Archiv für Februar, 2014

In diesem Film passieren Sachen.

Das mag als Inhaltsangabe eine eher dürftige Aussage sein, zudem die Frage aufwerfen, inwiefern diese simple Tatsache DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU von anderen Filmen abhebt, in denen schließlich auch Sachen passieren. Ganz einfach: In anderen, im positiven Sinne „gewöhnlichen“ Filmen passieren Dinge entweder als Resultat vorangegangener Ereignisse oder eben als Ursache nachfolgender Wirkungen. Diese „Dinge“ oder „Ereignisse“ sind meistens Handlungen in dem Sinne, dass sie von Menschen bewusst ausgeführt werden, als genuiner Ausdruck ihrer Persönlichkeit, der dem Betrachter etwas über ihn verrät. Und die Kausalketten, die diese Charaktere mit ihren Handlungen auslösen, sind nicht beliebig, sondern haben ihrerseits wieder eine erzählerische Funktion, indem sie sie in Situationen bringen, in denen sie sich weiter entfalten können oder, weniger wertend ausgedrückt, einer Entwicklung ausgesetzt sind.

All das gibt es nicht in Gottliebs drittem TANTEN-Opus (nach WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN und TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE) und wenn doch, so ist das nur eine Täuschung. Alles, was in diesem Film passiert, ist reiner Selbstzweck, steht im luftleeren Raum und spielt lediglich als beliebig austauschbare Variable in einer Formel ohne Ergebnis eine Rolle. Ein Beispiel? Damit Andy (Ilja Richter) als „Mädchen“ in einem Mädcheninternat landen kann, muss er den Mantel von Eva (Mascha Gonska) anziehen. Damit er den Mantel von Eva anzieht, muss er einen Grund haben, seine eigene Kleidung abzulegen. Damit er seine eigene Kleidung ablegt, muss ihn eine Kuh vollscheißen. Damit ihn eine Kuh vollscheißen kann, muss er sich unter ihren Arsch legen. Warum sich Andy unter den Arsch einer Kuh legen sollte? Damit sie ihn vollscheißen kann. DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU ist voll mit solchen Zirkelschlüssen, Non-sequiturs und Konstrukten, bei denen man meist das Gefühl hat, dass sie von hinten aufgezäumt wurden. Irgendwie muss man Richter und Carrell im Verlauf des Films dazu bringen, sich in Frauenkleider zu schmeißen – dies darf man nicht weiter hinterfragen, es ist gewissermaßen die conditio sine qua non der TANTEN-Filme –, also wird alles so gedreht, dass sie möglichst bald einen Grund dazu haben. Dass es noch lang nicht ausreichend ist, einem Mann einen Damenmantel überzuziehen, damit er tatsächlich für eine Dame gehalten wird, interessiert nicht: Wer Frauenkleider trägt, ist eine Frau und wird auch als solche wahrgenommen – zumindest von Männern: Das muss so sein, das ist das ungeschriebene Gesetz der LISA-Film.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem hier durchschlagenden Humorverständnis. Witz ist nicht das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener in Beziehung zueinander stehender Parameter (die technische Formulierung soll nicht in Abrede stellen, dass Witz etwas sehr Spontanes ist), sondern einfach das planlose Bedienen bestimmter Reflexe. Natürlich ist es nicht per se unwitzig, wenn jemand ins Wasser fällt, mit Scheiße beschmissen wird, mit dem Fuß gegen etwas Hartes tritt: Umwitzig ist es nur deshalb, weil der Film keinen Grund dafür liefert, warum es witzig sein sollte. Betrachtet man die TANTEN-Filme, so kommt man zu dem Schluss, dass es Dinge gibt, die ganz unabhängig von ihrem Kontext lustig sind und diese Dinge werden daher ad infinitum wiederholt: Menschen fallen ins Wasser, Menschen werden beschmutzt, Menschen verletzen sich selbst oder werden verletzt, Menschen fallen irgendwo runter. Eine besonders bescheuerte Kausalkette des Films geht folgendermaßen: Rudi Carrell steigt mit Trude Herr in ein Ruderboot. Der freche Hansi Kraus bindet das Ruderboot an ein Motorboot und zieht es hinter sich her. Warum? Egal. Auf dem See steht natürlich eine Rampe. Hansi Kraus fährt vorbei, doch Rudi und Trude schießen über sie und landen … nein, nicht auf dem Wasser, sondern auf einem LKW. Als der unter einem aum durchfährt, bleiben Rudi und Trude an einem Ast hängen. Eine weitere dreht sich um das riesige Gipsbein von Gunter Philipp, um Rudi Carrell, der sich an der Seilwinde, die es oben hält aus dem Fenster abseilt, Philipp so wiederum fast an die Zimmerdecke zieht, schließlich aber errettet wird und von Hans Terofal eine Riesenspritze in den Hintern bekommt. Terofal lacht, doch dann fällt Philipps Gipsbein auf seinen Schädel. Und der Blödsinn findet sein Ende in einer unfassbar mies choreografierten Schlägerei, in der die durch „Kraftpillen“ angeschwollenen Carrell und Richter es mit einem ganzen Schlägertrupp aufnehmen.

Die Prämisse von Gottliebs TANTEN-Filmen ist uralt: Männer in Frauenkostüme zu stecken ist lustig, weil es die Rollenbilder gewissermaßen ins Fließen bringt, das Männliche im Weiblichen und das Weibliche im Männlichen hervorgekehrt und die zementierten Mauern zwischen den Geschlechtern niedergerissen werden. Der Witz von Billy Wilders SOME LIKE IT HOT besteht nur zu einem Teil in der Tatsache, dass Lemmon und Curtis in Frauenkleidern albern aussehen. Der eigentliche Witz ist der, dass sie als Frauen bessere Männer sind (oder zu besseren Männern werden). DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU hingegen begnügt sich damit, den spargeligen Ilja Richter in Frauenkleider zu stopfen und ihn zu demütigen oder sich darüber zu freuen, dass gestandene Männer wie Theo Lingen ihn nicht erkennen hinter der Verkleidung. Über Geschlechterrollen sagt dieses Spielchen Nullkommanichts, da die TANTEN-Filme mit unserer Welt und der Gesellschaft rein gar nichts zu tun haben. Sie sind grotesk redundant und tautologisch: Ein Mann ist ein Mann, weil ein Mann Männerkleidung trägt, Frauen sind hingegen Frauen, weil Frauen Frauenkleidung tragen. Dieses mit krummen Nägeln, morschem Holz und einem Schaumgummihammer zurechtgezimmerte Weltbild gerät dann verständlicherweise schon ins existenzielle Wanken, wenn bloß die Klamotten ausgetauscht werden. Dann brechen alle Dämme und dem Irrsinn werden Tür und Tor geöffnet. Die TANTEN-Filme sind Grenzerfahrungen. Das zeigen schon die unglaublichen „Hits“ des Films: Peter Orloff sieht aus wie ein griechischer KFZ-Mechaniker auf Date-Rape-Mission, der gruselige Wolfgang singt ein seltsam einlullendes Liedchen über den „Trödler Abraham“ und der serienmördereske Danyel Gerard huldigt einem „Butterfly“. Kein Wunder, dass DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU atmosphärisch an das Endzeitkino der frühen Achtzigerjahre denken lässt.

 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt ein junger Mann aus den USA in ein abgelegenes Tal irgendwo in den österreichischen Alpen und bittet in einem kleinen Dorf um Quartier. Von den sechs Söhnen des bettlägerigen Brenner (Hans-Michael Rehberg), des Dorfpatriarchen, wird er ausgesprochen feindselig aufgenommen, darf aber bleiben, nachdem er ihnen gezeigt hat, was er kann: Er ist Fotograf. Doch Greider (Sam Riley), wie er sich nennt, ist nicht da, um Fotos zu machen. Das werden die Brenners, die mit eiserner Hand über das Dorf regieren und alle Einwohner in einem dauerhaften Zustand der Angst halten, bald schmerzhaft erfahren …

Vorab: DAS FINSTERE TAL ist derzeit auf unseren Leinwänden zu sehen und sollte von jedem, der sich für bildgewaltiges, ungewöhnliches, intelligentes und emotionales Kino interessiert, gesehen werden. Zumal er, immerhin deutsch koproduziert, eindrucksvoll zeigt, wie eigenwilliges deutsches Kino jenseits von Bildungsauftrag und ästhetischem Einheitsbrei, aber mit gleichermaßen kommerziellem wie künstlerischem Anspruch aussehen könnte. Ein Österreicher macht es (wieder mal) vor: Andreas Prochaska hatte mich vor Jahren schon mit dem unerwartet vielschichtigen, düsteren IN 3 TAGEN BIST DU TOT 2, dem Sequel zu dem ebenfalls von ihm inszenierten, mir aber noch unbekannten IN 3 TAGEN BIST DU TOT, völlig auf dem falschen Fuß erwischt, und stellt hier erneut unter Beweis, dass er sich nicht damit zufrieden geben mag, schnell wieder vergessenes Gebrauchskino oder schnöde Fernsehunterhaltung zu machen. Da lässt jemand großen Ehrgeiz erkennen und, was noch wichtiger ist, eine Idee, wie das aussehen könnte, das große, massentaugliche, aber anspruchsvolle deutschsprachige Genrekino, das es hierzulande in den vergangenen Jahrzehnten sehr schwer gehabt hat.

