Der versprochene zweite Teil meines Krakenmonstertextes steht jetzt auf Hard Sensations und macht euch hoffentlich ebenso viel Spaß beim Lesen wie er mir beim Schreiben gemacht hat. Hier geht’s lang.
Archiv für Juni, 2012
monsterkraken
Veröffentlicht: Juni 26, 2012 in Film, Zum LesenSchlagwörter:Bo Hopkins, Claude Akins, David Essex, Henry Fonda, Horror, John Huston, Monsterfilm, Ovidio G. Assonitis, Ray Harryhausen, Richard Gordon, Science Fiction, Shelley Winters, Trash
Um mich von pakistanischen Actionfilmen zu erholen und Kraft für die mir auf der Weltreise bevorstehenden Inder zu tanken, habe ich ein paar Krakenmonsterfilme geschaut und für Hard Sensations einen Artikel dazu geschrieben, der so lang geraten ist, dass ich ihn in zwei Teile spalten musste. Teil 1 ist heute online gegangen und wartet darauf, von euch gelesen zu werden. Ich wünsche viel Vergnügen! Klick hier.
zinksärge für die goldjungen (jürgen roland, deutschland/italien 1973)
Veröffentlicht: Juni 19, 2012 in Film, Zum LesenSchlagwörter:Action, Henry Silva, Herbert Fleischmann, Horst Janson, Jürgen Roland
Für Hard Sensations habe ich den großartigen ZINKSÄRGE FÜR DIE GOLDJUNGEN besprochen: eine Wolf-C.-Hartwig-Produktion, mit viel Drive inszeniert von Jürgen Roland und seit einiger Zeit erhältlich in einer feinen 2-Disc-Special-Edition im schmucken Pappschuber. Wer German Sleaze mag, ein Faible für bundesdeutsche Nachkriegstristesse hat und seine Vorurteile gegen den deutschen Actionfilm ablegen möchte, dem sei der Kauf dringen empfohlen. Es reicht aber auch, wenn man seine Filme schnell, hart, feist und asig mag. Hier findet ihr den Text.
international gorillay (jan mohammed, pakistan 1990)
Veröffentlicht: Juni 17, 2012 in FilmSchlagwörter:Action, Drama, Filmische Weltreise, Jan Mohammed, Komödie, Musikfilm
Der Bestsellerautor Salman Rushdie (Afzaal Ahmad) ist die Speerspitze eines internationalen Krieges der Ungläubigen gegen den Islam, außerdem mit dem Teufel im Bunde und noch dazu unsterblich, weil er bereits so viele tapfere Moslems ermordet hat. Die „Festung des Islam“, Pakistan, sendet vier Superkrieger, die Rushdie auf seiner von zahlreichen Soldaten bewachten Insel ausfindig machen und umbringen sollen: die beiden Brüder Ghulam (Ghulam Mohiuddin) und Javed (Javed Sheikh), ihren Onkel Mustafa (Mustafa Kureishi) und die Schöne Shagutta (Neeli) …
Diese Geschichte habe ich mir mitnichten bloß ausgedacht, weil mir keine Untertitel zur Verfügung standen: Jedes Wort, das da oben steht, ist wahr und INTERNATIONAL GORILLAY gibt es wirklich. Er dauert 166 Minuten und sein Regisseur Mohammed verrührt zahlreiche chaotisch-wüste Actionszenen, hysterische Gesangs- und Tanzeinlagen sowie plump-infantilen Slapstick zu einem Eintopf, der in Verbindung mit dem zentnerschweren Pathos und der mit grober Kelle verabreichten Ideologie für heftigen Schluckauf und einige Verdauungsbeschwerden sorgt. Wahrscheinlich sollte man das alles nicht allzu ernst nehmen: Die Hetze des Films spielt sich auf einem intellektuellen Niveau ab, das mit „unter der Gürtellinie“ nur sehr unzureichend beschrieben ist. Trotzdem ist der unverbrämte Hass, der hier über eine real existierende Person ausgeschüttet wird, eigentlich nicht zum Lachen. Auch dann nicht, wenn man einräumt, dass der Salman Rushide des Films mit der realen Person nicht allzu viel gemein hat. Henryk M. Broder sollte INTERNATIONAL GORILLAY jedenfalls besser nicht zu Gesicht bekommen, er fühlte sich in seiner Meinung über den Islam wahrscheinlich (mal wieder) in jeder Silbe bestätigt. Aber es ist fraglich, ob ein Normalsterblicher diese Wundertüte der Cinematographie überhaupt über die ersten zehn Minuten hinaus aushalten würde: Auf den Betrachter prasselt ein Hagel an unmotivierten Strobo-Zooms, wüsten Stakkato-Schnitten und krawalligen Tuschs, die das alles musikalisch untermalen und mit der Extraportion Drama aufladen. Dabei ist das hier keine Mülleimer-Produktion wie der zuletzt erlittene Pashto-Film DA KHWAR LASME SPOGMAY, sondern durchaus mit einigen Production Values ausgestattet. Lässt sich INTERNATIONAL GORILLAY inhaltlich als pakistanische Mischung aus DELTA FORCE und diversen Bond-Filmen bezeichnen, muss man ihn stilistisch irgendwo in der Schnittmenge von Turkploitation, Philippino-Action und Bollywood einordnen.
