Archiv für Mai, 2015

Nach vier Jahren Pause landete das FRIDAY THE 13TH-Franchise wieder in den Händen von Sean S. Cunningham, der es mit seinem Überraschungshit 1980 überhaupt aus der Taufe gehoben hatte. New Line, die durch die NIGHTMARE ON ELM STREET-Filme Erfahrung mit zu Popstars geratenen Serienkillern hatten, wollten der Serie mit JASON GOES TO HELL: THE FINAL FRIDAY einen würdigen Abgang bescheren. Ob die erste Hälfte dieses Vorhabens erfolgreich in die Tat umgesetzt wurde, darüber werde ich im folgenden Text mit mir selbst diskutieren, fest steht aber immerhin, dass auch dieses mutmaßliche „Finale“ nur ein neuer Auftakt war, der lediglich einige Jahre auf sich warten ließ.

JASON GOES TO HELL ist ein durch und durch schizophrener Film, hin- und hergerissen zwischen dem Wissen um Jasons Popularität einerseits und dem Zweifel an dessen kommerzieller Potenz andererseits. Die Neunzigerjahre waren keine leichte Zeit für den Mainstream-Horrorfilm: Während das vorangegangene Jahrzehnt eine wahre Flut populärer Genrefilme gesehen hatte, ebbte das Interesse zum Dekadenwechsel merklich ab. Hollywood perfektionierte das große Eventkino und für kleinere Produktionen mit geringeren Schauwerten war immer weniger Platz. JASON GOES TO HELL ist charakteristisch für diese Zeit: Er ist größer und ambitionierter als seine konzeptionell doch eher hausbackenen Vorgänger, witziger, actionlastiger und fantastischer, dazu gespickt mit Spezialeffekten aller Art, aber vor allem geprägt von einer unübersehbaren Ratlosigkeit. JASON GOES TO HELL erfindet aus dem Stand eine ganz neue Jason-Mythologie, macht den Eishockeymaske tragenden Killer zum Wirtskörper eines mörderischen Dämons, der auf der Suche nach seiner mal eben so aus dem Hut gezauberten Schwester von einem Opfer zum nächsten springt, um schließlich „wiedergeboren“ zu werden. Adam Marcus‘ Film ist eine bunte Collage aus zahlreichen Versatzstücken und Verweisen, eine Horrorkomödie, die immerhin vier Jahre vor Cravens SCREAM ganz auf Selbstreferenzialität setzt, dabei aber deutlich weniger intelligent und elegant daherkommt, sondern eher ein bisschen übermotiviert.

Nachdem Jason in einer hübschen Auftaktsequenz – in der er von einem vermeintlich Urlaub am See machenden Bimbo geködert wird – von einer Spezialeinheit gestellt und förmlich in Fetzen gesprengt wird, ergreift sein „Geist“ Besitz von einem Pathologen, der fortan mordend durch die Gegend um Jasons Geburtsort zieht. Dort lebt nämlich Jasons Schwester Diana (Erin Gray), die Besuch von ihrer Tochter Jessica (Kari Keegan) erwartet – ihrerseits selbst eben Mama geworden. Der schmierige Robert Campbell (Steven Culp), Moderator einer True-Crime-Sendung und Lebensgefährte Jessicas, hat wiederum den Kopfgeldjäger Creighton Duke (Steven Williams) engagiert, der weiß, wie man Jason zur Strecke bringt, und reist in Erwartung, dessen Triumph quotenbringend zu filmen, an den Crystal Lake. Dort wartet auch der brave Steven (John D. LeMay), Jessicas Ex-Freund und Vater ihres Kindes, in der Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit ihr. Natürlich kommt alles anders: Diana wird von Jason ermordet, der Verdacht fällt auf Steven, der im Knast von Duke erfährt, was zu tun ist. Nach viel Hickhack und noch mehr Toten kommt es zur finalen Auseinandersetzung zwischen Steven und Jason, der wieder die alte Gestalt angenommen hat.

