In diesem Film passieren Sachen.
Das mag als Inhaltsangabe eine eher dürftige Aussage sein, zudem die Frage aufwerfen, inwiefern diese simple Tatsache DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU von anderen Filmen abhebt, in denen schließlich auch Sachen passieren. Ganz einfach: In anderen, im positiven Sinne „gewöhnlichen“ Filmen passieren Dinge entweder als Resultat vorangegangener Ereignisse oder eben als Ursache nachfolgender Wirkungen. Diese „Dinge“ oder „Ereignisse“ sind meistens Handlungen in dem Sinne, dass sie von Menschen bewusst ausgeführt werden, als genuiner Ausdruck ihrer Persönlichkeit, der dem Betrachter etwas über ihn verrät. Und die Kausalketten, die diese Charaktere mit ihren Handlungen auslösen, sind nicht beliebig, sondern haben ihrerseits wieder eine erzählerische Funktion, indem sie sie in Situationen bringen, in denen sie sich weiter entfalten können oder, weniger wertend ausgedrückt, einer Entwicklung ausgesetzt sind.
All das gibt es nicht in Gottliebs drittem TANTEN-Opus (nach WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN und TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE) und wenn doch, so ist das nur eine Täuschung. Alles, was in diesem Film passiert, ist reiner Selbstzweck, steht im luftleeren Raum und spielt lediglich als beliebig austauschbare Variable in einer Formel ohne Ergebnis eine Rolle. Ein Beispiel? Damit Andy (Ilja Richter) als „Mädchen“ in einem Mädcheninternat landen kann, muss er den Mantel von Eva (Mascha Gonska) anziehen. Damit er den Mantel von Eva anzieht, muss er einen Grund haben, seine eigene Kleidung abzulegen. Damit er seine eigene Kleidung ablegt, muss ihn eine Kuh vollscheißen. Damit ihn eine Kuh vollscheißen kann, muss er sich unter ihren Arsch legen. Warum sich Andy unter den Arsch einer Kuh legen sollte? Damit sie ihn vollscheißen kann. DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU ist voll mit solchen Zirkelschlüssen, Non-sequiturs und Konstrukten, bei denen man meist das Gefühl hat, dass sie von hinten aufgezäumt wurden. Irgendwie muss man Richter und Carrell im Verlauf des Films dazu bringen, sich in Frauenkleider zu schmeißen – dies darf man nicht weiter hinterfragen, es ist gewissermaßen die conditio sine qua non der TANTEN-Filme –, also wird alles so gedreht, dass sie möglichst bald einen Grund dazu haben. Dass es noch lang nicht ausreichend ist, einem Mann einen Damenmantel überzuziehen, damit er tatsächlich für eine Dame gehalten wird, interessiert nicht: Wer Frauenkleider trägt, ist eine Frau und wird auch als solche wahrgenommen – zumindest von Männern: Das muss so sein, das ist das ungeschriebene Gesetz der LISA-Film.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem hier durchschlagenden Humorverständnis. Witz ist nicht das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener in Beziehung zueinander stehender Parameter (die technische Formulierung soll nicht in Abrede stellen, dass Witz etwas sehr Spontanes ist), sondern einfach das planlose Bedienen bestimmter Reflexe. Natürlich ist es nicht per se unwitzig, wenn jemand ins Wasser fällt, mit Scheiße beschmissen wird, mit dem Fuß gegen etwas Hartes tritt: Umwitzig ist es nur deshalb, weil der Film keinen Grund dafür liefert, warum es witzig sein sollte. Betrachtet man die TANTEN-Filme, so kommt man zu dem Schluss, dass es Dinge gibt, die ganz unabhängig von ihrem Kontext lustig sind und diese Dinge werden daher ad infinitum wiederholt: Menschen fallen ins Wasser, Menschen werden beschmutzt, Menschen verletzen sich selbst oder werden verletzt, Menschen fallen irgendwo runter. Eine besonders bescheuerte Kausalkette des Films geht folgendermaßen: Rudi Carrell steigt mit Trude Herr in ein Ruderboot. Der freche Hansi Kraus bindet das Ruderboot an ein Motorboot und zieht es hinter sich her. Warum? Egal. Auf dem See steht natürlich eine Rampe. Hansi Kraus fährt vorbei, doch Rudi und Trude schießen über sie und landen … nein, nicht auf dem Wasser, sondern auf einem LKW. Als der unter einem aum durchfährt, bleiben Rudi und Trude an einem Ast hängen. Eine weitere dreht sich um das riesige Gipsbein von Gunter Philipp, um Rudi Carrell, der sich an der Seilwinde, die es oben hält aus dem Fenster abseilt, Philipp so wiederum fast an die Zimmerdecke zieht, schließlich aber errettet wird und von Hans Terofal eine Riesenspritze in den Hintern bekommt. Terofal lacht, doch dann fällt Philipps Gipsbein auf seinen Schädel. Und der Blödsinn findet sein Ende in einer unfassbar mies choreografierten Schlägerei, in der die durch „Kraftpillen“ angeschwollenen Carrell und Richter es mit einem ganzen Schlägertrupp aufnehmen.
Die Prämisse von Gottliebs TANTEN-Filmen ist uralt: Männer in Frauenkostüme zu stecken ist lustig, weil es die Rollenbilder gewissermaßen ins Fließen bringt, das Männliche im Weiblichen und das Weibliche im Männlichen hervorgekehrt und die zementierten Mauern zwischen den Geschlechtern niedergerissen werden. Der Witz von Billy Wilders SOME LIKE IT HOT besteht nur zu einem Teil in der Tatsache, dass Lemmon und Curtis in Frauenkleidern albern aussehen. Der eigentliche Witz ist der, dass sie als Frauen bessere Männer sind (oder zu besseren Männern werden). DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU hingegen begnügt sich damit, den spargeligen Ilja Richter in Frauenkleider zu stopfen und ihn zu demütigen oder sich darüber zu freuen, dass gestandene Männer wie Theo Lingen ihn nicht erkennen hinter der Verkleidung. Über Geschlechterrollen sagt dieses Spielchen Nullkommanichts, da die TANTEN-Filme mit unserer Welt und der Gesellschaft rein gar nichts zu tun haben. Sie sind grotesk redundant und tautologisch: Ein Mann ist ein Mann, weil ein Mann Männerkleidung trägt, Frauen sind hingegen Frauen, weil Frauen Frauenkleidung tragen. Dieses mit krummen Nägeln, morschem Holz und einem Schaumgummihammer zurechtgezimmerte Weltbild gerät dann verständlicherweise schon ins existenzielle Wanken, wenn bloß die Klamotten ausgetauscht werden. Dann brechen alle Dämme und dem Irrsinn werden Tür und Tor geöffnet. Die TANTEN-Filme sind Grenzerfahrungen. Das zeigen schon die unglaublichen „Hits“ des Films: Peter Orloff sieht aus wie ein griechischer KFZ-Mechaniker auf Date-Rape-Mission, der gruselige Wolfgang singt ein seltsam einlullendes Liedchen über den „Trödler Abraham“ und der serienmördereske Danyel Gerard huldigt einem „Butterfly“. Kein Wunder, dass DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU atmosphärisch an das Endzeitkino der frühen Achtzigerjahre denken lässt.