Prochaska hat offenkundig von den Besten gelernt. DAS FINSTERE TAL  ist gleichermaßen Aneignung fremder Motive und Stilistiken wie es daran erinnert, auf welch reiche und große Tradition deutsche und österreichische Filmemacher eigentlich zurückblicken können. Ein amerikanischer Antiheld mit österreichischen Wurzeln hält selbstbewussten Einzug in das Alpensetting, das ein wenig an matschig-nasse Italowestern wie KEOMA oder DJANGO erinnert, um dort den HIGH PLAINS DRIFTER zu spielen. Den metaphysischen Überbau braucht er nicht, schließlich kennt man sich in diesen Breiten ja aus mit Vergangenheit und ihrer Scheinbewältigung, mit dem Festhalten an alten Gewohnheiten, deren einschneidende Wirkung man sich schönredet, statt sich ihrer zu entledigen.  „Die Freiheit ist ein Geschenk, das sich nicht jeder gerne machen lässt.“, lautet die Tagline des Films. Geäußert wird sie dort nicht etwa am Anfang, sondern ganz am Ende und was genau sie bedeutet – vielmehr: was die Beschenkten mit ihrer Freiheit nun anfangen, oder besser: nicht anzufangen wissen –, lässt der Film offen. Aber es liegt nahe, in in diesen Worten auch die treffende Beschreibung einer in Österreich (und Deutschland?) vorherrschenden Geisteshaltung und eine Prophezeiung noch in der Zukunft liegender Schandtaten zu erkennen, auf die die Schweinereien der Brenners nur ein Vorgeschmack waren.

DAS FINSTERE TAL ist zu gleichen Teilen period piece, geprägt von dem Bemühen, die historischen Hintergründe möglichst authentisch abzubilden, wie er Mythologisierung betreibt. Aber beide Impulse lassen sich nicht mehr klar voneinander trennen, Geschichte und Mythos greifen ineinander, bedingen sich gegenseitig und stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Das wird schon zu Beginn klar, wenn die zu diesem Zeitpunkt noch gesichtslose Protagonistin dem heutigen Zuschauer via körperlosem Voice-over erklärt, dass die Vergangenheit die Zukunft prägt, auch wenn man sie noch so sehr totschweigt. Die Wahrheit, sie sickert durch, und wenn sie auch nie offen zu Tage tritt, so steckt sie doch in den Dingen, lässt sich nie vollständig und spurenlos tilgen. Das zeichnet sich auch in der Gestalt Greiders ab, dem Fremden, der in diesem Fall zwar einen Namen hat, aber eben einen, bei dem man nicht weiß, ob er nicht doch nur ein Scherz ist. Greider klingt auffällig wie „Rider“ und als solcher kommt er ja auch in das Dorf, sein knabenhaftes Gesicht eine leicht ironisierte, den Todesengel als Engel tarnende Variante von Eastwoods Hundeschnauze. Ein großes Geheimnis macht er aus seiner Vergangenheit und dem Grund seines Aufenthalts, nur wenig Worte hat er übrig für die Fragenden, aber diese Schweigsamkeit dient nicht allein der Tarnung. Der Rider ahnt bereits, dass die Ereignisse der Vergangenheit, die er nun geraderücken will, ihn ganz direkt betreffen. Doch wie sehr er wirklich in das Schicksal des Dorfes und seiner Einwohner verwoben ist, wird ihm erst im Verlauf seiner Rache klar. Dann läuft ihm eine einzelne Träne über die Wange. Vielleicht ist gar nicht die Freiheit der Dorfbewohner gemeint, die die Protagonistin da als ungewolltes Geschenk bezeichnet, sondern die des Riders, der sich wünscht, hinter seine bittere Erkenntnis zurückzufallen?

DAS FINSTERE TAL ist bild- und tongewaltiges Monumentalkino, wortkarg und assoziationsreich. Der Winter, der die Bewohner des Tals von der Außenwelt abschneidet, fährt auch dem Betrachter in die Glieder, setzt sich im Nacken fest wie ein nagendes, schlechtes Gewissen. Das Krachen der Baumstämme auf dem gefrorenen Boden, das Knacken der Dielenböden, das Klirren der Sporen an den Stiefeln, das Heulen des Windes, das Splitternd er Eisschicht auf dem Wasser: Die ganze Welt ist aufgeladen mit Leben, das sich gegen das dräuende Unrecht erheben möchte, aber keine Stimme findet, sich Gehör zu verschaffen. Unter der Oberfläche, unter dem Schnee, dem Schlamm, den wuchtigen, dem Himmel entgegengetürmten Holzhäusern da versteckt sich die Schuld, das Leid, die Ungerechtigkeit, und alle helfen sie mit, sie noch tiefer in den Boden zu stampfen, sie noch tiefer in der Erde zu vergraben. Aber sie sind dann immer noch nicht verschwunden, verseuchen stattdessen das Grundwasser, geraten von da aus in die Pflanzen und Bäume zu geraten und gehen schließlich, am Ende des Kreislaufs, als Regen und Schnee hernieder. Der Mensch hat sich sein eigenes Gefängnis gebaut. und wartet im finsteren Tal auf seinen Greider.

Paul (Ilja Richter) arbeitet im Münchener Reisebüro „Exklusiv Reisen“ von Herrn Storz (Hubert von Meyerinck), der sich rühmt, als einziger in der Bayernmetropole Reisen ins Schlosshotel Velden am Wörthersee anzubieten. Dummerweise hat Paul die Kooperation mit dem Hotel aus Versehen gekündigt und wird von seinem wutentbrannten Chef nach Österreich geschickt, um den Fehler auszubügeln. Sein Kumpel Rudi (Rudi Carrell) hat eh nichts Besseres zu tun und fährt deshalb kurzentschlossen mit. Die beiden haben jedoch ein Problem: Sie können sich zünftiger Musi noch weniger entziehen als schwachsinnigen Filmabenteuern und halten deshalb in einem kleinen Bergdorf, wo „The Cent Boys“ soeben ihren Granatenhit „Mensch, Meier!“ zur Freude aller Anwesenden intonieren. Es dauert keine zwei Minuten, da ist Rudi auch schon in die Lederbuxe geschlüpft und geht mit den Mädels auf Tuchfühlung, derweil das Weißbier gleich literweise fließt. Das Ergbnis: Rudi und Paul liegen wenig später sternhagelvoll unter der Bank und der Drogenschmuggler Ted Cocci (Jochen Busse) klaut ihr Auto.

Aufgrund eines kurzen Schlaganfalls weiß ich leider nicht mehr, wie die beiden dann doch noch zum Wörthersee gekommen sind, meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als sie zur Abkühlung ein schönes Bad im Freien nehmen. Ein des Weges daherfahrender Trecker nimmt leider ihre Klamotten mit, sodass sie nackt bis auf die Unterhose im Grünen stehen. Nach einer Spritztour auf einem gestohlenen Motorrad fällt ihnen als Wink des Schicksals ein großer Koffer vor die Füße, in dem sich – natürlich – haufenweise Frauenkleider befinden, die beide sofort anziehen und nach kurzer Wartezeit einen bereitwilligen Anhalter finden. Im Schlosshotel angekommen, checkt Rudi als die vom Hoteldirektor Poldi (Gunther Philipp) bereits sehnsüchtig erwartete, wohlhabende Frau Himmelreich ein und gibt Paul als sein persönliches Zimmermädchen aus. An diesem Punkt verliert sich die Spur eines Plots im tosenden Rauschen angerissener Episödchen, heiterer Musiknummern, ausgewalzter Slapsticknummern, kitschiger Romanzen und hysterisch abgespulter Klischees aus dem jahrhundertealten Schatz der deutschen Schwänke und Burlesken, die von einem nicht enden wollenden Strom von Nebenfiguren, Stargästen und Schmierenkomödianten dargeboten werden.