JASON GOES TO HELL funktioniert am besten als atemloses Spot-the-Reference, das allerdings noch nicht ganz von jener  postmodernen Ironie befallen ist, die vergleichbare Werke wenige Jahre später zu solch nervtötenden Plagegeistern machen sollte. Man merkt dem Film an, dass er seine Sache trotz allen sichtlich vorhandenen Humors ernst nimmt, sich lediglich von allen Seiten „inspirieren“ ließ, um es mal freundlich auszudrücken. Die Prämisse um den Wirtskörper verbrauchenden Jason-Parasiten (der als schwarzer Wurm von Mund zu Mund weitergereicht wird) erinnert an Jack Sholders großartigen THE HIDDEN. Steven Williams legt seinen Creighton Duke unverkennbar als Nachfahre von Robert Shaws Charakter aus JAWS an (dessen berühmte „The head, the tail, the whole damn thing“-Rede er einmal nahezu wörtlich zitiert). Das Bruder-Schwester-Ding, das Jason am Laufen hat, lässt natürlich sofort an die HALLOWEEN-Reihe denken, der schmierige Campbell, der vom Killer besessen ein Polizeirevier überfällt, an Robert Patricks T-1000 in TERMINATOR 2: JUDGMENT DAY. Im Geburtshaus des Mörders liegt das Necronomicon aus THE EVIL DEAD herum, eine schleimige Transformation hat man THE FLY zu verdanken, der böse Jason-Dämon entpuppt sich als Alien-artiges Wurmwesen und am Ende absolviert gar Freddy Krueger einen Gastauftritt, damit jene Spekulationen um den gemeinsamen Film auslösend, der dann knappe zehn Jahre später in Form von FREDDY VS. JASON Wirklichkeit wurde. Zwischendurch gibt es jenes Stalk’n’Slash, für das die Reihe berühmt wurde, allerdings erheblich expliziter und blutiger: Der Axtmord an einer obligatorischen Camperin bleibt nachhaltig im Gedächtnis und entschädigt für all die gnadenlos heruntergekürzten Kills, die die Serie seit Anbeginn beeinträchtigt hatten.

Das alles macht nicht für zehn Cent Sinn und für den Fan ist JASON GOES TO HELL durchaus etwas schmerzhaft (und das nicht nur, weil Jasons Kopf grotesk angeschwollen ist und fast die berühmte Maske aufzufressen scheint). Nach acht gerade wegen ihrer unbelehrbaren Stumpfheit so liebenswerten Filmen, ist die Ziellosigkeit, mit der man das Franchise hier wiederzubeleben versuchte, fehlgeleitet und in gewisser Weise würdelos. Es ist, als schämte man sich für die zuvor liegen gelassenen Möglichkeiten (man denke an die Geschichte um Tommy Jarvis in den Teilen 4, 5 und 6) und wolle die Fans nun mit einer wahren Originalitätsoffensive zurückgewinnen. Das Problem: Weder ist JASON GOES TO HELL wirklich originell, noch hatte das jemals einer der Zuschauer von einem FRIDAY THE 13TH-Film erwartet. Es war ja gerade die nur minimal variierte Wiederkehr des Immergleichen, die für die Serie einnahm. Niemand hat sie jemals für besonders clever oder geistreich gehalten, was man an ihr mochte, das war eben diese Einfachheit, der Underdog-Charme, mit der sie sich behauptete wie ein technisch limitierter Fußballer durch beherzte Grätschen oder ein hässlicher Köter durch besondere Anhänglichkeit. JASON GOES TO HELL ist hingegen das Äquivalent zur Schwanzrock-Kapelle, die plötzlich ein Album mit Akustikballaden aufnimmt, damit ihre Musiker als Künstler wahrgenommen werden: Es stimmt traurig, wie da die eigene Vergangenheit geleugnet wird, auch wenn das Ergebnis vielleicht gar nicht mal so schlecht ist. JASON GOES TO HELL ist durchweg rasant, wie erwähnt unerwartet blutig, von Adam Marcus kompetent und mit einigen Schauwerten inszeniert. Trotz aller geschilderten Mängel macht er Spaß. Und das hilft dem geneigten Zuschauer dann auch dabei, gerade in jener ratlos machenden Identitätsverleugnung den derangierten Geist wiederzufinden, der die acht vorangegangenen Teile beatmet hatte. Die Oberfläche mag noch so slick sein, den tumben Metzger mit der Hackfresse kann sie nicht verbergen.

