Archiv für November, 2012

https://i0.wp.com/images.weltrecords.de/img/cover/000/000/196/000000196871.jpgEin greisenhafter Mann namens Chris Dubois (Jean Claude Van Damme) schlägt ein paar Ganoven in die Flucht, als sie eine Bar ausrauben wollen. Dem verblüfften Barkeeper erzählt er seine Geschichte: In den 20er-Jahren führt er eine Bande diebischer Kinder an, landet auf der Flucht vor der Polizei als blinder Passagier auf einem Schiff nach Thailand, wird von dem verschlagenen Adligen Lord Dobbs (Roger Moore) aus der Gefangenschaft befreit und auf die Muay-Thai-Insel gebracht, wo er in der Kunst der gleichnamigen Kampfkunst unterrichtet wird. Als er Dobbs später wiederbegegnet, hat er einen Wunsch: Er will am Ghan-gheng teilnehmen, einem Martial-Arts-Turnier, an dem die besten Kämpfer der Welt teilnehmen. Mit der Aussicht auf die Siegesprämie, einem Drachen aus massivem Gold, überredet er Dobbs, ihn zu begeiten. Dobbs‘ Assistent Smythe (Jack McGee), die Journalistin Carrie Newton (Janet Gunn) und der Schwergewichtsweltmeister Maxie Devine (James Remar), selbst zum Turnier eingeladen, begleiten sie …

THE QUEST erzählt die gleiche Geschichte wie BLOODSPORT, jener pseudobiografische Film über den realen Martial Artist Frank Dux, der sich bei einem illegalen asiatischen Turnier an die Weltspitze gekämpft haben will, verlegt sie aber in die Zwanzigerjahre und in das Genre des Abenteuerfilms. Das erweist sich zunächst als gute Idee: Mit viel epischem Drive startet der Film in New York, begibt sich dann auf hohe See, offeriert Roger Moore in einem wunderbaren Besetzungscoup als charmanten Gentleman-Gauner und verbindet die Turniergeschichte schließlich noch mit Elementen des Heist Movies. Die Production Values sind sehr ordentlich, die Kulissen auch deshalb sehr schön anzusehen, weil man Period Pieces dieser Art nicht allzu oft geboten bekommt, und JCVD ist, so scheint es, mit dem Herzen dabei. Leider nimmt er sich vor lauter Spektakel aber nicht genug Zeit, seine Charaktere atmen zu lassen, dem Plotverlauf ein paar auflockernde Schlenker zu gestatten: Im Bemühen, alles in 90 Minuten Film unterzubringen, hetzt THE QUEST im Schweinsgalopp vorüber und mehr als einmal fühlte ich mich, als hätte ich etwas ganz Entscheidendes verpasst. Es vergeht mal mehr, mal weniger Zeit zwischen zwei Szenen, ohne dass man das erkennen könnte, an anderer Stelle scheinen für die Entwicklung des Film wichtige Passagen zu fehlen. Der Rhythmus ist also mehr als holprig und ließ mich vermuten, dass hier mehrfach großzügig die Schere angesetzt worden ist. Einen entsprechenden dagingehenden Hinweis habe ich aber nicht gefunden.

Vielleicht hat Van Damme sich tatsächlich einfach übernommen mit THE QUEST. Dafür spricht auch, dass der Teil des Films, in dem er sich eigentlich am meisten zu Hause fühlen müsste, eben das Turnier im letzten Drittel, am uninspiriertesten daherkommt. Seine Inszenierung ist auch vorher bestenfalls zweckdienlich, aber das wird eben durch einen sichtbaren Enthusiasmus wettgemacht, der während der Fights am Schluss weitestgehend fehlt. Die Teilnehmer bleiben allesamt bloße Folien, ohne große Dramaturgie wird Kamof um Kampf bis zum vorhersehbaren Ende aneinandergereiht. Das hat Newt Arnold, Regisseur von BLOODSPORT und auch nicht gerade als größter Actionregisseur aller Zeiten bekannt, damals deutlich besser hinbekommen. So muss ich Jean Claude Van Damme zugutehalten, dass seine bislang einzige Regiearbeit zwar viel besser ist als ihr Ruf, aber auch deutlich erkennen lässt, warum er keinen weiteren Film nachlegte. Enthusiasmus und Herz allein reichen leider nicht. Aber diese Besetzung von Roger Moore, die ist echt klasse.

Ein Scharfschütze (Dolph Lundgren) und sein „Spotter“ (Gina Bellman) treffen sich zur Ausführung eines Auftrags im obersten Stockwerk eines noch im Bau befindlichen Hochhauses. Zahlreiche Einsätze haben die beiden bereits gemeinsam erfolgreich absolviert, bis sich beim Schützen eines Tages das Gewissen meldete und er den Finger vom Abzug nahm. Seitdem stehen er und seine Partnerin selbst auf der Abschussliste. Auch diesmal?

Fünf lange Jahre musste Russell Mulcahy nach HIGHLANDER warten, bis er den nächsten Spielfilm inszenieren durfte: Das Epos um die unsterblichen Schwertkämpfer war nämlich zunächst herbe gefloppt, trat seinen Siegeszug erst mit Beginn der Neunzigerjahre an und ließ die Studiobosse dann umso schneller tätig werden. 1991 feierte Mulcahy sein Comeback mit dem umstrittenen Sequel, drehte in den Folgejahren weitere prestigeträchtige Filme mit zunehmend geringerem Erfolg: auf den starken RICOCHET (muss ich auch mal wieder gucken) folgten THE REAL MCCOY und THE SHADOW, die an der Kasse massiv enttäuschten. Die zwangsläufige Folge dieses kommerziellen Versagens war SILENT TRIGGER, eine ungleich kleinere Produktion als die Vorgänger, die in Deutschland gleich auf Video erschien.

