Archiv für Juli, 2012

Um einen Mord in der Schwulenszene von L.A. aufzuklären, sollen der Frauenheld Benson (Ryan O’Neal) und der homosexuelle Schreibtischbeamte Kerwin (John Hurt) als verdeckte Ermittler ins Milieu eingeschleust werden: als schwules Pärchen. Benson ist zunächst alles andere als begeistert, doch Kerwins Qualitäten als Hausmann überzeugen ihn schließlich. Als Benson während seiner Ermittlungen mit einer attraktiven Fotografin zusammenarbeitet, riskiert er mehr als nur seine Tarnung und die harmonische Beziehung zu Kerwin: Die junge Frau scheint nämlich in die Morde verwickelt zu sein …

PARTNERS – in Deutschland unter dem damals typischen Titel ZWEI IRRE TYPEN AUF HEISSER SPUR vermarktet – ist eine leichte, seichte Krimikomödie, die sich aber auf äußerst charmante, wenn auch nicht gänzlich klischeefreie Art mit dem Thema „Homophobie“ auseinandersetzt. Man könnte den von Francis Veber (der mit seinem Drehbuch zu LE CAGE AUX FOLLES maßgeblich dazu beigetragen hat, schwule Themen im Mainstreamkino zu etablieren) gescripteten Film auch als massentaugliche, kommerzielle Version von Friedkins CRUISING bezeichnen: Während der Protagonist dort über seine Ermittlungen in der New Yorker Schwulenszene immer mehr mit seiner eigenen Homophilie konfrontiert wird, lernt der Vorzeigehetero Benson hier nicht nur, dass nicht jeder Schwule ihm sofort an den süßen Hintern will, sondern darüber hinaus auch die Vorzüge des homosexuellen Lebens zu schätzen, für das er zunächst nur Abscheu übrig hat – fast so, als befürchtete er, er könne sich bei Kerwin anstecken. Der ganze Einsatz wird für Benson zu einer Art Therapie (während CRUISING eher vom Sturz in eine Krise erzählt): In der Verkleidung des leicht verfügbaren Homosexuellen, mit Trägershirt, Stirnband und Workerboots, erfährt er am eigenen Leib, was es mit sexuellen Übergriffigkeiten auf sich hat und wird unfreiwillig auf seine weiblichen Züge gestoßen. Nachdem ihm der schwule Besitzer eines Motels, das von männlichen Pärchen frequentiert wird, unter dem Tisch ganz selbstverständlich das Gemächt liebkost, ist Bensons spätere Reaktion erstaunlich: Nun wisse er, wie schrecklich es für eine Frau sein müsse, die von den Männern stets als „fair game“ betrachtet werde, immer damit rechnen müsse, einen „freundschaftlichen“ Klaps auf den Hintern zu bekommen, ohne sich darüber beschweren zu dürfen.

Ich habe letztlich mit meinen Freund Robert, dessen Movie Store in Düsseldorf ich hier schön häufiger lobend erwähnt habe und der mir auch PARTNERS ans Herz gelegt hat, darüber diskutiert, ob es eher produktiv oder hinderlich ist, vor der Betrachtung eines Films allzu viel über ihn in Erfahrung gebracht zu haben. Wir sind natürlich zu keiner Einigung gekommen, aber PARTNERS ist in meinem Fall ein Beispiel dafür, wie der vorige Kontakt mit einem Verriss zu einer eher günstigen Beeinflussung geführt hat. Der erste IMDb-Rezensent zu diesem Film bezeichnet ihn als homophob, klischeehaft, ja geradezu hasserfüllt. Und selbst wenn ich zugeben würde, dass einige der Figuren die Vorstellungen des Spießbürgers bestätigen, so finde ich doch, dass Burrows sehr gemäßigt und sensibel mit seinem Thema umgeht. Schon die Besetzung mit Hurt zeigt das: Auf schwule Rollen abonniert, ist er doch weit davon entfernt, die hysterische Superschuchtel zu geben. Sein Kerwin ist sensibel und effeminiert, natürlich ein begnadeter Hausmann, der bereitwillig die Rolle der Eheefrau einnimmt, aber Hurt ist durch und durch glaubwürdig darin, verleiht Kerwin jenes Maß an Würde, das solchen Figuren oft eben nicht zugestanden wird. Auch die Darstellung der Szene finde ich durchaus differenziert: Nachdem das Thema einmal etabliert ist, geht Burrows sehr selbstverständlich damit um. Die wenigen grellen Gags, die sich der Film vor allem zu Beginn erlaubt – das Auto, das die Polizei Benson und Kerwin zur Verfügung stellt, ist ein pinkfarbener VW Käfer, dessen Hupe eine alberne Melodie trötet –, scheinen mir außerdem weniger Schwule zu diffamieren, als vielmehr das Bild, das Heteros von ihnen haben, bloßzustellen.

PARTNERS, der heftig floppte und von O’Neal später angeblich als „Fehler“ eingestuft wurde, ist bestimmt kein großer Film: Das versucht er auch gar nicht zu sein. Aber er stellt für meine Begriffe einen rundweg gelungenen Versuch dar, ein eher oberflächliches Publikum mit einem Damals-noch-Tabuthema zu konfrontieren (das heute überkommene Genre der Krimikomödie bot ja immer eine beliebte Schablone, um solche in ein Unterhaltungsgewand zu kleiden), die der Gesellschaft inhärente latente Homophobie aufzudecken: Gerade der Polizei stellt Burrows in dieser Hinsicht alles andere als ein gutes Zeugnis aus. Doch PARTNERS ist tatsächlich viel mehr als nur ein Film über Homosexuelle und Homophobie: Er beschäftigt sich mit unterschiedlichen Männerbildern und Beziehungsmodellen, ist somit auch für monogam lebende, tolerante Heteros wie mich ein Gewinn.

Der Ex-GI, Ex-Con, erfolglose Schriftsteller, dafür aber erfolgreiche Alkoholiker Tim Madden (Ryan O’Neal), Ehemann der geldgeilen Südstaatenschlampe Patty Lareine (Debra Sandlund), wacht nach einer übel durchzechten und durchfickten Nacht auf und stellt fest, dass er offensichtlich einen heftigen Blackout hat. Das ist umso schlimmer, als er Hinweise darauf findet, seine Frau ermordet zu haben. Der wahnsinnige Polizist Alvin Luther Regency (Wings Hauser) ist Madden bereits auf der Spur – und darüber hinaus mit Maddens großer verflossener Liebe Madeleine (Isabella Rosselini) liiert. Haben Geister Tim zum Mord angestiftet? Oder steckt dahinter doch nur ein schiefgelaufener Drogendeal, in dem Tim die Rolle des Sündenbocks zukommt?

