Der „Fluss ohne Wiederkehr“ ist in Premingers Film natürlich in zweierlei Hinsicht ein ebensolcher: in wörtlicher, weil derjenige, der sich seinen Gefahren aussetzt, dabei ums Leben kommt, in bildlicher, weil sein Bezwinger, der Siedler Matt Calder (Robert Mitchum) die Rückreise nicht mehr als Derselbe antritt.
RIVER OF NO RETURN ist einer jener Filme, die einzig mit dem Begriff des „großen Kinos“ angemessen beschrieben sind. Leider muss man dieser Beschreibung heute einen mittellangen Exkurs anhängen, weil er längst zur hohlen Phrase verkommen ist. Inflationär wird nämlich jeder Quark als „großes Kino“ bezeichnet, sofern er nur teuer genug ist oder aber erfolgreich in dem Unterfangen, auch noch den taubsten Gestalten für anderthalb Stunden das Gefühl zu vermitteln, ein echter Mensch zu sein, mit richtigen Emotionen und tiefen Gedanken und so. Im Zusammenhang mit Premingers Klassiker bedeutet „großes Kino“ nichts weniger, als dass hier alles in erster Linie Bild ist und jede Interpretation dieses Bildes nur höchst unzureichend und nachrangig (womit ich natürlich auch eine super Ausrede habe, falls jemand meinen Text blöd findet).
Schon an seiner Struktur kann man erkennen, dass sich Preminger vor allem für etwas interessiert, was jenseits von Psychologie und Motivation liegt. Die Handlung ist kaum mehr als eine Prämisse, ein Vorwand, die Protagonisten auf dem Fluss ohne Wiederkehr durch diese Wahnsinnslandschaft zu schicken, die angeblich „alive with indians“ ist, die man dann aber auch eher selten zu Gesicht bekommt. Trotzdem sind sie natürlich ebenso da, wie alles andere, was man mit jenem Traumland weit im amerikanischen Westen verbindet, auch da ist. Von diesen Träumen handelt der Film, davon, wie sich Menschen in diese Träume werfen und ihnen dann ein Stück Realität abtrotzen – oder bei dem Versuch jämmerlich verrecken. Harry Weston (Rory Calhoun), ein Zocker und Ehemann der Sängerin Kay (Marilyn Monroe), hat einmal in seinem Leben Glück gehabt. Am Ende des Flusses ohne Wiederkehr winkt der Ort Council City und ein Fleckchen Erde, auf dem man Gold (noch so ein Traumbild: im ganzen Film bekommt man nicht ein Nugget zu Gesicht) suchen und hoffentlich finden kann. Um diesen Traum Realität werden zu lassen, ist dem kleinen Ganoven plötzlich jedes Mittel recht – auch Mord. Matt Calder, selbst ein reuiger Mörder, träumt von einem friedlichen Leben mit eigener Farm und seinem Sohn – einem ehrlichen Leben, für das er sich nicht zu schämen braucht, das zu verteidigen er aber auch bereit ist, alles zu riskieren. Dazwischen Kay, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, auszubrechen, und dem Bedürfnis, dabei ehrlich zu bleiben. Weston nimmt Calder alles, zumindest in der Bild-Sprache des Films, nämlich Pferd und Gewehr, um sein Ziel zu erreichen, und zwingt ihn so, auch noch den verbleibenden Rest – sein nacktes Leben – zu riskieren, um sich die Grundlage seiner Existenz zurückzuholen. Sie wartet am Ende des von reißenden Stromschnellen gepeitschten und von blutrünstigen Indianern belagerten Flusses, in Council City, einm utopischen Ort, der sich als erschreckend armselig entpuppt. Hier soll alles besser werden?
Um zu verdeutlichen, dass RIVER OF NO RETURN ein Film über unerreichbare Träume und ihre Verheißungen ist, hätte ich auch einfach nur zwei Namen in die Runde werfen können: Marilyn Monroe und Robert Mitchum. Zwei Schauspieler, die die Überlegenheit des US-amerikanischen Kinos jener Zeit symbolisieren: Keine andere Filmindustrie hat Stars hervorgebracht, die zu solch mächtigen Mythen wurden, das Begehren des Publikums so kommandierten, wie Hollywood. Die Monroe ganz fraugewordene Verführung, als steter Tease die Verlockungen eines Heims verkörpernd, das nun einmal ohne Frau nicht vollständig ist, Mitchum der Inbegriff (na gut, das war vielleicht eher John Wayne) des All-American Man, jenes Raubeins, das das Ideal am Horizont selbst dann noch verfolgt, wenn es weiß, dass es unerreichbar ist. Warum dann also nicht diese blonde Fieberfantasie von Frau schnappen und das Beste aus den wenigen Möglichkeiten machen? Warum sich nicht der nächsten Herausforderung stellen, wenn man den Fluss ohne Wiederkehr bereits bewältigt hat?
Ich bin einigermaßen entsetzt über die nur leicht überdruchschnittliche Bewertung dieses Films auf Imdb. Peter Greenaway hat mal gesagt, der moderne Mensch sei unglaublich gut mit Worten und Texten, aber er habe es verlernt, Bilder zu lesen. Die Größe von RIVER OF NO RETURN muss man nicht suchen. Sie liegt ganz offen dar. Man muss nur hinschauen. Das können viele wohl nicht mehr.