Man sieht dem Film den kleineren Rahmen an: Dolph Lundgren – wenn auch ein bekannter Name – war weit weg vom Glamour, den Kim Basinger, Alec Baldwin, Penelope Ann Miller oder Denzel Washington in den vorangegangenen Filmen verkörperten, die Handlung des Films ist auf wenige, meist abgeschlossene Settings beschränkt, die Musik klingt ausgesprochen billig und die wenigen visuellen Effekte lassen erkennen, dass hier mit ganz heißer Nadel und äußerst minderwertiger Wolle gestrickt wurde. Doch man sieht auch, dass mit dem kleineren Budget größere Freiheiten für Mulcahy einhergingen: SILENT TRIGGER ist genau in jenem Maße seltsam und eigenartig, in dem THE SHADOW oder auch RICOCHET stromlinienförmig und „charakterlos“ waren. Vieles erinnert den Betrachter unweigerlich an Mulcahys Debüt RAZORBACK: die herausstechende, mit dem expressiven Einsatz von Beleuchtung an Videoclips erinnernde visuelle Gestaltung, eine mysteriöse und – wie meine Gattin Leena richtig sagte – ominöse Atmosphäre, ungewöhnliche Charaktere und eine gewisse Brüchigkeit der Bilder und der Handlung, die sich nie so ganz entschlüsseln lassen.

Wenn der Scharfschütze und sein Spotter in einer Rückblende zu Beginn von einem verlassenen Kirchturm hinab auf eine Politikerin schießen sollen, etabliert keine einzige Totale die geografische Verbindung von Straße und Kirche. Die beiden Killer agieren in einem Raum, der den konkreten Ereignissen völlig enthoben scheint. Ist das ein Bild für das professionelle Detachment des Killers, das dieser später erwähnt, oder rein logistischen Gründen geschuldet? Wahrscheinlich hat Mulcahy aus der Not eine Tugend gemacht, denn der Schluss des Films korrespondiert mit diesem Kontrast aus Ortlosigkeit und Konkretion: Das Hochhaus, in dem sich die Protagonisten verschanzen, erinnert mit seiner monolithischen Form nicht wenig an einen Schauplatz aus Burtons BATMAN, scheint eher Bild denn tatsächlich existierender Ort. Doch dann tritt der Spotter am Ende auf die Straße und der erste Kamerablick des Films, der vom Haus wegführt, zeigt ganz normales, bewegtes städtisches Leben. Es ist, als habe sie ein Vakuum verlassen, eine Zeitschleife, und erst jetzt gehe das Leben weiter. Und dazu passt dann auch der ganze Film, der im Wesentlichen von der endgültigen Wieder-Mensch-Werdung des Scharfschützen erzählt. Der Turm ist der Ort der letzten Entscheidung, er ist seine Bastion, könnte aber auch sein Mausoleum werden.

Das ist nicht die originellste Prämisse eines Actionfilms, aber SILENT TRIGGER gleicht das durch seine höchst eigenwilligen Regieentscheidungen aus, miit denen Mulcahy selbst ästhetische Mängel noch als formale Kniffe erscheinen lässt: Die grausam unpassende Musik, mit der die bebilderte Title-Sequenz unterlegt ist, entpuppt sich etwa als Musik aus dem Walkman des Protagonisten, die in seinen Traum eingedrungen ist. Und das Finale ist so kitschig, dass es einen fast ebenso zerreißt wie die Kugeln des Killers die Körper seiner Feinde.

 

Der Partner von Max Dire (Mario van Peebles) sprach eben noch davon, den Polizeidienst zu quittieren, zu heiraten und ein neues Leben zu beginnen, da wird er bei einem Einsatz brutal niedergeschossen und ohne große Überlebenschancen ins Krankenhaus eingeliefert. Umso erstaunter ist Max, als der Partner wenige Tage später nicht nur vor ihm steht, als sei nichts passiert, sondern er in der Ausübung seines Dienstes plötzlich einen fast übermenschlichen Ehrgeiz an den Tag legt, der nichts von seinen vorherigen Bekundungen mehr erkennen lässt. Das ungute Gefühl Max‘ findet seine Bestätigung, als der Partner sich schließlich wieder nur einige Tage später öffentlich erschießt. Der geschockte, trauernde Cop wird daraufhin vom Psychologen Adam Garou (Bruce Payne) angesprochen: Er lädt Max in eine von ihm geleitete „Selbsthilfegruppe“ ein. Doch diese entpuppt sich bald als mehr als das, nämlich eine Art Spezialeinheit, in der ein von Garou entwickeltes Serum zum Einsatz kommt, dass die Polizisten in unbesiegbare Kampfmaschinen verwandelt …