Der große Skandalschriftsteller Norman Mailer adaptierte mit TOUGH GUYS DON’T DANCE seinen eigenen Roman für die Leinwand – im Zuge der Qualitätsoffensive der Cannon, während der Regisseure wie Cassavetes, Altman, Schroeder, Godard oder eben Mailer das mit Actionfilmen „ramponierte“ Image der Cannon aufbessern und die Produktionsfirma als ernstzunehmende cineastische Adresse etablieren sollten. Zumindest was TOUGH GUYS DON’T DANCE angeht, war dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Zwar ist Mailers Film durchaus künstlerisch eigenständig und hoch interessant, doch ist er dabei auf so überaus seltsame Art und Weise so weit neben der Spur, dass er sowohl ein auf straightes Crimekino gepoltes als auch ein cineastisches Publikum vor den Kopf schlagen dürfte. Was genau den Film so schräg macht, ist dabei keienswegs leicht zu beantworten: Die Storyline um einen Mann, der einen Teil seines Geächtnisses verloren hat und herausfinden muss, was in dem ihm fehlenden Zeitraum geschehen ist, kennt man aus etlichen Thriller- und Noirfilmen, ebenso wie die Erzählstrategie das Ganze über ein Puzzle aus Rückblenden und gegenwärtigen Ermittlungen aufzuschlüsseln.

Nein, es sind die Mischung aus klassischen Noir-Elementen und Eighties-Ennui (es wird gekokst, dass es nur so kracht), aus unterkühlten und krass überdrehten Szenen, aus Mindfuck-Movie – ist alles nur die Fantasie eines depressiven Alkoholikers? – und „weltlichem“ Krimiplot, dargeboten von einer fantasievollen Besetzung aus alternden Mainstream-Beaus (O’Neal), berückend schönen Modelmusen (Rosselini), alten Noir-Haudegen (Tierney) und B-Movie-Extremisten (Hauser), deren Charakteren der Drehbuchautor abwechselnd mit beißendem Spott, giftiger Verachtung und kühler Distanziertheit begegnet, und sich nie zu hundert Prozent dafür entscheidet, ob er seinen Film nun als surreal angereicherten Krimi, als ätzende Satire über gelangweilte Neureiche oder gar als Parodie auf vertrackte Thriller verstanden wissen will. Oder als alles auf einmal.

Ryan O’Neals Tim Madden kann man – das machte den Film für mich besonders interessant – durchaus als eine um 20 Jahre weiterentwickelte Version seines Jack Ryan aus THE BIG BOUNCE begreifen: Gab es für den Drifter am Ende von Alex Marchs Film doch die Hoffnung, irgendwann einmal ein halbwegs solides Leben führen zu können, vielleicht mit einer gleichermaßen attraktiven wie netten Frau, so zeigt sich in TOUGH GUYS DON’T DANCE, dass diese Hoffnung sich nicht wirklich bestätigt hat. Zwar muss er nicht mehr mit dem Seesack per Anhalter durch die USA reisen, das Bankkonto ist dank seiner wohlhabenden Frau stets gut gefüllt, aber eigentlich haben sich alle seine Probleme und Charakterschwächen endgültig manifestiert. Die gute, aber vielleicht etwas zu selbstbewusste Madeleine hat er für die immergeile Patty verlassen, deren erschwindelter Reichtum auch ihm zu Gute kommt, allerdings mit dem unguten Nebeneffekt, in ihren Augen nun als unfähiger, eierloser Schmarotzer dazustehen. Mit dem Bücherschreiben klappt es auch nicht so richtig und so taumelt Tim durch den stetigen Kreislauf von Suff, bedeutungslosen One-Night-Stands und Drogenabstürzen, bis er endgültig in einer Sackgasse gelandet ist.

Sein Schicksal nimmt man aber nur mile geschockt und relativ gelassen zur Kenntnis: Das hier abgebildete Milieu liegt denkbar fern von der Lebenswirklichkeit des durchschnittlichen Zuschauers weg und man kann nur darüber staunen, was für Parties manche Menschen so zu feiern gewohnt sind und in was für Albtraumbeziehungen sie sich sehenden Auges begeben. TOUGH GUYS DON’T DANCE verkommt gottseidank nie zur selbstmitleidigen Nabelschau der Reichen und Schönen, dafür ist Mailer viel zu abgewichst. Die Scheiße, die man sich eingebrockt hat, muss man gefälligst selbst ausbaden. Vor allem, wenn man ein so ausgesprochenes Talent dafür hat, von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten und einen Haufen idiotischer Egomanen um sich zu scharen. Rumheulen ist da nun mal keine Option. Angelo Badalamentis Score trägt neben den abseitigen Plotwendungen, den strangen Regieeinfällen, den völlig von der Kette schauspielerischer Mäßigung gelassenen Darstellern und dem jenseits jeder geografischen Konkretion liegenden Schauplatz, einem Fischerort namens Hell Town (!!!), noch seinen Teil dazu bei, dass man doch erhebliche Schwierigkeiten hat, diese Geschichte in der Realität zu verorten. TOUGH GUYS DON’T DANCE ist stattdessen im Fegefeuer der Eitelkeiten angesiedelt, wo manche verkorkste Existenz der Ewigkeit entgegenbrutzelt und sich der liebe Gott in Person von Mailer einen Spaß daraus macht, sich ganz besonders abstruse Schicksalsschläge für sie auszudenken.

Ich weiß nicht so genau, was ich über den Film abschließend sagen soll. Ich fand ihn befremdlich, gleichzeitig absolut faszinierend, dann und wann sehr inspiriert und intelligent, ja nahezu brillant dann wieder jenseits von Gut und Böse, peinlich und überdreht. Aber das scheint mir durchaus beabsichtigt zu sein und es macht gerade den Reiz dieses Films aus, wie er die Grenze zum Trash teilweise lustvoll hinter sich lässt. Für Cannon-Enthusiasten wie mich eh unerlässlich, für Filmfreunde mit dem Faible fürs Absonderliche inmitten des Mainstreams eigentlich auch. Ja, doch, TOUGH GUYS DON’T DANCE ist schon zeimlich geil. Auf seine ihm eigene, völlig individuelle Art und Weise.

