen, zeichnet auch diesen Film wieder diese träumerische Atmosphäre aus, die einem das Gefühl vermittelt, der 130-Minüter verdichte sich auf wenige bis zum Bersten aufgeladene Augenblicke. das alles erinnert trotzdem nur schmerzhaft daran, was hätte sein können.

Der eben zum Chef der Westküste berufene Mafioso Charlie Adamo (Peter Falk) will sich ins neue Royal-Casino in Las Vegas einkaufen. Als ihm dieser Wunsch verweigert wird, lässt er seine Kontakte spielen und sorgt für die Begnadigung des Schwerverbrechers Hank McCain (John Cassavetes). Dieser ahnt nicht, wer da im Hintergrund die Fäden zieht, als ihn sein Sohn aus dem Knast abholt und ihm das Angebot offeriert, das Royal auszurauben, er ist sofort Feuer und Flamme. Während er sich mit seiner neuen Geliebten Irene (Britt Ekland) an die Vorbereitungen macht, wird Adamo von seinem Vorgesetzten Don Francesco DeMarco (Gabriele Ferzetti) zurückgepfiffen. Der muss nun versuchen, McCain zu stoppen, um Ärger anzuwenden, doch der denkt ja immer noch, er arbeitet auf eigene Rechnung …

Wenn ich Rezensionen zu Filmen lese, in denen am Plot rukmgekrittelt wird, Plotholes und Logikfehler beklagt werden oder behauptet wird, das hätte man ja schon hundertmal gesehen, dann wundere ich mich immer, dass es noch Menschen gibt, die sich Filme überhaupt wegen der Handlung anschauen, die für mich eigentlich immer das Uninteressanteste an dem Ganzen ist: Im Grunde hat man jede Geschichte schonmal gehört/gesehen und mehr als das Was steht bei meinen Filmsichtungen das Wie im Vordergrund. Es ist das Wie der Erzählung, die Filmtechnik, die im Idealfall noch unbekannte Aspekte der bereits bekannten Geschichte offenbart. Im weitesten Sinne gilt das natürlich auch für GLI INTOCCABILI (was nichts anderes als „Die Unbestechlichen“ bedeutet), der die Geschichte des Gangsters aus Überzeugung erzählt, dessen letzter Coup auf ganz andere Art und Weise sein letzter wird, weil das System, innerhalb dessen er arbeitet, den Ausbruch des Einzelnen nicht zulässt. Und als Zuschauer weiß man daher auch von Beginn an, dass Hank am Schluss natürlich nicht triumphieren wird. Doch Giuliano Montaldo erzählt diese bekannte Geschichte so kunstvoll und raffiniert, dass man als Zuschauer tatsächlich das Gefühl hat, sie zum ersten Mal erzählt zu bekommen. Wie sich Hanks Schicksal nun vollziehen wird, ist nicht absehbar, weil die Interessen der drei Konfliktparteien so geschickt ineinander verwoben sind, dass man auf die Entfesslungskünste Montaldos angewiesen ist, um den Durchblick wiederzuerlangen. GLI INTOCCABILI war so für mich einer jener mittlerweile immer rarer werdenden Glücksfälle, bei denen die Außenwelt komplett hinter dem Film verschwindet: kein Blick zur Uhr, keine frühzeitige Reflexion, kein Spekulieren darüber, was da als nächstes kommen könnte. Nur das Hier und Jetzt des Films.

Es schadet gewiss nicht, dass nahezu jede Rolle ein kleiner Besetzungscoup ist und die drei männlichen Hauptdarsteller Cassavetes, Falk und Ferzetti ihre gänzlich unterschiedlichen Rollen von ebenso unterschiedlichen Seiten angehen: das immersive, angespannte Spiel Cassavetes‘, dem zuzusehen fast körperlichen Einsatz vom Zuschauer erfordert, das Brodeln Falks, bei dem der Silberblick schon die halbe Miete ist, schließlich die weltgewandte Zivilisiertheit Ferzettis, der alle Autorität aus der Differenz zwischen kontolliertem, zurückgenommenen Körpereinsatz und der Bestimmtheit der Stimme bezieht. Es sind die psychologischen Details, die GLI INTOCCABILI ausmachen: Allein die seltsame Beziehung zwischen Cassavetes McCain und seinem Sohn, den er nur zwei Mal in seinem Leben gesehen hat, lädt schon dazu ein, sich in diesen Film zu verbeißen. Und dann gönnt sich Montaldo auch noch den geradezu unverschämten Luxus, die große Gena Rowlands bis 20 Minuten vor Ende zurückzuhalten, nur um sie den Film in ihren drei, vier Szenen komplett an sich reißen zu lassen. Wahnsinn!