Mal wieder eine kleine Nostalgiestunde: FULL ECLIPSE – vom einstigen Genrespezialisten Anthony Hickox fürs amerikanische Pay-TV inszeniert – reifte Mitte der Neunzigerjahre bei seiner deutschen Videoveröffentlichung zum kleinen Kulthit heran, der bei mir sehr hoch im Kurs stand. Grund für meine Begeisterung waren die hübsch pulpige Verbindung von Horror- und Polizeifilm, das dadurch bedingte Nebeneinander von blutigen Schießereien, die der damaligen Mode entsprechend an Meister Woos artistischen Bullet Ballets angelehnt waren, und splatterigen Werwolfeinlagen, aber auch die hübsche Besetzung: Mario van Peebles ging so eben noch als Quasi-Actionstar durch, Patsy Kensit sah man als Heranwachsender immer gern und Bruce Payne zählte damals zu meinen ausgesprochenen Lieblings-Schurkendarstellern. Ich war bei der Wiederbegegnung auf handfeste Ernüchterung eingestellt, ja, hatte diese eigentlich fest eingeplant. Mir war klar, dass der Film heute nicht mehr ganz so unmittelbar kicken konnte, wie er das vor nunmehr fast 20 Jahren tat: Die Trends haben sich ebenso verändert, wie die Möglichkeiten der Darstellung und FULL ECLIPSE war ja nun eben keine Multimillionen-Dollar-Kinoprodution, die damals Maßstäbe hinsichtlich ihrer Effekte gesetzt hätte, sondern ein bescheidener Fernsehfilm, der vor allem durch seine Attitude punkten konnte. Und ich bin keine 17 mehr und deutlich weniger begeisterungsfähig als damals. Umso größer mein Erstaunen darüber, dass ich FULL ECLIPSE immer noch sehr unterhaltsam finde. Na klar, die Shootouts reißen heute niemanden mehr vom Hocker, sind mit ihren beidhändig schießenden Hechtsprüngen durchaus ein bisschen albern und der Film wirkt heute noch etwas kleiner und billiger als damals. Aber das Wesentliche bleibt von diesen heute sichtbaren Mängeln unangetastet: Hickox‘ Film macht einfach Spaß, er ist schön kurzweilig und er pflegt einen überaus sympathischen Umgang mit seiner inhärenten Blödheit: Er zieht sein Ding sehr straight durch und lässt nur in ganz kurzen Augenblicken erkennen, dass er selbst in on the joke ist, anstatt sich in selbstdistanzierendem Wink-wink, nudge-nudge zu ergehen. Da gibt es etwa diesen einen sehr geilen, sehr komischen Moment: Adam Garou und seine Werwolf-Spezialeinheit haben soeben ein Sprengstoff-Attentat überlebt und marschieren in einer dieser mit pathetischer Musik unterlegten Zeitlupenszenen in das Polizeipräsidium. Mit ihren zerrissenen Klamotten und den geschwärzten Gesichtern ziehen sie sofort die Blicke der umstehenden und -sitzenden Kollegen und der anwesenden Zeugen und Verdächtigen an: Alle sehen für einen Augenblick von ihrer Tätigkeit ab und verfolgen gebannt, was diese illustre Gruppe im Sinn hat. Die anderen im Schlepptau tritt Garou zum Schalterbeamten, knallt ein abgerissenes Lenkrad auf das Pult und sagt mit einem selbstbewussten Grinsen: „Wir brauchen ein neues Auto.“ – Das ist kein besonders origineller Spruch und auch keine wirklich einfallsreiche Auflösung der Szene, aber sie trifft dennoch ins Schwarze, weil Hickox sie ganz trocken runterinszeniert. Man merkt fast gar nicht, dass das ein Witz ist. Ich kann mir richtig vorstellen, wie zeitgenössische Regisseure den One-Liner damit eingeleitet hätten, dass die Musik mit einem „Kratzer“ verstummt wäre, Garou seine Witz in die neue Stille hineingesagt hätte, damit man ihn auch bloß nicht verpasst. Oder dass die Kamera dazu ruckartig an ihn herangezoomt hätte, er den Spruch im Stile eines Clint Eastwood ins Objektiv gegrummelt hätte . Nichts davon hier. Eher noch hat man den Eindruck, dass Bruce Paynes verschmitztes Lächeln von seiner Belustigung über die Szene herrührt und absichtlich dringelassen wurde. Wie gesagt: sympathisch.

Was mir diesmal mehr als damals aufgefallen ist: FULL ECLIPSE bedient sich ikonografisch recht dreist bei den X-Men und da natürlich vor allem beim Design Wolverines. Die erste Verfilmung der Comicserie sollte erst gut sechs Jahre später erscheinen und es ist mehr als fraglich, ob Singer als Vorbereitung darauf ausgerechnet diesen kleinen Pay-TV-Fernsehfilm gesehen hat. Die Szenen, in denen die Spezialeinheit in vollem Werwolf-Look und in Body-Suits im Mondschein herumpost, weckt allerdings mehr als nur leise Assoziationen. Sehr wahrscheinlich ist es eher umgekehrt: Mit der seit damals gewonnenen Kenntnis dutzender Superhelden-Comicverfilmungen sieht auch FULL ECLIPSE heute so aus wie eine von diesen. Früher war es einfach nur ein merkwürdiger Genrehybrid ohne große Vorbilder, heute sieht man in seiner Dramaturgie zahlreiche Parallelen zu den modernen Marvel-Filmen. FULL ECLIPSE erzählt demnach so etwas wie die Origin Story von Max Dire, dem Werwolf-Polizisten, und das Ende deutet dessen kommenden Abenteuer an, in denen er seine Eigenschaften dann für das Wohl der Menschheit einsetzt. Schade, dass nie ein Sequel gedreht wurde. Das hätte mir – wie FULL ECLIPSE auch – wahrscheinlich besser gefallen als alle X-Men-Filme zusammen.

Anthony Santee (Dolph Lundgren) wurde vor Jahren hereingelegt: Man brachte seinen Freund Eddie um, hängte ihm einen Polizistenmord an und verurteilte ihn zu 25 Jahren Haft. Als zwei gedungene Staatsbeamte versuchen, ihn bei einem Gefangenentransport zu töten, gelingt ihm die Flucht. Wenig später nimmt er Rita (Kristian Alfonso) als Geisel, ohne zu ahnen, dass sie Deputy-Sheriff ist. Lieutenant Severence (George Segal), der Santee bereits seit dessen Jugend kennt, ihn insgesamt zweimal festnahm, setzt alles daran, den Flüchtigen zu stellen. Dabei hat er durchaus ein eigenes Interesse: Er hat nämlich selbst Dreck am Stecken und ist für Santees missliche Lage und den Tod seines Freundes verantwortlich …

