Als der Lehrer Johnny Smith (Christopher Walken) nach einem Autounfall aus dem fünfjährigen Koma erwacht, ist nichts mehr wie vorher: Seine Partnerin Sarah (Brooke Adams) hat ihn verlassen, er muss erst wieder lernen zu laufen und außerdem hat er eine neue Fähigkeit: Er kann in die Zukunft der Menschen schauen, wenn er ihnen die Hand reicht. Doch mit dieser Gabe geht auch eine große Verantwortung einher: Was soll man tun, wenn man weiß, dass der Politiker Greg Stillson (Martin Sheen), der sich derzeit anschickt, Senator zu werden, in der Zukunft den Dritten Weltkrieg auslösen wird? Für Johnny gibt es nur eine Antwort auf diese Frage …
Mit seiner Verfilmung des Stephen-King-Bestsellers – seiner ersten Studioproduktion, die einen wichtigen Karriereschritt bedeutete – reiht sich Cronenberg in die nicht allzu große Riege von Filmemachern ein, denen die Umsetzung eines Romans des Meisters auf die Leinwand ohne Abstriche gelang. THE DEAD ZONE gehört meiner Meinung nach zu den drei mit einigem Abstand besten King-Adaptionen (zusammen mit CARRIE und THE SHINING) und das ist ohne Zweifel der inszenatorischen Klasse Cronenbergs zuzuschreiben – auch wenn der hier als auteur etwas in den Hintergrund tritt, sich dem Stoff unterordnet. Im Zentrum des Films steht ganz eindeutig Christopher Walken als Johnny: Vom für ihn ungewohnten Typ „Schwiegermutters Liebling“ der ersten Minuten verwandelt er sich im weiteren Verlauf ganz allmählich in den grüblerischen, charismatischen, geheimnsivollen, körperlich enorm raumgreifenden Charakter, den man von ihm gewohnt ist und es ist eine Freude, ihm dabei zuschauen zu dürfen. Wenn er als Johnny mit dem Gehstock spazierengeht, seine enorme Schrittlänge dabei deutlich macht, wie sehr er die Krücke wegschleudern möchte, wie sehr er versucht, sie einfach zu vergessen, dann ist das genau jener tänzerische, verspielte Walken, der einem mit seiner Elvis-Impression in Ferraras KING OF NEW YORK fast zur Homosexualität bekehrt hätte. Es ist sein Verdienst, dass das Schicksal Johnnys einen so enormen emotionalen Nachhall findet.THE DEAD ZONE ist niederschmetternd.
Cronenberg ist nicht unbedingt für besonders warme oder gar liebevolle Filme berühmt geworden. Wie er die Neurosen seiner Protagonisten seziert, das hat immer auch etwas Mitleidlos-Wissenschaftliches. Den wenigsten von ihnen hat er ein glückliches Ende geschenkt und auch für Johnny darf man sich keine allzu großen Hoffnungen machen, das ist schon recht früh klar. THE DEAD ZONE, das ist auch eine Erlösergeschichte: Da opfert sich jemand, damit die Menschheit weiter bestehen kann. Cronenberg inszeniert diese Geschichte erwartungsgemäß ohne großes Pathos, ohne Tearjerking und tränenreiche Abschiede. Bewegend ist sein Film trotzdem, weil seine Sachlichkeit klar macht, dass hier jemand eine Verantwortung aufgebürdet bekommt, die er zwar nicht tragen will, zu der er aber trotzdemvollkommen bekennt. Kings Roman beschäftigt sich mit philosophischen Fragestellungen um Schicksal, Vorhersehung, Determinismus und den moralischen Folgen, die daraus erwachsen, aber Cronenberg streift diese Fragen allenfalls, er verhandelt sie nicht. Ihm geht es vor allem um die Konsequenzen, die Johnnys Begabung für ihn ganz persönlich hat. Kein Wunder also, dass THE DEAD ZONE ambivalent bleibt: Zwar hat Johnny dank seiner Fähigkeiten die Welt vor dem Nuklearkrieg bewahren können, doch für ihn selbst kann es keine Rettung mehr geben.Es ist auch diese utilitaristische Strenge, die den Film so schockierend macht.
Dominik Graf hat in seinem prächtigen Text zu THE DEAD ZONE, der in dem Buch „David Cronenberg“ von Bertz & Fischer erschienen ist (zu dem ich ja auch etwas beisteuern durfte), die großartige Besetzung des Filmes hervorgehoben, deren Leistungen Cronenberg durch seine episodische Inszenierung noch unterstreicht: Herbert Lom ist wunderbar als väterlich-fürsorglicher Arzt, Tom Skerritt leidet als Sheriff sichtbar darunter, einen Serienmörder nicht fassen zu können, Anthony Zerbes wachsam funkelnde Augen brennen sich durch den Bildschirm hindurch und Martin Sheen lässt einem als reaktionär-krimineller Politiker die Galle hochkochen. In der Abfolge dieser Episoden erweckt Cronenberg tatsächlich den Eindruck, einem Leben zu folgen: Gesichter tauchen auf und verschwinden wieder. Jeder ist für einen kurzen Moment ein wichtiger Begleiter Johnnys, bevor das Leben ihn weiterzieht, dem unausweichlichen Ende entgegen. Insofern ist Johnny Smith – das sagt ja schon sein Name – ein ganz normaler Mensch: Er mag eine besondere Begabung haben, doch wichtig sind vor allem die die Entscheidungen, die er trifft, die Konsequenzen, die er zieht und das Schicksal, das er wählt. Die spannende und beängstigende Frage, die der Film aufwirft: Würden wir auch so handeln wie er?
Theoretisch stimme ich Dir eigentlich in allen Punkten zu, und doch konnte mich der Film nicht begeistern. Ich denke es liegt an seinem episodenhaften Aufbau, denn für mein Empfinden plätscherte der Streifen nur sanft vor sich hin, was ich nicht der emotionslosen Distanz Cronenbergs zuschreibe, die heiße ich ebenso gut wie Du, aber scheinbar doch seinem Unvermögen diesem Stoff einen gewissen Spannungsaufbau zu bescheren. „The Dead Zone“ war mir in all seinen interessanten Ideen zu theoretisch. Mehr Nervenkitzel hätte nicht geschadet.
Hm. Ich kann das zum Teil schon nachvollziehen, insofern als sich erst zur Mitte des Films herauskristallisiert, auf welches Ziel er sich zubewegt. Mir war das aber ganz schnuppe, erstens, weil ich schon wusste, wo’s langgeht, und dann auch, weil diese einzelnen Episoden einfach so unglaublich reich sind. Und theoretisch finde ich den Film nun wirklich gar nicht. Es wird ja fast gar nicht über Johnnys Gabe gesprochen.