Der bislang beste Jerry-Cotton-Film – zum abschließenden Urteil fehlt noch DYNAMIT IN GRÜNER SEIDE – ist eine kleine Meisterleistung von Harald Reinl. Nach actiongeladenem Auftakt im Stile der James Bond’schen Pre-Title-Sequenzen, versetzt einem der Sadist auf dem Regiestuhl einen herben Tiefschlag. Ein zögerlicher Killer (Gert Haucke) wird an der Wohnungstür seines Opfers von einem kleinen Mädchen verschreckt: Eine Mutter in Anwesenheit ihrer Tochter zu erschießen, geht ihm dann doch zu weit. Sein Auftraggeber kann ihn jedoch zur Ausführung überreden und wenig später sind sowohl die Mutter als auch die Tochter tot, aus kurze Distanz erschossen. Reinl zeigt zunächst nur den Mord an der Mutter, schockiert dann aber nach dem Schnitt mit dem leblos auf der Treppe sitzenden Mädchenkörper. Im Stile eines Serienmörderfilms folgt DER TOD IM ROTEN JAGUAR dem sanftmütigen, komplexbeladenen Killer, dessen einzige Vertraute die tratschende Vermieterin (Ilse Steppat) ist. Seine Opfer haben keine Chance, weil niemand hinter der weichen Fassade einen kaltblütigen Mörder vermuten würde. Aber Kit Davis, wie der gedungene Killer heißt, ist gewissermaßen nur ausführendes Organ einer auf käuflichen Mord spezialisierten Organisation, der sich Jerry Cotton (George Nader) an die Fersen heftet.
Ich erwähnte den visuellen Reichtum, mit dem Reinl die vormals in furztrockenem Schwarzweiß gehaltene Reihe einer Generalüberholung unterzog, im Text zum zuletzt gesehenen TODESSCHÜSSE AM BROADWAY (vor ihm hatte schon Werner Jacobs mit DER MÖRDERCLUB VON BROOKLYN den ersten Farb-Cotton inszeniert, ohne allerdings an die Klasse von Reinl heranzureichen). Auch DER TOD IM ROTEN JAGUAR geizt nicht mit leuchtenden Farben, atmosphärisch ausgeleuchteten Settings – vor allem reichlich runtergerockte Fabrikgebäude –, interessanten Kameraperspektiven und dieser mittlerweile geliebten Melange aus on location gedrehten establishing shots, Rückprojektionen und mit dem Mute der Verzweiflung als US-amerikanisch ausgegebenen deutschen, genauer Berliner und Hamburger Straßenzügen. Reinl zeigt auch seine ganze Begabung als Action-Regisseur: Eine ausgedehnte Auto-Verfolgungsjagd mündet in die Hatz durch eines jener leerstehenden Fabrikgebäude und eine ausgiebige Keilerei, eine andere in einen Steinbruch, wo Cotton mehrere hundert Meter an einem über die Tiefe gespannten Drahtseil entlangrutscht und sich dann auf einen fahrenden Transporter fallen lässt. Eine Wendung hin zum Horrorfilm bzw. Psychothriller lässt den geneigten Betrachter – also mich – endgültig frohlocken: Die Spur führt Cotton zu einem Psychologen namens Saunders (Carl Lange), einem Spezialisten auf dem Gebiet der Kriminalpsychologie, der im Stile eines mad scientists Mörder für die ominöse Organisation heranzüchtet, die, wie Cottons Partner Phil Decker (Heinz Weiss) später zu verstehen gibt, „generalstabsmäßig“ arbeitet. Es gibt da einen sehr großartigen Moment, wenn Saunders nach Erhalt des neuesten Mordauftrags mit diabolischem Grinsen ein Schiebefenster in seiner Praxis öffnet, das den Blick in einen still und apathisch in einem kargen, gekachelten Raum sitzenden Mann freigibt, und er wie ein stolzer Vater den neuen Schützling aufruft und damit gewissermaßen aktiviert.
DER TOD IM ROTEN JAGUAR ist überaus ruppig geraten, der Body Count ist enorm und es wird manche Figur mitleidlos über den Jordan geschickt, an die man sich schon gewöhnt hatte. Aber selbstverständlich muss man auch auf die schönen Naivitäten nicht verzichten, die diese Filme so liebenswert machen. Zu Beginn wird die Tatsache, dass US-weit sieben (in Zahlen: 7) Morde verübt worden seien, deren Hauptverdächtige ein hieb- und stichfestes Alibi haben, als unwiderlegbarer Beweis für die Existenz einer Profikiller-Organisation interpretiert. Und am Ende, als Jerry Cotton einen Mörder für sich selbst bestellen lässt, um die Schurken in die Falle zu locken, da bekommen seine sonst so abgebrühten Kollegen plötzlich Gewissensbisse und behandeln den FBI-Mann, als sei er lebensmüde, obwohl er doch nur seinen Job macht. Der letzte der manipulierten Killer, den Cotton dingfest macht und zur Mitarbeit überredet (er verständigt sich dann mit ihm über ein als Kugelschreiber getarntes Funkgerät: eine Schau!), wird am Schluss, als der Plan aufgegangen ist, mit einem Handschlag salopp in die Freiheit verabschiedet. Diese Widersprüche – harter Reißer hier, naives Wohlfühlkino da – machen neben dieser geschliffenen Räudigkeit den Reiz dieses wirklich tollen Films aus, der einer von Reinls besten ist.