Wenn es um SPARTACUS geht, kommt man für gewöhnlich recht schnell auf das Arbeitsverhältnis zwischen Stanley Kubrick und dem Produzenten und Hauptdarsteller Kirk Douglas. Eine andere Personalie schien mir bei dieser Sichtung aber interessanter und wichtiger: Für seinen Film über die vom Leibeigenen Spartacus geführte Sklavenarmee und ihren Aufstand gegen das römische Imperium engagierte Kirk Douglas nämlich Dalton Trumbo als Drehbuchautor. Der war 1947 als Mitglied der CPUSA, der American Communist Party, auf der berühmten „Schwarzen Liste“ gelandet und hatte seitdem nur unter Pseudonym oder mithilfe eines Strohmanns arbeiten können. Douglas‘ Einsatz für Trumbo (und den gleichfalls gelisteten Nebendarsteller Peter Brocco) brachte ihm zwar eine Tirade von Hollywoods Vorzeige-Reaktionär John Wayne ein, der SPARTACUS als „marxist propaganda“ verbrämte, bedeutete letztlich aber den Todesstoß für McCarthys Kommunistenhetze. Trumbos politische Überzeugungen merkt man SPARTACUS tatsächlich deutlich an: Es braucht nicht viel Fantasie, um im Kampf der Unterprivilegierten gegen den römischen Adel den marxistischen Proletarieraufstand zu sehen. Trumbos Einfluss prägt den Film dann auch stärker als der damals noch junge wilde Regisseur Kubrick. Die unbefriedigende Arbeit unter dem schwierigen Douglas bekräftigte letzteren letztlich darin, bei künftigen Regiearbeiten auf volle künstlerische Kontrolle zu bestehen. Dennoch hinterlässt auch er seinen Stempel: Vor allem jene Szenen, in denen das Sehen thematisiert wird – etwa wenn Spartacus und sein Gladiatoren-Kollege Draba (Woody Strode) durch die schmalen Sehschlitze des Kastens, in dem sie auf ihren Einsatz warten, den Todeskampf ihrer Kameraden beobachten – lassen Kubricks Handschrift erkennen, einige symmetrische Bildkompositionen möchte man ebenfalls ihm zuschreiben. Darunter auch jene während der vielleicht gewagtesten Szene des Films, die vor dem Start des Films der Zensur zum Opfer fiel und erst für die restaurierte Fassung von 1991 wieder integriert wurde: Sie zeigt den Römer Crassus in seinem Bad, wie er sich von seinem Sklaven Antoninus (Tony Curtis) abwaschen und trocknen lässt und diesen in ein Gespräch über seine kulinarischen Vorlieben verwickelt. Hinter Crassus‘ Frage, ob Antoninus sowohl Austern wie auch Schnecken äße, verbirgt sich letztlich ein eindeutiges sexuelles Angebot. Die ganze Szene gründet natürlich auf einer damals noch weiter als heute verbreiteten Homophobie, die Dekadenz kurzerhand mit Homophilie gleichsetzte. Crassus, der römische Intrigant, versucht kraft seiner Eloquenz den moralisch reinen Antoninus zu verführen. Und der quittiert die Avancen sofort mit der erfolgreichen Flucht. „Mein Arsch bleibt Jungfrau!“, hätte er noch ausrufen können. (Interessanter Trivia-Happen: Olivier wird in der re-integrierten Szene von Anthony Hopkins synchronisiert, weil die Original-Tonspur nicht mehr verfügbar war. Und von den Zensoren wurde angeblich der Vorschlag gemacht, die Szene zu entschärfen, indem statt von Austern und Schnecken von Artischocken und Trüffeln gesprochen werde. No shit.)
Die Kritik an dieser (aller ideologischen Bedenken zum Trotz ziemlich tollen) Szene soll keinesfalls den Film als Ganzes in Misskredit bringen. Es ist die Verbindung der beiden Visionäre Trumbo und Kubrick mit Douglas‘ flammendem Ehrgeiz – es heißt, er habe Wyler, der ihn als Hauptdarsteller von BEN-HUR abgelehnt hatte, beweisen wollen, in der Lage zu sein, den besseren Monumentalfilm zu drehen – die SPARTACUS einen heute noch spürbaren Drive und eine beeindruckende Unmittelbarkeit verleihen, die nur wenige Historien- und Bibelschinken aus jener Zeit für sich beanspruchen können. Erscheinen jene aus heutiger Perspektive oft nämlich unnötig dialoglastig, theaterhaft, dramaturgisch steif und trotz ihrer aufwändigen Bauten und Kostüme geradezu unfilmisch, lediglich ein paar Nullen vor dem Komma entfernt von Bad Segeberg, umschifft SPARTACUS diese Untiefen weitestgehend, lässt tatsächlich Bilder und Aktionen sprechen und macht das Schicksal seiner Figuren als menschliches Schicksal greifbar. Es sind nicht zuletzt die ungewohnt körnigen und ungekünstelten Aufnahmen der namenlosen Gesichter, greisenhafter wie blutjunger, wie sie im Gefolge Spartacus‘ die Entbehrungen einer langen Wanderung in die erträumte Freiheit auf sich nehmen, die sich einbrennen und den Film von jener Romantisierung befreien, die die eher typischen Auftritte der Protagonistenschar auszeichnet. Auch in diesen kommt aber ein größeres filmisches Gespür zum Ausdruck: Bis zum Ausbruch der Sklavenrevolte nach ca. einer Stunde ist SPARTACUS von ausgesprochener Ökonomie und Stringenz geprägt und auffallend dialogarm. Erst im letzten Drittel franst der dreistündige Film etwas aus: Es ist das Schicksal des Sklavenanführers und seiner Armee, das den Betrachter fesselt; die immer mehr in den Fokus rückenden politischen Ränkespiele des schurkischen Crassus (Laurence Olivier) und die Schachzüge des römischen Senats entfalten hingegen nicht diese direkte Wirkung und lenken vom Wesentlichen ab.
Aus Trumbos Sicht macht diese Entwicklung, die Abwendung von Spartacus, natürlich Sinn: Die so mächtig gen Ufer wogende Flut der Revolution bricht sich letztlich am felsigen Ufer, ohne dort nennenswerte Spuren zu hinterlassen. Die Macht des Kapitals hat sich als stärker und ausdauernder erwiesen als der gerechte Zorn der Underdogs. Nachdem sich Rom eine Weile hat auf der Nase rumtanzen lassen – auch, weil es die drohende Gefahr unterschätzt hatte –, beendet es den Zwergenaufstand just in dem Moment, als es sein ganzes zur Verfügung stehendes Potenzial nutzt. Der Traum der Sklaven von einem Leben in Freiheit zerbröckelt: Die Welt ist schon zu komplex geworden, als dass sie David einen weiteren Triumph über Goliath erlauben würde. Die Piraten, deren Schiffe Spartacus zur Flucht gekauft hatte, ziehen sie gegen eine höhere Summe aus den Händen der Römer einfach wieder ab. Im Kampf gegen die vereinten Armee Roms haben die Sklaven keine Chance. Als Mahnung für künftige Aufständige werden sie an den Straßen, die nach Rom führen gekreuzigt. Was am Ende als einziges bleibt ist der Blick in die Zukunft: Spartacus‘ Frau Varinia (Jean Simmons) wird in die Freiheit entlassen, gemeinsam mit seinem Sohn. Er wird kein Sklave mehr sein.