Archiv für April, 2012

Der Rocker Gerd (Gerd Kruskopf) wird aus dem Knast entlassen und von seiner alten Gang frenetisch empfangen. Doch eigentlich will er ein neues Leben beginnen, auch, weil seine einstige große Liebe keine Lust mehr auf alkoholisierte Halbstarken und sich von ihm abgewendet hat. Ihr neuer Freund ist Uli (Paul Lys), selbst ein hoffnungsloser, zur Selbstüberschätzung neigender Kleinkrimineller. Nachdem der von einem Zuhälter wegen einer Bagatelle auf offener Straße erschlagen worden ist, trifft sein 15-jährigen Bruder Mark (Hans-Jürgen Modschiedler) schließlich auf Gerd. Und beide erkennen, dass sie sich trotz ihrer unterschiedlichen Lebenserfahrungen ziemlich ähnlich sind …

ROCKER ist nun also mit leichter Verspätung der Startschuss für meine bereits mehrfach angekündigte „Filmische Weltreise“, die mich (und damit auch euch) in den nächsten Wochen in Beschlag nehmen wird. Für mich persönlich ist ROCKER aber weniger Aufbruch als zunächst einmal eine Art Rückkehr: Lemkes Film ist nämlich einer der ganz wenigen der letzten Jahre, die ich gesehen habe, ohne anschließend einen Text dazu geschrieben zu haben. In diesem Fall war ich während der Sichtung vor rund eineinhalb Jahren zum einen etwas beeinträchtigt in meiner Wahrnehmung (ähem …), zum anderen hatte mich ROCKER auf dem falschen Fuß erwischt und deshalb etwas enttäuscht: Ich hatte etwas beschwingtes, lustiges erwartet, einen im positiven Sinne „dümmeren“ Film und nicht das aufgrund der Besetzung mit Laiendarstellern und improvisierter Szenen semidokumentarische Züge tragende existenzielle Drama, als dass sich ROCKER entpuppte. Ein Text wäre auf der Grundlage dieses Missverständnisses nicht nur unfruchtbar, sondern vor allem unfair geworden. Nach dieser zweiten Sichtung kann ich den vielen positiven Stimmen, die mich überhaupt erst dazu gebracht haben, mir den Film zuzulegen, nur beipflichten. ROCKER ist ein außergewöhnlicher Film. Außergewöhnlich, weil er sich seinem Sujet mit einer Unverkrampftheit und Einfühlsamkeit nähert, die im deutschen Kino alles andere als  eine Selbstverständlichkeit ist. Gleichzeitig bleibt Lemke stets auf Distanz: Es ist der Respekt vor seinen Charakteren, der ihn daran hindert, sie sich völlig zu eigen zu machen. Unter vielen anderen Regisseuren wäre die Geschichte um zwei soziale Außenseiter und ihre fruchtlosen Versuche, sich in die Gesellschaft einzugliedern, zur moralinsauren Sozialmoritat verkommen, doch nicht so bei Lemke. Der hält sich mit einem Urteil über seine Protagonisten nämlich völlig zurück, versucht vielmehr, sie zu verstehen, indem er genau hinsieht. Und wenn es ihm dennoch nicht gelingt, so hält er dies einfach aus, anstatt sich eine griffige Deutung zurecht zu hämmern. 