Der vorbestrafte Ex-GI Jack Ryan (Ryan O’Neal) verliert wegen eines Gewaltausbruchs bei einem Baseballspiel seinen Job als Gurkenpflücker für den Unternehmer Ray Ritchie (James Daly), packt seine Sachen und zieht weiter. Aber er kommt nicht weit: Der Friedensrichter Sam Mirakian (Van Heflin) bietet ihm Job und Unterkunft in seinem Motel an und weil Jack zum einen eh nichts Besseres zu tun und zum anderen Interesse an Ritchies jugendlicher Gespielin Nancy (Leigh Taylor-Young) hat, schlägt er ein. Zwischen ihm und Nancy entflammt eine heiße Liebesaffäre, in der Jack mehr und mehr die Kontrolle verliert: Nancy ist eine Thrillseekerin wie sie im Buche steht und nicht bereit, ein „Nein“ als Antwort zu akzeptieren. Das Liebesabenteuer entwickelt sich für Jack zum Albtraum, als sie ihn dazu erpresst, bei einem Bruch mitzumachen …

Wer einmal etwas von Elmore Leonard gelesen hat, weiß, dass es eigentlich nicht mehr viel braucht, um seine Romane erfolgreich für die große Leinwand zu adaptieren: Wenn man nur möglichst viele seine fantastischen, immens pointierten und zitierwürdigen, aber auch authentischen Dialoge in das Script hinüberrettet und dann noch einen Cast zusammenstellt, er diese Dialoge angemessen intoniert, Leonards Charaktere glaubwürdig verkörpert, dann ist das schon die halbe Miete. THE BIG BOUNCE ist ein ideales Beispiel für diese These. Mit Alex March führte ein Mann Regie, der nun nicht gerade im Verdacht steht, ein besonders kreativer Kopf zu sein: Er arbeitete überwiegend fürs Fernsehen, steuerte im Zeitraum von 1960 bis in die frühen Achtzigerjahre Episoden zu Dutzenden berühmter Fernsehserien bei. Seinem THE BIG BOUNCE merkt man diese Herkunft durchaus an: Mit seinem plüschig-schwofigen Score zwischen Big-Band-Swing und kalifornischem Pop à la Beach Boys, seiner behäbigen Inszenierung und der Dialoglastigkeit mutet Marchs Film manchmal wie eine zu lang geratene Episode einer Siebzigerjahre-Krimiserie an. Dass THE BIG BOUNCE Gewaltausbrüche fast gänzlich vermeidet, insgesamt eher brav und liebenswert anmutet, kommt noch hinzu. Aber das fällt nicht negativ ins Gewicht, weil die Charaktere nur den Mund aufmachen und Leonards Dialogzeilen herauspurzeln lassen müssen, um einem wieder klarzumachen, dass man hier großem Kino beiwohnt.

Es leuchtet vielleicht nicht unmittelbar ein, aber vor allem Ryan O’Neal ist ein Glückstreffer als Jack Ryan. Er ist nicht unbedingt der Typ, den man vor Augen hat, wenn man an einen Leonard-Protagonisten denkt – er ist zu hübsch, zu blond, er scheint zu soft –, aber er ist dennoch besser als etwa Burt Reynolds in der Leonard-Verfilmung STICK. Leonards Helden sind zwar cool und selbstbewusst, aber sie sind niemals arrogant. Sie wissen ganz genau, wo ihre Schwächen sind und selbstverliebtes Getue ist ihnen fremd. Eigentlich wollen sie bloß ihre Ruhe haben, sie ziehen das Pech aufgrund ihrer Vergangenheit aber stets magisch an. Während Reynolds nie verhehlen kann, dass er sich selbst ziemlich geil findet, und immer den Eindruck erweckt, er sucht die Situationen, in denen er sich beweisen kann, bringt O’Neal dieses Maß an Demut mit, das Leonards Helden wirklich auszeichnet. Er ist durchaus in der Lage, jemanden auszuknocken, aber er muss das nicht ständig unter Beweis stellen. Gerade weil sie die Härten des Lebens kennen gelernt haben, wollen Leonards Helden nämlich etwas anderes. Und der Konflikt in seinen Büchern kommt oft gerade daher, dass sie von anderen gezwungen werden, das zu tun, was sie eigentlich hinter sich lassen wollten. So auch in THE BIG BOUNCE.

Ich michte diesen Film wirklich sehr gern, auch wenn er eigentlich keine große Sache ist. Es gibt keine superaufregenden Actioneinlagen, keine nervenzerreißenden Suspense-Szenen, die Story ist im Grunde ein alter Hut, es dauert sehr lange, bis der Crimeplot losgetreten wird und dann löst sich alles sehr schnell wieder in Wohlgefallen auf. Aber das ist egal, weil der Film dafür die kleinen Dinge richtig macht. Er fließt so angenehm vor sich hin, es macht einfach Spaß, ihm und seinen Charakteren zu folgen. Vielleicht gerade weil das alles so unaufgeregt und lapidar – und dabei eben auch ziemlich echt – daherkommt. Ich würde jetzt gern mit einem Zitat aus dem Film schließen, um meine Begeisterung für die tollen Dialoge irgendwie untermauern zu können, aber mir fällt keins mehr ein. Ich empfehle daher ausdrücklich, sich THE BIG BOUNCE anzuschauen. Ist nämlich einfach ein  verdammt schöner Film.

Der Gangsterboss Tama (Ray Sahetapy) sitzt in Jakarta verschanzt in einem heruntergekommenen Hochhaus, dessen einzelnen Wohnungen er an allerlei kriminelles und ihm höriges Gesindel vermietet hat. Ein überwiegend aus blutigen Anfängern zusammengesetztes Sondereinsatzkommando soll das Haus stürmen, die Verbrecher stellen und sich schließlich bis zu Tama vorkämpfen. Doch der Widerstand ist zu groß: Bald sind nur noch wenige Polizisten am Leben, die verzweifelt um ihr Leben kämpfen. Unter ihnen auch Rama (Iko Uwais), der noch eine spezielle Mission verfolgt: Denn Tamas rechte Hand ist Andi (Donny Alamsyah), Ramas verschollener Bruder …

SERBUAN MAUT hat keine Handlung, er hat nur eine Prämisse: Ein kurzer Prolog – eigentlich sind es nur zwei Bilder – führen kurz den Protagonisten als werdenden Vater ein (emotionale Bindung) und deuten seine Privatmission (Komplikation des Plots) an. Bis es soweit ist, wird man das fast wieder vergessen haben. Gareth Evans lehnt sich mit der Struktur seines Filmes, der eigentlich aus einem einzigen ausgedehnten Finale besteht, an einigen Actionern vor allem der Neunziger an, als das Konzept über allem stand: Jan De Bonts SPEED fällt einem ein, vor allem aber natürlich Woos „Abschiedsfilm“ HARD BOILED, der mit seiner All-out-War-Eskalationsdramaturgie wie eine einzige Best-of-Kompilation der vorangegangenen Woo-Filme anmutete. Und dieses „What the Fuck!?“-Gefühl, das HARD BOILED bei mir vor mittlerweile gut 18 Jahren auslöste, kitzelte auch Evans mit SERBUAN MAUT aus mir heraus – auch wenn er natürlich keinesfalls so bahnbrechend ist wie Woos Filme in den frühen Neunzigern. Explosive Shoot-outs wechseln sich in rasantem halsbrecherischem Tempo ab mit knochenbrechenden Martial-Arts-Fights, der ganze Film ist eine Studie in kontrolliertem Chaos und immer, wenn man meint, es könne unmöglich noch fetter, noch härter, noch brachialer, noch irrsinniger werden, dann wird SERBUAN MAUT genau das. Das klingt einfacher als es ist, denn Timing ist für diese Art von Film entscheidend: Die Pausen sind immens wichtig und so streut Evans immer auch wieder kurze Suspense-Momente ein, in denen sich zumindest die Augen vom Dauerfeuerwerk erholen können.