Und wenn man sich diesem Wahnsinn, der da über den Bildschirm tobt, öffnet – und ab und zu mal eine Pause macht und eine Kippe raucht, um nicht durchzudrehen –, dann kann man ja kaum anders, als seinen Hut vor so viel Enthusiasmus zu ziehen. Die Schnurrbärte sind meterbreit, teilweise aufgemalt oder angeklebt, und die Frauen tanzen, als hätten sie einen epiletischen Frosch verschluckt. Anonyme Statisten werden im dreistelligen Bereich umgenietet und die pakistanische Pampa mithilfe ebenso vieler Sprengladungen planiert. Die Titeleinblendung erfolgt nach satten 50 Minuten, die man wohl als knackigen Prolog verstehen muss. Zwei Scheichs aus Dubai fungieren als rassistisches Comic Relief, das den Humor diverser Hongkong-Komödie dagegen als feingeistig erscheinen lässt. Der unsterbliche Rushdie hat auch noch diverse Klone am Start, die sich dann aber als maskierte Stand-ins entpuppen, einen grölenden Sicherheitschef, der mich an einen Ghaddafi mit Schnurrbart erinnert hat, und eine Assistentin, deren Blick zielgenau Feinde (= Moslems) von Freunden unterscheidet. Und als Rushdie irgendwann nicht weiter weiß, kidnappt er kurzerhand die Mama der beiden Helden, die er dann dazu zwingen will, sich ein Hörbuch seines ketzerischen Bestsellers anzuhören: Was im Islam als Sünde gilt und demnach die denkbar schwerste Strafe für eine gläubige Mama ist. ist Am Schluss packen unsere Helden tief in die Klamottenkiste und verkleiden sich unter anderem als Batmans, später dann auch als herumziehende Straßenmusiker, komplett mit diesen geilen Gitarren-Keyboards, die auch Modern Talking früher verwendet haben. Der Showdown unterscheidet sich von den vorangegangenen Actionszenen nur darin, dass der Film danach tatsächlich zu Ende ist, wie man die Dramaturgie des Films überhaupt nur mit dem Wort „redundant“ beschreiben kann. Aber das tatsächliche Finale setzt einem Film, der in sich eine einzige Unglaublichkeit ist, noch einen drauf: Die Helden werden an Kreuze gekettet und fangen daraufhin wie einst Monty Python in THE LIFE OF BRIAN an zu singen. Über ihr Loblied auf Mohammed und Allah geraten sie nicht nur in religiöse Ekstase, sie beschwören auch den Zorn des Allmächtigen höchstpersönlich herauf, der sie mit Blitzeinschlägen erst aus ihrer misslichen Lage befreit und dann in Form schlechter visueller Effekte auf den teuflischen Rushdie niedergeht und ihn in Brand setzt. So, und weil es jetzt von meiner Seite nichts mehr zu sagen gibt, jetzt lasse ich euch mit diesen Informationen genau so allein, wie ich es nach dem Film auch war.
moonrise kingdom (wes anderson, usa 2012)
Veröffentlicht: Juni 8, 2012 in FilmSchlagwörter:Bill Murray, Bruce Willis, Coming of Age, Drama, Edward Norton, Frances McDormand, Komödie, Wes Anderson
Ich will gar nicht viel sagen: MOONRISE KINGDOM hat mich bei meinem Kinobesuch letzte Woche einfach nur glücklich gemacht. Ein Film, über dessen wunderbaren Gelbstich allein man stundenlang schwadronieren könnte. Der Text, den ich für Hard Sensations geschrieben habe, ist deshalb auch nur einer von vielen, die ich über ihn hätte schreiben können. Ihr findet ihn hier.