ROCKER ist dann auch kein Film, der sich emotional aufdrängen würde. Viele Reaktionen wirken unterkühlt, fallen kleiner aus, als man es aus traditionelleren Spielfilmen kennt, immer wieder klaffen Lücken in der Szenenabfolge, die einen stolpern lassen, und oft bleibt einem nichts anderes übrig, als in die Gesichter der Charaktere zu blicken, ihnen genau zuzuhören und sich dann selbst zu überlegen, was in ihnen vorgehen mag, was ihre Motivationen sind, was sie antreibt. Das beste Beispiel für Lemkes Art der Beobachtung ist wohl das Schlussbild: Mark hat Gerd und seine Rockerkumpel auf die Zuhälter angesetzt, die seinen Bruder ermordet haben, und betrachtet nun den ungleichen Straßenkampf, in dem die Mörder bekommen, was sie verdienen. Er entfernt sich etwas vom Geschehen, als könne er nun mit allem, was er zuvor erlebt hat, abschließen, als wüsste er nun, wie er sein Leben leben will. Der Film schließt mit einem Freeze Frame auf Mark und sein Gesichtsausdruck – eine Mischung aus Freude und Ungewissheit – hält keine klare Antwort bereit. Wir wissen nicht, wie es mit ihm und Gerd weitergehen wird. Diese Haltung ist genau das Gegenteil von dem, was den Protagonisten von der Gesellschaft entgegengebracht wird. Alle wissen immer ganz genau, was gut für den anderen ist,  haben immer ein griffiges Urteil zur Hand, die Schublade geöffnet, in die sie den anderen hineinstecken können. Als Mark nach der Ermordung seines Bruders sturzbetrunken an seinem Ausbildungsplatz – einem Supermarkt – ankommt und sich an den Regalen vergreift, ruft seine Kollegin sofort die Polizei. Und Marks Schwester, seine Erziehungsberechtigte, hat nichts anderes für ihn übrig, als die üblichen verzweifelten Erwachsenensprüche. Nicht mit einer Silbe erkundigt sie sich nach seinem Befinden. Der sich betont asozial und hart gebende Gerd muss Eindruck auf Mark machen, doch der Zuschauer erkennt, dass dies auch nur eine Fassade ist, hinter der der Schmerz zahlreicher seelischer und körperlicher Verwundungen versteckt wird. Auch Gerd stößt bei seinen Versuchen, sein Leben zu ordnen, nur auf verschlossene Türen. Wen wundert es da, dass er sich immer wieder in Drohungen und Prahlerei flüchtet. Die Szene, in der er seine alte Flamme an ihrem Arbeitsplatz aufsucht und auf ihre Beteuerungen, sie wolle mit ihm und seiner Gang nichts mehr zu tun haben, sie ertrage das halbstarke Getue nicht mehr, nur mit der sie ultimativ bestätigenden und daher geradezu mitleiderregend inadäquaten Drohung, ihr eine zu knallen, antworten kann, spricht Bände. Gerd ist ein tragischer Held, ein in schwarzes Leder gekleideter Narr, jemand, dessen übersteigerte Selbstwahrnehmung das einzige ist, was er noch hat.

ROCKER ist natürlich auch ein umwerfendes Zeitdokument: Die Bilder bundesdeutscher Tristesse und eines zwar martialischen, aber im Kern ungemein naiven Aufmuckertums, scheinen heute wie aus einem anderen Universum zu uns heruntergefunkt worden zu sein. Man fragt sich unweigerlich, was aus Gerd und Mark wohl geworden ist. Ich befürchte das  Schlimmste, hoffe aber, dass sie sich ein Motorrad gekrallt haben und Richtung Horizont gefahren sind, Deutschland weit hinter sich lassend. Es war damals nicht ihre Welt und die heutige ist es wohl noch weniger.

Nächste Station: Belgien.

Satsuki und ihre kleine Schwester Mei ziehen mit ihrem Vater in ein altes Haus auf dem Land, um in der Nähe des Krankenhauses zu sein, in dem die kranke Mutter behandelt wird. Bei ihren Erkundungsgängen in die umgebende Natur macht die kleine Mei Bekanntschaft mit Totoro, einem riesengroßen, pelzigen, freundlichen Waldgeist, mit dem sich die Mädchen schließlich anfreunden. Als ein beunruhigendes Telegramm aus dem Krankenhaus eintrifft, läuft Mei von zu Hause weg. Satsuki sucht kurz entschlossen Totoro auf, damit er ihr bei der Suche behilflich ist …

