Nur um das einmal in aller Deutlichkeit gesagt zu haben: THE WICKER MAN ist ohne Frage einer der mit Abstand originellsten Horrorfilme überhaupt. Er ist so originell, dass die Etikettierung „Horrorfilm“ ihn nur noch sehr, sehr unzureichend beschreibt. Der Plot kreuzt zwar Elemente des Kriminalfilms, des Mysterythrillers, des Backwood-Films und natürlich des Okkultschockers, doch anstatt diese unheimlichen Elemente zu akzentuieren, verzerrt Regisseur Hardy (dessen nächster Spielfilm danach über zehn Jahre auf sich warten ließ) sie zu einer grellen Farce. THE WICKER MAN provoziert weniger Gänsehaut als Gelächter, wenn er seinen selbstgerechten, biederen und puritanischen Protagonisten mit dem frivolen paganistischen Treiben auf der Insel konfrontiert.
Sergeant Howie (Edward Woodward) – eine Jungfrau, die sich für die bevorstehende Ehe „aufspart“ – wird auf die schottische Insel Summerisle gerufen, um dort im Fall eines vermissten Mädchens zu ermitteln. Auf der Insel, über die der freigeistige Lord Summerisle (Christopher Lee) herrscht, trifft er erst auf widersprüchliche Aussagen oder Schweigen, dann immer wieder auf merkwürdige Praktiken und Bräuche: Paare treiben es nachts offen auf der Straße, schon kleine Kinder werden sexuell aufgeklärt, Naturgötter und -geister in empathischen Liedern besungen. Auf der äußerst fruchtbaren Insel vertritt man offensichtlich eine paganistische Naturreligion. Howie ist nacheinander verwundert, abgestoßen und erschüttert, wird in seiner Enthaltsamkeit schließlich auch noch von der verführerischen Willow (Britt Ekland) auf eine harte Probe gestellt. Während eines traditionellen Sommerfestes kommt er dem Geheimnis um das verschwundene Mädchen auf die Spur – doch er wird niemandem mehr davon berichten können …
Das Finale um den titelgebenden „Weidenmann“, eine riesige, an der Steilküste Summerisles errichtete Holzfigur, enthält das wohl berühmteste Bild des Films, sticht aber auch weit aus ihm heraus. Der Beginn, wenn Howie die Insel mit ihren eigenartigen Bewohnern besucht, die ihn wie einen Außerirdischen beäugen, und das genannte Ende, wenn er erkennen muss, dass er nie die Hebel in der Hand hatte, suggerieren einen halbwegs „normalen“ Horrorfilm, doch die 60 Minuten dazwischen sind es, die den Film eigentlich auszeichnen. Unterstrichen von den leichten, melodiösen und flockigen Folksongs und folkloristischen Tanznummern, den sonnigen Settings und dem unverstellten Wesen der Inselbewohner ist THE WICKER MAN ein zwar bizarrer, aber eben niemals schockierender Film. Die Assoziation, die sich am ehesten einstellt, ist die einer klugen Vermählung von Kafkas hintersinnig-ernüchtertem Witz und dem absurden, die steife Art der Briten aufs Korn nehmendem Humor Monty Pythons. Tatsächlich funktioniert THE WICKER MAN wie ein mit versteckter Kamera aufgezeichneter Streich, der einem religiösen Biedermann gespielt wird: Das größte Vergnügen für den Zuschauer besteht darin, die Differenz der zwischen angewidert und fassungslos pendelnden Gesichtszüge Howies und der auf dessen Entsetzen ihrerseits verständnislos reagierenden Inselbewohner zu beobachten. Die beiden Seiten werden vom adäquat hölzernen Woodward – der später den ähnlich humorlosen „Equalizer“ in der gleichnamigen Fernsehserie spielte – und dem freigeistigen Christopher Lee – hier im ungewohnten Hippielook – kongenial verkörpert. Den Kern des Films bildet ein handfestes Kommunikationsproblem: die Unfähigkeit zweier diametral entgegengesetzter Gesinnungen, sich einander zu erklären oder zu begreifen. Ganz sicher steckt in THE WICKER MAN auch ein Stück britischer Selbstkritik: Das Unverständnis Howies für die Bräuche auf Summerisle spiegelt zum einen den britischen Traditionalismus wider, der sich fast starrsinnig an liebgewonnene Bräuche klammert, aber natürlich auch den ratlosen Blick, den der Rest der Welt auf das seltsame Inselvolk wirft. Ein brillanter Film.
[…] vor klasse aus … Musikalisch finde ich Radiohead seit Jahren mäßig interessant, aber die Wicker Man Neuinszenierung im aktuellen Musikvideo ist verdammt […]