SERBUAN MAUT funktioniert etwas wie Sampling. So wie die Gewaltexplosionen in rascher Folge vor einem aufblitzen, fliegen auch die Assoziationen vorbei, die Evans wachruft und die seinem Film einen Reichtum verleihen, der seinem erzählerischen Reduktionismus radikal entgegensteht. Das Hochhaus-Setting weckt natürlich Erinnerung an McTiernans DIE HARD, Tsui Harks TIME AND TIDE, Johnny Tos BREAKING NEWS oder Paul Lynchs NO CONTEST (um mal einen kleineren Film zu nennen), in Verbindung mit den namenlosen, blutgierigen Horden aber genauso an Romeros DAWN OF THE DEAD. Das Bild eines vor Schwerverbrechern nur so wimmelnden Ortes lässt unweigerlich an Simon Wests (ziemlich fürchterlichen) CON AIR denken, die Brachialität der Fights vor allem an Tony Jaas Eskapaden in ONG-BAK und TOM YUM GOONG. Was Evans Film vom reinen Epigonenkino unterscheidet ist sein visueller Stil: An monochromatische Farbgebung hat man sich zwar bereits gewöhnt, aber SERBUAN MAUT erzeugt mit seinen Bildern verwitterter grauer Wände, abgeschliffener Holzfußböden, aufgeplatzten, schmucklosen Betons und durch die Luft wirbelnder Staubpartikel einen sehr materiellen, greifbaren Eindruck vom Ort seines Geschehens. Beinahe jede Actionszene ist mit einer visuellen Idee verbunden, die bleibt: das Feuergefecht im dunklen Treppenhaus, das Loch im Boden, der Kühlschrank, der Flur, die Drogenküche. Die rohe Körperlichkeit, die in den Fights zum Ausdruck kommt, spiegelt sich in den jeweiligen Settings wieder.

Das alles trägt dazu bei, dass SERBUAN MAUT weitaus mehr als nur eine 90-minütige Achterbahnfahrt ist, mehr als ein Erlebnis ohne Nährwert über seine eigene Dauer hinaus. Nein, Evans‘ Film fräst sich mit äußerstem Nachdruck ins Gedächtnis, wo er als dieser eine Film Bestand haben wird, der mit dem Versprechen, einen 90 Minuten lang in den Sessel zu drücken, nicht nur Ernst machte, sondern dem tatsächlich noch einen drauf setzen konnte. 20 Elite Cops, 1 Ruthless Crime Lord, 30 Floors of Mayhem, eine Actionschlacht für die Ewigkeit. Jetzt bitte schnell das Sequel.

1980: Nachdem ein Einsatz in Mexiko schiefgelaufen ist, verkündet der SAS-Agent Danny Pryce (Jason Statham) seinen Abschied vom schmutzigen Mordgeschäft. Ein Jahr später wird er reaktiviert, weil sein ehemaliger Partner und bester Freund Hunter (Robert DeNiro) im Oman als Geisel genommen wird. Ein Scheich fordert Vergeltung für den Mord an dreien seiner Söhne durch britische SAS-Agenten während des Krieges vor zehn Jahren. Danny nimmt sich mit seinen Partnern Davies (Dominic Purcell) und Meier (Aden Young) der Sache an, zieht jedoch unweigerlich die Aufmerksamkeit des EX-SAS-Mannes Spike (Clive Owen) auf sich. Der steht mit den „Feathermen“ im Bunde, ehemaligen Geheimdienstleuten, die ihre Spuren verwischt haben und nun wirtschaftliche Interessen verfolgen. Und natürlich haben die ein Interesse an den Vergeltungsmorden, das über Patriotismus und Loyalität zu ihren Landsmännern hinausgeht …

Auch wenn der Titel es nahelegt, handelt es sich bei KILLER ELITE ausnahmsweise nicht um ein des „The“s entledigten Remakes des Peckinpah-Films, sondern um die Verfilmung des Enthüllungsbuches „The Feather Men“ von Ranulph Fiennes, eines SAS-Mannes, der an der verdeckten Operation der Geheimdienstorganisation im Oman beteiligt war. McKendry orientiert sich stark am unterkühlten Agenten- und Geheimdienstfilms der Siebzigerjahre, verwendet viel Energie darauf, das Mordhandwerk seines Figureninventars möglichst unglamourös, die dahinter liegenden Motivationen undurchsichtig zu halten: durchaus mit Erfolg. Wenn man mal davon absieht, dass KILLER ELITE dem Genre inhaltlich absolut nichts hinzuzufügen hat, was man nicht schon vorher wusste – der selbstlose, das körperliche wie das Seelenleben gefährdende Einsatz der Agenten für das „Wohl“ der eigenen Nation wird angesichts der Entbehrungen, die die Männer auf sich nehmen, nicht nur nicht ausreichend entlohnt, oft sind sie Vollstrecker ganz anderer, weitaus weniger altruistischer Interessen –, muss man McKendry bescheinigen, dass er hier sehr überzeugend ein Genre reanimiert, das mittlerweile weitgehend vom mainstreamigen Actionfilm assimiliert und den Ansprüchen eines nur oberflächlichen Thrill suchenden Publikums angepasst worden ist. Ein paar helle, überraschende Momente im wohltuend ernsten No-Nonsense-Thriller gibt es trotzdem – und der etwas durchsichtige Gag, mit den eröffnenden, den historischen Kontext skizzierenden Texteinblendungen zu suggerieren, der Film spiele in unserer Zeit, bevor einen das später eingeblendete Jahr eines Besseren belehrt, gehört definitiv nicht dazu.

Es sind vor allem kleine, pointierte Dialogzeilen, die einen immer wieder aus dem durchaus angenehmen Flow des Bekannten reißen und kurz aufmerken lassen, weil sie die Dinge sehr klar umreißen. Wenn einer der Feathermen sagt „I’ve got no problem with blood. What worries me is ink.“, dann tritt die dahinterliegende Denke, die vor keinem noch so grausamen Verbrechen zurückschreckt, um die eigenen Schweinereien zu vertuschen, glasklar zum Vorschein. Und KILLER ELITE hält anders als seine Genrekollegen noch die Hoffnung wach: Die Gleichsetzung von Tat und Mann, die der Actionfilm gern vornimmt („To survive a war, you gotta become war“, sagt John Rambo etwa), wird hier ausgehebelt, wenn Danny einem Agent, auf die Aussage, er sei nun einmal ein Killer und er könne dem nicht entfliehen, antwortet: „That’s not who I am, that’s what I’ve done. And I can do something else.“ Was wäre, wenn alle Soldaten, alle Söldner, alle Killer sich ihren Auftraggebern verweigerten und Famrer würden, wie es Danny vorhat? KILLER ELITE sagt ziemlich klar, dass es dann keine Kriege mehr gäbe. Auf jedes Attentat folgt ein Vergeltungsschlag, in jedem Krieg gibt es Opfer, die in den Angehörigen den Wunsch nach Vergeltung wecken. McKendry zeigt einen unendlichen Kreislauf des Mordens, der erst endet, wenn einer sich dem Befehl verweigert. Oder sich einfach umdreht und weggeht wie Danny am Ende.