Mit JOSHUA TREE begann Dolph Lundgrens „Abstieg“ in die Riege der DTV-Action-Darsteller. Nachdem sein Karriereverlauf in den Jahren seit seinen ersten Auftritten in A VIEW TO A KILL und ROCKY IV von kleineren Ausnahmen abgesehen stetig nach oben gezeigt hatte (in den Jahren unmittelbar zuvor hatte er noch in den großbudgetierten SHOWDOWN IN LITTLE TOKYO und UNIVERSAL SOLDIER mitgewirkt) feierte  JOSHUA TREE seine Premiere in den USA im Fernsehen – ein Trend, der sich in den folgenden Jahren fortsetzen sollte. Man täte Regisseur Vic Armstrong aber Unrecht, wenn man ihn und seinen Film für den vermeintlichen Karriereknick verantwortlich machen würde: JOSHUA TREE bietet über 95 Minuten kompetent gemachte, spannende, teilweise gar spektakuläre Action-Unterhaltung, die in den Hauptrollen zudem erstklassig besetzt ist. Lundgren sieht mit seinem kurzgeschorenen Schädel aus wie ein mit Anabolika behandelter Schuljunge, George Segal mit Schnurrbart und Zigarre wie ein fehlgeleiteter Fan von Groucho Marx. Etwa zur Stundenmarke heizt ein ausgedehnter, aufwändig choreografierter Shootout ordentlich ein: Da spritzt die Hirse meterweit, die Luft ist ausgesprochen bleihaltig, die Bad Guys fallen wie die Fliegen und für den optischen Akzent sorgen pointiert eingesetzte Explosionen und Feuerstunts. Sehr schön ist es etwa, wenn Santee (in der deutschen Fassung „Barrett“) einen Bösewicht erst in Brand setzt und dann mittels eines Tritts in den Unterleib in mit explosivem Inhalt gefüllte Kisten befördert. Bumm! Man spürt in dieser Sequenz eindeutig den damals allgegenwärtigen Einfluss John Woos: Santee benutzt ein Rollbrett, um rücklinks darauf liegend durch Horden von Schurken zu rollen und diese zweihändig wegzuballern (als ein Magazin leergeschossen ist, greift er sich einfach eine andere Waffe, an der er just  in diesem Augenblick vorbeirollt), fliegt mit Hechtsprüngen durch die Gegend und demonstriert auch sonst, wie man Artistik und Mordkunst innovativ und spektakulär miteinander verbindet. Doch nicht nur an diesen überdeutlichen Reminiszenzen merkt man dem Film an, aus welcher Zeit er kommt: So reduziert der Plot auch ist, Armstrong häuft gleich einen ganzen Berg schmückenden Zierrats an: Der ist zwar immer gut anzuschauen, lässt den Film aber auch etwas orientierungslos und unfokussiert erscheinen. Es fehlt eine ganz klare Vision, der Wille zur Reduktion, der den heutigen DTV-Actionfilm wieder auszeichnet. Hier gibt es neben der straighten Flucht- und Rachegeschichte noch einen Hauch softer, von Saxophonheulern untermalter Erotik zwischen Santee und Rita (beide ölen sich überaus kinky mit dem Saft von Kaktusfeigen ein) und schließlich auch noch eine Verfolgungsjagd mit zwei protzigen Luxus-Sportwagen, die sich optisch nicht so recht in das wüstenhafte Wildwest-Ambiente einfügen wollen. Dem Vergnügen tut das keinen Abbruch, aber JOSHUA TREE ist nicht gerade der Film, der emotionalen Nachhall erzeugen würde: Über die turbulente Achterbahnfahrt kommt er nicht hinaus. Was ja auch in Ordnung ist, wenn die Thrills denn sitzen, so wie hier. Vic Armstrong machte demzufolge zwar keine große Regiekarriere, ist heute aber ein immens gut beschäftigter Stuntman und Second Unit Director (zuletzt etwa für THE AMAZING SPIDER-MAN, THOR, THE GREEN HORNET  bis hin zu Filmen wie GANGS OF NEW YORK, STARSHIP TROOPERS oder TOTAL RECALL). Wie man eine fette Actionszene choreografiert und einen Plot von a nach b führt, das weiß er. Es ist die große Inspiration, die fehlt. Aber, verdammt, dieser Shootout in der Mitte, der ist schon ziemlich geil …

Der kambodschanische General Dong macht Drogengeschäfte mit dem CIA, will aber plötzlich mehr Geld. Daraufhin wird der Ex-Agent und Waffenhändler Mazzarini (Lee van Cleef) eingeschaltet: Er schlägt dem Geheimdienst vor, eine Söldnertruppe mit einer Waffen-lieferung zu Dong zu schicken, es ihm dann aber hinterrücks heimzuzahlen. Die Truppe wird angeführt von Colby (Lewis Collins), dem besten Mann für solche Einsätze. Unterstützt wird er unter anderem von seinem alten Weggefährten Mason (Manfred Lehmann). Was Colby jedoch nicht weiß: Der echte Mason ist ein verhin-derter Säufer und stattdessen verbirgt sich hinter seinem Namen (und dessen Gesicht) nun der Agent Hickock …

Der dritte und letzte Beitrag aus Margheritis deutsch-italienisch coproduzierter Söldnerfilm-Reihe – GEHEIMCODE: WILDGÄNSE und KOMMANDO LEOPARD sind die beiden anderen Titel – wirkt heute wie von einem anderen Planeten. Man kann sich kaum noch vorstellen, dass Filme dieser Art tatsächlich einmal Mainstream waren, der ganz normal beworben und in den Lichtspielhäusern gezeigt wurde und dort sogar erfolgreich war. Als DER COMMANDER 1988 erschien, da neigte sich jene schöne, bessere Zeit bereits dem Ende zu, dennoch war hier noch mal alles beim Alten: Gab sich eine illustre Riege internationaler, europäischer und deutscher Schauspieler die Ehre, wurden auf dem Niveau eines Groschenheftes der Kameradschaft und dem heldenhaften Draufgängertum des Söldners gehuldigt, die undurchsichtigen Machenschaften der vor dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs noch deutlich aktiveren Geheimdienste – und nicht ohne Begeisterung für die zu Tage tretende Skrupellosigkeit – durchleuchtet, jede Menge gesoffen und geraucht. Und auch wenn hier sehr unverhohlen für schnöden Mammon, statt  (verlogenerweise) fürs humanistische Ideal gemeuchelt und gemordet wird, ist das Söldnerleben ein einziger Spaß: Wer wollte sich auch ernsthaft beschweren über einen Job, bei dem er im zeitlos-modischen Tarnfleck – nach Belieben mit stylischen Accessoires aufgeppeppt – mit Gleichgesinnten durch den Urwald krauchen und Schufte wegpusten darf und dafür auch noch fürstlich von Despoten, korrupten Geheimdienstchefs oder Waffenhändlern bezahlt wird? Die kompetente Synchronisation veredelt das testosterongeschwängerte Treiben mit zackigem Kraftsprech irgendwo zwischen naiver Fünfzigerjahre-Räuberpistole und Eighties-Zynismus, Peter Baumgartner und die Krautpopper von Eloy liefern dazu die passende Sounduntermalung, bei der als asiatisch apostrophierte Klänge durch den Synthie gejagt werden, dass es nur so raucht.