Bei den Eltern musste unsere Tochter Selma ja ein Filmfan werden. Und weil wir daher in den letzten Monaten eine schwere Überdosis Pixar, Disney und Dreamworks erhalten haben, war ich froh, als mir einfiel, dass ja noch ein paar von arte aufgenommene Miyazakis im Schrank lagen. TONARI NO TOTORO, von dem ja eigentlich jeder schwärmt, der ihn gesehen hat, war definitiv die richtige Wahl: Ich weiß nicht, ob Papa den nicht sogar noch eine Spur schöner, lustiger, trauriger, süßer und besser fand als die kleine Selma. Tatsächlich ist dieser Film ein Glücksfall sondergleichen, einer, der keine Fragen offenlässt und dennoch nicht alle Geheimnisse offenbart; einer, der ausschließlich in Bildern erzählt, der keinen konstruierten Plot mehr darüber stülpen muss, um Einheit zu suggerieren; ein Film von großer stilistischer Sicherheit; einer, der in jeder Sekunde die Weisheit seines Machers erkennen lässt. TONARI NO TOTORO ist ein Film über die kindliche Fantasie und über Fantasie überhaupt. Über den Respekt vor der Natur, die Demut vor Schöpfung, darüber, dass der Mensch nicht allein auf der Welt ist, dass es um ihn herum zahlreiche Dinge gibt, die er nicht versteht. Darüber, wie er Sinn in die Welt bringt, indem er ihr aufgeschlossen gegenübertritt, seine Sinne nicht von kalter, starrer Vernunft vernebeln lässt. Und diese Haltung gegenüber den Dingen übernimmt man nur zu gern, weil Miyazakis Film selbst ein ungeahntes Maß an Leben und Lebensfreude ausstrahlt. Man vergisst tatsächlich, dass man einen Film, einen Trickfilm noch dazu, sieht: TONARI NO TOTORO ist wie ein Fenster in eine Realität, aus der alles Kalkül, jede Schablone abgezogen wurde, und die man daher in absoluter Klarheit sieht. Die Bilder, die Musik: Man kann sich diesen Film schlicht nicht anders vorstellen. Alles ist so perfekt, ohne dabei jemals klinisch, leblos oder unspontan zu wirken, wie das bei „perfekten“ Filmen allzu oft der Fall ist. Miyazaki erreicht diese Perfektion, weil sich sein Gestaltungswille immer seinen Protagonisten unterordnet. Es sind Satsuki und Mei, die den Rhythmus des Films bestimmen, die die Regeln machen, denen er folgt, die den Blick des Films konstituieren: den Blick von Kindern, die die Welt erst noch verstehen lernen, denen menschliche Hybris fern ist, weil sie nur den grenzenlosen Himmel, turmhohe Wolken und majestätische Bäume sehen. Ja, TONARI NO TOTORO ist in gewisser Hinsicht ein Film über den Himmel, Wolken und Bäume. Und nie sahen sie schöner aus als hier. Ein Traum.

Die Karatespezialistin TNT Jackson (Jeannie Bell) reist auf der Suche nach ihrem Bruder nach Hongkong und schleicht sich dort in eine Verbrecherorganisation ein. In dieser ist auch der Karatekämpfer Charlie (Stan Shaw) tätig, doch er hat Aufstiegsambitionen und möchte den Drogenhandel in die eigene Hand nehmen …

Dass einem diese Geschichte bekannt vorkommt, ist noch nichts Besonderes, basieren doch wahrscheinlich 1.353 Actionfilme auf einer ähnlichen Storyline. Doch so unmittelbar nach Santiagos FIRECRACKER betrachtet, fällt diese „Ausrede“ gleich um ein Vielfaches weniger überzeugend aus. Um es kurz zu machen: FIRECRACKER ist nichts anderes als ein „Remake“ von TNT JACKSON, in dem die schwarzen Hauptfiguren kurzerhand durch weiße ersetzt wurden. Da ich schon FIRECRACKER nur sehr, sehr bedingt unterhaltsam fand, ist der Ausschlag, den TNT JACKSON auf meiner persönlichen Erregungsskala auslöst, kaum noch messbar. Klar, als Blaxploiter bringt TNT JACKSON gewisse Schau- und Hörwerte mit sich: Jeannie Bell sieht mit ihrem Monsterafro ziemlich klasse aus, egal ob bekleidet oder unbekleidet, und Stan Shaw ist ein besserer Schurke/Love Interest als das blonde Schnurrbartmilchbrötchen aus FIRECRACKER, auch der Score macht mit seinem unterleibszentrierten Funk ordentlich Stimmung unterhalb der Gürtellinie (na gut, ein bisschen erregt hat mich der Film dann doch), aber dafür hapert es an anderer Stelle: Musste man bei FIRECRACKER den Film ab und zu mal schneller laufen lassen oder ein Double einsetzen, damit man Hauptdarstellerin Jillian Kessler – angeblich ein Karatechampion – abnahm, dass sie ihren männlichen Gegnern wirklich überlegen war, war der Einsatz solch eleganter Methoden hier wohl nicht möglich, sodass Bells Kampfszenen dank eines äußerst gewöhnungsbedürftig, um nicht zu sagen holprigen, Schnitts für Epileptiker denkbar ungeeignet sind. Die Kämpfe sind eher armselig, aber das scheint ja fast schon wieder ein Blaxploitation-Standard zu sein, schließlich kam selbst Jim Kelly, der gern als „schwarzer Bruce Lee“ apostrophiert wird, nur ausgesprochen schlecht aus der Hüfte.