Der Agentenfilm ist eigentlich eine sehr elitäre Angelegenheit: Er handelt von den auch hier adressierten „2 %“, jenen Menschen, die das sehr spezielle Anforderungsprofil der Geheimdienste erfüllen, die mit dem Mordhandwerk umgehen können. Und mit ihrer Arbeit geben sie sowohl ihre bisherige Identität auf als auch die Möglichkeit, ein normales Leben führen zu können. KILLER ELITE erzählt davon, wie die Agenten die Entscheidung fällen, diesem Zugriff der Mächtigen zu entfliehen. Insofern ist er ganz klar von den Demokratisierungsprozessen und den zivilen Prortestbewegungen der letzten Jahre beeinflusst. Das macht ihn noch nicht zu einem bahnbrechenden Film, in der Verbindung dieser beiden Elemente fügt er dem Agentenfilm aber durchaus eine neue Nuance zu. Und gutes, hartes Männerkino, in dem vor allem Clive Owen mit Schnurrbart begeistert, ist er obendrauf.

Corinne Burns (Diane Lane), eine Teenagerin, hat das Pech, in einer trostlosen Industriestadt in Pennsylvania aufwachsen zu müssen. Mit ihrer Schwester Tracy (Marin Kanter) und ihrer Cousine Jessica (Laura Dern) bildet sie die „Stains“, eine Rockgruppe ohne Drummer und Bassisten, und träumt von einer großen Karriere. Als die Punkband „The Looters“ (Ray Winstone, Paul Simonon, Steve Jones und Paul Cook) zusammen mit den Has-beens „The Metal Corpses“ in der Stadt auftreten, ergattern die Mädchen einen Support Slot und erlangen nationale Berühmtheit, als Corinne ihr desinteressiertes, vom Dilettantismus der Mädchen belustigtes Publikum wüst beschimpft. Schnell formiert sich eine fanatische Jüngerschar, die Corinne als neues feministisches Vorbild betrachtet. Doch die „Stains“ sind für diese Verantwortung noch nicht bereit …

Auf LADIES AND GENTLEMEN, THE FABULOUS STAINS bin ich über das tolle Buch „Destroy All Movies!!! The Complete Guide to Punks in Film“ gestoßen, das dem Film einen euphorischen Eintrag widmet. Bis nach Deutschland hat er es nie geschafft und auch in den USA hat es mehrere Jahre und ebenso viele Anläufe gebraucht, bis der Film seinen derzitigen Kultstatus erlangen konnte. UP IN SMOKE-Regisseur Lou Adler inszenierte den Film für die Paramount nach einem Drehbuch von Nancy Dowd, die für ihr Script zu COMING HOME mit einem Oscar ausgezeichnet worden war. Weil sie mit der Produktion und dem Final Cut des Films unzufrieden war, zog sie ihren Namen jedoch zurück und damit beginnt auch die Leidensgeschichte dieses Films: Nachdem eine Testvorführung nicht die erhofften Reaktionen erntete, verbannte die Paramount den Film in die Archive, wo er Staub ansetzte, bevor er Mitte der Achtzigerjahre dann doch noch in einigen kleineren Kunstkinos zum Einsatz kam. Seine Anhängerschar erreichte er jedoch erst, als er wiederholt im Kabelfernsehen gezeigt wurde (eine Heimkino-Veröffentlichung ließ bis 2008 auf sich warten): Die Figur der Corinne und ihre aufmüpfigen Stains inspirierten wie im Film jugendliche Mädchen und gelten als nicht unerheblicher Einfluss der Riot-Grrrl-Bewegung in den Neunzigern. Der Kreis, den der Film vollzieht, hat sich auch in der Realität geschlossen.

Was zeichnet den Film aus? LADIES AND GENTLEMEN, THE FABULOUS STAINS wirkt in seiner Zeichnung einer explosionsartig aufkeimenden Jugendultur, aber auch des porträtierten Musikermilieus sehr authentisch. In nur wenigen Szenen schafft es Adler, die Probleme seiner Protagonisten plausibel zu machen, ohne dabei zu plakativ zu werden. Außerdem auffällig ist, wie gleichmäßig er seine Sympathien verteilt: Es wird nicht geschönt, aber genauso wenig haut er seine Figuren in die Pfanne. Jeder hat seine Beweggründe, bringt seine eigene, außerhalb des Films liegende Historie mit. Selbst der geckenhafte Frontmann der hoffnungslos überkommenen „Metal Corpses“ (Tubes-Sänger Fee Waybill) steht nach dem überraschenden Drogentod seines Gitarristen (Grateful-Dead-Gitarrist Vince Welnick) nicht mehr wie der „Feind“ da, als der er zuvor aufgebaut wurde, sondern kann sch des Mitgefühls von Regisseur wie Zuschauer sicher sein.

Am deutlichsten zeigt sich dieser verständnisvolle, empathische Blick aber bei der Zeichnung Corinnes: Ihre jugendliche Naivität, mit der sie sich zu Sätzen versteigt wie jenem, dass jeder Jugendliche vom Staat eine E-Gitarre bekommen sollte, wird nicht verschwiegen, doch ist sie eben auch der Quell jener unverstellten, unbekümmerten Aufmüpfigkeit, die die Stains schließlich zur Overnight-Sensation werden lässt. Ihr Zorn ist instinktiv, ihm fehlt die Richtung, er entlädt sich nicht gezielt, aber gerade das macht ihn so wirksam. Die Musik der Stains ist technisch hoffnungslos unterbelichtet, aber eben auch ein absolut ehrlicher, individueller Ausdruck der Sorgen der dahinterstehenden Mädchen, noch nicht von ästhetischen Ansprüchen korrumpiert: Sie ist roh, wild und ursprünglich. Dieses Talent sieht auch Billy (Ray Winstone), der von der ungebremsten Wucht, mit der sich die aggressive Begeisterung der Stains-Fans entlädt, förmlich weggespült wird. Aber er ahnt auch, dass diese Wucht Corinne selbst mitreißen wird, wenn sie ihre Talente nicht in geordnete Bahnen umlenkt. Und genauso kommt es schließlich.