Dieser mir bislang völlig unbekannte Film ist vor rund zwei Jahren bei Blue Underground unter dem Titel MACHIN GUN MCCAIN auf DVD erschienen und genauso lang besitze ich ihn auch schon. Die Begeisterung über dieses Meisterwerk überwiegt mein Unverständnis darüber, wie ich den so lange herumliegen lassen konnte. Ich rate dringend zum Erwerb zu schreiten!

EDIT: Ich sehe gerade, dass GI INTOCCABILI unte dem Titel Amrican Roulette via e-m-s auch in Deutschand erschienen und für wenig Geld zu haben ist.

Das Leben der Predigertochter Polly Franklin (Pamela Sue Martin) ändert sich schlagartig, als sie einem Banküberfall von John Dillinger beiwohnt. Danach wird sie erst von einem Reporter entjungfert, der sie mit einer Zeitungsgeschichte ködert, und dann von ihrem Vater rausgeschmissen. Sie macht sich auf den Weg nach Chicago, um dort auf eigenen Füßen zu stehen. Aber die Depression hält nicht viele Chancen bereit uns so landet sie nach einigen Umwegen erst im Knast und dann schließlich im Edelbordell der rumänischen Exilantin Anna Sage (Louise Fletcher), wo der Mob ein und aus geht. Als Anna die Ausweisung droht, ergreift sie ihre letzte Chance, im Land bleiben zu können: Denn sie hat Pollys große Liebe – einen vermeintlichen Geschäftsmann – als Staatsfeind Nr. 1 John Dillinger (Robert Conrad) erkannt …

Zum zweiten Mal nach DILLINGER widmet sich Roger Corman dem berühmten Bankräuber der Dreißigerjahre, nutzt dessen Geschichte aber lediglich als Hintergrund, vor dem sich die Lebens- und Leidensgeschichte der jungen Polly abspielt. Die verhinderte Rags-to-Riches-Geschichte entwickelt einigen Zug, weil die einzelnen Episoden knackig kurz sind, mit den für Corman typischen spitzenmäßig besetzten Nebenrollen geadelt werden – Dick Miller als sexistischer Arbeitgeber, Christopher Lloyd als gruseliger Mafiosi mit The-Crow-Muttermal und dem Spitznamen „Frognose“ – und weil Pamela Sue Martin eine liebenswerte (und attraktive) Protagonistin abgibt. Lewis Teague, ganz der Handwerker, als den man ihn in den Achtzigern zu schätzen gelernt hat, kann sich ganz auf das Drehbuch von John Sayles verlassen und steuert den Film mit sicherer Hand auf seinen Höhepunkt zu, die Erschießung Dillingers vor einem Kino in Chicago, der natürlich nochmal so interessant ist, wenn man ihn mit der gleichen Szene aus DILLINGER vergleicht. Nach kurzem Überfliegen des Wikipedia-Eintrags über den Staatsfeind Nr. 1 zeigt sich, dass Teagues Version sogar näher dran ist an der Wahrheit, denn anders als Milius dichtet er dem Gangster hier keine feste Geliebte an, die bei seiner Erschießung anwesend gewesen wäre. Andere Details – Passanten tupfen mit Taschentüchern das Blut des gefallenen Gangsters auf – finden sich interessanterweise in beiden Filmen. Leider wird dieser Szene hier jedoch einige Wucht dadurch genommen, dass der Film danach noch gute 30 Minuten weiterläuft. Und diese 30 Minuten, in denen Polly nun ihrerseits eine „Gang“ zusammenstellt und eine Bank überfällt, wirken wie nachträglich angeklebt, lassen den bis hierhin sehr glaubwürdigen Film als rein fiktives Werk, ja als Kintopp, erscheinen. Mag sein, dass es die Macher für nötig hielten, ihren Film auf einer hoffnungsvolleren Note enden zu lassen, was ja durchaus sympathisch ist: Dramaturgisch will sich das Finale einfach nicht in den Film einfügen, der mit der Erschießung Dillingers ja eigentlich schon ein passendes Ende gefunden hatte. Letztlich ist das aber auch nur ein kleinerer, zu verschmerzender Schönheitsfehler, denn die positiven Aspekte überweigen bei Weitem. Schöner Film!