TNT JACKSON schleppt sich in seinem Nacheinander aus langweiligem Geschwätz und lahmarschigen Fights so über die Ziellinie und findet in seinen zwei Splatterszenen – garantiert herzschonend ganz am Anfang und ganz am Ende platziert – seine einsamen Höhepunkte: Einem Straßengauner (warum treten Vergewaltiger in diesen Filmen eigentlich immer paarweise auf?) haut Jackson blutig den Arm durch, dem armen Charlie durchschlägt sie gar den Oberkörper und reißt ihm dabei das Herz raus. Nach 72 zähen Minuten ist der Spuk dann auch vorbei. Bis zum nächsten Film von Cirio H. Santiago. Demnächst aus seinem hartnäckigen Schaffen in diesem Blog: FLY ME und COVER GIRL MODELS.

Die Karateexpertin Susanne Carter (Jillian Kesner) schleicht sich auf der Suche nach ihrer verschwundenen Schwester in die Organisation von Rey (Ray Malonzo) ein, der mit seiner rechten Hand, dem Martial Artist Donner (Darby Hinton), illegale Arenafights bis zum Tod veranstaltet und außerdem in den Drogenhandel mit dem Schmierlappen Grip (Vic Diaz) verwickelt ist …

Positiv könnte man über Cirio H. Santiago sagen, dass man von ihm immer ziemlich genau das bekommt, was man erwartet hat. Negativ betrachtet ließe sich an diese Behauptung der Zusatz anfügen, dass das nicht besonders viel ist. Was ich schon bei VAMPIRE HOOKERS und DEMON OF PARADISE konstatierte, gilt also auch für  FIRECRACKER: Potenziell schlummert in der 08/15-Story ein durchaus unterhaltsamer kleiner Exploiter, die Production Values sind völlig OK und die Darsteller allesamt brauchbar, doch unter Santiagos handwerklich zwar kompetenter, aber eben auch furchtbar uninspirierter Regie werden alle guten Ansätze gnadenlos planiert. Was seinen Filmen total abgeht, ist Rythmus. Es gibt keinen Flow, dem man sich hingeben, der einen mitreißen würde, keinen Spannungsaufbau, nur eine Abfolge von für sich genommen meist uninteressanten Szenen. So folgt auf drei langweilige Dialogszenen, in denen bergeweise Exposition bewältigt wird, die einen eh nicht interessiert, eine kleine Actioneinlage, bevor dann das Geschehene wieder haarklein von allen beteiligten Parteien zerredet wird. Dramaturgie: Fehlanzeige. Immerhin gibt es bei FIRECRACKER drei Szenen, für die es sich dann einigermaßen lohnt, sich durch die Unmengen preiswerter Sättigungsbeilage zu fressen. Es ist bezeichnend, dass die erste dieser Szenen mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun hat: Susanne wird von zwei Vergewaltigern in eine Lagerhalle verfolgt. Dort bringen die Schurken zuerst den der Dame zur Hilfe eilenden Wachmann um, indem sie ihn auf eine Spitzhacke schubsen, reißen der Holden dann bei der anschließenden Hatz nach und nach die Kleidung vom Leib (der BH wird mittels eines Sichelhiebs entzweit), bis sie sich nur noch mit einem Slip bewehrt zum Kampf stellen muss und einer ihrer Gegner sein blutiges Ende in einer Kreissäge findet. Die zweite Szene ist eine lang ausgedehnte Sexszene, die aber eigentlich zu 99 % aus Vorspiel besteht. Der schicke Donner, ein blonder Schnurrbartträger mit Fönwelle, benutzt zwei Taschenmesser, um Susanne sämtliche Klamotten vom Leib zu schneiden, bevor sie ihm eine scheuert und dann ihrerseits mit dem Messer zu Werke geht. Die Szene schließt dann sehr antiklimaktisch mit Nahaufnahmen der regungslos aufeinander liegenden Liebenden. Wem das noch zu wenig ist, der kann sich immerhin noach auf den Finalfight freuen, bei dem Susanne ihrem Gegner die Augen mit zwei Stöcken aussticht. Das ist in der Tat wenig, aber wenn man die Exploitationfilm-Exegese auch als entbehrungsreiche Arbeit betrachtet, wie ich das tue, dann freut man sich angesichts solcher Momente doch darüber, drangeblieben zu sein. Wie für den Goldsucher, der für ein winziges Nugget stundenlang kiloweise Sand schürfen muss, werden diese Szenen durch den erbrachten Einsatz nur noch wertvoller.