Nummer 90 der Splatting Image ist ab sofort erhältlich und von mir ist auch mal wieder was drin, nämlich Filmrezensionen zu den Fantasy-Filmfest-Nights-Beiträgen MIENTRAS DUERMES aka SLEEP TIGHT und THE THEATRE BIZARRE. Außerdem mit dabei: Söldner von Simon Frauendorfer, Darren Aronofsky von Marcus Stiglegger, Wakefield Poole von meinen Hard-Sensations-Kollegen Marco Siedelmann und Silvia Szymanski, Ami-Hinterland-Horror von Christian Kessler, Atsushi Yamatoya von Gerd Reda und Einiges mehr. 5 Euro, die gut investiert sind.
supershark (fred olen ray, usa 2012)
Veröffentlicht: Juni 8, 2012 in Film, Zum LesenSchlagwörter:Fred Olen Ray, Horror, Monsterfilm, Science Fiction, Tierhorror, Trash
Während meine Actionkolumne auf Hard Sensations weiterhin im künstlichen Koma schlummert (sie ist noch nicht tot, versprochen!), arbeite ich hart daran, zum deutschen Direct-to-Video-Monstertrash-Experten zu werden (denn die Konkurrenz schläft nicht). Immer am Puls der Zeit, habe ich mir Fred Olen Rays neuestes Wunderk namens SUPERSHARK angeschaut, das dieser Tage via Sunfilm bei uns auf DVD erscheint. Ob es sich lohnt, den örtlichen MediaMarkt zu stürmen, um dort mit Ehrfurcht gebietendem Bariton nach der Herausgabe Scheibe zu verlangen und die Filiale bei Nichtverfügbarkeit mit den Abertausenden anderen darbenden Monstertrash-Kunden zu verwüsten, könnt ihr hier nachlesen. (Wem das zu aufwendig ist, hier die Kurzantwort: Ja.)
da khwar lasme spogmay (shehnaz begum, pakistan 1997)
Veröffentlicht: Juni 8, 2012 in FilmSchlagwörter:Filmische Weltreise, Horror, Musikfilm, Rape and Revenge, Shehmaz Begum, Trash
Männer vergewaltigen Frauen und werden von einer mysteriösen Katzenfrau blutig dafür bestraft. Ein Polizist ermittelt und verdächtigt einen Rocker, der aber unschuldig ist. Eine Gang grell geschminkter und gekleideter Punks treibt ihr Unwesen und wird nach und nach von der Katzenfrau dezimiert. Zwischendurch singen Menschen und dicke Frauen machen Bauchtanz …
Ich fürchte zwar, der obige Versuch, diesen Film in ein paar Sätzen zusammenzufassen, hilft niemandem wirklich weiter, aber viel mehr als das habe ich einfach nicht mitbekommen: Das liegt zum einen mal wieder daran, dass es weder eine Untertitelspur noch eine Synchro zu diesem bizarren Film gibt, viel mehr aber noch daran, dass sich alles in DA KHWAR LASME SPOGMAY dem gesunden Menschenverstand verschließt, zumindest jenem, der im Westen geprägt wurde. Zum Glück habe ich diesen Text gefunden, sodass ich mit meiner Traumabewältigung nicht ganz allein bin. Und ein paar der lebensnotwendigen Hintergrundinformationen, die ich ihm entnommen habe, fasse ich hier mal kurz zusammen, weil ich sonst kaum weiß, wie ich das Chaos in meinem Kopf, das dieser Film ausgelöst hat, in einen lesbaren Eintrag umformen soll. DA KHWAR LASME SPOGMAY ist ein Pashto-Film: Er entstammt einer in Peshawar, im Nordwesten Pakistans zentrierten Filmindustrie, deren Produktionen sich überwiegend an die Paschtunen richtet, ein als konservativ geltendes Völkchen, dessen Lebensraum sich bis in den Süden Afghanistans erstreckt. Nach langsamem Start in den späten Dreißiger-/frühen Vierzigerjahren stieg die