Die USA während der Dreißigerjahre: Während die Bürger schwer unter der Depression leiden, macht sich eine Gruppe von Männern einen Namen damit, dass sie sich das fehlende Geld auf ihre Weise beschaffen – mit Banküberfällen. Einer dieser Männer ist John Dillinger (Warren Oates), der mit seiner Gang den Status eines Volkshelden erlangt. Ihm – und seinen Zeitgenossen, Wilbur Underhill, genannt „The Tri-State Terror“, Theodore „Handsome Jack“ Klutas, George „Machine Gun Kelly“ Barnes, Charles Arthur „Pretty Boy“ Floyd (George Kanaly) und George „Babyface“ Nelson (Richard Dreyfuss) – dicht auf den Fersen ist FBI-Mann Melvin Purvis (Ben Johnson), der es sich zur Herzensangelegenheit gemacht hat, jeden der Gangster persönlich zur Strecke zu bringen …

Writer/Director John Milius konzentriert sich in seinem Film auf die letzten beiden Jahre des „Staatsfeinds Nr. 1“, wechselt zwischen dessen Überfällen und der mit zunehmender Intensität geführten Jagd Purvis‘ hin und her und beleuchtet so eine Epoche, in der vielleicht endgültig der Schlussstrich unter die Wildwest-Vergangenheit der Vereinigten Staaten gezogen und der Schritt zum Rechtsstaat – mit allen Konsequenzen – gezogen wurde. Historisch ist die Dillinger-Geschichte natürlich vor allem deshalb relevant, weil sie gleichzeitig auch der Beginn der Erfolgsgeschichte von Hoovers FBI ist. Milius ergründet noch einmal die Faszination der Zivilgesellschaft mit Gangstern und Outlaws sowie die Frage, wie es derjenige zu etwas bringen soll, der doch nichts hat. Als ein Südstaaten-Sheriff die fein angezogenen, von attraktiven Damen begleiteten und mit schicken Autos ausgestatteten Gangster erblickt, schöpft er sofort Verdacht: „Decent folks don’t live that good.“ Das Verbrechen von Dillinger und seinen Kollegen besteht auch darin, dass sie sich der vorgesehenen kapitalistischen Hackordnung nicht unterordnen wollen.

Milius stellt mit Purvis und Dillinger die beiden widerstrebenden Kräfte gegenüber, zeigt ihre Verbundenheit in der Differenz – ein Standard des Gangsterfilms: Wenn Purvis im Gespräch mit einem kleinen Jungen geradezu erzürnt darüber ist, dass dieser Dillinger, aber nicht ihn kennt, lieber ein Gangster statt Polizist sein will, weil ersterer nicht zur Schule muss, erkennt man darin dieselbe kindliche Verletztheit, die Dillinger später im Telefonat mit seiner Nemesis an den Tag legt, als Purvis ihn mit der Gelassenheit eines geduldigen Großvaters behandelt. Der eine will den Hass, der andere braucht die Zuneigung. Die Gegenüberstellung funktioniert auch, weil die Hauptrollen grandios besetzt sind: Warren Oates versieht den Staatsfeind mit der rauhbeinigen Likability eines alten Handwerkers, jener Ehrlichkeit, die auch die Antihelden von Peckinpahs Wild Bunch auszeichnete, Ben Johnson verleiht Purvis‘ Getriebenheit einen Kern unergründlicher Sentimentlität. Dieser Mann ist tief verletzt und wenn man im Epilog erfährt, dass er sich knapp 30 Jahre nach den geschilderten Ereignissen mit der Waffe, mit der er Dillinger erschoss, selbst umbrachte, dann scheint das nur die logische Konsequenz. Aber die beiden hervorzuheben ist eigentlich ungerecht, weil alle Darsteller groß aufspielen: Harry Dean Stanton liefert hier die Blaupause für seinen tragikomischen Pechvogel aus WILD AT HEART, wenn ihn der Tod nach einer Verkettung von Missgeschicken ereilt, die er nur mit „Things ain’t workin‘ out for me today.“ zu quittieren weiß. Richard Dreyfuss legt seinen Babyface Nelson als ausgewachsenes Kleinkind an, dem man vergessen hat, Grenzen beizubringen, George Kanaly ist als Pretty Boy Floyd der wohlerzogene All American Boy, der sich das falsche Hobby ausgesucht hat. Als ihm ein altes Ehepaar, das ihm gerade seine Henkersmahlzeit serviert hat, die Bibel nahebringen will, sagt er nur: „I admit, I have sinned; I have been a sinner, but I enjoyed it. I have killed men, but the dirty sons-of-bitches deserved it. The way I figure it, it’s too late for no Bible. Thanks just the same, Ma’am.“ Und dann macht er sich auf, um zu sterben. Geoffrey Lewis erinnert in seinem herzzereißenden Todesmoment daran, dass auch Gangster Angst vor dem Tod haben und Cloris Leachman bietet in ihrem Kurzauftritt als Anna Sage, jener rumänischen Exilantin, die Dillinger verriet, um sich so eine Aufenthaltsgenehmigung zu erkaufen, eine Projektionsfläche, um sie mit Wissen um ihr Schicksal – sie wurde nach Rumänien deportiert – tragisch aufladen zu können. Man meint in ihrem Gesicht schon das Leid ablesen zu können, von dem sie selbst noch nichts weiß.