Das ist dann aber auch das Problem, das ich bei der Bewertung solcher Filme habe: Ich kann wahrlich nicht behaupten, gebannt vor dem Fernseher gesessen zu haben, die Gedanken sind mehr als einmal weit abgeschweift, die Aufmerksamkeit ist oft erst zur nächsten Keilerei wieder zurückgekehrt. Und ich würde niemandem ernsthaft einen Santiago-Film empfehlen, von dem ich nicht wüsste, dass er einen ähnlich gelagerten Geschmack hat wie ich. Trotzdem mag ich diese Art von langweiligen Exploitern gerade wegen ihrer Eigenschaft, schamlos Langweile zu verbreiten, irgendwie. Sie sind wie Hintergrundmusik: Sie stört nicht weiter, wenn man dabei etwas anderes machen möchte, man kann sie einfach nebenher plätschern lassen, und wenn man sich ihr dann doch wieder zuwendet, dann findet man erstens schnell wieder den Zugang und zweitens dauert es meist nicht lange, bis irgendwas Kurzweiliges passiert. Am Stück genossen ist FIRECRACKER trotz seiner Belanglosigkeit aber ziemlich hartes und geschmacksarmes Brot und nebenbei weder Fisch noch Fleisch. Zum großen Exploitationspaß fehlt ihm der Wahnsinn, zum echten Film die Klasse. Man merkt hier sehr deutlich, dass der Film tatsächlich nur ein Vorwand zum hemmungslosen Abkassieren ist. Deshalb sieht das Poster auch tausendmal geiler aus als das, was dann über die Leinwand flimmert.

EDIT: Noch erwähnt sei die geile Jacke, die Donner einmal trägt und die zu tragen nicht einmal Steven Seagal die Eier hätte: eine Art tailliertes, lang geschnittenes Jeanshemd, auf dessen Rücken ein kindgerechtes Steppen-Panorama mit putzigem Löwen prangt, das mich fatal an ein Puzzle erinnert, das meine zweijährige Tochter derzeit schwer beschäftigt. Mit Löwen hat Donner es eh: Seine weiße Ballonseiden-Joggingjacke ist aber nicht ganz so geil.

sand sharks (mark atkins, usa 2011)

Veröffentlicht: April 20, 2012 in Film
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An SAND SHARKS, einem Film, in dem es tatsächlich und ohne Scheiß um Haie geht, die im Sand herumschwimmen, führte für mich kein Weg vorbei. Schließlich habe ich mir fest vorgenommen, bis zum Ende meiner Tage jeden jeden noch so miesen Direct-to-DVD-Tierhorrorfilm gesehen zu haben. Dieser hier zeichnet sich durch das Mitwirken von Ex-Parker-Lewis-Darsteller Corin Nemec, die üblichen miesen CGIs und die extrablöde Prämisse aus. Folgenloser Spaß für Junggebliebene. Völlig egal, aber super. Meine Rezension gibt’s auf Hard Sensations zu lesen und zwar hier.

Eriprando Viscontis LA ORCA hatte ich als geschmacklosen Skandalfilm vorverurteilt: Der gewohnt dezente deutsche Untertitel GEFANGEN, GESCHÄNDET, ERNIEDRIGT hatte seinen Teil dazu beigetragen. Tatsächlich weiß Luchino Viscontis Neffe Eriprando das „skandalöse“ Potenzial seines Films im Sinne seiner gewohnt klassenkämpferischen Sozialkritik zu nutzen – und auch sonst sehr zu überz. Mehr von mir zu diesem tollen Film, der Anfang des Jahres von Camera Obscura in einer unverzichtbaren DVD-Edition erschienen ist, gibt es auf Filmgazette.de zu lesen. Klick: hier.

Die Fernsehjournalistin Jamie Douglas (Morgan Fairchild) hat einen heimlichen Verehrer, der sie mit anonymen Telefonanrufen und Briefen belästigt. Es handelt sich bei dem Unbekannten um Derek (Andrew Stevens), einen waschechten Stalker: Seine Wohnung ist mit heimlich gemachten Schnappschüssen seiner Angebeteten förmlich übersät und bald reicht es ihm nicht mehr aus, ihr nur noch Avancen per Telefon zu machen. Doch Jamie – die außerdem bereits mit Brandon (Michael Sarrazin) liiert ist – reagiert überaus ablehnend und deutlich auf seine Versuche, sich ihr zu nähern. Die Kränkung, die er erfahren hat, treibt ihn nun zum Äußersten …