Dem schönen Hoteldiener André (Chris Roberts) stellen die beiden Zwillingsschwestern Uschi und Muschi (Ulli & Gaby König) nach, die sich jedoch als eine Person ausgeben und als Telefonistin im Schlosshotel anheuern. Wann immer André sie an ihrem Arbeitsplatz auftaucht, muss eine von beiden hinter dem Schrank verschwinden. Er kommt sie sehr häufig besuchen, doch dieses ganze wahrhaft urkomische Geschichtchen läuft trotzdem ins Nichts, wo sich auch parallele Geraden treffen. Dann ist da noch Inspektor Grassinger (Rainer Basedow), der dem Drogenschmuggler Cocci auf der Spur ist und die große Karriere wittert, als ihm die eigentlichen Besitzer des von diesem gestohlenen Wagens in die Hände fallen. Gunther Philipp verliebt sich genauso in die „schöne“ Frau Himmelreich wie der bald eintreffende Herr Storz. Beide offensichtlich mit schwindendem Augenlicht oder einem ausgesprochen miesen Frauengeschmack ausgestattet, machen dem Rudi ihre Aufwartungen und werden so zu Opfern unzähliger „Späße“, die jedoch niemals das Niveau von „Angelhaken im Po“ oder „ins Wasser fallen“ überschreiten. Dann ist da auch noch ein wie Val Kilmer im gelangweilten Stadium seiner Karriere aussehender Christian Anders als eigentlicher, neuer, aber inkognito bleiben wollender Hotelbesitzer: Der wie ein angehender Serienmörder wirkende Barde tritt mit einer schönen Blonden im Schlepptau die Reise nach Velden an, legt aber zwischendurch immer wieder mal Pausen ein, um ihr pathetische, selbsvergessene Ständchen zu halten, die jede normale Frau in die Flucht schlügen, aber ganz sicher nicht in seine Arme trieben. Am Ende trifft natürlich die echte Frau Himmelreich ein, um die Verwirrung komplett zu machen, und Alexander Grill läuft auch rum, ich weiß aber nicht mehr, in welcher Funktion. (Es ist ja erwiesen, dass das Bewusstsein abschaltet, wenn der Organismus sonst in Gefahr geriete.) Zwischendurch schippert Graham Bonney über den Teich und schmettert ein Liedchen von seiner „Marie“ ins Firmament und Kurt Stadel  intoniert ein Medley, bei dem er diverse Hits und Interpreten imitiert. Chris Roberts singt natürlich auch, zum Beispiel „Du bist nicht mit Gold zu bezahlen“ oder „Ein Mädchen nach Maß“, zwei Titel die das Breite Spektrum seiner Erwartungen an Frauen illustrieren. Ich schätze, Uschi ist das Mädchen nach Maß, während die Muschi nicht mit Gold zu bezahlen ist, aber ich stecke natürlich nicht drin im Schlagerschädel.

Insgesamt fand ich diesen ersten Film der „Tanten“-Reihe um Richter und Carrell etwas erträglicher als seinen direkten Nachfolger, den Hirnblutungen verursachenden TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE, aber das mag auch einfach daran liegen, dass ich bei der Sichtung jenes filmischen Giftgasangriffs schon einige IQ-Punkte eingebüßt getutet habe. Vertraue ich meinem Hirn jedoch, so scheint mir WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN etwas weniger schrill, nicht ganz so zielsicher beim Griff in den cineastischen Kot, in seinen komödiantischen Ergüssen nur halb so ätzend wie der laugige Zweitling. Strebte man mit dem Sequel den Durchbruch in neue Galaxien an, wo noch nie ein Witz überlebt hat und niemand einen lachen hört, schuf man dort etwas, was mit menschlichen Vorstellungen von „Humor“ nur noch Rudi-mentäre Ähnlichkeiten hat, viel eher wie von künstlichen Intelligenzen simuliert anmutet oder gar wie die Kunstversuche von Insassen einer Heilanstalt, so erkennt man im Erstling noch die Wurzeln in Schwänken der Fünfzigerjahre, in denen dann ein Peter Alexander oder Heinz Erhardt den Takt vorgab. Ein Stück Restmensch ist gewissermaßen noch enthalten, auch wenn das unserer Rasse auch kein besonders gutes Zeugnis ausstellt. Auch dieses nach verschwitzten Polyesterblusen oder seit 40 Jahren nicht mehr geöffneten Reisekoffern müffelnde Stück Zelluloidverpestung ist bestens dazu geeignet, leicht zu beeindruckenden Gemütern den Schlaf oder gar den Verstand zu rauben. Die Sichtung sollte – wie die Einnahme von schweren halluzinogenen Drogen oder Medikamenten – daher ausschließlich unter Aufsicht geschulten und erfahrenen Personals oder auf ausdrückliche medizinische Empfehlung erfolgen oder von gefestigten, stabilen Personen getätigt werden. Schäden an Leib und Seele sind sonst nicht auszuschließen.

Gerda Börner (Elisabeth Krogh) und ihre Freundin Karin (Mascha Gonska) sind außer sich: Gerda hat von ihrer Tante Trude aus Buxtehude (der erste von unzähligen Riesengags des Films) eine Million DM geerbt. Die Ernüchterung folgt, als der vermeintliche Geldkoffer bei ihr ankommt: Statt dicker Bündel Geldscheine findet sie einen Haufen hässlicher Kleider, die der klapprige Kumpel Moritz (Ilja Richter) sofort verkaufen geht. Dummerweise stellt sich dann jedoch heraus, dass die exzentrische Tante den Schlüssel zu einem Schließfach in eines der Kleider eingenäht hat. Die Jagd nach ihm führt die zwei Mädels gemeinsam mit Moritz und dem smarten Rudi (Rudi Carrell) nach Kitzbühel, wo der Boutiquenbesitzer Tony (Chris Roberts) mittlerweile versucht, die Designerstücke an den Mann zu bringen. Bis die Million in Karins Händen liegt, sind zahlreiche Hürden zu nehmen, Verwechslungen aufzudecken, Musiknummern zu durchleiden und hirnrissigste Slapstick-Einlagen zu überstehen …

Ein Monument des Leids. Hatte ich im Falle von DIE SUPERNASEN zuletzt noch versucht, eine Lanze für die deutsche Gaga-Komödie zu brechen, so muss ich hier kampflos die Waffen strecken. Mit TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE – einer Art Sequel zum vorangegangene Carrell/Richter-Film WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN – hat Regisseur Gottlieb eine echte Stinkbombe vorgelegt, einen Film, der so durch und durch daneben ist, dass es schwer fällt, eine Erklärung für das sich dem Betrachter bietende Chaos zu finden. Dass Gottlieb über Wochen das Trinkwasser der agierenden Darsteller mit halluzinogenen Drogen versetzte oder sie mit einem aggressiven Hirnparasiten infizierte, scheint durchaus plausibel. Das unfassbare Elend beginnt schon mit der Gestalt Ilja Richters: Der absolviert hier nicht nur den Basiskurs in Slapstick, indem er mit dem Kopf vor alle sich irgendwie darbietenden Hindernisse rennt, ständig in Ohnmacht fällt oder anderen „lustigen“ Unfug treibt, er entblößt gleich mehrfach seinen pathologisch dürren Körper, der blankes Entsetzen (und Ekel) beim empathiebefähigten Zuschauer hervorruft. Aber er ist natürlich nicht alleinverantwortlich für den Angriff auf körperliche und geistige Unversehrtheit, den TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE darstellt.

Schlagerschönling Chris Roberst muss sicherlich auch noch genannt werden: In einem Film, dessen in den schönsten augenkrebsverurschenden Farben schillernden Kostüme bereits Legende sind, ist er der König der Geschmacklosigkeiten. Egal ob er einen leberwurstfarbenen Rollkragenpulli in Hüfthöhe mit einem Ledergürtel umschlingt, pinke Polyesterhemden mit sonnengelben Asbest-Pullundern kombiniert oder schließlich im zitronengelben Veloursmantel mit Plüschbesatz herumstolziert, er sieht immer scheiße aus. Und als gäbe er sich so noch nicht genug der Lächerlichkeit preis, sind seine Lieder ausnehmend für Gehirnamputierte komponiert: „Mein Name ist Hase“ ist sicherlich das seltsamste Ständchen, das man einer prinzipiell paarungswilligen Dame halten kann. Tatkräftige Unterstützung in Sachen musikalischer Geschmacksverwirrung bekommt er von Ramona: Die könnte rein physisch nicht nur die Zwillingsschwester von Ilja Richter sein, ihr wahrscheinlich nach 12 Litern zähflüssigsten Espressos eingehämmerter Hit „Alles, was wir woll’n auf Erden“, den sie darbietet, als erleide sie einen epileptischen Anfall oder stehe unter Strom, verkörpert die entfesselte Aggressivität und die buchstäblich ätzende Qualität des Films perfekt. Richters eigenes Ständchen, geadelt von dem Refrain „Ich will barfuß über den Broadway tanzen und am Straßenrand Blümchen pflanzen“ macht gewisermaßen „den Deckel drauf“.