Der ganze Film ist großartig, braucht den Vergleich mit einem Jahrhundertklassiker wie BONNIE & CLYDE nicht zu scheuen. Die Bilder der Weite des amerikanischen Mittelwestens seiner verfallenen, ausgestorbenen Kleinstädte, die vom Tod des amerikanischen Traums künden, der harte Kontrast zwischen dem unendlichen Himmel mit seinen barocken Wolkenformationen und der kargen Landschaft darunter, brennen sich dem Betrachter ein und erhöhen die Geschichte des Outlaws zur existenziellen Parabel. Roger Corman hat in den Siebzigerjahren einige Depressions-Gangsterfilme gemacht und sie sind – soweit ich sie kenne – alle toll. Dieser hier ist wahrscheinlich der beste aus diesem Korpus: ein Film, der weit über seine B-Movie-Herkunft hinaus bedeutsam ist und John Milius‘ wechselhafte Karriere fulminant begann.

Ein Papa (Tom Atkins) entreißt seinem jungen ein Comicheft der Reihe „Creepshow“ und schmeißt es in die Mülltonne. Der Wind blättert durch das Heft und seine Geschichten. 1. „Father’s Day“: Ein missgünstiger Ehemann und Vater kommt Jahre nach seiner Ermordung aus seinem Grab, um sich endlich seinen Vatertagskuchen von seinen Hinterbliebenen abzuholen. 2. „The Lonesome Death of Jordy Verrill“: Der geistig zurückgebliebene Farmer Jordy (Stephen King) lässt über seine Träume vom großen Geld alle Vorsicht fahren und fasst einen Meteor an, der auf seinem Grundstück gelandet ist. Bald bemerkt er an seinem Körper und im Haus überall grüne Sporen, die unaufhaltsam wuchern. 3. „Something to tide you over“: Der gehörnte Ehemann Richard (Leslie Nielsen) hat sich für eine Frau (Gaylen Ross) und ihren Geliebten (Ted Danson) etwas ausgedacht. Nahe der Flutlinie gräbt er sie im Sand ein und schaut sich ihren Todeskampf mittels Kamera bequem zu Hause an. Doch abends hört er Geräusche … 4. „The Crate“: Der Professor Dexter Stanley (Fritz Weaver) entdeckt in einer alten Kiste im Universitätsgebäude eine uralte, gefräßige Kreatur, die sogleich den Hausmeister und einen Studenten vertilgt. Er erzählt seinem alten Freund und Kollegen Henry Northrup (Hal Holbrook) davon und der hat sogleich eine Idee, wie er seine ätzende Gattin Billie (Adrienne Barbeau) loswerden kann. 5. „They’re creeping up on you“: Der misanthropische Geschäftsmann Upson Pratt (E. G. Marshall) hat panische Angst vor Bakterien und Ungeziefer und lebt deshalb in einem klinisch reinen Hight-Tech-Apartement, von wo aus er seine Untergebenen über das Telefon gängelt und kontrolliert. Doch derzeit hat er alle Hönde voll zu tun, der Kakerlakenplage Herr zu werden …