David Schmoeller hat mit THE SEDUCTION einen sehr ordentlichen Thriller inszeniert, der natürlich auch auf die allerdings nicht gerade zeitlose Attraktivität seiner Hauptdarstellerin setzt: TV-Star Fairchild zeichnete sich damals schon durch ein ausgesprochen künstlich anmutendes Äußeres aus und ihre platinblonde Beton-Fönwelle lässt auch heute noch Architekten vor Neid erblassen. Ihre luxuriösen Körpermaße sind aber über jeden Zweifel erhaben, sodass THE SEDUCTION stets ansehnlich bleibt, wenn die emotionale Anbindung auch nicht ganz gelingt. Andrew Stevens ist auf der anderen Seite in seiner Paraderolle als fehlgeleiteter Jungmann zu sehen, dem man ständig die Ohren langziehen möchte. Mehr als dass er einem Angst einjagen würde, ist man von seiner Renitenz enerviert: Vielleicht gar kein so schlechter Ansatzpunkt für einen Film, der sich mit der Stalkerthematik befasst. Sensationalismus ist trotz der softerotischen Verpackung interessanterweise fast ganz abweisend: Schmoeller lässt sich viel Zeit, die Bedrohung langsam größer werden zu lassen, und selbst die finale Eskalation fällt verglichen mit ähnlichen Filmen eher moderat aus. Das macht THE SEDUCTION nun nicht zu einem unvergesslichen, einzigartigen Filmerlebnis, aber es zeugt von einer Klasse, die ich dem Film eigentlich nicht zugetraut hatte. Schmoeller, dessen TOURIST TRAP zu den großen kleinen Schockern der Siebzigerjahre gehört und jedem empfohlen sei, war ein ganz guter Mann, der sich – das beweist er hier – auch auf die etwas hochglanzpolierteren Stoffe verstand. THE SEDUCTION hätte ihm durchaus die Tür nach Hollywood öffnen können, denn der Film ist um Längen besser als die verwandten, aber entsetzlich spießigen Home-Invasion-Thriller, die in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern den Markt fluteten. Stattdessen gab es für ihn nach der blonden Fönwelle der Fairchild den blonden Scheitel von Klaus Kinski in CRAWLSPACE. Auch keine schlechte Entscheidung.

Prof. Douglas McCadden (Ben Murphy) findet in der Totenkammer Tutanchamuns einen weiteren Sarkophag, der laut einer beigefügten Schriftplatte einen „Reisenden“ enthält. Bei der Öffnung des Sarkophags in McCaddens US-amerikanischer Uni finden die Wissenschaftler und Studenten außerdem einen rätselhaften Pilz, der noch Probleme machen soll: Als einer von McCaddens Assistenten wenig später fünf Kristalle aus einem Geheimfach des Sarkophags entwendet, wird nämlich auch der Pilz „aktiviert“ und befällt einen der Studenten. Doch das ist noch nicht alles: Denn bei der offiziellen Vorführung des Fundstücks ist die Mumie plötzlich verschwunden. Sie ist auf der Suche nach den entwendeten Steinen …

Mit kargen 2,5 Punkten wird TIME WALKER auf IMDb abgespeist. Was sagt das über mich, der diesen Film wenn schon nicht besonders aufregend, so doch allein durch sein wenig abgegriffenes Mumienthema sehr sympathisch und angenehm unaufdringlich empfand? TIME WALKER ist ein kleiner Horror-Science-Fiction-Hybrid, dem man anmerkt, dass das Geld fehlte, um aus der Geschichte das Optimum rauszuholen: Dem Film fehlen die echten Show Stopper, der herausragende Effekt, das perfekt komponierte Set Piece, der spektakuläre Showdown, der das Versprechen, das dieser Film mit seiner doch recht interessanten Prämisse macht, einlösen würde. So bleibt das Geschehen insgesamt etwas „underwhelming“, wie der Angelsachse sagen würde, aber das steht dem Film gar nicht so schlecht zu Gesicht. Man merkt, dass Regisseur Kennedy von seiner Story überzeugt war und sie nicht bloß als Vorwand für FX-Gematsche verstand, sondern den Zuschauer erzählerisch fesseln wollte. Und irgendwie ist ihm das auch gelungen, selbst wenn ich einräumen möchte, dass TIME WALKER ganz gewiss niemanden um den Schlaf bringen wird. Um nachhaltig zu wirken, ist der Film doch etwas zu brav und durchschnittlich, aber immerhin zieht er sein Ding konsequent durch. Das hebt ihn wohltuend von vielen anderen Horrorfilmen ab, die ihrer Mörderprämisse schon im zweiten Akt nichts mehr hinzuzufügen wissen oder sich den gelungenem Aufbau mit einem überkandidelten Finale versauen. TIME WALKER ist nicht der Film, dem ich hinterherjagen würde, aber wenn man ihn mal in die Finger bekommt, ist er geeigneter, nicht zu stark fordernder Stoff, um ihn in sein kleines Genrefilmprogramm einzubinden. Am besten nach einem richtigen Knaller gucken, da ist er optimal platziert.