Alles, wirklich alles, was man am Genre der deutschen Schlagerkomödie grauenvoll findet, findet man in TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE in geballter, vielfach potenzierter Form. Männer tragen Frauenkleider und sehen sich sogleich den Avancen diverser Idioten ausgesetzt, eine breit ausgedehnte Gagreihe dreht sich um ein Plastikskelett, das ohne erkennbaren Grund auftaucht und an immer neuen Orten Angst und Schrecken verbreitet, und als Lebenselixier gibt es unzählige Verwechslungen, Verwechslungen, Verwechslungen. Das kulminiert dann darin, dass am Ende gleich drei Männer als „Tante Trude“ in der Bank vorstellig werden und die Million für sich beanspruchen.  Außerdem droht das Liebesglück von Gerda und Toni zu scheitern, weil sie aufschnappt, dass „Toni“ die blonde Ricki heiraten will. Bei diesem Toni handelt es sich dann aber nicht um ihren feschen Schlagerbarden, sondern um das Ski-As Toni Sailer, der hier als Gaststar auftritt, bei Ricki wiederum um des Roberts Schwester, die in TANTE TURUDE AUS BUXTEHUDE keinen anderen Zweck erfüllt, als für eben diese Verwechslung zu sorgen. Neben Sailer-Toni machen alle „Größen“ des Genres ihre Aufwartung: Theo Lingen spielt den zunehmend verzweifelteren Chefportier eines Hotels, Rainer Basedow einen streitsüchtigen Gast in einer Kneipe, Gunther Phillip einen wahnsinnigen Arzt, Hans Terofal gibt den dusseligen Friseur (der von Carrell mit Chloroform betäubt wird), Alexander Grill den minderbemittelten Hoteldiener, der mantraartig gesteht: „Des woas I net“, Rudolf Schündler den Satzteile verwechselnden Notar, Jochen Busse einen „Kleiderhändler“ und Herbert Fux einen Ganoven – vielleicht der einzige Lichtblick des Films. Es gibt eine immerhin spektakulär choreografierte Skinummer, ansonsten ist der ganze Film eine einzige Qual, bei der man sich fragt, womit man das verdient hat. Und was ist eigentlich in Gottlieb, der doch mit DAS SIEBENTE OPFER bewiesen hatte, dass er sich durchaus auf Humor versteht, der nicht das Gehirn beschädigt. Ich habe mir diesen Albtraum jetzt zum zweiten Mal angetan. Ein drittes Mal wird es in diesem Leben nicht geben.

DIE SUPERNASEN, der zweite gemeinsame Film des damaligen Radio- und Fernsehmoderators Thomas Gottschalk sowie des Komikers und Musikers Mike Krüger nach PIRATENSENDER POWERPLAY, war 1983 ein Superhit: Mit knapp 3 Millionen Zuschauern landete er als erfolgreichste deutsche Kinoproduktion auf Platz sechs der Jahrescharts, hinter Titeln wie FLASHDANCE, THE DAY AFTER, OCTOPUSSY, TOOTSIE und THE RETURN OF THE JEDI, der als Spitzenreiter nur etwa 1,5 Millionen mehr Menschen ins Kino lockte. Der Erfolg hielt noch eine Weile an, wenn auch mit kontinuierlich abnehmender Rendite: Ein Jahr später startete das Sequel ZWEI NASEN TANKEN SUPER, zog immer noch 2,5 Millionen Menschen (darunter auch mein damals achtjähriges Ich), landete damit aber immer noch in den Jahres-Top-Ten, 1985 folgte DIE EINSTEIGER, bevor GELD ODER LEBER 1986 das gemeinsame Schaffen des Duos beendete. Der friesische „Blödelbarde“ Otto Waalkes hatte die beiden Supernasen in der Gunst des Publikums abgelöst.

Auch wenn das für die einstige große Filmnation Deutschland massiv ernüchternd ist: DIE SUPERNASEN sowie das Duo Gottschalk/Krüger sind deutsche Filmgeschichte und waren für einige Jahre prägend für hiesige Popkultur und Humor. Natürlich zogen sie damals schon die Verachtung des Feuilletons auf sich und gelten deutschen Cineasten heute noch als Schmach. Es ist tatsächlich ungemein leicht, DIE SUPERNASEN zu hassen: Die Produktionsgesellschaft LISA-Film versorgte die Kinos verlässlich und anhaltend mit dem, was heute als „Unterschichtenfernsehen“ direkt nach Hause kommt, preisgünstig und anspruchslos heruntergekurbelter Dutzendware, gespickt mit tumbem Klamauk und Slapstick, garniert mit Stars aus „Funk und Fernsehen“, Sex-Sternchen, ihren Brüsten, Popschlagern für den schnellen Gebrauch und Postkartenansichten vom Wörthersee und anderen Mittelklasse-Urlaubsorten. Regie führte hier mit Dieter Pröttel ein Mann, der sicherlich nicht unter Kunstverdacht stand: Er hatte sein Handwerk beim Fernsehen gelernt, wo er vor allem als Regisseur diverser Unterhaltungssendungen in Erscheinung getreten war (zu seinen „eindrucksvollen“ Credits zählen unter anderem DIE RUDI CARRELL SHOW, DIE GLÜCKSSPIRALE, HÄTTEN SIE HEUT ZEIT FÜR MICH?, AM LAUFENDEN BAND, VERSTEHEN SIE SPASS? sowie EINS, ZWEI ODER DREI). Und dann die beiden Stars: Sicherlich talentiert auf ihrem jeweiligen Gebiet, standen sie dennoch nicht für geistige Höhenflüge, sondern für das gutbürgerliche Mittelmaß, das dem deutschen Emil vor der Glotze nur deshalb wie eine Offenbarung erschien, weil er selbst noch viel biederer war. Ein dünnes Drehbüchlein hält die Ansammlung zotiger Schoten notdürftig zusammen wie eine Sicherheitsnadel eine Windel und nach 90 Minuten weitestgehend sinnfreier Gags und der Simulation von Handlung ist dann halt wieder Schluss. So wurden damals Hits gemacht.

Umso erstaunlicher, dass mir dieser Unfug gestern ziemlich viel Freude gemacht hat. Was man DIE SUPERNASEN zugutehalten kann, wenn man denn möchte, ist seine Unbekümmertheit: Anstatt seine beiden Stars in ein hochgetuntes Konzept zu pressen, indem ihre Unzulänglichkeiten hoffnungslos zu Tage getreten wären, passt sich der Film ihrer Ungekünsteltheit an, bemüht, wie mein Mitgucker Frank gestern sagte, gegenüber anderen LISA-Filmen einen eher „naturalistischeren“ Ansatz (es wurde zum Beispiel nicht nachsynchronisiert). Krüger und Gottschalk verdankten ihren Erfolg ja nicht zuletzt der Tatsache, dass sie so durchschnittlich waren, inszenierten sich immer als „aus dem Volk“ kommend. (Gottschalk erlag dann irgendwann dem Glauben, eigentlich nach Hollywood und nach ganz oben zu gehören.) Es steckt ein gewisser anarchischer Charme in DIE SUPERNASEN und in der Anmaßung, diese beiden Knalltüten zu Helden in einem Film zu machen, und der ganze Film spielt mit dieser Idee der Anmaßung, indem er die beiden immer wieder vorgeben lässt, etwas zu sein, was sie ganz offensichtlich nicht sind. Das beginnt mit der Idee der beiden chronisch mittellosen Bummelstudenten (Krügers Studiengänge sind „Semantik und Gynäkologie“), sich als Privatdetektive mit Trenchcoat und Fedora zu verdingen und gipfelt dann in einem Auftritt Gottschalks als Scheich bei einem diplomatischen Treffen, eine Aufgabe, die er mithilfe seines arabischen Dolmetschers Krüger mit Bravour meistert. Krüger ist eindeutig der bessere Schauspieler der beiden und berufsbedingt auch der bessere Komiker: Wenn er einen berlinernden preußischen Gentleman alter Schule gibt, dann ist das auch ohne zwei zugekniffene Augen komisch. Andere Witze wie jener um den Handlungsort „Bad Spänzer“ sind so hoffnungslos infantil, dass man gar nicht anders kann als zu lachen. Der Grat, auf dem DIE SUPERNASEN wandelt, ist immens schmal, aber irgendwie gelingt der Tanz auf der Klinge, bleibt der Film auf eine Art und Weise bescheuert, die für ihn arbeitet (beim Sequel funktionierte das dann schon nicht mehr so gut). So muss ich durchaus mit zumindest einem weinenden Auge konstatieren, dass mit dem späteren Niedergang dieser Art der Gaga-Komödie, die den deutschen Film von den Siebzigern bis ca. Mitte der Achtziger bestimmte, auch ein Stück Trivialkunst verloren gegangen ist.

kinderarzt_dr_froehlich_2Hannes Fröhlich (Roy Black) ist frischgebackener Arzt und wird von der biestigen Freundin sogleich in einer konservativen Klinik untergebracht. Mit seinen frischen Methoden erobert er zwar das Herz der kleinen Stefanie, erntet vom restlichen Personal aber nur Kritik. Das hier ist nicht der Ort für einen Freigeist! Wie gut, dass Hannes‘ WG-Mitbewohner Hansi (Hansi Kraus), ein angehender Künstler mit der Natur abgerungenem Flaumschnurrbart sich als Arzt ausgegeben und eine Stelle im schönen Österreich erschwindelt hat, die nun Hannes an seiner Stelle antreten kann. Auf dem Weg dorthin liest er die hübsche Eva (Heidi Hansen) auf, die eine Autopanne erlitten hat und im selben Ort wie Hannes als Apothekerin bei Dr. Guido Zwiesel (Georg Thomalla) anfangen soll. Im Schlepptau hat sie außerdem den stets schwachsinnig grienenden Peter, ihren kleinen Neffen, eine Halbwaise, deren Vater sich „irgendwo in Zentralafrika“ befindet. Als Hannes und Heidi gemeinsam an ihrem Ziel ankommen, sorgen beide sogleich für ein Brodeln der Gerüchteküche: Eine unverheiratete Frau mit einem Kind und einem vermeintlichen Liebhaber, das ist nun wirklich zu viel für ein braves Bergdorf.

