Lord Curtain (Wilhelm Vorwerg) wird erschossen in seinem Zimmer aufgefunden, außerdem eine Nachricht des mysteriösen „Hexers“ (René Deltgen), der der Polizei vor Jahren entkommen konnte. Doch der Hexer kann es nicht gewesen sein, weilt er doch in Australien. Als ihm zu Ohren kommt, dass er in einem Mordfall gesucht wird, reist er mit seinem Butler Archibald Finch (Eddi Arent) und seiner Gattin Cora (Margot Trooger) nach London, um den Verbrecher seinerseits zu stellen. Das gefällt Inspector Wesby (Heinz Drache) überhaupt nicht, zumal es jemand auf die gesamte Familie der Curtains abgesehen zu haben scheint …
Alfred Vohrer knüpft mit NEUES VOM HEXER an den überaus erfolgreichen Vorgänger nahtlos an: Sein Sequel zeichnet sich durch eine humorvolle, selbstironische Haltung zum 1965 bereits zum Klischee geronnenen Wallace-Stil aus, bietet eine verdrehte Murder Mystery im mondänen britischen Sujet mit zahlreichen Verdächtigen, Opfern und den gewohnten Beigaben: Drache gibt den gewitzten, trockenen Wesby, Arent den stets etwas pikierten Butler, Kinski scheint die Verachtung für den Trivialstoff als Benzin für seine Darbietung als dubioser Hausdiener (mit Dreitagebart) zu nutzen, Siegfried Schürenberg ist wieder als onkeliger Scotland-Yard-Chef Sir John mit von der Partie und Barbara Rütting ist das erotische, aber keinesfalls hilflose Beiwerk.
Der Hexer bietet mit seinen Verwandlungskünsten einige Gelegenheit, die üblichen Verwirrtaktiken der Wallace-Filme durch den Einsatz von Maskerade auf die absurde Spitze zu treiben, eine Szene in einem Stall (?), in dem mehrere Zirkus- oder Zootiere gehalten werden, stellt wohl den Gipfel wilder Einfälle der bisherigen Serie dar: Der hilflose einarmige Junge, der mit den Tigern zusammen eingesperrt wird, bezähmt die Wildkatzen und reitet schließlich sogar auf einer! Das Ganze wird nicht etwa mit Tricks realisiert, die Interaktion zwischem dem Jungen und den Raubtieren ist echt – und wird von Vohrer im vollen Wissen um das Spektakel festgehalten. Ansonsten ist NEUES VOM HEXER angenehm unaufgeregt und damit ganz das Gegenteil des selbstbewussten Vorgängers. Ich habe eine Weile gebraucht, um herauszufinden, warum mir dieses Sequel ausgezeichnet gefiel, während ich DER HEXER zwar nicht schlecht, aber doch etwas anstrengend und langweilig in seiner Großmannssucht fand: Es ist die Abwesenheit Fuchsbergers, die diesen Film zum Gewinner macht. Versuchte man den attraktiven Schauspieler in DER HEXER noch als deutsche Antwort auf James Bond zu etablieren, schielte man mit diversen Modernisierungsversuchen auf das Publikum der Superagentenfilme und verlor darüber etwas die eigene Linie, konzentriert sich Vohrer mit der Fortsetzung wieder ganz auf das, was die Wallace-Reihe erst zum Erfolg machte: diesen etwas angestaubten, behäbigen Charme, der dem entspricht, was der Deutsche wohl als „typisch britisch“ empfindet, das Zusammenspiel liebgewonnener und bekannter Charaktere und ein paar makabre Einlagen.
Es sind dann auch die kleinen, liebe- und wirkungsvollen Details, mehr als große konzeptionelle Würfe und Neuerungen, die NEUES VOM HEXER zu einem der besten Wallace-Filme machen: Allein die Dialoge und das Zusammenspiel von Drache, Arent, Schürenberg und Kinski sind das Eintrittsgeld wert, so subtil, spritzig und echt, dass man den Kriminalfall, der da irgendwo auch noch gelöst werden muss, beinahe vergisst. Und Brigitte Horney, die dem Ringelpiez der vier Würde und Contenance entgegenhält, erweist sich als kongeniale Ergänzung. Ich möchte hier aber noch einmal eine Lanze für Siegfried Schürenberg brechen, der sich im Laufe der Jahre von der sympathischen Randfigur zum unverzichtbaren Bestandteil der Reihe gemausert hat. Sein Sir John ist ein so wunderbarer Charakter voller kleiner lebendiger Details, dass sofort die Sonne aufgeht, sobald er die Szenerie betritt. In ihm verbindet sich auf kongeniale Weise all das, was die Wallace-Filme insgesamt so liebenswert macht. Da ist auf der einen Seite diese britische Haltung; stets würde- und weihevoll sowie hochzivilisiert wird da unter der Wahrung der gesellschaftlichen Etikette noch jeder bloße Gedanke an ein lasterhaftes Treiben rundheraus für unmöglich erklärt, die moralische Überlegenheit des Vernunftmenschen voll vornehmer Zurückhaltung gefeiert, während gleichzeitig das Triebhafte, Unkontrollierte als kleiner Fehlerteufel unter der Fassade lauert. So wird auch der distinuierte, „britische“ Tonfall Sir Johns immer wieder von kurzen Ausreißern in den Jargon deutscher Eckkneipen durchbrochen, wenn nach dem verführerischen Augenaufschlag einer Schönen das Menschliche, Allzumenschliche aus ihm hervorbricht. Dann blitzt es in den Augen des sonst so um Seriosität und Ernsthaftigkeit bemühten Mannes schalkhaft auf, bis das Über-Ich wieder einsetzt, zur Mäßigung mahnt, und Sir John den beinahe erfolgten Sündenfall mit einem erleichterten Seufzen quittiert. Es ist wahrlich ein Vollzeitjob, das Empire zu verteidigen.
Die Edgar-Wallace-Checkliste:
Protagonisten: Inspector James W. Wesby.
Schurke: Ein Mann, der die Familie von Lord Curtain auslöschen will.
Gewalt: Diverse Erschießungen.
Selbstreflexion: Begrüßung zu Beginn, der Titelheld liest den Roman „Neues vom Hexer“, Heinz Drache wendet sich am Schluss ans Publikum und kündigt den nächsten Wallace für das kommende Jahr an, Alfred Vohrer absolviert einen Cameo, Arents Dialogzeile „Jezt hält der sich auch schon für James Bond“ ist wahrscheinlich eine Anspielung auf Joachim Fuchbergers Rolle in DER HEXER.