Lisa Kruger (Linda Blair) fährt gemeinsam mit ihrer Freundin Kathy (Donna Wilkes) zu ihrer Familie. Papa Orville (Guy Stockwell) ist als Maskenbildner beim Film tätig und hat jede Menge neckischer Scherze auf Lager, mit denen er alle bei Laune hält – bis eine Bande verbrecherischer Punks ins Haus einbricht. Sie bringen alle um bis auf Lisa, der die Flucht in den Wald gelingt. Während sich einige der Punks daran machen, sie wieder einzufangen, fallen die anderen einem übersehenen Familienmitglied zum Opfer: Denn die Krugers haben einen missgebildeten Sohnemann in einem Geheimzimmer versteckt …

Das klingt nach einem ziemlich straighten Schocker, den man vielleicht mit dem Begriff „Terrorfilm“ adeln könnte, wenn es den vor 20 Jahren auch schon gegeben hätte. Doch obige kleine Inhaltsangabe deckt dummerweise nur einen ziemlich kurzen Abschnitt von GROTESQUE ab, der nebenbei auch noch Film-im-Film-Selbstreflexion betreibt, Selbstjustiz- und Rachedrama sein will und für die Schlusspointe gar Frankensteins Monster und den Wolfsmensch zu den eigentlichen Protagonisten macht. GROTESQUE beginnt als verquaster Mumiengrusel, bevor sich das Gezeigte schließlich als Screening eines neuen Horrorfilms entpuppt, für dessen miese Effekte der Maskenbildner großes Lob vom Produzenten erntet. Was das alles soll, wird erst später klar, wenn einem der Make-up-Künstler als Papa der Protagonistin wiederbegegnet. Für die nächsten 40 Minuten kommt der Film zunächst ohne weitere Anfälle von Schizophrenie über die Runden, doch holt er das Versäumte in den letzten 20 mehr als auf. Ich rekapituliere so kurz wie möglich: Lisa kommt durch einen der Punks ums Leben, ihr Mörder und dessen Freundin bekommen es mit dem degenerierten Sohnemann zu tun. Zwischenzeitlich ist das Massaker an den Krugers aufgefallen und Orvilles Bruder begibt sich gemeinsam mit der Polizei auf die Suche nach Lisa. Sie finden ihre Leiche und können dann gerade so verhindern, dass das vermeintliche Monster den Punk umbringt. Stattdessen wird es seinerseits von der Polizei erschossen und in der Folge als Schuldiger für den Mord ausgemacht. Orvilles Bruder ist derweil ziemlich angefressen, ohne seinem Unmut jedoch Luft zu machen. Er muss die Freilassung der Punks mitansehen und beschließt dann, ihre Bestrafung in die eigenen Hände zu nehmen. Als er sie gestellt hat, offenbart auch er ein Geheimnis: Er zieht sich eine von Bruder Orville gefertigte Maske vom Kopf und entpuppt sich als genauso missgestaltet wie das geheime Familienmitglied, dessen Vater er ist. Er übt grauslige Rache an den feigen Mördern, das Bild friert ein und brennt dann schließich ab: Große Aufregung im Kinosaal, was ist denn mit dem Filmvorführer los? Schnitt in den Vorführraum, in dem Frankensteins Monster und der Wolfsmensch nun die Gelegenheit ergreifen, den Menschen zu zeigen, dass sie noch immer nichts verlernt haben. Sie stürmen in den Kinosaal und schlagen die Zuschauer in die Flucht. Ende.

Es ist schwer, sich vorzustellen, dass dieser Film so geplant war, wie er sich dem Zuschauer darstellt. Es gibt keine Welt, in der die Idee, die Geschichte dieses Films in einen Film-im-Film-Witz einzubetten, auch nur annähernd Sinn ergibt. Nicht, dass nicht auch die Geschichte um die Krugers und die Punks reichlich eigenartig erzählt würde: Das missgebildete Familienmitglied wird nicht ein einziges Mal erwähnt und warum die Punks sich ausgerechnet das Häuschen der Krugers für einen Raubüberfall aussuchen, ist auch nicht zu begreifen. Genauso wenig wie das Schweigen von Orvilles Bruder, als sein Sohn erschossen wird: Er müsste die Polizei doch bloß über dessen Existenz aufklären, um die Aussage der Punks als Lüge bloßzustellen. Und warum eigentlich entlassen die Polizisten die möglichen Mörder ohne weitere Untersuchungen in die Freiheit? Weil sie den Überblick verloren haben? Das wäre zumindest verständlich, denn GROTESQUE bietet im 20-Minuten-Rhythmus eine neue Hauptfigur auf. Das alles ist so sonderbar und bescheuert, dass es unmöglich gewollt sein kann. Ob dieser ganze Zinnober drumrum vielleicht lediglich die einzige Möglichkeit war, diesen völlig in die Binsen gegangenen Mist noch irgendwie zu retten? Diese Strategie ist zwar auch nicht wirklich aufgegangen, aber ein denkwürdiger Exploiter ist Tornatore dennoch gelungen. Es gibt nur wenige Filme, die weniger wissen, was sie eigentlich sein wollen, als dieser.

