Knapp 15 Jahre bevor Francis Ford Coppola den Vampirfürsten als tragischen Liebhaber interpretierte, versuchte John Badham dem Stoff mit seiner eigenen Adaption die romantischen Seiten abzuringen. Dass sein Film heute trotz dieses innovativen Ansatzes nicht den ganz großen Stellenwert genießt, dürfte nicht zuletzt an der Besetzung seines Titelhelden liegen. Zwar füllt Frank Langella seinen Graf Dracula mit düsterromantischer Anziehungskraft und intensiver, beunruhigender Ausstrahlung, zeigt in seiner Augenpartie gar eine gewisse Ähnlichkeit mit Christopher Lee, doch mag seine Föhnfrisur so gar nicht zu unserem Bild des jahrhundertealten Monstrums passen. Die Bemühungen Badhams, die Zeit, in der die Geschichte spielt, durch monochrome, sepiafarbene Bildgestaltung aufleben zu lassen, werden durch Langellas Discofrisur gewissermaßen wieder zunichte gemacht. Der Darsteller kämpfte aber, wie einige andere, die sich zuvor als Dracula versucht hatten, sowieso schon auf verlorenem Posten: Neben Christopher Lee oder Bela Lugosi, die der Rolle ihren unvergänglichen Stempel aufgedrückt hatten, ist kaum noch Platz.
Man muss Badham zugutehalten, dass er das wohl auch wusste. Sein Fokus liegt demnach mehr auf der Schaffung einer morbiden, aber auch traurigen Atmosphäre und genau da – wie auch bei den kurzen, aber ausgesprochen stimmungsvollen Gruselszenen – hat DRACULA dann auch seine genuin eigenen Stärken. Siedelten Browning und Fisher ihre Filme in einer pulpig verzerrten Gothic-Welt an, ließ Coppola ihn stilistisch in alle möglichen Richtungen ausufern, wirkt die Welt in Badhams Film abgeschottet, leer, hoffnungslos, tot. Badham verzichtet auf den üblichen Prolog in Transsilvanien, wählt als Handlungsort vielmehr das monolithisch auf einer schroffen Klippe liegende Sanatorium von Dr. Seward, das ihm und seiner Familie auch als Haus dient. Umgeben ist es von graubrauner Ödnis und einem windschiefen Friedhof, der mit dem Wort „Totenacker“ besser beschrieben ist. Der plötzlich auftauchende Graf Dracula bildet in dieser desillusionierenden Welt den einzigen Farbtupfer, die Andeutung von Gefühlen, die zuvor undenkbar schienen. Sein Haus, Fairfax Abbey, ist auf einer kleinen Insel inmitten eines Sees gelegen: ein verheißungsvoller, mysteriöser Sehnsuchtsort, der aber dringend die Anwesenheit einer Dame vertrüge (nicht nur, um die Spinnweben zu entfernen). Die auserkorene Lucy (Kate Nelligan) wird dann auch in einer mit schwofigen Laser- und Raucheffekten unterlegten Liebesszene nach allen Regeln der Kunst verführt: die einzige Szene, die die strenge Farbpalette des Films aufbricht. Diesen motivischen wie stilistischen Kontrast herzustellen, war wohl Badhams Absicht, aber der Plan geht nur bedingt auf. Anstatt zwei mögliche, höchst unterschiedliche Lebensentwürfe nebeneinanderzustellen und den Film aus diesem Spannungsverhältnis heraus zu gestalten, wirkt er in sich unentschlossen. Die Synthese gelingt nicht, wohl auch, weil DRACULA letzten Endes das Bedürfnis des Publikums nach Katharsis und Spektakel befriedigen muss. Das Finale folgt eindeutig dieser Konvention, passt aber eigentlich nicht zur Stimmung, die zuvor so behutsam aufgebaut wurde.
Die Publikumsbindung wird jedoch an anderer Stelle durch den Verzicht auf eine echte Hauptfigur erschwert. Das Drehbuch richtet den Fokus mal auf Lucy, dann wieder auf Jonathan Harker (Trevor Eve), auf Dracula und schließlich auf Prof. van Helsing (Laurence Olivier), ohne sich wirklich für einen entscheiden zu können. So ist der Betrachter ständig gezwungen, die Perspektive zu wechseln. Grundsätzlich kein uninteressanter Einfall, gerade bei einem Stoff, der hinlänglich bekannt ist (und in der literarischen Vorlage auch keine Hauptfigur kennt), aber Badham gewinnt ihm nur wenig Reiz ab, büßt lediglich die emotionale Anbindung ein. Der größte, echte Schwachpunkt ist allerdings Laurence Olivier. Sein van Helsing ist ein zögerlicher, weinerlicher Tattergreis, dem der Mime erneut (wie etwa auch in THE JAZZ SINGER) einen seiner grässlichen Akzente aufzwingt und ihn so zur Nervensäge degradiert. Dieser van Helsing hat Dracula eigentlich nichts entgegenzusetzen, und dessen Tod ist damit nicht verdient, vielmehr lediglich vom Drehbuch herbeifabuliert. Insgesamt hat mir DRACULA wahrscheinlich ein Stück besser gefallen, als es hier den Anschein macht, aber für die große Begeisterung hat dann doch etwas gefehlt.