Es hat ein paar Jahre gedauert, aber mittlerweile gehört dieser achte Teil zu meinen absoluten Lieblingen der Reihe. Nach der Erstsichtung ging es mir indes wie den meisten damals, als der Film in den Kinos startete und überwiegend Enttäuschung sowie eine damals wie eine halbe Ewigkeit anmutende, vierjährige selbstverordnete Zwangspause nach sich zog (dabei war der Film keineswegs, wie ich gedacht hatte, ein großer finanzieller Flop). Von der Idee, dass der Killer mit der Hockeymaske die Straßen des Big Apple unsicher machte, hatte man sich irgendwie mehr versprochen. Es dauert eine gute Stunde, bis Jason New York erreicht und selbst dann spielt der Film überwiegend in anonymen Seitenstraßen und Hinterhöfen, die sich wahrscheinlich auch in Boise, Idaho finden. Anstatt den Underdog Jason endgültig auf den popkulturellen Olymp zu hieven, ihn Manhattan erobern zu lassen, wie im Titel größenwahnsinnig behauptet, akzentuierte der von Regiedebütant Rob Hedden inszenierte Film vielmehr die tiefe Verwurzelung des Franchises in der untersten Schublade des Genrefilm-Makings. Daran konnte auch noch so viel oberflächliche Kosmetik nichts ändern. Wenn man aber die Enttäuschung über die verpasste Gelegenheit überwindet, wenn man sich damit abfindet, dass auch dieser Teil der Serie nichts anderes macht, als das „bewährte“ Programm vor etwas modifizierter, urbaner statt ruraler Kulisse abzuspulen und die kaum noch zu leugnenden Ermüdungserscheinungen durch großzügig verabreichte, immer greller strahlende Dummheiten zu überspielen, dann kann man mit JASON TAKES MANHATTAN sehr, sehr glücklich werden. Der einzige echte Wermutstropfen sind wieder einmal die schon vorab heftig gekürzten Morde (man darf mit einiger Berechtigung behaupten, dass die Zensoren der eindeutig effektivere Slasher sind). Da Heddens Film in erster Linie aber sowieso als depperte Komödie funktioniert und mit echtem Horror nur noch ganz am Rande zu tun hat, lässt sich dieses Manko sehr gut verschmerzen.

Für zwei Drittel seiner mit knapp 100 Minuten etwas zu üppig bemessenen Laufzeit spielt JASON TAKES MANHATTAN an Bord eines Schiffes, das einige Highschool-Graduates für die Abschlussfestlichkeiten von Crystal Lake nach New York bringen soll. Unter den Schülern befinden sich wieder einige Vollhonks, die die Gehirnamputierten aus Buechlers siebtem Teil wie Nobelpreisträger erscheinen lassen. Die Protagonistin ist die angehende Schriftstellerin Rennie (Jensen Daggett). Von ihrer mütterlichen Lehrerin erhält sie als Geschenk den Füllfederhalter, mit dem Stephen King angeblich in seiner Studienzeit geschrieben hatte. Sie leidet unter ihrem Onkel, Vormund und Schuldirektor Charles McCulloch (Peter Mark Richman), der ihr auch ein handfestes Trauma verpasste. In einer Rückblende sieht man, wie er ihr das Schwimmen beibrachte, indem er sie in den Crystal Lake stieß und ihr sagte, sie müsse vor Jason entkommen. Way to go! Seitdem wird sie von Visionen des kleinen ertrinkenden Jungen gequält. Ihr zur Seite steht der Langweiler Sean (Scott Reeves), der wiederum unter seinem Papa, dem Schiffskapitän zu leiden hat: Der würde so gern, dass sein Sohn in seine Fußstapfen tritt, aber der weiß noch nicht einmal, dass man vor der Abfahrt mit dem Nebelhorn tuten muss. Was für ein erbärmlicher Versager aber auch! Die anderen Schüler stehen diesen „Helden“ in nichts nach: Da ist der nerdige Wayne, der die ganze Zeit mit einer Videokamera rumläuft und von einer Regiekarriere träumt. Er übernimmt auch die vakante Rolle der schüchternen Jungfrau, die sich ausgerechnet in die intrigante Quotenschlampe verguckt hat. Dann gibt es noch die Rockerin J. J., die sich von Wayne beim Gitarrenposing zu generischem Eighties-Hardrock filmen lässt und von der „Concert Hall Acoustic“ im Maschinenraum schwärmt – fo‘ shizzle my nizzle. Es gibt einen schwarzen Supersportler, der Jason später zum Boxkampf herausfordert, und besagte Schlampe, die die brave Asiatin zum Koksen verführt, und den Direktor mit einer anzüglichen Videoaufnahme erpresst. Aber es ist jener Direktor, der den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt: Von Heddens Drehbuch ohne jede Zurückhaltung zum autoritären, dabei verklemmten und scheinheiligen Oberarsch stilisiert, kommt ihm die Aufgabe zu, sich in wirklich jeder Situation vollkommen widersinnig zu verhalten, um die sich anbahnende Katastrophe noch zu vergrößern. Als der Film endlich in Manhattan ankommt, sind auch dank seiner Initiative nur noch fünf Menschen am Leben. (Bei der ANkunft beschwert er sich als erstes über die für nicht adäquat befundene Anlegestelle.)

