the dirty dozen (robert aldrich, großbritannien/usa 1967)

Veröffentlicht: Mai 19, 2013 in Film
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Ein junger Mann in Uniform wird zu seiner Hinrichtung geführt. Die Gefangenen, an deren Zellen er vorbeigeht, erweisen ihm ihren Respekt, indem sie mit Metalltellern gegen die Gitterstäbe schlagen. Einige rufen ihm aufmunternde Worte zu, doch der junge Mann ist einfach nur irritiert, völlig überfordert damit, auch nur annähernd zu begreifen, was gerade mit ihm geschieht. Er hat das Gesicht eines Jungen, es scheint völlig undenkbar, dass er etwas getan hat, was seine Bestrafung rechtfertigt. Die ihn umgebenden Offiziere und Wachen, die seine Exekution sicherstellen sollen, sind völlig desinteressiert an seiner Lage: Ohne jede Empathie, ohne auch nur einen Blick für ihn walten sie ihres Amtes und leiten ihn schließlich in jenen Raum, von dessen Decke die Schlinge baumelt, an der er seinen Tod finden soll. „Haben Sie noch etwas zu sagen?“, wird er gefragt, nachdem man ihm schon eine schwarze Kapuze übergestülpt und ihm die Schlinge um den Hals gelegt hat. Und wie ein kleiner Junge fängt er nun unter dem schwarzen Stoff an zu wimmern: „Ich habe das doch nicht gewollt. Es war doch keine Absicht.“ Seine Beteuerungen helfen nicht, es war ja nie vorgesehen, dass seine Worte etwas ändern könnten. Fast scheinen die Anwesenden etwas empört darüber, dass der Verurteilte ihnen nun auch noch ein schlechtes Gefühl beschert. Ein Hebel wird umgelegt, der Mann stürzt durch eine Falltür, bevor das Seil ihm mit einem Krachen das Genick bricht. Major Reisman (Lee Marvin) hat das alles aus dem Hintergrund mit versteinertem Gesicht und eben noch zurückgehaltenem Zorn und Ekel beobachtet. Nun hat er genug gesehen. Er dreht sich um und geht.

Die Szene ist inhaltlich nur von tangentialer Bedeutung für THE DIRTY DOZEN, dient vor allem als Einführung Reismans als unbequemem, hartem, aber menschlich gebliebenem Soldaten, der den Entscheidungen der Vorgesetzten kritisch gegenübersteht und seinem Missfallen auch ungeschönten Ausdruck verleiht. Und sie dient als Anschauungsmaterial dafür, was den zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Titelhelden, dem „dreckigen Dutzend“, blüht. Viele von ihnen sind zum Tode verurteilt, andere sehen einem Leben hinter Gittern entgegen. Wichtiger aber ist dieser Prolog, um eine gewisse Stimmung zu etablieren, ein Bild im Gedächtnis der Zuschauer zu implantieren, das auch in den folgenden heitereren Momenten des Films nie ganz verblasst. THE DIRTY DOZEN erscheint nämlich streckenweise – konträr zu seiner Thematik – wie ein freundlicher Abenteuerfilm: Er erzählt, wie eine Gruppe von Outcasts über einer gemeinsamen Aufgabe zusammenwächst – ähnlich wie in Aldrichs vorangegangenem THE FLIGHT OF THE PHOENIX –, beschwört dabei Teamgeist, bedient sich einer gewissen Außenseiterromantik und zeichnet die Mission der Titelhelden – den Überfall auf ein mit ranghohen Nazis besetztes Schloss – als tollkühnes Abenteuer. Es ist diese Auftaktszene, die den Film erdet. Hier sterben keine charismatischen Raubeine den Heldentod: Hier werden Männer ohne jede Chance berechnend und mitleidlos in den Tod gehetzt. Sie bekommen eine Chance, die keine ist, und müssen das Beste daraus machen.