Doch Hannes ist ein echtes Goldstück, der buchstäbliche Halbgott in Weiß, der überall, wo er auch hingeht, Herzen erobert, Liebe spendet und Frohsinn verbreitet. Die etwas seltsame Bewohnerschar – Dr. Zwiesel ist vollkommen konfus und inkompetent, setzt schon mal seine gesamte Zahnarztpraxis unter Wasser, derweil seine Schwester Thussy (Ermi Mangold) von der Apotheke aus versucht, die Katastrophen im Rahmen zu halten, der KFZ-Mechaniker Mathis (Rainer Basedow) hat ständig Zahnschmerzen, die Boutiquenbesitzerin Sibille (Tanja Gruber) steigt sofort dem jungen Arzt nach, derweil die strenge Praxishelferin Josefa (Ruth Stefan) und Vermieterin Fra Friedenreich (Ilse Hanel) die Einhaltung der Moral überwachen – ist seinem Charme hoffnungslos erlegen. Irgendwann kommt dann noch der geckenhafte Tenor Fritz Pfeiffer (Ralf Wolter) ins Örtchen, um in der Kirche das „Ave Maria“ zu singen, doch beim Anflirten der jungen Heidi holt er sich eine Dusche von Zwiesel und eine Erkältung ab, die einen Spontaneinsatz von Hannes erforderlich macht. Sein Lied verursacht die totale Kernschmelze und hat den Herrgott im Himmel bestimmt stolz gemacht, so es ihn denn gibt. Er rettet, das sollte nicht vergessen werden, auch noch den Tag, als die Kinder im örtlichen Heim erkranken und er herausfindet, dass alles, was sie zur Spontangesundung brauchen, ein wenig Tollerei auf grünen Bergwiesen und eine Exklusiv-Performance von „Schön ist es auf der Welt zu sein“ (ohne Anita) ist.

Aber das ist ja alles noch gar nicht der eigentliche Plot: Der dreht sich nämlich immer noch um die kleine Stefanie, die sich partout von keinem anderen Arzt als dem Hannes behandeln lassen will und sich gegen die Versuche des Krankenhauspersonals ähnlich rabiat zur Wehr setzt wie einst Regan gegen den lieben Gott. Moritz Morris (Eddi Arent) setzt nun alle Hebel in Bewegung, um ihren Lieblingsarzt ausfindig zu machen. Geld spielt keine Rolle, denn Stefanies Papa Max (Heinz Reincke) ist ein Millionendieb, der zwar mittlerweile hinter Gittern schmort, aber jede Menge Kleingeld hat. Schließlich erwirbt er mit seinem Geld ein österreichisches Schloss, in dem Hannes sein eigenes Sanatorium bekommt, wo nun auch Stefanie behandelt werden kann. Nicht allerdings bevor Heidi und Hannes sich das Ja-Wort gegeben haben. Vorher gibt es noch einmal kurz Aufregung, weil das kleine Peterle verschwunden ist. Er hatte eine Unterhaltung belauscht und deren Inhalt missverstanden, war im Glauben, Hannes sei tot, vor lauter Verzweiflung in eine Eishöhle gerannt, wo er aber gerettet werden konnte, bevor etwas Schlimmes passiert war. So ist der einzige Verlierer des Films der zu Hause gebliebene Hansi: Der sitzt in seiner Wohnung auf einem Berg von Stroh (?) und malt Pop-Art-Gemälde, die keiner kaufen will.

KINDERARZT DR. FRÖHLICH kann nicht von Menschen gemacht worden sein. In meiner Vorstellung ist er eine Waffe, produziert von einer der Menschheit feindlich gesonnenen außeriridischen Rasse, um die Invasion vorzubereiten. Der Plan war genial: Weite Teile des Erdballs sollten durch den Film entvölkert, die Menschheit in den Wahnsinn und schließlich in den kollektiven Selbst- und Massenmord getrieben werden, sodass die meiste Gegenwehr schon vor der Ankunft der außeriridischen Streitkräfte gebrochen gewesen wäre. Dummerweise scheiterte der Plan, denn die Außeriridischen hatten sich ausgerechnet das Deutschland der Siebzigerjahre als Missionsziel ausgesucht, nicht ahnend, dass Teufelszeug wie KINDERARZT DR. FRÖHLICH dort dem durchschnittlichen Geisteszustand und also dem Mainstream entsprach, von den Menschen mal eben so zwischen Blutwurstbrot und dem Wort zum Sonntag wegkonsumiert wurde. So verpuffte die Wirkung des tödlichen Werkes ebenso folgenlos, wie ein Tropfen Wassers sich mit einem Zischen in Luft auflöst, wenn er auf einen heißen Stein fällt. Die Menschen wurden durch die gnadenlosen, nicht abreißenden „Humor“-Attacken des Regisseurs „Dr. Kurt Nachmann“ (nee, is klar) keineswegs an den Rand der Zurechnungsfähigkeit und darüber hinweg gebracht, viel eher führte der hier zur Schau gestellte Wahnsinn sie aus dem negativen Bereich auf den normal ausgeglichenen Nullpunkt zu. Wer sich auch durch den millionenfachen Massenmord nicht aus der Lethargie reißen lässt, der braucht schon härteste Kaliber, um überhaupt auf dem normalen Durchschnittslevel anzukommen. Heute, aus der historischen Distanz, kann man sich KINDERARZT DR. FRÖHLICH wieder halbwegs gefahrlos nähern. Dennoch ist er nur gefestigten Charakteren zu empfehlen, sonst ist die Gefahr die von den seelischen Verkarstungen ausgeht, die er auslösen kann, kaum abzuschätzen.

 

 

 

Die Geschichte von PLAYGIRL, oder BERLIN IST EINE SÜNDE WERT, wie er ursprünglich heißen sollte, Trempers viertem und vorletztem Spielfilm, seinem letzten in Deutschland, beginnt schon während der Dreharbeiten zu DIE ENDLOSE NACHT: Schon da tauchte die Renzi, die damals noch Evelyn Renziehausen hieß, am Set auf und bat um die Möglichkeit, in seinem Film mitzuspielen. Tremper bot ihr an, im Bildhintergrund ihren Freund zu küssen, vergaß sie jedoch über der Arbeit und vertrieb die schon damals über ein, ähem, „gesundes“ Selbstbewusstsein verfügende Frau, die wutentbrannt über diese Schmach den Drehort verließ. Laut Trempers Buch „Große Klappe“ soll sie auf der Party, auf der sie nach ihrer Flucht landete, geschwängert worden sein: Anouschka Renzi wäre demnach das Ergebnis eines gescheiterten Filmengagements.

Nach dem Ende der Dreharbeiten, DIE ENDLOSE NACHT lief mittlerweile im Kino, begegnete Tremper der Renzi erneut. Sie war schwanger und gab ihm offen die Schuld daran – schließlich wäre nichts passiert, hätte er sie damals nicht vergessen –, war aber immer noch erpicht darauf, als Schauspielerin Karriere zu machen. Ihrer Schönheit und ihrem forschen, frechen Auftreten erlegen, plante Tremper sogleich einen Film mit dem Titel „Das Ärgernis“, der von der ungewollten Schwangerschaft einer jungen, hübschen Frau handeln sollte. Doch auch dieser Film scheiterte noch in der Planungsphase am Eigensinn der Renzi, die sich damals schon für einen Superstar hielt, der genau das zustand, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte: Sie hatte sich gegen eine Vertragsklausel widersetzt, die ihr verbat, über den Film zu reden oder gar eigenmächtige Promotermine wahrzunehmen. Tremper, wissend, dass er sie an der kurzen Leine halten musste, um nicht völlig die Kontrolle über sie zu verlieren, blieb konsequent und ließ „Das Ärgernis“ kurzerhand platzen. Es bedurfte einer dritten Begegnung der beiden, um der Renzi mit PLAYGIRL, ihrem Spielfilmdebüt, zu einer kurzen Weltkarriere – ihr Eigensinn und ihre Unfähigkeit zur Diplomatie verhinderten einen anhaltenden Erfolg – und ihrer 13 Jahre dauernden Ehe mit Paul Hubschmid zu verhelfen.