LADIES AND GENTLEMEN, THE FABULOUS STAINS zeichnet diesen Backlash, der Künstler ereilt, die quasi über Nacht zu Ruhm kommen und die damit in den „Besitz“ ihrer Fans übergehen, sehr schön nach. Ebenso wie er ein waches Auge für die Jugendkultur besitzt, die zwar meist ein Objekt braucht, aber dann eine unaufhaltsame Eigendynamik gewinnt. Und er begeistert auch als Musikfilm, bringt gleich mehrere Generationen von Rockmusik unter einen Hut und zeichnet ihre Metamorphose über die Jahre sehr schön nach. Es ist ein Film voller kleiner, wacher und wahrhaftiger Details, dabei aber absolut unaufdringlich. Man mag fast nicht glauben, dass das keine Dokumentation ist. Bruce Surtees zeigt das US-amerikanische Hinterland als deprimierende, nichts als Verzweiflung gebärende Pampa aus qualmenden Fabriken, regennassen und menschenleren Straßen in sterbenden Städten und anonym aussehenden Shopping Malls und Mehrzweckhallen. Und Diane Lane ist einfach anbetungswürdig als rebellisch schmollender Backfisch in Netzstrümpfen und Make-up. Bitte angucken!

Zur Story von THE MECHANIC siehe meinen Text zum gleichnamigen Remake, dessen Modifikationen zwar nur minimal, aber dennoch entscheidend sind: Als es in Winners Film am Schluss zum Duell zwischen dem erfahrenen Profikiller Arthur (Charles Bronson) und seinem Zögling Steve (Jan-Michael Vincent), dem Sohn von Arthurs Mentor Harry (Keenan Wynn), den Arthur töten musste, kommt, ist das nur der Logik des Geschäfts geschuldet und nicht – wie in Wests Film – dem Bedürfnis Steves, seinen Vater zu rächen. Für solche Empfindlichkeiten sind beide Protagonisten viel zu ausgehöhlt.

Winners Film beginnt mit einer langen, völlig wortlosen Sequenz, die Arthurs Vorbereitungen auf seinen nächsten Job zeigt. Er beobachtet sein Objekt, einen älteren grauhaarigen Herrn, der in einer miesen Absteige haust, macht Fotos und Aufzeichnungen und plant den Mord minutiös zu Hause zu klassischer Musik (West übernimmt selbst das in seinem Remake). Nachdem er zugeschlagen hat, vernichtet er alles, was auf eine Verbindung zum Opfer hinweisen könnte, und wartet auf den nächsten Auftrag, der nun die Ermordung eben seines einzigen Freundes ist. Auch diese Tat begeht er mit äußerster Kaltblütigkeit und ohne den leisesten Anflug eines Zweifels. Während Jason Stathams Arthur noch Bedauern zeigt, einen gewissen Widerwillen, den Abzug zu ziehen, und den ersten Anflug von Ekel vor dem eigenen Job, da bleibt Bronsons Arthur eiskalt: Er hetzt den herzkranken Harry unter Vorspiegelung eines fingierten Attentatsversuchs einen Berg hinauf, erstickt den in Folge einen Herzanfall erleidenden Mann dann bei vollem Bewusstsein, indem er ihm Mund und Nase zuhält.

Später, als sich Arthur anschickt, den egozentrischen Steve zu seinem Nachfolger auszubilden, kommt es zu jener Szene, die die ganze Verkommenheit der beiden in schockierender Härte zum Ausdruck bringt: Eine von Steves Freundinnen hat ihn eingeladen, um ihr beim Selbstmord beizuwohnen. Gemeinsam mit Arthur schaut er ihr dabei zu, wie sie sich die Pulsadern öffnet. Ohne jede Empathie oder auch nur das geringste Interesse an ihr als Mensch, lassen sie die Minuten und Stunden verrinnen. Das Schicksal der Menschen ist ihnen völlig egal. Während Arthur über seine Arbeit abgestumpft ist, nicht bereit, sich emotional einzubringen, weil er weiß, dass das eine Schwäche ist, ist Steve ein Soziopath: Er empfindet Freude daran, Menschen beim Sterben zuzusehen. Es ist klar, dass es für diese Beiden keine Zukunft und schon gar keine Erlösung geben kann. Und Winner schaut ihnen beim Vollzug ihres Schicksals genauso nüchtern und lieblos zu, wie es die beiden beim Selbstmord des Mädchens getan haben.

Diese Distanz ist der größte Unterschied zu Wests Remake: Winner bietet keine geschliffenen Actionszenen auf, protokolliert das Geschehen sehr teilnahmslos, bietet keinerlei Möglichkeit, zu den beiden Protagonisten eine Beziehung aufzubauen. Arthur mag der vernünftigere der beiden sein, aber die Grausamkeit seines neuen Weggefährten schockiert ihn nicht im Geringsten: Jeder hat halt so seine Methoden und am Ende zählt nur das Ergebnis. Und so schreitet auch der Film mit eisiger Konsequenz voran wie ein Untoter, der von einen tief vergrabenen Funken Instinkts angetrieben wird. Winner hat viele Filme gemacht, die man im weitesten Sinne dem Actiongenre zuordnen kann, auf dessen Entwicklung in den letzten 30 Jahren er immensen Einfluss hatte, aber er ist kein Actionregisseur. Die Freude des Helden an der Bewegung, daran, den Lauf der Dinge durch eigene Taten entscheidend beeinflussen zu können, die den Actionfilm im innersten auszeichnet, sie ist in THE MECHANIC abwesend. Arthur tut lediglich das, was er tun muss. Er ist gut in seinem Job, aber bewundern kann man ihn dafür nicht. Und er selbst scheint auch nur einer von außen auferlegten Bestimmung zu folgen: Er tut eben das, was er gut kann. „Freude“ ist kein Maßstab für ihn. Er ist leer. Und THE MECHANIC ist das auch. Da bleibt nichts. Alles ist unausweichlich. Sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen.

New York während eines Besuchs des US-Präsidenten: Auf den Straßen tobt der Mob, doch der 28-jährige Multimillionär Eric Packer (Robert Pattinson) besteht auch gegen die Empfehlung seines Bodyguards Torval (Kevin Durand) darauf, ans andere Ende der Stadt zu fahren, um sich dort die Haare schneiden zu lassen. Abgeschirmt in seiner luxuriösen Stretchlimo trifft er sich mit Geschäftspartnern, hält unterwegs an, um mit seiner Frau (Sarah Gadon), mit der er seit Ewigkeiten keinen Sex mehr hatte, essen zu können, lässt sich von seinem Arzt die Prostata abtasten, bekommt die ersehnte neue Frisur und bereitet sich auf die Begegnung mit einem ehemaligen Angestellten (Paul Giamatti) vor, der ihn umbringen will …