Tja, und dann beginnt also Jasons „Eroberung“. FRIDAY THE 13TH PART VIII: JASON TAKES MANHATTAN stammt sichtbar noch aus einer Zeit, als New York den Ruf einer Verbrechenshauptstadt genoss, man die Stadt – nicht zuletzt geprägt durch Kinofilme – als brodelndes, heruntergekommenes und verdrecktes Loch visualisierte, in dessen dampfenden Gossen Drogenabhängige, Killer, Obdachlose und anderes Gesocks nur darauf warteten, einen arglosen Touristen, der sich unvorsichtigerweise von den hell beleuchteten Straßen entfernt hatte, umzubringen und all seiner Habseligkeiten zu berauben. Der Film beginnt schon mit einigen rührenden New-York-Impressionen (von einem rätselhaften Voice-over-Narrator unterlegt), die auch aus einem Selbstjustizfilm stammen könnten und einem Paul Kersey ganz sicher die Halsschlagader anschwellen ließen. Das gezeigte Bild bestätigt sich dann später, wenn die brave Rennie von zwei Punks verschleppt und sogleich mit Heroin vollgepumpt wird, weil sie sich dann besser vergewaltigen lässt. Zum Glück kommt Jason rechtzeitig vorbei und erledigt die Schurken. Die Tagline von Heddens Film begreift Jason als neues, zusätzliches Problem einer Stadt, die mehr als beide Hände voll damit zu tun hat, ihre bestehenden Problemfälle zu beseitigen, aber so weit kommt es eigentlich nicht. Die Szene mit Jason auf dem Times Square suggeriert gar, dass der maskierte Mordbube in der Metropole gar nicht wirklich auffiele und am Ende des Tages fallen die paar Nachtschattengewächse, die er entsorgt, tatsächlich kaum ins Gewicht. Hedden gestand Jahre später in einem Audiokommentar, dass sein Film mehr Szenen in Manhattan gebraucht hätte, aber meines Erachtens ist der größte Fehler des Films, dass nicht klar herausgearbeitet wird, was Jasons Anwesenheit dort eigentlich bedeuten soll. Ist er die Verkörperung des „Bösen“, das dort wütet oder stellt er es noch in den Schatten? Das Finale, in dem er vom Giftmüll in der Kanalisation überspült wird, sagt etwas ganz anderes, beendet den Film gar auf einer beinahe tragischen Note, die Heddens Clusterfuck von einem Film endgültig die Krone aufsetzt. Hier ist alles drin, was nicht zusammenpasst. Ein Film, der wunderbar belegt, warum es 1989 endlich Zeit für ein neues Jahrzehnt war. Das FRIDAY THE 13TH-Franchise zog indessen die falschen Schlüsse aus der Lehrstunde und kehrte nach der erwähnten Pause mit einem zwar besser aussehenden, dafür aber noch konfuseren, noch fehlgeleiteteren Film zurück, von dem ich als nächstes berichte werde.