Zahl der Pashto-Filme in den späten Sechziger- und den Siebzigerjahren massiv an, bevor der Siegeszug von Fernsehen und Video in den Achtzigern dieser Entwicklung ein Ende bereitete. Um das Überleben der Industrie zu sichern, richteten sich die Filmproduktionen fortan vor allem an ein männliches, überwiegend armes Publikum: Sex & Crime standen fortan im Mittelpunkt des Interesses, der Ruf des Pashto-Kinos wurde nachhaltig beschädigt, es steht mittlerweile synonym für billigen Schund. Ein längeres Zitat: „Noted India and Pakistan film expert Omar Ali Khan […] has even mentioned that some cinemas would start out playing the normal sleazy awful film, then switch reels to European porn, and then return to the actual film for the final reel. Pashto cinema became known for women wearing skimpy costumes gyrating around with repeated zooms or closeups of the crotch region. It is just a weird thing to see. And these films passed the censor boards in the area, making the whole thing even more bizarre. Pashto men are manly men with big mustaches and everyone is shouting all the time. It’s like Turkish film to the power of 100.“
DA KHWAR LASME SPOGMAY – was angeblich so viel bedeutet wie „Schön wie der 14. Mond“ – ist zunächst mal lang: 110 Minuten dauert der zweifelhafte Spaß, wobei schätzungsweise 40 davon für zahlreiche ausgedehnte Gesangs- und Tanznummern draufgehen. Formaltechnisch ist er eine mittlere Katastrophe: Er sieht unglaublich billig aus und wirkt mit seinen zahlreichen Verschmutzungen und den ausgeblichenen Farben trotz seines doch recht niedrigen Alters wie ein aus irgendeinem verschütteten Archiv geborgener Film aus den frühen Siebzigerjahren. Zwischendurch ist eine Szene mal völlig unscharf, was die Illusion, dass hier auch mal nicht der erste Take genommen worden sein könnte, endgültig zerstört. Schnitt und Ton gehen eine unheilige Allianz ein, scheinen einzig das Ziel zu verfolgen, die Zuschauer in den Wahnsinn oder in einen epileptischen Anfall zu treiben: Da kreischt und dröhnt es in einem Fort, während irgendwo darunter ein geklauter Score vor sich hin dudelt, und dazu die Bilder der Katzenfrau – die Regisseurin höchstselbst, die eine Badekappe mit Katzenohren sowie Handschuhe mit Plastikkrallen trägt – im Stroboskop-Rhythmus auf einen niederprasseln. Überhaupt die Frauen: Konnte man auch am sehr züchtigen, fast verschämten ZINDA LAASH noch gut erkennen, dass der Pakistani ein Faible für mollige Frauen hat, so werden die kleinen Butterfässchen hier von allen Seiten ausführlich beleuchtet. Zwar gibt es keine explizite Nacktheit zu begutachten, dennoch legen die verschiedenen Damen jegliche Scheu ab, zeigen ihre weichen Speckpölsterchen von allen Seiten und inszenieren sich in einer Art, die man bei Damen ihres Formats in unseren Breiten (äehm …) als eher unpassend empfände. In einer lustigen Szene streckt eine Frau ihrem love interest den dicken Po entgegen, den dieser daraufhin mit seinen Fäusten bearbeitet wie einen Punchingball. Die Männer sind wie in obigem Zitat erwähnt alle beschnurrbartet und dominant, außer eben sie begegnen ihren dicken Herzensdamen: Dann sind sie plötzlich ziemlich unbeholfen.