DER COMMANDER ist ein bisschen weniger rasant als die Vorgänger, wirkt schon ein bisschen müde und war anno ’88 auch nicht mehr ganz auf der Höhe des Zeitgeistes. Trotzdem kann ich das Gebotene kaum anders als hemmungslos geil finden. Es sind eher Details wie die oben angedeuteten, die mich für ihn einnehmen – der Zeit- und Lokalkolorit, der Tonfall des Films –, mehr als sein Gesamtentwurf. Das Hin und Her der Geheimdienste habe ich nicht wirklich verstanden, aber es bietet den wunderbaren Rahmen für das Ränkespiel von Pleasence und De-Niro-Synchronsprecher Christian Brückner, vor der tristen Kulisse des geteilten Berlins. Neben Brückner sind auch Stallone- und Schwarzenegger-Sprecher Thomas Danneberg – der hier mal wieder von Rainer Brandt vertont wird, weil er seine eigene Stimme Lewis Collins zur Verfügung stellt – sowie Manfred Lehmann – Bruce Willis‘ Stammsprecher – anwesend: Letzterer hat wie auch schon in KOMMANDO LEOPARD eine besonders kernige Rolle abbekommen, darf erst den vergammelten Säufer im Trenchcoat und dann den Agenten geben, der sich einer Operation unterzieht, um schließlich mit Lehmanns „Kartoffelnase“ ausgestattet zu werden. Er hat dann am Ende eine melodramatische Szene, weil die brave thailändische Soldatin Lin, in die er sich verliebt hat, vor seinen Augen erschossen wird. (Das Drehbuch stammt von einer weiteren Synchron-Ikone: Arne Elsholtz.) John Steiner spielt den verräterischen Geschäftemacher Duclaud und einen ständig dreckig lachenden „Kongo Otto“ gibt es auch. Collins gibt mal wieder den disziplinierten, mit allen Abwassern gewaschenen Vollprofi, der sich entgegen des Titels „Major“ nennen lässt. Das Geballer ist trotz aller Brutalität – die identitätslosen Asiaten können einfach so umgenietet werden – herrlich infantil, knüpft ideologisch voll an den kolonialistischen Söldnerfilm der Sechziger- und Siebzigerjahre an und ist damit einfach nur anachronistisch. Man kann dem Film unmöglich böse sein und die Synchro unterstreicht den naiven Charme mit doofen Sprüchen, schlecht betonten Ti-Äitschs und Actionheldennamen wie „Mason“ und „Colby“, der natürlich immer als „Kollbi“ ausgesprochen wird. Eigentlich müsste DER COMMANDER eine Freigabe ab sechs Jahren haben, um seine Zielgruppe zu erreichen.

Vor allem machen mir solche Wiedersehen eines klar: Ich vermisse die Zeit, in der solche Genreklopper in Europa produziert wurden; durchaus mit dem Blick nach Hollywood, aber dennoch mit der Gewissheit und dem Selbstvertrauen, das auch selbst ganz gut hinzubekommen. Damals grüßten statt langweiliger Fotos von gephotoshoppten Designerfressen noch gemalte Porträts von Persönlichkeiten wie Spencer, Hill, Belmondo, Delon oder eben Collins von den Litfasssäulen der Stadt, warben um die Gunst der Zuschauer, die diese Filme nicht als Kuriositäten, sondern als ganz selbstverständliche und gleichwertige Konkurrenz zum US-Stoff wahrnahmen, der noch längst nicht dieses Monopol hatte. So froh ich darüber bin, dass es Nischenabieter gibt, die Filme wie DER COMMANDER heute verfügbar halten, eine Szene, die solche Perlen ausgräbt, würdigt und weiterempfiehlt: Ich kann sie eigentlich nur noch mit einem weinenden Auge sehen.

 

Von seinem Partner, für den er eine Haftstrafe wegen Mordes absitzt, wird der Bankräuber Sam (Jean Claude Van Damme) bei einem Gefangenen-transport rausgehauen. Den Flüchtigen verschlägt es danach in eine ländliche Gegend, wo Clydie (Rosanna Arquette), Witwe und Mutter zweier Kinder, ihr Heim gegen den Grundstücks-spekulanten Franklin Hale (Joss Ackland) verteidigt, der dort eine luxuriöse Wohnsiedlung errichten möchte. Sam steht ihr in diesem Kampf, der sich durch das Handeln von Hales Partner Mr. Dunston (Ted Levine) immer mehr zuspitzt …

NOWHERE TO RUN war bei mir als eher actionarmer Versuch Van Dammes abgeheftet, sich als ernster Darsteller und romantischer Liebhaber zu etablieren – kein untypischer, aber meist erfolgloser Karriereschritt für Actionstars –, weshalb ich ihn bislang links liegen lassen habe. Zwar reduziert THE HITCHER-Regisseur Harmon etwaige Fights und ist um eine gewisse Ernsthaftigkeit bemüht, dennoch ist NOWHERE TO RUN ohne Zweifel ein Actionfilm; eben lediglich einer, der nicht nur den Kickbox-begeisterten Prolo in Trainingshose, sondern eben ein breiteres Publikum anspricht. Er orientiert sich ganz eindeutig an George Stevens großem Klassiker SHANE – der mysteriöse Fremde, der wie aus dem Nichts kommt und den Guten im Kampf gegen das Böse beisteht – und spult dann eine Geschichte ab, die man nur als Standard bezeichnen kann: Kleineren Auseinandersetzungen folgen bald größere, die Enthüllung seiner dunklen Vergangenheit entzweit den Helden und seine damsel in distress, er tritt die Weiterreise an, bevor er dann schließlich pünktlich zur totalen Zuspitzung wieder auf der Bildfläche erscheint, um den Tag zu retten. Das sieht alles sehr hübsch aus und ist so kurzweilig, wie man eine solch abgedroschene Geschichte erzählen kann.