Bildschirmfoto 2014-02-22 um 12.02.46Angeblich meldete sich Eva Renzi via Telefon bei Tremper, um ihm von ihrem Entschluss zu berichten, nach New York zu gehen und es am Broadway zu versuchen. Immer noch begeistert von ihrer Art und von ihrer umwerfenden Schönheit sowieso, „überredete“ er sie schließlich zu einem erneuten Anlauf. Flugs improvisierte Tremper eine Prämisse für den Film – eine  gebürtige Berlinerin, ein Starlet, das den Männern gewohnheitsmäßig die Köpfe verdreht, Alexandra Borowski, kehrt als Erwachsene in die deutsche Metropole zurück und versucht dort ihren Weg zu gehen, wobei natürlich diverse Männergeschichten nicht fehlen dürfen. Es war kaum mehr als ein leichter Story-Überwurf für seinen weiblichen Star, der Tremper mit PLAYGIRL eine Bühne bereitete, auf der sie ihre Persönlichkeit ungehindert entfalten durfte. Das tat sie dann auch, allerdings nicht nur zu seinem Vergnügen. Als sie an einem wichtige Drehtag einfach nicht erschien, unauffindbar blieb und alle in Sorge versetzte, nur um dann doch noch aufzutauchen und sich damit zu entschuldigen, dass sie lieber einen Fototermin wahrgenommen hatte, hätte Tremper sie nach eigener Beschreibung beinahe mit einem Stuhl erschlagen. Das Verhältnis der beiden erholte sich nicht mehr davon, Tremper gab Regieanweisungen nur noch über einen Dritten an sie weiter und kurbelte den Film danach mehr oder weniger leidenschaftslos herunter:

„[…] nun fehlte nur noch der Schluß. Meine Leidenschaft für die Renzi aber war inzwischen auf Null gesunken. Ich saß mit meiner Cutterin Ursula Wöhrle bei Geyer im Schneideraum und mußte mich täglich fragen lassen: Wie endet das Ganze? Um hilflos immer wieder zu antworten: Ach, irgendwie, ist doch scheißegal. Wahrscheinlich heiratet der Leipnitz sie, und sie kriegen Kinder. So what? […] Das Ergebnis wirkte, in der Tat, wie ein Eimer Wasser ins Gesicht der Zuschauer, die sich anderthalb Stunden lang an einem relativ originellen Film erfreut hatten. Die Kritiker, die durch die Bank Gefallen an PLAYGIRL gefunden hatten, wurden ohne Ausnahme wütend über diesen Schluss. Aber mir war das zu diesem Zeitpunkt wirklich ,scheißegal‘. Die Luft war raus aus dem Unternehmen Eva Renzi. Ich war ja nicht angewiesen darauf, daß ich Filme machte.“

Dieser Haltung, die am Ende verantwortlich dafür war, dass PLAYGIRL die Kritiker verärgerte, verdankte der Film aber auch erst jene Frische und Unbekümmertheit, die ihn auszeichnen und ihm auch heute noch jenen Charme und jene Atmosphäre verleihen, die ihn einzigartig machen. Tremper verfolgt wie schon bei DIE ENDLOSE NACHT keinen strikten Plan, er entwirft lediglich Situationen für seine Darsteller, gibt ihnen Stichworte, um dann zu schauen, was passiert, sich überraschen zu lassen. Viele Szenen werden auf dem Fleck improvisiert und gewinnen dadurch eine Lebendigkeit, die ein ausgefeiltes Drehbuch nicht ersetzen kann. Dann immer wieder brillante Dialogeinfälle: Die Szene, in der Alexandra Borowski (Eva Renzi) den 20 Jahre älteren Unternehmer Joachim Steigenwald (Paul Hubschmid) – als sein Büro diente das von Axel Springer – auf den Krieg und „diesen Hitler“ anspricht, zwei Dinge, die für sie so fremd sind wie Märchen, für ihn aber ein Stück lebendige Vergangenheit bedeuten, sagt mehr darüber aus, wie es in Deutschland, vor allem im geteilten Berlin der ersten Nachkriegsjahrzehnte, gewesen sein muss, als Dutzende von pädagogisch wertvollen Dokumentationen. Ein kurzer Auftritt von Paul Kuhn am Klavier, einen verschlafenen Blues improvisierend, kristallisiert jenen Schwebezustand zwischen Müdigkeit und Euphorie nach einer tollen Nacht, Dutzende interessanter Figuren streifen durch den Film, wecken kurz unsere Aufmerksamkeit und verlassen uns dann wieder, wenden sich ihrem Leben jenseits der Kamera zu, ohne noch weitere Gedanken an uns zu verschwenden.Bildschirmfoto 2014-02-21 um 23.25.48Und dann immer wieder Eva Renzi: Die verzaubert die Kamera, spielt ihr Spiel mit ihr, wird von ihr zärtlich und bewundernd umschmeichelt, umgarnt und angeflirtet, genießt es im Gegenzug, den männlichen Zuschauer anzumachen, zu teasen, wie sie das wahrscheinlich mit Tremper, Leipnitz und Hubschmid tat. Sie zeigt ihre Reize, ohne sich aufzudrängen, bewahrt ihr Mysterium und eine gewisse Unnahbarkeit. Sie macht wahrscheinlich 75 % des Films aus, bringt jene Unbekümmertheit mit, die wohl nur ein Amateur besitzt, jemand, der keinerlei Wissen über Schauspielerei mitbringt, aber trotzdem ganz genau weiß, wie er sich vor der Kamera bewegen muss. Aber ein Film, der sich ganz seiner Hauptdarstellerin ausliefert, sie gerade in ihrer Impulsivität und Spontaneität bestärkt und sie möglichst wenig einengt, macht sich eben auch entscheidend von ihr abhängig: PLAYGIRL mäandert zwischendurch ziellos umher, auf der Suche nach dem Leben. Er ist Ebbe und Flut, hat die Aufmerksamkeit des Zuschauers mal ganz fest in der Hand, nur um sie dann wieder loszulassen. Und man spürt, wie ihm (und Tremper) gegen Ende die Geduld und die Puste ausgeht, den Launen der Renzi weiter zu folgen. Sie ist ein Playgirl: Ganz Ich, und alles um sie herum ist für sie immer nur im Bezug auf ihr eigenes Selbst interessant. PLAYGIRL kulminiert dann auch in einem Solotanz: Die Renzi allein auf der Bühne einer menschenleeren Halle, völlig aufgelöst und verloren in der Musik, Leipnitz und Hubschmidt auf der Balustrade, das Objekt ihrer beider Begierde gleichermaßen bewundernd wie resigniert beobachtend: Sie werden sie niemals ganz besitzen.

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1962 schuf Franco Prosperi gemeinsam mit Gualtiero Jacopetti und Paolo Cavara MONDO CANE. Heute ist der Titel nur noch Filmhistorikern und eingefleischten Freunden des Absonderlichen ein Begriff, dabei war die agitatorisch-sensationalistisch-kulturpessimistische Fake-Documentary damals ein absoluter Kassenmagnet und wurde für den Titelsong gar mit dem Oscar ausgezeichnet. Das von Prosperi und seinen Mitstreitern maßgeblich initiierte und sogleich als „Mondofilm“ apostrophierte Genre erwies sich im Folgenden als so einträglich, dass seine Urheber ihm noch bis Mitte der Siebzigerjahre treu blieben. Erst 1975, nach fünf weiteren Mondo-Beiträgen, verabschiedete sich Prosperi von diesem Konzept, ging acht Jahre lang in sich und ließ dann WILD BEASTS  – BELVE FEROCI auf die Welt los, einen Film so wahnwitzig, reißerisch, wild und grandios, dass sich Prosperi danach aus dem Business zurückziehen musste, wissend, dass er sein unübertreffliches Magnum Opus bereits abgeliefert hatte.