Normalerweise müsste ich nach etabliertem Baddie-Berichterstattungsbrauch noch en detail auf diverse Verfehlungen und Unglaublichkeiten dieses Films eingehen, aber das scheint mir gänzlich unmöglich. Irgendwann ab Minute 30 starrte ich ob der eigenen Unfähigkeit, das Gebotene irgendwie fassen zu können, nur noch völlig konsterniert auf den Bildschirm. Dutzende von handelnden Figuren geben sich in DA KHWAR LASME SPOGMAY die Klinke in die Hand und nahezu jede bekommt einen Partner zur Seite gestellt, mit dem eine eigene Gesangsnummer absolviert wird. Figuren, die man als Protagonisten ausgemacht zu haben glaubte, verschwinden einfach mal für eine halbe Stunde, bevor sie dann wieder zu alter Funktion zurückkehren. Irgendwann habe ich es tatsächlich als körperliche Arbeit empfunden, diesen Film weiterzusehen. Die Seherfahrung kann ich nur damit vergleichen, wie es wohl sein mag, auf LSD am Iron-Man-Triathlon teilzunehmen. Ich habe zwar weder Erfahrung mit halluzinogenen Drogen noch mit Triathlon, aber deshalb passt der Vergleich ja auch so gut: Nichts konnte mich auf DA KHWAR LASME SPOGMAY vorbereiten. Wer glaubt, schon alles gesehen zu haben, hat garantiert noch nie einen Pashto-Film gesehen. Danach ist nichts mehr so wie vorher und man weiß, dass man nichts weiß.
mirror mirror (tarsem singh, usa 2012)
Veröffentlicht: Juni 6, 2012 in Film, Zum LesenSchlagwörter:Armie Hammer, Fantasy, Julia Roberts, Kinderfilm, Komödie, Lily Collins, Märchenfilm, Nathan Lane, Tarsem Singh
Als es meine Frau und mich am vergangenen kinderfreien Samstag ins Kino zog, landeten wir zuerst mitten in einer frühnachmittäglichen Kindervorstellung. Tarsem Singhs MIRROR MIRROR war um 14:30 Uhr absolut „alternativlos“. Leider ist die Schneewittchen-Verfilmung des visuellen Poeten eine Enttäuschung gewesen: Warum, das kann man in der Filmgazette nachlesen, für die ich eine Rezension verfasst hae. Klick hier.
zinda laash (khwaja sarfraz, pakistan 1967)
Veröffentlicht: Juni 6, 2012 in FilmSchlagwörter:Drama, Filmische Weltreise, Horror, Khwaja Sarfraz, Musikfilm, Vampire, Vampirfilm
Aus einem einfachen Hühnerei kann man eine Menge machen. Man kann es hart oder weich kochen, man kann es als Spiegelei braten, zu Rührei oder einem Omelett verarbeiten. In einen Teig gemischt fungiert es als Bindemittel, das Eiweiß allein kann man zu einer schaumigen Masse aufschlagen. Sogar eine Süßspeise kann man aus einem simplen Hühnerei zaubern. Dieses einfache Nahrungsmittel ist so vielseitig, dass jemand, der nicht in die Geheimnisse der Kochkunst eingeweiht ist, nicht zwangsläufig erkennt, dass all diese verschiedenen Speisen aus ein und derselben Zutat hergestellt wurden. Am Anfang war immer das Ei.
Das Ei ist in meinem kleinen Vergleich – der vielleicht weniger plausibel und stimmig ist als ich es annehme, das überlasse ich jetzt meinen Lesern – Bram Stokers Roman „Dracula“. Die meisten der unzähligen Verfilmungen dieses Romans lassen ihre Quelle unzweifelhaft erkennen und unterschieden sich letztlich nur in mal mehr mal weniger entscheidenden Details voneinander. Tod Brownings DRACULA und Terence Fishers DRACULA verhalten sich zueinander wie das hartgekochte zum weichgekochten Ei: Oberflächlich ist kein allzu großer Unterschied zu erkennen, erst beim Reinbeißen offenbart er sich. Und auch wenn andere Dracula-Verfilmungen andere Aspekte des Romans betonen, romantische Aspekte hervorheben oder die Titelfigur historisch erden wie etwa Coppola in seinem Film, zusammengenommen bilden sie immer noch einen recht homogenen Korpus: Alle lassen sie sich dem Horrorgenre zuordnen. An dieser Stelle kommt ZINDA LAASH ins Spiel: Er basiert ebenfalls auf Stokers Bestseller und erzählt – mit kleineren, dem anderen Kulturkreis geschuldeten Veränderungen, die der Stoff gut verkraftet – dessen Geschichte doch recht originalgetreu. Dennoch fühlt er sich völlig anders an als alle anderen Adaptionen des Stoffes, die ich kenne. Um zum Bild zurückzukehren: Die Speise besteht aus Ei, sie sieht aus wie Ei – aber sie schmeckt vollkommen anders.