David Cronenbergs neuester Film stellt nach den letzten Ausflügen in das klassische Erzählkino eine Rückkehr zu den eher künstlerischen Literaturverfilmungen dar, die sein Schaffen ab den späten Achtzigerjahre prägten. Diesmal hat es also Don DeLillos Novelle „Cosmopolis“ getroffen und auch wenn ich das Buch nicht mehr wirklich präsent habe (ich habe einige Werke des Autors gelesen), so komme ich nicht umhin, Cronenbergs Adaption als eine der werkgetreuesten zu bezeichnen, die ich jemals gesehen habe. Dabei ist DeLillo gewiss nicht einfach zu fassen: Die deutschen Klappentexte seiner Romane suggerieren oft Genrestoffe, doch dann ist man als Leser verblüfft, nicht so sehr mit Handlungen im klassischen Sinne, sondern eher mit Gedankenströmen, Ideen und Bildern konfrontiert zu werden. DeLillos Welt ist vollkommen dinglich und gleichzeitig doch beunruhigend mystisch. Seine Protagonisten – allesamt Spezialisten auf ihrem jeweiligen Gebiet – geraten immer wieder an einen Punkt, an dem sie die Welt nicht mehr begreifen: Obwohl sie den Schlüssel zum Verständnis doch eigentlich fest in den Händen halten. De Lillo hat ganz genau und schon sehr früh verstanden, welchem Bann der Kapitalismus die Welt unterworfen hat, wie er in die kleinste Faser unseres Lebens eindringt und sie verwandelt. „Money makes time“ sagt etwa Packers „Director of Theory“: Minuten, Sekunden und Nanosekunden sind für uns erst deshalb von Bedeutung, weil sie wirtschaftlich zu Buche schlagen. Bevor es Geld gab, war diese Fragmentierung der Zeit vollkommen sinnlos. Und so stellt auch der Finanzjongleur Packer, der Börsenkurse lesen kann wie andere Leute die Supermarktbeilage ihrer Zeitung, fest, dass die Welt noch deutlich komplexer ist, als er sie sich ausgemalt hatte; oder genauer: dass nicht alles tatsächlich mit einem Grund geschieht.

COSMOPOLIS ist ein Film, der einen in einen seltsam halbwachen Zustand versetzt. Ich habe ihn nach einem langen, heißen Tag in der Spätvorstellung im Original ohne Untertitel gesehen und musste bald ernüchtert bemerken, dass ich den Dialogen nicht so genau folgen konnte, wie ich mir das gewünscht hätte. Sätze flogen an mir vorbei, an anderen, die ich verstand, hielt ich mich dafür umso stärker fest. Ähnlich verhielt es sich mit der Handlung, wenn man sie denn so nennen will: Menschen steigen in Erics Auto ein, unterhalten sich mit ihm, das Auto hält an, er steigt aus, trifft jemanden. All das, während er doch eigentlich ein ganz anderes Ziel hat: einen Friseur. Diese Begegnungen fließen ineinander, einige sind bedeutsamer als andere, manche hinterlassen einen Eindruck, während andere an einem vorbeifliegen. Manchmal ist es nur ein Satz, ein Blick, der die Aufmerksamkeit erregt, ohne dass man genau wüsste, ob die überhaupt gerechtfertigt ist. Das „Finale“, die Auseinandersetzung mit dem Attentäter, ist ein langer Dialog, in dem äußerst abstrakte Ideen verhandelt werden. Es ist eine jener Schlussszenen, während denen man ungeduldig auf die Uhr schaut, unruhig hin und her rutscht, sich insgeheim wünscht, der Regisseur hätte das anders aufgelöst, weniger dialogisch, weniger ausführlich, pointierter vielleicht oder mit einer knackigen Schießerei. Aber es ist hier, in diesem Film, total richtig. COSMOPOLIS hinterlässt ein Gefühl wie es ein Jetlag verursacht: Körperlich ist man total erschlafft, todmüde außerdem, aber trotzdem scheinen die Sinnesorgane noch einmal Eindrücke von besonderer, absoluter Schärfe zu produzieren. Die Welt tritt einem in äußerster Klarheit entgegen, doch man kann sie nicht festhalten.

Das ist genau das, was DeLillo erzählt. Dass es Cronenberg gelingt, das einzufangen, liegt zum einen an den Dialogen des Films: Hier sprechen keine Menschen miteinander, hier werden Ideen und Konzepte artikuliert. Die Sprache ist von absoluter Klarheit, jeden ornamentalen Schnörkels befreit, und dennoch enigmatisch und nahezu hermetisch. Die Worte fliegen wie aus dem Nichts in den Raum, ohne jede Bindung zu einer individuelen Erfahrung: Wohl auch, weil hier jeder nur noch Figur und nicht mehr – oder: noch nicht? – Charakter ist. „Hermetisch“ ist ein gutes Stichwort: Die Diskrepanz zwischen der durch die Straßen gleitenden Stretchlimo Packers – wo parken die eigentlich nachts? – und der absoluten Stille in ihrem Innenraum ist nicht nur das bestimmende Bild für das detachment Packers, das gleichzeitige In- und Außerhalb-der-Welt-Sein, sondern auch die Ursache für die Desorientierung des Zuschauers, der hier bald nicht mehr sicher sein kann, ob er noch dem Film zuschaut oder nicht längst seinen eigenen Gedankenbildern nachhängt. Das ist DeLillo in Reinkultur: Wo die Bedienungsanleitung eines Fernsehers plötzlich Poesie wird und im Kopf des Lesers ein Eigenleben beginnt. Ist das das Neue Fleisch?

Als der Profikiller Arthur Bishop (Jason Statham) den Auftrag erhält, seinen väterlichen Freund und Mentor Harry McKenna (Donald Sutherland) umzubringen, fragt er nicht lang nach: Das Geschäft ist hart. Weil er aber dennoch ein schlechtes Gewissen hat, nimmt er Harrys Sohn unter seine Fittiche, den aufmüpfigen Steve (Ben Foster), und führt ihn in die Kunst des Daseins als Auftragsmörder ein. Doch der Zögling hat seine eigenen Vorstellungen von seinem Beruf, die Arthur in Schwierigkeiten bringen. Und dann findet er heraus, dass man ihn über die Gründe für Harrys Ermordung getäuscht hat …

Simon West interpretiert Michael Winners eisiges, misanthropisches Original aus dem Jahr 1972 als verführerischen Hochglanz-Actioner, dessen Protagonisten zwar annähernd die gleiche Geschichte durchleben wie ihre Vorbilder 40 Jahre zuvor, aber dennoch ein ganz anderes Problem haben: Waren Bronsons Bishop und Jan-Michael Vincents Steve zu „kalt“ für die Welt, sind sie in Wests Version eher zu „heiß“. Sie scheitern an ihrer persönlichen, emotionalen Involvierung in ihr Geschäft, das genau das Gegenteil erfordert: Distanz und Indifferenz. Das führt in der Version von 2011 fast zwangsläufig zu einer anderen tonalen Ausrichtung. West umschmeichelt vor allem Stathams Arthur mit einer Bewunderung für dessen coolen Professionalismus und Style, die mit Winners distanziertem, nüchternem Blick nur wenig gemein hat. Damit Arthur und Steve trotz ihres amoralischen Geschäfts noch als Helden durchgehen können, darf an der Verkommenheit ihrer Opfer bei West kein Zweifel bestehen: Auf der Abschussliste stehen Drogenbarone, Waffenhändler, dekadente, verfettete Religionsstifter mit Faible für junge Mädchen und skrupellose Verräter – ganz anders als im Vorgänger, in dem die Vergehen von Arthurs Zielpersonen im Hintergrund blieben, dafür aber die Gefühllosigkeit der Protagonisten überdeutlich zum Vorschein kam.