Was oben angesprochene (Fehl-)Einschätzung des Films als Liebesdrama angeht, so ist diese nicht gänzlich aus der Luft gegriffen: Mehr als sonst wird hier das traute Familienidyll beschworen und der großbusigen Clydie (die Arquette zieht zweimal blank) stehen zu diesem Zweck gleich zwei kulleräugige Balgen (eins davon Macauleys Bruder Kieran Culkin) zur Seite, um den schönen Fremden dauerhaft zu binden. Die Szenen, in denen JCVD vom Sohnemann angehimmelt wird, sind vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, aber diese Kritik verkennt ja auch, dass die Muscles from Brussels mehr als alle anderen Actiondarsteller immer einen entschieden bürgerlichen Impuls hatten. Van Damme war als gutaussehender, junger Darsteller mehr als seine Kollegen prädestiniert für die heiße Romanze und die Rolle als fürsorglicher Ehemann: Dass er die schnittige Witwe hier aus ihrer Einsamkeit rettet und gleichzeitig auch noch den Traumpapa abgibt, ist also nicht so verwunderlich.

Wohl aber, dass Drehbuch-Zampano Joe Eszterhas selbst diesem biederen Stoff noch seinen gewohnt sexualisierten Schmier verpasst. Am Esstisch bemerkt das Töchterchen sehr zur stillen Freude Sams, das er einen „big penis“ hat (sie hatte ihn vorher nackig beim Baden gesehen), worauf Clydie – zu seiner Ernüchterung – entgegnet, er sei keinesfalls „big“, sondern nur „average“ (sie durfte ihn zuvor beim Duschen begutachten). Und nachdem die beiden Turteltauben dann endlich die erste Nacht gemeinsam verbracht haben und Clydie ihrem Sohn am nächsten Morgen verbietet, ihn schon zu wecken, da fragt er sie ebenso wissend wie vorwurfsvoll, was sie denn mit ihm angestellt habe. Das soll lustig sein und man darf diese Anflüge von Humor zumindest als gewissermaßen subversiv in ihrer Offenheit bezeichnen, aber sie befremden dennoch, weil man diese vom Actionfilm eigentlich nicht gewohnt ist – und auch nicht unbedingt haben will. Der mysteriöse Fremde wird durch solche Volten auf eine Art und Weise banalisiert, die der Figur nicht gerade hilft. Hier scheint lediglich auf die Masturbationsfantasien von Hausfrauen mit Van-Damme-Faible abgezielt worden zu sein. Für Eszterhas, der sonst eher Männer mit Wichsvorlagen bediente, immerhin ein fast emanzipatorisch zu bezeichnendes Novum. Für NOWHERE TO HIDE heißt es, dass man zwei, dreimal die Zähne zusammenbeißen muss, ansonsten aber einen ordentlichen Actionfilm für Zwischendurch bekommt, an dem man nicht wirklich rumnörgeln muss.

Frank Gannon (Dolph Lundgren) gehört der Direct Action Unit an, die ins Leben gerufen wurde, um der Straßen- und Gangkriminalität Herr zu werden. Doch wie das so ist mit Spezialeinheiten, die mit besonderer Machtfülle ausgestattet werden, sind die meisten von Gannons Kollegen „schmutzig“ – in krumme Geschäfte verwickelt und korrupt. In einem Prozess, will er die Machenschaften seiner Leute aufdecken, doch die haben natürlich etwas dagegen. Just an dem Tag, an dem sich der Konflikt zuspitzt, soll Gannon den Neuling Billy Ross (Polly Shannon) einarbeiten …

Sidney J. Furie, der der Welt einst IRON EAGLE und SUPERMAN IV: THE QUEST FOR PEACE schenkte und außerdem den skandalträchtigen THE ENTITY, den ich immer noch nicht gesehen habe, macht zunächst mal Vieles richtig: Seine Story um den Kampf eines ehrlichen Cops gegen eine Übermacht verbrecherischer Kollegen an nur einem einzigen Tag anzusiedeln, ist eine Spitzenidee. DIRECT ACTION braucht keine lange Exposition und keine Atempausen, sondern geht von Anfang an ein hohes Tempo, lebt von dieser speziellen, beinahe unwirklichen Stimmung, die Filme, die an einem anscheinend ganz normalen Tag, der sich dann als schicksalhaft herausstellt, spielen, ganz oft auszeichnet – man denke etwa an Carpenters ASSAULT ON PRECINCT 13. Dolph Lundgren ist on top of his game, ganz coole, selbstbewusste Souveränität und lässige Coolness: Er sieht aus, als habe er diesen Film mal eben im Vorbeigehen gedreht – und das ist definitiv nicht negativ gemeint. Als Actiondarsteller hat er ja keine so klar herausgearbeitete Persona wie Stallone, Seagal oder auch Norris, einen Großteil seines Wiedererkennungswertes macht tatsächlich seine Physis aus. Im Grunde wäre er die Idealbesetzung für Marvels THOR (und insofern war er auch für He-Man in MASTERS OF THE UNIVERSE genau richtig): Er sieht aus, als sei er – von hünenhafter Statur – zur Strafe auf die Erde verbannt worde und schlüge sich nun leicht angenervt zwar, aber dennoch mit vollstem Engagement mit irdischen Problemen herum. Er ist gleichzeitig ganz unverkennbar „einer von uns“ – Schlabberklamotten, Wuschelfrisur, kaugummikauend, mt tiefen Furchen im Gesicht, er wird verwundet, blutet, leidet – und uns gleichzeitig hoffnungslos überlegen. Er gehört deshalb niemals ganz dazu, auch wenn er ein Kumpeltyp ist, steht immer etwas außerhalb (einer der Gründe, warum er für den ernsten Copfilm eigentlich eher ungeeignet ist). Es macht einfach Spaß, ihm zuzujubeln und ihm die Daumen zu drücken.