Mann, habe ich den schon lange nicht mehr gesehen! Und: Mann, war das gut, den mal wieder zu gucken! Langer Rede, kurzer Sinn: CREEPSHOW, eine aus der Feder von Stephen King stammende und von George A. Romero inszenierte Hommage an die EC-Comics, die auch die Grundlage für die britischen Verfilmungen TALES FROM THE CRYPT und VAULT OF HORROR sowie die erfolgreiche Fernsehserie TALES FROM THE CRYPT bildeten, ist vor allem ein Trumph des Designs. Unter Zuhilfenahme von wundervollen Trickfilmsequenzen, eines trick- und einfallsreichen Schnitts, der erfolgreich die Panelstruktur des Comics nachahmt (ein traumhaft schönes Comicalbum zum Film wurde ebenfalls aufgelegt), der garstig-übersteuerten Effektarbeit Tom Savinis, einer traumhaft expressiven Kameraarbeit und Lichtsetzung und der superb aufgelegten Besetzung gelingt das Kunstwerk, den Geist der Comics ohne Verlust in ein anderes Medium zu übertragen. CREEPSHOW ist bunt, ohne dabei plastikhaft, plakativ, ohne platt zu sein, bösartig, ohne je zynisch zu werden, geschmacklos, aber niemals stillos und vor allem witzig, ohne dabei den Horror zu vernachlässigen. An dieser Mischung versucht sich seit knapp zwei Jahrzehnten ein ganzes Genre, ohne auch nur annähernd die Klasse dieses Films zu erreichen (gemeint ist natürlich das fürchterliche Fun-Splatter-Kino). Große Exegesen sind dann auch gar nicht nötig, die Qualität dieses Films sticht wortwörtlich ins Auge. Nur soviel: Die alttestamentarische Moral, die diese Geschichten zu vertreten scheinen, ist ja gar nicht so klar, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Tod geht dann wohl doch nicht nur streng nach dem Regelwerk vor, sondern hat durchaus einen Sinn für dramaturgische Kniffe. Warum etwa der Rachemord des betrogenen Richard Vickers eher geahndet gehört als das ja kaum weniger heimtückische Vergehen des baven Henry Northrup, darüber könnte man sicher lange Diskussionen führen.

Vietnam: Als eine von David Callahan (Gary Daniels) geleitete Mission abgebrochen werden muss, nehmen er und seine Männer die kleine Tochter eines vietnamesischen Generals als Geisel, um fliehen zu können. Das Mädchen stirbt in der Folge und alle Männer außer Davids Jugendfreund Charlie Murphy (Jim Gaines) können entkommen. Fünf Jahre später besucht jener seitdem Totgeglaubte seinen Kumpel und dessen Familie überraschend in Thailand und lädt sie zu einem Tag am Strand ein. Bei diesem werden die Freunde überfallen und Davids Frau und sein Sohn erschossen – so wie damals das kleine Mädchen …

Das Erstaunliche an diesem Frühwerk aus Gary Daniels‘ Filmkarriere ist, dass Regisseur Teddy Page offenbar tatsächlich meint, seinen Zuschauern sei nicht klar, was hinter der Hinrichtung von Davids Familie für ein Motiv steckt. Im Anschluss an die oben umrissene Exposition schickt er den Helden gemeinsam mit einer thailändischen Spezialeinheit in den Kampf gegen einen kommunistischen Rebellenführer namens „Chamäleon“, der angeblich hinter den Morden stecken soll. Das alles ist natürlich nur eine falsche Fährte, um davon abzulenken, was wirklich los ist: Der arme Charlie hat damals seinen Kumpel verraten, um seine eigene Haut zu retten, und der vietnamesische General will Rache für den Mord an seiner Tochter. Es kommt am Ende, nach viel unmotivierter Ballerei, zum Showdown zwischen den drei, der ein nur wenig überraschendes Ende nimmt.

FINAL REPRISAL ist ein Paradebeispiel für die Billig-Philippinen-Action, für die Teddy Page ein ganz besonderes Händchen hatte: Schlechte Schauspieler chargieren in hässlichen Settings herum und obwohl alle Naselang etwas in die Luft fliegt und die Zahl der Toten im dreistelligen Bereich liegt, ist das alles beherrschende Gefühl Langeweile. Im vorliegenden Fall wird das noch etwas überschattet von der mehr als unappetitlichen Prämisse: Das hier ein völlig unmotivierter Kindermord herhalten muss, um die ganze Chose in Gang zu bringen, ist umso abgeschmackter, als nie geklärt wird, wer denn der Mörder des kleinen Mädchens war. Und während die Rache des Generals ihn zum bösen Schurken stempelt, ist der Zorn Callahans ein gerechter. Nee, Spaß macht dieser Film aller Unzulänglichkeiten zum Trotz nicht, und auch Daniels‘ quälende Versuche in Schauspielerei – wenn er beim Anblick seiner toten Familie versucht traurig und verzweifelt zu sein, schmilzt fast der Bildschrim vor Scham – reißen den Film nur noch tiefer in die selbstverursachte Scheiße.