WILD BEASTS  – BELVE FEROCI beginnt mit Ansichten der Hessenmetropole Frankfurt, die gleich die Weichen für das Kommende stellen: Heroinspritzen stapeln sich zu bizarren modernen Kunstwerken, schmutzig aufgeschäumtes Wasser sickert siffig in die Kanalisation, ein mahnendes Lietarturzitat kündet den drohenden Verfall der Welt, ein lethargischer Popsong pflichtet müde bei. Im Zoo zeichnet ein Blinder das Jaulen der Raubkatzen auf, um daraus eine Symphonie namens „Das Weinen der Natur“ zu komponieren und die kleine Tochter hinterlässt ihrer Mama, der Reporterin, sarkastische Tonbandaufnahmen, weil sie sie so selten zu Gesicht bekommt. Bald wird ein Pärchen in seinem Auto von aggressiven Ratten zerrissen, und noch bevor es eine Idee gibt, was die Ratten so angrifflustig machte, sorgt ein Stromausfall dafür, dass die kaum weniger mordlustigen Tiere aus dem Zoo entfliehen können. Während der tapfere Tierpfleger gemeinsam mit dem Polizeikommissar – ihr freundschaftlicher Rapport legt nahe, dass die beiden häufiger miteinander zu tun haben, was gegen die Sciherheitsvorkehrungen des Zoos spricht – versucht, die sich anbahnende Katastrophe im Zaum zu halten, die Wissenschaftler in ihrem Garagenlabor fieberhaft nach der Antwort auf die Frage suchen, was die Tiere so aggressiv macht, will die Reportermami ihre Tochter aus der Ballettschule abholen, nicht ahnend, dass die von einem Eisbär unsicher gemacht wird.

Prosperis Ode an das unerschütterliche Trotzdem der Exploitationfilmkunst ist auch ein großes „Fuck you“ an die Machbarkeitsdemagogen. Manches hier mag gerade nach heutigen Standards etwas fadenscheinig wirken, aber dies ist der Film, in dem ein echter Gepard auf den Einkaufsstraßen Frankfurts herumrennt, Elefanten das Flugfeld des Frankfurter Flughafens unsicher machen, ein Tiger in einem U-Bahn-Waggon den PREDATOR 2 gibt, Schauspieler sich todesmutig mit Raubkatzen und Bären balgen und am Ende eine Schar PCP-berauschter Ballettkinder mit Messern auf die Protagonistin losgehen. Nur ein Bruchteil der gezeigten Attraktion ist tatsächlich getrickst und es mutet aus gegenwärtiger Perspektive wie eine Leistung geradezu herkulischen Ausmaßes an, dass dies alles mit dem wahrscheinlich doch eher mageren Budget bewerkstelligt wurde. WILD BEASTS  – BELVE FEROCI ist komplett größenwahnsinnig, ganz der Aufgabe verpflichtet, seine Zuschauer für 90 Minuten in den Sitz zu nageln, und dabei fulminant erfolgreich. Wie armselig sieht dagegen ein Film wie PACIFIC RIM in seinem langweiligen Perfektionismus aus, der mit einer ganz ähnlichen Prämisse totalen Entertainments und einem Hundertfachen der zur Verfügung stehenden technischen und finanziellen Kapazität letztlich kaum mehr als ein laues Lüftchen produziert, das seinen Zuschauern bestenfalls kurzfristig wirkendes Instant-Entertainment zum schnellen Vergessen bietet.

Die zahlreichen kleinen Doofheiten, die sich Prosperi erlaubt, lassen sich nur zu gut damit begründen, dass er mit den Gedanken wahrscheinlich schon beim nächsten dramaturgischen Arschtritt war und sich nicht zu lang mit nebensächlichem Tinnef aufhalten wollte. Nur Neidhammel machen sich darüber lustig, dass auf einem Schild „Flughafel“ steht. Und Naivitäten wie jene, dass der Kommissar mit einem Funkgerät beim Helden zu Hause anruft, oder auf der Polizeiwache ein elaboriertes Kommunikationssystem eingerichtet wurde, das es erlaubt, jeden Gesprächspartner auf einem Monitor zu sehen, egal wo er sich befindet, unterstreichen nur den juvenil-alarmistischen Ton des Films. WILD BEASTS  – BELVE FEROCI hat sich von allen möglichen das denkbar unwahrscheinlicheste, umständlichste und grellste Szenario ausgesucht, um vor der drohenden Zerstörung der Umwelt durch den Menschen zu warnen. Wenn man die Verseuchung des Trinkwassers deshalb fürchten muss, weil eventuell berauschte Tiere durch eine Verkettung dummer Zufälle aus dem Zoo ausbrechen könnten, dann weiß man, dass es nicht so schlimm sein kann. Hier zählt allein die richtige Einstellung: Da darf dann auch mal der beschnauzbartete Tierpfleger der virile Tausendsassa sein, der der Menschheit den Arsch rettet, auch wenn er zu blöd ist, eine Pistole zu bedienen.

Spielverderber mögen an einigen technischen Unzulänglichkeiten herumnörgeln, das hölzerne Spiel der bräsig aussehenden Schauspieler kritisieren, irgendwelche „Plotholes“ bemängeln oder sich über die tatsächlich ziemlich hirnrissige Synchronisation freuen: Letztlich beweist man damit nur, dass man nicht mehr in sync ist mit seinem inner child – oder besser noch mit seinem inner caveman – ist, sondern durch und durch blind und unempfänglich für die schiere Power und awesomeness von Prosperis Film. WILD BEASTS  – BELVE FEROCI wird man nicht durch geschmäcklerisches Abwägen gerecht, sondern nur durch euphorisches Brüllen und Grunzen, durch Mit-den-Fäusten-auf-Tisch-und-Brust-Trommeln oder stolzes In-den-Himmel-Recken der stahlharten, pochenden Erektion. Wer von diesem über den Bildschirm tosenden Bilderrausch nicht komplett weggespült wird, der sollte sich doch lieber wieder seiner Sammlung hollywoodscher Oscar-Schmonzetten oder Literaturverfilmungen hingeben und sich über die dort ganz sicher minutiös gestopften Plotholes und zielsicher ausgelassenen Fettnäpfchen freuen. Ich träume stattdessen immer noch von den Elefanten am Flughafen, dem Geparden in der Innenstadt, dem Tiger in der U-Bahn, dem Eisbär in der Schule, dem Modellflugzeug-Absturz, den unzähligen Autocrashes und zerberstenden Glasscheiben und natürlich von den zahlreichen blutigen Splattereien. Ein Jahrhundertfilm, ein Monument des guten schlechten Geschmacks, eine echte Peitsche.

Giuseppe Lagana (Maurice Ronet) kehrt nach 15-jähriger Abwesenheit in seine sizilianische Heimat zurück, um dort das Haus seiner verstorbenen Eltern zu verkaufen, eigentlich jedoch vor allem, um seine alte Schulliebe Caterina (Lisa Gastoni) wiederzusehen, eine Witwe und Mutter der 15-jährigen Graziella (Jenny Tamburi). Das alte Liebespaar, das in den seit der letzten Begegnung vergangenen Jahren stets der gemeinsamen Vergangenheit hinterhertrauerte, ohne eine neue Erfüllung zu finden, knüpft schnell wieder romantische Bande.  Das Glück scheint perfekt, bis Graziella ihre erblühenden Reize einsetzt …