Zu Beginn dachte ich, DIRECT ACTION würde so richtig gut: Die Title-Sequenz, mit einer Montage knochenbrechender Momente des späteren Films und spitzenmäßigem Hip-Hop (später gibt sich noch Masta Ace noch die Ehre auf dem Soundtrack) unterlegt, macht viel Laune, die ersten Szenen auf den Straßen L.A.s haben genau jenen Sense of Place, der die Basis für alle guten Action- und Copfilme ist, und Lundgren bindet den Zuschauer sofort ans Geschehen – man sitzt mit ihm im Streifenwagen. Wenn es knallt, ist das sehr zupackend, aber ohne Übertreibung inszeniert: Die Gewalt ist kurz, trocken und schmerzhaft. Irgendwann hat mich DIRECT ACTION dann aber verloren. Die Story schlägt plötzlich Haken, die eigentlich komplett unnötig sind und dem Film viel vom ursprünglichen Drive rauben. Und neben Lundgren fehlen vergleichbar charismatische Gesichter auf Seiten der Schurken. Der Film, der so authentisch und lebendig begann, wird seltsamerweise immer leerer, je mehr Handlung angehäuft wird. Sidney J. Furie ist immer noch ein guter DTV-Actioner gelungen, aber nach den viel versprechenden Ansätzen muss ich dennoch eine kleine Enttäuschung konstatieren.

Weil sie im Mittelalter die Anführerin eines Satanistenkults auf den Scheiterhaufen gebracht haben, lastet ein Fluch auf den Daninskys. Nur wann er in Kraft tritt, steht in den Sternen. Es trifft dann ein paar hundert Jahre später den braven Waldemar (Paul Naschy): Eine Frau versetzt ihm einen Biss mit einem Wolfsschädel und beim nächsten Vollmond verwandelt sich der Arme in einen Werwolf. Die anderen Dorfbewohner glauben an das Werk eines Irren und Waldemar selbst hat keine Erinnerung an seine nächtlichen Streifzüge …

Ich habe jetzt sehr vereinzelt einige Filme um den armen Wolfsmann Waldemar Daninsky gesehen, ohne einen echten Überblick über die Reihe zu haben. Diesen hier hielt ich aufgrund seiner Story gestern für den ersten, musste mich aber von der IMDb eines Besseren belehren lassen. Naschy war zuvor bereits 5 mal in die pelzige Haut des Gebeutelten geschlüpft, selbst der hier vor einigen Monaten besprochene, pulpige LOS MONSTRUOS DEL TERROR ging diesem noch voraus. Da sage noch mal einer, Reboots seien eine Erfindung der Gegenwart! Zurück zu Aureds Film: Wie eigentlich alle spanischen Horrorfilme jener Zeit, die ich bisher gesehen habe, hat auch EL RETORNO DE WALPURGIS heftige Schlagseite Richtung Melodram: Gegenüber dem traurig dreinblickenden Waldemar (in der deutschen Fassung Wladimir), dessen Liebesglück sich aufgrund eines Fluchs, für dessen Ursache er rein gar nichts kann, nicht erfüllt, der stattdessen zum Mörder wird und keinerlei Aussicht auf Retung hat, tritt das Treiben des Monsters doch ziemlich in den Hintergrund. Paul Naschy ist natürlich super, gerade weil er optisch überhaupt kein Starpotenzial mitbringt und in die Rolle des tragischen Verlierers so noch besser reinpasst, aber ein bisschen langweilig sind diese Filme schon. Man weiß stets von vornherein, was passiert, und der holprige Schnitt verhindert, dass man wirklich eintaucht ins Geschehen: Die Szenenübergänge sind das Äquivalent zum Sprung auf der Schallplatte. Andererseits ist auch EL RETORNO DE WALPURGIS unbedingt liebenswert: Eine gewisse Atmosphäre kann man ihm nicht absprechen, das Wolfs-Make-up finde ich super und eigentlich sogar besser als spätere, weitaus realistischere Varianten, gewisse Unzulänglichkeiten versprühen zentnerweise Charme, etwa das Wölfe hier von Schäferhunden verkörpert werden. Man fährt definitiv besser, wenn man in diesen Film mit der Erwartung einer bestimmten Stimmung und Bildwelt geht, als mit der Hoffnung auf spannende Unterhaltung.

Dr. Elson Po (James Hong) ist berühmt für seinen exquisiten Wein, der auf Auktionen schon einmal fünfstellige Beträge einbringt. Sein Erfolgsgeheimnis hängt eng mit einem anderen, deutlich spektakuläreren zusammen: Po ist tatsächlich mehrere 100 Jahre alt, denn er hat das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt. Doch die Kraft seines Zaubertranks, dessen wichtigste Zutat Menschen sind, lässt nach. Also lädt er ein Filmteam auf seine Insel ein, um neuen Rohstoff zu bekommen. Und die hübsche Schauspielerin Jezebel (Karen Witter) scheint als Menschenopfer die Lösung all seiner Probleme …

Regisseur und Hauptdarsteller James Hong ist einer jener Hollywood-Darsteller, die auf ewig dazu verdammt sind, die immergleichen Nebenrollen zu bekleiden. In unzähligen Filmen gibt er den asiatischen Papa, den weisen Kung-Fu-Meister, den Besitzer des chinesischen Lebensmittelladens/Restaurants oder auch mal den Yakuza-Chef. Trotz stets verlässlicher Leistung brauchte er sich innerhalb des Studiosystems keine Hoffnungen darauf zu machen, jemals eine Hauptrolle zu bekommen. Um das zu ändern, musste er erst selbst auf den Regiestuhl klettern. Aber statt sich selbst zum Protagonisten eines großen Dramas zu machen, besetzte er sich als Schurken in diesem Heuler, bei dem ich nicht so recht weiß, ob er Beleg für den großen Humor oder die inszenatorische Einfalt Hongs ist.

