Armond White schloss seine Rezension von END OF WATCH mit dem Satz „It’s Gyllenhaal and Peña’s excellent acting that brings the genre something new and, well, entertaining.“ und traf den Nagel damit auf den Kopf. Innerhalb des breiten Copgenres, das seit den späten Sechzigerjahren von abgefuckten Zynikern in Uniform bestimmt wird, markiert END OF WATCH eine wohltuende Ausnahme, ohne dabei in blinde Heldenverehrung zu verfallen: Er ist einfach menschlich.
Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und sein Partner Mike Zavala (Michael Peña) sind, anders als viele ihrer Genrekollegen, über ihrer Arbeit nicht selbst zu Verbrechern geworden. Sie lassen sich weder bestechen noch wissen sie den Herausforderungen ihres Berufs nur mit Gewalt zu begegnen. Wenn sich die beiden auf Streife durch ihren Bezirk, den Krisenherd Newton im Süden von L.A., begeben, verfolgen sie kein anderes Ziel, als jede der sich ihnen stellenden Aufgaben bestmöglich zu lösen. Was sie dabei sehen, schockiert sie, macht sie wütend, stößt sie ab – aber es bestimmt sie nicht. Was ihnen dabei hilft, das Gesehene zu verarbeiten und jeden Tag wieder in ihren Wagen zu steigen, ist ihre Freundschaft. Und so werden die Gespräche zwischen den beiden, in denen binnen von Sekunden die Distanz zwischen männlich-kumpelhafter Neckerei und intimen persönlichen Offenbarungen durchmessen wird, zum eigentlichen Zentrum des Films, der sonst einer auffallend losen Struktur folgt. END OF WATCH drängt ins Episodische und es wird nicht wirklich klar, welche Zeit er überbrückt. Brian, der unzufriedene Single, lernt im Laufe des Films eine Frau kennen, die er gegen Ende dann heiratet. Ein Ganove, den die beiden Cops zu Beginn hinter Gitter bringen, berichtet wenig später von seiner absolvierten Haftstrafe. Tage und Nächte fließen ineinander, Brian und Mike bleiben dieselben. Man ahnt, worauf das alles hinausläuft, weil man das Genre und die Logik, der es folgt, kennt, aber END OF WATCH bleibt davon unberührt. Der Tod wird nicht thematisiert. Dass er hinter jeder Ecke lauert, ist klar. Aber wie könnten Brian und Mike ihren Job machen, wenn sie sich das ständig vor Augen hielten? Regisseur Ayer zeigt, was den Polizeidienst von anderen Berufen unterscheidet, aber seine Protagonisten lassen sich davon nicht beeindrucken. Sie erledigen ihre Arbeit wie MIllionen anderer Menschen auch. Manchmal erscheinen Brian und Miguel fast naiv, wenn sie sich über Banalitäten kaputtlachen, während sie auf der Fahrt zu einem Einsatz sind, der ihr letzter sein könnte.
Dass der Film mit einer Danksagung an die Tausenden Polizeibeamten, die ihr Leben für die Sicherheit der Bürger riskieren, endet, ist gleichermaßen überraschend wie folgerichtig: Überraschend, weil Ayer seine Protagonisten nicht auf ein Podest stellt. Er zeigt sie mit all ihren banalen Makeln und Verfehlungen, verzeichnet ihre Leistungen nicht zu übermenschlichen Heldentaten, sondern bemüht sich gerade darum, dass Alltägliche an ihnen zu betonen. „Fühlst du dich wie ein Held?“, fragt Brian seinen Partner, nachdem beide eine Tapferkeitsmedaille dafür erhalten haben, dass sie drei Kinder aus einem brennenden Haus befreit haben. „Ich folge dir nie wieder in ein brennendes Haus.“, fügt er an. Heldentum unterscheidet sich von Unvernunft manchmal nur durch das Ergebnis. Gerade das zeichnet wohl den Helden aus: Dass er in dem Moment, in dem er seine Entscheidung trifft, noch nicht wissen kann, ob ihn die Menschheit später als Dummkopf oder eben als Helden im Gedächtnis behalten wird. Es ist ihm egal, es spielt keine Rolle für seine Entscheidung.
David Ayer machte sich einen Namen mit dem Drehbuch zu TRAINING DAY, einem Film, den ich damals mit Leidenschaft gehasst habe. END OF WATCH ist mit seiner Konzentration auf Charaktere statt auf Plot das krasse Gegenteil von obigem Filmchen, leider aber auch nicht ganz vor schlechten Einfällen gefeit. Dass Taylor seinen Dienst mit einer Kamera dokumentiert, scheint vor allem dem Bedürfnis Ayers geschuldet, seinen Film visuell variabler gestalten zu können. Aber immer, wenn diese Perspektive thematisiert wird, ist das wie das Weckerklingeln, das einen aus einem wunderbaren Traum reißt. Sie fügt sich nicht in Film, zerbricht seinen Realismus eher, als dass sie ihn unterstützen würde. Sie fügt ihm nichts hinzu. Da muss ich mich dann Armond White voll und ganz anschließen, dessen obiger Satz auch illustriert, dass die Regie dem Spiel der beiden Hauptdarsteller hinterherhinkt. Man kann das als Kritikpunkt formulieren oder als Lob der Leistung von Gyllenhaal und Peña. Ich tendiere zu letzterem. END OF WATCH ist unbedingt sehenswert und Pflichtprogramm für Freunde des Polizeifilms.