Lee Ritter (Michael Blodgett) und seine Frau Susan (Sherry Miles) werden in einer Kunstgalerie von der attraktiven Diane LeFanu (Celeste Yarnall) angesprochen und auf ihr Anwesen in der Wüste eingeladen. Das Pärchen nimmt die Einladung an und wird von der mysteriösen Frau mehr als nur gastfreundlich behandelt: Die Luft knistert geradezu vor sexueller Spannung. Doch dann mehren sich die Merkwürdigkeiten, ein Mechaniker verschwindet und schließlich dämmert es den beiden Ritters, dass ihre Gastgeberin eine Vampirin ist …

Regisseurin Rothman verbindet in THE VELVET VAMPIRE den erotischen Vampirfilm, wie er in den Siebzigerjahren populär war, mit dem psychedelischen Hippiefilm und ist damit ausgesprochen erfolgreich, ohne das Rad jedoch gleich neu zu erfinden. THE VELVET VAMPIRE läuft gut rein und bleibt bis zum Schluss interessant, was durchaus nicht selbstverständlich ist: Wer nicht ganz hinter dem Mond lebt, weiß eigentlich von Anfang an, woher der Wind weht, und Rothman gibt sich keine Mühe, daran etwas zu ändern. So bezieht der Film seine Spannung aus dem Vorwissen des Zuschauers vor den Protagonisten, die glücklicherweise einen Hauch intelligenter sind, als sie es in solchen Filmen zu sein pflegen. In Verbindung mit dem treibend-hypnotischen Psychedelic-Rock-Score und einigen überzeugenden visuellen Einfällen entsteht so ein stimmungsvoller Film, der mit dem Begriff „Horror“ jedoch nur unzureichend beschrieben ist. Ich bin hier mit meinem Latein ein wenig am Ende, denn obwohl mich THE VELVET VAMPIRE gestern ziemlich gekickt hat, fällt es mir heute schwer, diese Begeisterung in Wore zu fassen. Manchmal gibt es das ja: Filme, die man einfach mag, ohne dass man stichhaltig erklären könnte, warum.

Zwei Szenen bzw. Sequenzen des Films möchte ich trotzdem kurz erwähnen: Zum einen gibt es da eine Albtraumsequenz, in der ein visueller Effekt zum Einsatz kommt, der 1971 noch gar nicht so gut aussehen durfte, wie er es tut. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie die das gemacht haben, ohne dabei auf einen Computer zurückzugreifen. (Dafür gibt es später dann die altbewährten Plastikfledermäuse und Gummischlangen.) Dann ist da das maximal strange Finale: Susan gelingt die Flucht aus der Wüste in die Stadt, die Vampirin ist ihr dicht auf den Fersen. Zu Fuß (!) hetzen sich die beiden durch die Straßen, bis Susans Weg sie an einem Kreuz vorbeiführt, das die Vampirin in Bann schlägt. Susan reagiert geistesgegenwärtig, plündert einen nahe gelegenen Stand mit Holzkruzifixen, drückt den anwesenden Passanten jeweils eines in die Hand und fordert sie dazu auf, die Frau damit zu bedrängen. Auf offener Straße macht der spontan zusammengetrommelte Lynchmob ihr den Garaus. Neben dem effektiven Bruch mit der Konvention, die es dem Vampir ja eigentlich verbietet, sein Domizil zu weit hinter sich zu lassen, ihm dafür aber eine Macht zuspricht, die ihn von der Schmach befreit, seinen Opfer noch hinterherrennen zu müssen, und der wunderbaren Banalisierung des zuvor magisch-mystischen Treibens ist auch der Einfall mit dem Lynchmord einfach nur toll, weil er die Sympathieverteilung noch einmal völlig auf den Kopf stellt. Ein wirklich schöner Film, das müsst ihr mir jetzt einfach mal glauben.