So mag man in THE MECHANIC 2011 ein wenig die Ambivalenz vermissen, doch dafür liefert West bei der Inszenierung der zahlreichen Actioneinlagen jene Meisterarbeit ab, die man auch von seinem Protagonisten erwarten darf. Minutiös getimt und immer mit dem Blick für das attraktiv schimmernde Detail schlängelt sich THE MECHANIC dem Betrachter entgegen, hypnotisiert ihn mit der Schönheit der Vision totaler Kontrolle über alle Unwägbarkeiten. Kein Vergleich zur der offensiv zur Schau gestellten Klobigkeit von Winners Film, der sich nicht etwa bewegt wie eine gut geölte und gewartete Maschine, sondern wie ein in todesähnlicher Routine erstarrter Profi. Jetzt stellt sich die Frage, was man lieber mag: Winners THE MECHANIC ist vielleicht der nachhaltigere Film, er schockiert mit der äußersten Konsequenz, mit der er seine alles andere als schöne Geschichte erzählt. Sein Film handelt von einem Sterben, das schon vor dem biologischen Tod einsetzt. Er stößt enorm ab, ist wie ein Schlag vor die Stirn. Wests Film scheint mir etwas naiver: Sein Arthur hat das Potenzial, aus seiner Existenz auszubrechen und das gelingt ihm am Ende auch. Er wird wahrscheinlich nie ein Durchschnittsbürger sein können, aber das Morden hat seinen Reiz für ihn wohl endgültig verloren. Er hat sich sein Leben in letzter Sekunde bewahren können. Das ist eine Jungsfantasie, die mit dem Leben und der Welt nicht so viel gemein hat. Aber sie sieht hier verdammt reizvoll aus.

Der Soldat Todd 3465 (Kurt Russell) ist einer der erfolgreichsten seiner Art: Bereits als Kind ausgewählt, hat er sich in zahlreichen Tests bewährt, bevor er durch ein hartes, erbarmungsloses Training ging, das ihn auf sein Leben als menschliche Waffe vorbereiten sollte. Er wurde in mehreren Kriegen eingesetzt, in denen er die ihm zugedachte Aufgabe mit Bravour erfüllte. Nun wird er zugunsten der nächsten Generation von Supersoldaten ausgemustert: nach Bedarf direkt im Reagenzglas zusammengebaute Krieger, denen Todd nichts entgegenzusetzen hat. Für tot gehalten wird er auf dem Müllplaneten Arcadia entsorgt. Doch er lebt und trifft dort auf eine Gruppe von Siedlern, die ihrerseits nur durch einen Unfall dort gelandet sind. Das Leben unter Zivilbürgern ist ihm fremd und bald gibt es Konflikte: Er wird verstoßen. Doch dann landet ein Raumschiff mit den neuen Elitesoldaten, die einen Probeeinsatz absolvieren und auf alles schießen sollen, was sich bewegt …

Paul W. S. Andersons vierter Spielfilm (nach SHOPPING, MORTAL KOMBAT und EVENT HORIZON) wurde bei Erscheinen weitgehend verrissen. Zwischen den ganzen aufgeblasenen Eventfilmen, aus denen sich das Actiongenre seinerzeit zusammensetzte, wirkte er wahrscheinlich zu klein, zu unsexy, zu ernst und vor allem zu ehrlich: Keine Spur hier von der augenzwinkernden Absicherung gegen jeden möglichen Kritikpunkt, der sich als Ironie tarnenden Uneigentlichkeit, mit der man in den Neunzigern alles verkaufen konnte, weil man ja tatsächlich genau das Gegenteil meinte. SOLDIER ist dagegen auf den ersten Blick von einer fast erschreckenden Naivität, dabei ist er einfach nur wahrhaftig. Drehbuchautor David Webb Peoples greift tief in den amerikanischen Mythenschatz und erzählt seine Geschichte um einen gestrandeten Soldaten, der das Menschsein nie gelernt hat, als moderne Version von George Stevens großem Westernklassiker SHANE. Der erzählt einst die Geschichte eines mysteriösen Revolverhelden, der wehrlosen Siedlern im Kampf gegen rücksichtslose Banditen beisteht, aber eigentlich von den Geburtswehen einer Nation, vom Zerplatzen der Träume vom Frieden: Wer leben will, der muss bereit sein, sich zu wehren – und gegebenenfalls zu töten. Das ist auch die Lektion, die die Siedler in SOLDIER lernen müssen. In sorgenfreien Friedenszeiten mag der Soldat Todd eine Bedrohung darstellen, zumindest erinnert er die friedliebenden Zivilisten an das dem Menschen innewohnende destruktive Potenzial, das sie doch am liebsten verdrängen möchten, doch im Konfliktfall braucht man jemanden, der das Kriegshandwerk beherrscht. Auch wenn es der Utopie widersprechen mag, dem strahlenden Bild einen Kratzer verpasst.

Anderson treibt die Differenz zwischen den braven Bürgern auf der einen und der gefühllosen Mordmaschine auf der anderen Seite auf die Spitze: Erinnern die Siedler mit ihrer unschuldig-genügsamen Art an naive Hippies oder die ostentativ arglose Besucherschar auf dem Mittelaltermarkt, steht der dumpf blickende, stets in sich versunkene Soldat Todd dazu in krassem Kontrast. Kurt Russell spielt den professionellen Killer als schweigsamen, groben Klotz, der wie ein Fremdkörper durch die Kommune der Siedler walzt. Im Hochglanz-Mainstream-Gewand des Neunzigerjahre-Kinos wirkt dieser Kontrast tatsächlich grobschlächtig bis albern: Es fehlen Anderson (noch) die technischen Mittel seinen erzählerischen Stil, der eben ganz auf Visualisierung setzt, überzeugend zu verankern (wie nahe SOLDIER Andersons letzten Filmen ideell ist, mag man schon an dem Namen „Arcadia“ ablesen, der ja auch in der RESIDENT EVIL-Reihe eine erträumte Utopie bezeichnet). SOLDIER wirkt eher kitschig, wenn er stattdessen emotional und grafisch sein will. Was aber für ihn einnimmt, das ist die Einfachheit seiner Konstruktion, die Klarheit des Konflikts, die sich auch in den brachialen Actionszenen niederschlägt. Wurde SOLDIER damals verrissen, so kann man ihn heute als Hommage an das Actionkino der Achtzigerjahre verstehen, mit seinem eindeutigen Gut-Böse-Schema, den überlebensgroßen Figuren und den inneren Konflikten, die sich explosiv entladen.