Die größte inhaltliche Veränderung (neben der Verlagerung der Geschichte in die pakistanische Gegenwart natürlich) ereignet sich gleich zu Beginn: Dracula ist hier keine antichristliche, mythische Figur, sondern der schnöde Wissenschaftler Dr. Tabani (Rehan), der nach der Verköstigung eines selbst gemixten Unsterblichkeitstranks zum Vampir mutiert und sogleich seine pummelige Geliebte? Haushälterin? beißt. Wenig später trifft Dr. Aqil (Asad) ein, der in dem unheimlichen Haus Tabanis übernachten möchte und einen sehr gastfreundlichen Hausherrn antrifft. Zwar beäugt der Gastgeber etwas zu angetan das Bild von Aqils Verlobter Shabnam, doch lässt sich der Reisende davon noch nicht beirren. Erst als ihn eine Frau (besagtes Pummelchen) versucht mit einem Tanz zu becircen und ihm eine Bisswunde am Hals zufügt, wird er misstrauisch, allerdings auch schnell vom heranstürmenden Tabani aus seiner misslichen Lage befreit. Aqil, das hat der Kenner längst begriffen, ist niemand anderes als der pakistanische Jonathan Harker, der hier aber bald sein normalsterbliches Leben lassen muss. In den Fokus tritt nun sein Bruder, der den armen Aqil von seinem Fluch befreit und anschließend die Familie von dessen Verlobter aufsucht, die als nächstes auf dem Speiseplan des Vampirs landet …
ZINDA LAASH ist auf den ersten Blick deutlich weniger spektakulär, als man das von einem pakistanischen Vampirfilm erwarten mag und nicht geringen Anteil daran hat die Schwarzweiß-Fotografie, die potenziell exotischer Farbenpracht keine Chance lässt. Mehr noch sind es aber das aufreizend gemächliche Erzähltempo und der Einsatz diverser Tanz- und Gesangseinlagen – mal eher folkloristischer Natur, mal mit deutlichem Beat-Einschlag –, die der Etablierung einer durchgängig bedrohlichen Atmosphäre im Weg stehen. Oder positiv ausgedrückt: Das Übersinnliche bricht hier nicht mit Gewalt in ein geordnetes Leben ein, vielmehr scheint man in dieser Welt wenn schon nicht gewöhnt ans Vampirtreiben, so doch wenigstens nicht allzu verwundert über die Existenz blutsaugender Dämonen. Genauer: Wenn auch Shabnams Verwandte auch schockiert sind über die Nachricht, sie werde von einem Vampir heimgesucht, so suggeriert die Perspektive des Films doch, dass man in Pakistan deutlich engeren Kontakt zu infernalischen Kreaturen pflegt als in unseren Breiten. Würde man das Nebeneinander von Horrorszenen und Musikeinlagen in einem westlichen Genrefilm entweder als postmodernen Verfremdungseffekt, als bittere Ironie oder im äußersten Fall als Geschmacklosigkeit begreifen, so stehen die für uns disparaten Elemente hier ganz selbstverständlich nebeneinander. So deckt ZINDA LAASH das ganze Spektrum menschlicher Gefühle und Stimmungen ab, anstatt sich darauf zu versteifen, ausschließlich Angst und Schrecken zu verbreiten. Wenn man während der Sichtung mal so tut, als betrachte man ihn quasi als Tabula Rasa, als sei man gänzlich unvorbelastet von filmischen und literarischen Traditionen, verfüge über keinerlei nötiges Kontextwissen, ist ZINDA LAASH entschieden seltsam. Liefern Filme mit ihren Bildern, dem Ton und dem Schnitt doch gewöhnlicherweise eine Anleitung mit, wie man als Zuschauer das Gesehene einzuordnen und zu verstehen und vor allem, was man zu empfinden hat, so wird man bei ZINDA LAASH streckenweise völlig allein gelassen. Es ist ein bisschen, als sähe man einer fremden Spezies bei ihren Ritualen zu, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was diese zu bedeuten haben. Und dieser Effekt wird hier noch potenziert, weil man die zugrunde liegende Geschichte doch in- und auswendig kennt. Man sieht Dracula, aber man fühlt ihn nicht. ZINDA LAASH verursacht keinen krachenden Kulturschock, sondern eher leise Desorientierung. Weshalb ich auch total meine Eiermetapher vergessen habe. Keine kleine Leistung.