Fotografie, Musik (von Luis Enrique Bacalov), Schnitt, das Spiel der Akteure  – vor allem von Lisa Gastoni und Pino Caruso, der den stets Weisheiten über das Wesen der Frau zum Besten gebenden Lebemann Alfredo, einen Freund Giuseppes, gibt – sind wie eigentlich immer bei Di Leo über jeden Zweifel erhaben. Die altehrwürdige Kulisse Siziliens mit seinen schroffen Felsen, maroden Prachtbauten und dem türkisfarbenen Meer, tut das Ihrige. LA SEDUZIONE ist, seinem Thema entsprechend, ein ausgesprochen sinnliches Erlebnis, das mich trotzdem nicht voll und ganz für sich eingenommen hat. Ich weiß einfach nicht so recht, wie ich den Film einordnen soll, was ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss, habe schon massive Probleme bei der Prämisse von LA SEDUZIONE: Es fällt mir einfach schwer, mir vorzustellen, von einer 15-Jährigen verführt zu werden, der Tochter meiner Geliebten zumal, der ich (angeblich) seit über einem Jahrzehnt hinterhertrauere. Ich verstehe Giuseppe nicht, der doch in seinen Wünschen und Vorstellungen zu Beginn des Films einen relativ gefestigten Eindruck macht. Er kommt nicht nach Sizilien, um durch die Betten zu pflügen, wie sein Freund Alfredo das zu tun vorgibt, er will die eine, die er seit 15 Jahren nicht vergessen kann. Giuseppe scheint gerade nicht der triebgesteuerte Frauenheld zu sein, der jedem sexuellen Angebot erliegt, im Gegenteil mutet er inmitten der sizilianischen Gesellschaft, deren Rollenverständnis man freundlich mit „traditionell“ und strenger mit „chauvinistisch“ bezeichnen könnte, aufgeklärt an. Alfredo betont immer wieder, dass Giuseppe ein „Franzose“ sei, weil der in Paris eine neue Heimat gefunden und sich dort auch von seiner sizilianischen Prägung gelöst habe. Das scheint mir das eigentliche Thema des Films zu sein: Wie ein vermeintlicher Außenseiter die Verhältnisse, in die er zurückkehrt, nicht aufbricht, sondern vielmehr selbst in sie zurückfällt. Aber wenn dem so ist, wenn es das ist, was Di Leo zeigen wollte, so wird diese Entwicklung Giuseppes nicht wirklich transparent. Giuseppes Liebe zu Caterina ist ja keine Lüge, kein Hirngespinst, trotzdem springt er allzu schnell auf die Reize Graziellas an. Es gibt keine lange Phase des Haderns: Obwohl ihm die Konsequenzen seines Handelns doch voll bewusst sein müssen, ergreift er die sich bietende Gelegenheit und stürzt sich Hals über Kopf in eine Affäre mit der Tochter der Frau, die er liebt. Nachdem Caterina hinter das Geheimnis gekommen ist, fleht er sie um Vergebung an, zeichnet sich als Opfer, das in einer hitzigen Situation den Kopf verloren habe. Aber das entspricht ja nicht der Realität. Die Frage, die sich stellt: Sagt er das, weil er es sagen muss, weil es das einzige ist, was er überhaupt zu seiner Verteidigung sagen kann, oder glaubt er das selbst? Und was vielleicht noch wichtiger ist: Glaubt Fernando Di Leo seinem Protagonisten? Diese letzte Frage kann ich einfach nicht beantworten und das ist auch das Problem, das ich mit LA SEDUZIONE habe. Ich weiß nicht genau, was mir da eigentlich erzählt wird. Handelt der Film einfach von der Verführung eines Erwachsenen durch eine Jugendliche? Dann macht es sich Di Leo sehr einfach. Oder will er, was ich glaube, zeigen, dass der sizilianische Mann seine tiefe innere Prägung nie ganz los wird? Dann steht mir eben der Charakter Giuseppes im Weg, oder zumindest das Spiel Ronets, dem ich den seiner Lust erlegenen Macho nicht wirklich abnehme. Und Alfredos Worte, der Giuseppe nach dessen Geständnis vorwirft, die Regeln seiner Heimat verlernt zu haben, sich eben gerade nicht wie ein Sizilianer verhalten zu haben.

Vielleicht liegt die Tücke von LA SEDUZIONE auch einfach darin, dass er dem Betrachter nicht den Gefallen tut, Giuseppe als das schmierige Chauvischwein zu zeichnen, sondern schlicht als Feigling. Vielleicht habe ich mich von Anfang an über ihn getäuscht und seine Zurückhaltung war kein Zeichen von Intelligenz, sondern einfach von massiver Unsicherheit. Vielleicht ist er ein Waschlappen, der es in Paris nur deshalb nicht zu einer Beziehung gebracht hat, weil er sich an die französischen Frauen nicht herangetraut hat, vielleicht macht er sich auch mit seiner Liebe zu Caterina nur selbst etwas vor. Die Unfähigkeit, die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, ist für diesen Typus ja nicht ganz ungewöhnlich. Am liebsten will er sie nämlich beide haben, Caterina und Graziella, weil ihm eine Entscheidung zuwider ist, und am Ende schließlich auch noch deren Freundin Rosita, die ebenfalls erfolgreich ihr Glück bei ihm versucht, nachdem sie von Graziella gehört hat, dass er nicht abgeneigt ist. Damit geht dann aber zu weit. Dass Giuseppe Caterina mit Schande befleckt hat, hätte sie ja noch verkraftet, aber dass er nun auch noch ihre Tochter hintergeht, ist nicht mehr zu verzeihen. Auf offener Straße stellt sie ihn und jagt ihm mehrere Kugeln in den Leib. Sein Blick sagt, dass er immer noch nicht genau weiß, warum ihm jemand böse ist.

Die Chemikerin Ivanna Rakowsky (Erna Schürer) möchte ihre neue Stelle auf dem Schloss von Janos Dalmar (Carlos Quiney) antreten. Schon bevor sie dort angekommen ist, deuten sich allerdings Probleme an: Das nahe gelegene Dorf wird von einer Serie von brutalen Frauenmorden erschüttert. Weil der Beginn dieser Mordserie mit dem Tod von Igor Dalmar, dem Bruder des Schlossherren koinzidiert, alle Opfer mit Janos liiert waren und zudem Verletzungen aufweisen, die von seinen gewaltigen Doggen stammen könnten, ist man auf den zurückgezogen lebenden Mann nicht sonderlich gut zu sprechen. Ivanna reist trotzdem fest entschlossen aufs Schloss und besteht auch dann noch auf Erfüllung ihres Vertrages, als Janos sie gleich wieder loswerden will: Er hatte sich offensichtlich verlesen und eigentlich einen Mann erwartet. Nach einigem Hin und Her überzeugt sie ihn aber davon, die geeignete Kraft für sein Projekt zu sein: Er möchte die Forschungen seines Bruders fortsetzen, der in Frankenstein-artige Experimente involviert war. Janos‘ Plan ist es, den im Labor vollständig verbrannten Igor wiederzubeleben …

Mit viel melodramatischer Schwülstigkeit, nackter Haut und Holzhammer-Grusel inszenierte der Spanier Merino diese Schauermär ganz wie es im spanischen Horrorkino jener Zeit so üblich war. Weil ich dummerweise glaubte, es mit einem italienischen Film zu tun zu haben, dauerte es eine ganze Weile, bis ich mich auf die doch deutlich andere Stimmung des Films eingegroovt hatte. Anders, als es in einem eher geradlinigen italienischen Gothic-Grusler der Fall gewesen wäre, konzentriert sich Merino in IL CASTELLO DALLE PORTE DI FUOCO vor allem auf die dem Stoff inhärenten sexuellen Perversionen sowie die sich anbahnende Romanze zwischen Ivanna und dem hölzernen Janos und laviert damit um den heißen Brei des Mad-Scientist-Horrors herum. Selbst wenn die schöne Blonde nachts von missgestalteten Patschehänden begrapscht und auf eine Streckbank gefesselt wird, scheint das nicht so sehr ihre Angst als vielmehr eine tiefsitzende Lust anzustacheln. Das hört sich so komprimiert wahrscheinlich wunderbar sleazy an und im letzten Akt des Films  werden dann auch tatsächlich alle Regler auf 11 gedreht, wenn das von tosender Geilheit getriebene Monster die schöne Ivanna inbrünstig als „mannstolle Schlampe“ beschimpft. Bis dahin sind die wirklich tollen Momente aber recht sparsam verteilt. Klar, IL CASTELLO DALLE PORTO DI FUOCO sieht fantatstisch aus und man muss ihn schon deshalb irgendwie mögen, weil es nicht allzu viele Filme seiner Art gibt, aber trotzdem fehlt der entscheidende Kick. Ich hatte vor allem Probleme, mich mit den beiden Hauptdarstellern zu identifizieren: Carlos Quiney etwa agiert für einen feurigen Spanier ganz schön blutarm, weiß mit seiner eigentlich doch recht schönen, ambivalenten Rolle, mit denen andere, charismatischere Akteure Reißaus genommen hätten, nur wenig anzufangen. Aber ganz untypisch ist das ja nicht für das spanische Genrekino. Auch wenn da die Emotionen turmhoch wallen, geben sich die Charaktere ihnen doch nie so zügellos hin wie ihre Nachbarn vom Stiefel, ergehen sich vielmehr im masochistisch anmutenden Hadern und Zweifeln. Insofern stellen diese Filme natürlich auch eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und dem Katholizismus dar: Auf der einen Seite lockt die blanke Lust, macht sich mit einem unangenehmen Ziehen und Reißen in der Lendengegend bemerkbar, auf der anderen wirft der Herrgott ein wachsam-grimmiges Auge auf das Treiben seiner Schäfchen und droht mit Ausschluss aus dem Himmelreich. Der Spanier reagiert darauf mit theatralischer Selbstzerfleischung und verfällt nicht selten dem augenrollenden Irrsinn. Da räkelt sich etwa die schöne Ivanna halb entblößt allein auf dem Bett, aber wenn der lüsterne Unhold sich in ihr Schlafgemach schleicht, begnügt er sich doch damit, ihren Arm zu liebkosen, anstatt ihr ordentlich die Brüste durchzuwalken, die sie aller Welt gut sichtbar präsentiert. Sie will es doch, verdammt noch mal! Das Ergebnis von so viel Enthaltsamkeit stapelt sich auf dem Dorffriedhof. Wenn man Merino etwas zugute halten will, dann sicherlich, dass sein Film ein feuriges Plädoyer fürs ungehemmte Ficken ist.

Wahrscheinlich muss ich IL CASTELLO DALLE PORTE DI FUOCO noch einmal schauen, wenn ich alle Sinne beisammen habe. Nach meinem Text kann ich es nämlich kaum noch glauben, dass er mich gestern über weite Strecken eher gelangweilt hat.