THE VINEYARD fängt viel versprechend mit einer Sexszene zwischen Hongs Po (höhö) und einer gut 25 Jahre jüngeren Darstellerin an und macht auf diesem Niveau erst einmal weiter. Die Opferschar wird von grotesk untalentierten Achtzigerjahre-Hackfressen gegeben – einer sieht aus wie Schlagerfuzzi Andy Borg als Aerobic-Lehrer, der natürlich schwule deutsche Filmproduzent wird gespielt vom deutschen Star-Friseur Karl-Heinz Teuber und der „Held“ ist ein asiatischer Streber mit Riesenbrille, der lieber Bücher liest, anstatt die willigen Bimbos anzugraben –, Po unterhält in seinem Haus einen „dungeon“, in dem verschwitzte Weiber sich mit zerrissenen Kleidern in Ketten winden, er hat eine Armee von geistig minderbemittelten Bodyguards und zwischen seinen Weinreben halten Zombies ein Mittagsschläfchen. Das alles verspricht herrlich bunten Trash und zum Teil liefert Hong auch genau das. Was stutzig macht, das sind die Momente, in denen sich die Gelegenheit böte, auch an der Splatterfront auf die Kunstblut-Tube zu drücken: Hier kneift Hong und es stellt sich die Frage, ob technische Limitierungen dazu führten oder nicht doch Unwille. So wie THE VINEYARD im letzten Drittel verläuft, erhärtet sich der Verdacht, dass Hong womöglich wirklich glaubte, einen spannenden Gruselfilm zu drehen, jedenfalls weiß er den Blödheiten der ersten Stunde nichts mehr hinzuzufügen. Sehr, sehr schade, denn nach einer halben Stunde hatte ich wirklich die Hoffnung, hier einen bislang unbeachtet gebliebenen Partyfilm geborgen zu haben. Lustig ist THE VINEYARD trotzdem und irgendwie sehr putzig in seiner unverstellten Unbeholfenheit – aber am Ende leider eben auch ein bisschen langweilig.

Nach einem missglückten Selbstmordversuch landet ein namenloser, junger Mann (Zeljko Ivanek) als „John Doe 83“ in einer Heilanstalt und dort in der Obhut der Psychologin Dr. Gail Farmer (Kathryn Harrold). Sie entwickelt schnell Sympathien für den stillen, tief verletzt wirkenden Patienten. Und dieser wohl auch an ihr, denn eines Abends beobachtet sie ihn, wie er eine Halskette aus ihrer Wohnung entwendet. Doch alles entpuppt sich als Einbildung der Ärztin: John Doe sendet der Frau telepathische Botschaften und Bilder, die sie fieberhaft zu entschlüsseln versucht. Unterdessen kommen ihrem Vorgesetzten Dr. Denman (Paul Freeman) langsam Zweifel an ihrer geistigen Gesundheit …

Die frühen Achtziger waren wohl eine gute Zeit für Horrorfilme mit Telepathie-Bezug: CARRIE lag noch nicht allzu weit zurück, moderne Klassiker wie De Palmas THE FURY und Cronenbergs SCANNERS entstanden, THE DEAD ZONE sollte bald folgen, ein paar weitere habe ich jetzt wahrscheinlich unterschlagen und mit Roger Christian lieferte ein Newcomer ein doch recht ansehnliches Derivat zum Minitrend ab. Formal ist THE SENDER sehr überzeugend, braucht den Vergleich mit genannten Meisterwerken nicht zu scheuen, auch wenn er an diese logischerweise nicht heranreicht: ruhig und geduldig inszeniert, schön fotografiert, mit einem traurigen, getragenen Score von Trevor Jones und einer guten Leistung des Hauptdarstellers, der den brütenden, schweigenden Sonderling gibt, ohne damit Aggressionen beim Zuschauer auszulösen. Auch die Effektszenen verfehlen ihre Wirkung nicht: Christian setzt nicht allein auf grelle Vordergründigkeit, vielmehr unterstreichen diese Szenen den unheimlichen Charakter des Films, seine deprimierende, hoffnungslose Stimmung. Sie bewahren das Geheimnis ihres Protagonisten, anstatt es bis auf Herz und Nieren zu durchleuchten. Wo ich schon bei der Atmosphäre bin: Tatsächlich ist Cronenbergs THE DEAD ZONE in dieser Hinsicht ein ganz guter Vergleich, weil beide Filmen die Begabung des Protagonisten als Fluch darstellen. In Cronenbergs Film kommt das zwar noch viel deutlicher zum Vorschein, weil er auf Handlungsebene eine über das bloß individuelle hinausgehende gesellschaftlich-politische Dimension anvisiert – seine Hauptfigur muss sich opfern, um die Welt zu retten –, trotzdem löst THE SENDER ganz ähnliche Gefühle aus. Der Versuch, sein Leid mitzuteilen, bringt für John Doe keinerlei Erlösung. Es ist ein Hilferuf, der zwar nicht ungehört verhallt, letztlich aber nichts an seiner Verlorenheit ändert.

Leider wird man als Zuschauer mit seiner Empathie am Ende von THE SENDER ein bisschen allein gelassen, weil der Film mit seiner Auflösung ins Leere läuft. Christian schürt große Erwartungen, die letztlich milde enttäuscht werden. Vielleicht sollte ich hier auch nicht unzulässig verallgemeinern: Ich war mir am Ende nicht ganz sicher, ob das alles wirklich so unspektakulär ist, oder ob mir lediglich etwas Entscheidendes entgangen war. Dass meine liebe Gattin mir sagte, dass sie den Film nicht verstanden habe, stützt meine Kritik – oder aber das alte Sprichwort, dass sich doof und doof gern gesellen. Wie dem auch sei: THE SENDER ist ein Film, der mit seiner Ernsthaftigkeit aus der Masse heraussticht und unbekannt genug ist, um ihn Genrefreunden, die gern in der Vergangenheit stöbern, ans Herz zu legen.