„Es war ein Glücksfall, dass ich so viel Glück hatte.“ Wenn Rolf Eden – Playboy, Clubbetreiber, Selfmade-Lebemann, Medienfigur und „peinlichster Berliner“ – versucht sein Leben und seinen Erfolg zu erklären, endet er unweigerlich in Redundanzen. Dörflers Film wirft die Frage auf, ob Eden es wirklich nicht besser weiß, oder ob er einfach nur sein Geheimnis bewahren will. Die Antwort bleibt Dörfler schuldig: Seine Dokumentation ist gerade deshalb so faszinierend und spannend, weil sie die vielen Widesprüchlichkeiten seines Objekts einfängt, ohne eine Auflösung anzubieten. Man möchte diesen Rolf Eden allzu gern in eine Schublade stecken, auch weil er es ja selbst geradezu darauf anlegt, in einer zu landen – Sexist, Chauvie, Großkotz, Kapitalist, Selbstdarsteller –, aber am Ende will er in keine so ganz hineinpassen.
Dörfler folgt Eden in den Tagen, Wochen und Monaten um seinen 80. Geburtstag herum durch das, was man wohl als seinen Alltag bezeichnen muss, besucht mit ihm Verwandte und Freunde in Israel (darunter auch Filmproduzent Menahem Golan), lässt seine aktuelle Lebensgefährtin „Brigitte“, seine Verflossenen, einige seiner 7 Kinder und deren Mütter zu Wort kommen, zeigt ihn, wie er im Blitzlichtgewitter des Boulevards aufblüht, und zeichnet eine bewegte Lebensgeschichte in lebendig werdenden Fotografien und von Eden selbst gedrehtem Filmmaterial nach. THE BIG EDEN erzählt nicht nur die Geschichte einer schillernden Persönlichkeit, sondern auch ein Stück bundesrepublikanischer (Nachkriegs-)Historie.
Als Rolf Siegmund Sostheim wird Eden 1930 in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren. Als sich die drohende Gefahr im Dritten Reich abzeichnet, fliehen sie gemeinsam nach Israel, wo Eden aufwächst und 1948 im israelischen Unabhängigkeitskrieg kämpft. Nach einer Zwischenstation in Paris landet er 1956 in Berlin, wo er als zurückkehrender Flüchtling 6.000 DM erhält. Er eröffnet seinen ersten Club, das Old Inn, der das Berliner Nachtleben prägt und weitere Diskotheken, die von seinem Geschäftssinn, seinen Ideen und seinem Image als Lebemann und Bon-Vivant profitieren. Ausgerechnet ein Jude zeigt den Deutschen nach dem Krieg wie das mit dem ungehemmten Hedonismus funktioniert. Darauf angesprochen, sagt Eden nur: „Mich hat das nie interessiert.“ Der Mann, der behauptet, immer nur das Gute, Schöne sehen zu wollen, scheint geradezu unfähig, das Schlechte, Böse, Hässliche überhaupt wahrzunehmen. Immer dabei sind die Frauen: jung, schön, willig, angezogen von seinem Geld, aber auch seinem Charme. Die Kunst der Verführung, so schildert es eine seiner zahlreichen Geliebten, hat er über die Jahrzehnte so weit perfektioniert, dass es schwerfällt, sich ihm zu entziehen, auch wenn das Ende vorprogrammiert ist. Ursula Buchfellner, seine langjährige Partnerin und Schauspielerin in zahlreichen Softsex-Filmen – wie etwa Francos SADOMANIA oder dem laut Eden „großartigen“ DREI LEDERHOSEN IN ST. TROPEZ –, glaubt trotzdem, dass es Liebe zwischen ihnen war und wird ein bisschen feucht um die Augen. So abstoßend und gestrig Edens Haltung zu Frauen auch sein mag (vieles von dem, was er sagt, scheint der bloßen Lust an der Provokation zu entspringen), keine der zu Wort kommenden Frauen ist in der Lage, etwas wirklich Negatives über ihn zu sagen. Auch wenn sie längst wissen, nur eine Episode im perfekt gescripteten Leben Edens gewesen zu sein, meint man vor allem eine gewisse Wehmut in ihrem Blick sehen, in ihrer Stimme hören zu können, wenn sie sich an die gemeinsame Zeit erinnern. Auch wenn sie nur kurz war, so war sie wahrscheinlich paradiesisch.
Sind Treue und Monogamie im allgemeinen Verständnis paradigmatische Konstituenten für das Phänomen namens Liebe, zeigt THE BIG EDEN eine ganz anders geartete Interpretation des Begriffs. Gerade weil Eden die Frauen liebt, jede für sich, kann er nicht nur mit einer zusammen sein. Mehr als sich in einer Abfolge kurzer, rein körperlicher Affären zu ergehen, vergibt Eden „Liebe auf Zeit“. Dörflers Film lässt die Möglichkeit, dies nicht nur als Bindungsunfähigkeit und Ausbeutung, sondern als Ausdruck einer eigenen Art von Großzügigkeit zu betrachten. Eden lässt niemandem ganz an seinem Leben teilhaben, aber er ist bereit, es mit vielen zu teilen. Mehrfach wird er als in der Pubertät stecken gebliebener Junge beschrieben, der alles haben, aber keine bleibende Verantwortung übernehmen will. Mit der Nachricht seiner Vaterschaft konfrontiert, ist die Rollenvergabe stets klar. Als „Vater“ übernimmt er eine rein repräsentative und wirtschaftliche Funktion. „Da“ ist er dennoch: Die seltsame Beziehung zu seinen Sprösslingen, die zwischen 13 und 61 Jahre alt sind, ist einer der spannendsten Aspekte des Films. Ein echter Papa kann und will Eden nicht sein, die Beziehung zu den Kindern bleibt notgedrungen oberflächlich, aber es gibt eine. Der Film deutet an, wie seltsam das für die Kinder sein muss, zu wissen, in einer heißen Nacht von Rolf Eden gezeugt worden zu sein, zu wissen, dass die eigene Mutter sich von einem millionenschweren Playboy hat verführen lassen. Es ist Dörflers Verdienst, dass er kein moralisches Urteil fällt, sondern lediglich ein Lebensmodell abbildet. Eines, das im Unterschied zu vielen anderen, wie es einer von Edens Söhnen sagt, nicht darin besteht, andere in den eigenen Sumpf herabzuziehen, sondern Freude zu stiften. Auch wenn diese Freude nur von kurzer Dauer und möglicherweise das Ergebnis einer geschickten Manipulation ist.
Einer der besten Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe.
Einer der besten Filme dieses Jahr? Ernsthaft? Ich glaube man kann auch sehr viel pseudokram in dieses Werk und ganz speziell in die Figur Eden hineinprojizieren. SO ein Mysterium und interessanter Charakter ist der Mann nun wirklich nicht. Er hat Geld gemacht und Frauen beschlafen. Kurz: Sein Leben genossen. Aber ob solch ein Leben wirklich derart großen Nährwert besitzt um einem solchen Leben eine Doku zu widmen, bezweifel ich. Ich fand die Doku größtenteils banal. Eden hat nichts, aber wirklich auch gar nichts zu sagen. Er öffnet den Mund, sagt aber nichts.
Wie man das Leben eines Playboys interessant filmisch verpackt hat zuletzt der geniale LA GRANDE BELLEZZA gezeigt. Der macht Spaß, der hat Tiefe, der hat Nährwert. Natürlich fiktiv. Aber Eden hat als Realo eben nichts vorzuweisen, was eine nähere Beschäftigung mit ihm rechtfertigen würde.