Das Nebeneinander ausgelassener und überaus grausamer Szenen hat dem Klassiker durchaus einige kritische Stimmen eingebracht. Dass Soldaten als kernige Recken dargestellt werden, der Krieg als Abenteuer gilt spätestens seit den 1970er-Jahren, in denen der Kriegsfilm als Antikriegsfilm „wiedererfunden“ wurde, als verpönt. Seitdem sind wir es gewöhnt, den Armeealltag als stumpfsinnig und unmenschlich zu sehen, Kriegseinsätze als grausam und sinnlos. Aldrich spart diese Seite nicht aus, aber es ist nicht die einzige, die er zeigt. Wenn das „dreckige Dutzend“ sich gegenüber den  verbohrten, peniblen und arroganten Paragrafenreitern Breed (Robert Ryan) und Denton (Robert Webber) beweisen muss, indem es ein Manöver für sich entscheidet, ist jedes Grauen weit weg, erreichen der Film und seine Protagonisten eine ungeahnte Leichtfüßigkeit. Die 12 Lumpen haben sich zusammengerauft, sie zeigen, was sie gelernt haben und bescheren den Männern, die immer nur verächtlich auf sie herabgeblickt haben, eine schallende Ohrfeige. Wie schwungvoll, herzlich und einnehmend THE DIRTY DOZEN in dieser Sequenz ist, erkennt man auch an seinem Erbe: Unzählige High-School- und Sportkomödien haben die Dynamik, die sich Adrich hier zunutze macht, eins zu eins kopiert: das Team der gedemütigten Underdogs gegen die Bessergestellten. Aber auch diese Momente der Unbeschwertheit dienen letztlich dazu, Fallhöhe zu schaffen. Seinen grausamen Höhepunkt erreicht der Film, wenn die Männer um Reisman ihre Mission erfüllen: Die in einem Luftschutzkeller eingepferchten Nazi-Offiziere und ihre Frauen werden von den „Helden“ buchstsäblich ausgeräuchert. Die Szene, in der die Todgeweihten hilf- und zwecklos versuchen, die Handgranaten, die ihren Tod bedeuten werden, „abzublocken“, vor Angst schreiend, außer sich vor Panik, verwischt jede bestehende Grenze zwischen den „guten“ Alliierten und den „bösen“ Nazis. Aldrich zielt mit seiner Kritik weniger auf den Krieg allgemein ab – wahrscheinlich, weil er zu sehr Realist ist, um eine Welt ohne Kriege fordern zu können: Krieg ist nicht zu verurteilen, weil er Menschenleben kostet, sondern weil er Menschen dazu zwingt, anderen das Leben zu nehmen, sie in eine solch radikale Grenzsituation zu werfen, in der sie nicht anders können, als sich über ihren „Gegner“ zu stellen. Die armen Schweine des Dutzends haben ja keine Wahl. Am Ende der Mission wird nur einer von ihnen überlebt und sich mit seinem Einsatz ironischerweise nicht die Freiheit, sondern eine Zukunft in den Diensten des Militärs „verdient“ haben. Es ist ganz klar, wen Aldrich als die eigentlichen Übeltäter ausgemacht hat: Wladislaws (Charles Bronson) letzter Satz lautet: „Killin‘ generals could get to be a habit with me.“

Die moralische Anrüchigkeit von THE DIRTY DOZEN ist eigentlich Ausdruck seiner immensen Pointierung. Das Überleben der einen ist an den Tod der anderen geknüpft. Die Verbrecher erhalten Absolution, wenn sie sich als besonders effektive Mörder erweisen. Den Wert des Lebens lernen die Mitglieder des Dutzends kennen, als ihr eigenes keinen mehr hat: in einer kurzen Schonfrist, die ihnen gegeben wird. Ihre Situation erinnert natürlich an jene der Absturzopfer von THE FLIGHT OF THE PHOENIX: Anstatt auf den sicheren Tod zu warten, ergreifen sie den Strohhalm, der sich ihnen bietet und finden in der „Arbeit“ einen neuen Sinn. Umso grausamer ist es, dass sie ihr Schicksal nur ein Stück hinauszögern können. Dass es für sie keine Chance gibt, wird spätestens klar, als Aldrich ihr letztes gemeinsames Zusammentreffen vor ihrer Mission als letztes Abendmahl mit Reisman als Jesus ins Bild setzt. Eine wunderbare Blasphemie ist es außerdem.

THE DIRTY DOZEN ist für mich untrennbar mit Sturges‘ THE MAGNIFICENT SEVEN und THE GREAT ESCAPE verbunden. Alle drei Filme sind großes Abenteuerkino mit einer Darstellerriege, die einem erst das Wasser im Mund zusammenlaufen und dann die KInnlade runterklappen lässt. Alle drei sind episch, decken ein ganzes Spektrum von Emotionen ab, bieten großes Hollywood-Entertainment, das sich einfach nicht abnutzt. Und natürlich spielt in allen dreien Charles Bronson mit. THE DIRTY DOZEN hatte ich beim ersten Mal als „lustigen“ Actionfilm gesehen. Beim letzten Mal war ich schockiert über seine Härten. Diesmal ist diese Irritation der Erkenntnis gewichen, dass Aldrichs Film nicht vom Krieg, sondern vom Leben handelt. Und dasb betrachtet er mit dem Blick des unsentimentalen Realisten und dem Herzen eines Philanthropen.

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