friday-the-13th-part-vii-the-new-blood-photos-1Geradeaus gesprochen: FRIDAY THE 13TH PART VII: THE NEW BLOOD ist gegenüber dem Vorgänger der deutlich schwächere Film. Zwar setzt er sehr effektiv auf die Dunkelheit der Nacht und des Wassers vom Crystal Lake (der hier wieder mal wie ein größeres Schlammloch aussieht) sowie auf einen unwirtlichen, herbstlich-nassen Wald, dennoch kann Grobmotoriker Buechler mit dem visuellen Scharfsinn, den McLoughlin zuvor an den Tag gelegt hatte, nicht annähernd mithalten. Die Teenies, die Jason in schneller Abfolge zum Opfer fallen, verdienen weder den Begriff „Charakter“ noch scheinen sie mit ihrem vollkommen rätselhaften Gehabe überhaupt der menschlichen Gattung anzugehören (von ihrem Klamottengeschmack mal ganz zu schweigen). Die blutigen Morde – üblicherweise das Kerngeschäft der Serie – wurden durch die Bestrebungen der MPAA bedauerlicherweise bis zur Unkenntlichkeit heruntergekürzt, was dem Film viel von seinem potenziellen Punch raubt. Das Versprechen, das der wunderhübsche deutsche Verleihtitel machte, der Interessierten einen JASON IM BLUTRAUSCH versprach, zerbrach mithin in 1.000 tränenbenetzte Scherben. (Es spricht Bände, dass es dieses sechste Sequel als eines der wenigen der Reihe ganz und gar unbeschadet auf den deutschen Videomarkt schaffte.) Doch trotz all dieser offenkundigen, kaum zu leugnenden Mängel mag ich THE NEW BLOOD. Es ist zugegebenermaßen keine bedingungslose Liebe, auch keine überschwängliche Nerd-Begeisterung, die er in mir entfacht, aber in vielerlei Hinsicht entspricht er dem, was ein Jason-Film für mich im Idealfall darstellen sollte, besser als einige der objektiv betrachtet besseren Teile zuvor.

Was mich für den siebten FRIDAY THE 13TH-Teil einnimmt, lässt sich dabei im Wesentlichen auf einen Namen herunterbrechen: Kane Hodder. Der Stuntman, der mit seiner Verkörperung Jasons in dieser und den folgenden Installationen zu einer Horrorfilm-Ikone wurde, obwohl er in der Rolle weder One-Liner reißen noch Grimassen schneiden, lediglich seinen allerdings imposanten Körper einsetzen durfte, verleiht dem Killer jene furchteinflößende physische Präsenz, die für dessen neueste Inkarnation dringend vonnöten war – und auch schon im Vorgänger nicht geschadet hätte. Gleich zu Beginn, wenn er seinem feuchten Grab entkommt, die Kleidungsfetzen den Blick auf einen teilweise skelettierten Leib freigeben, erweckt Hodder die zuvor bestenfalls eine Ahnung von Innenleben vermittelnde Figur zu überaus grafischem Leben. Man sieht auch hier erst im letzten Reel sein madenzerfressenes Zombiegesicht, trotzdem ermöglicht es Hodder mit seiner Körpersprache (und dem tollen Design) schon vorher, seinen Jason als eine von ungebändigtem Hass und brodelndem Zorn getriebene Figur erkennbar zu machen. Es reicht völlig aus, wenn er einfach nur so dasteht, sich sein mächtiger Brustkorb unter seinem schweren Atem hebt und senkt, um mehr als zuvor deutlich zu machen, dass mit dem Wutklumpen nicht zu spaßen ist. Er war auch vorher schon eine höchst effizient arbeitende Mordmaschine, aber Hodder verpasst dem Mordmoloch eine gewaltige Überdosis brachialer Power.

Ob die Story, die man als „Carrie vs. Jason“ paraphrasieren kann, zu weit vom eigentlichen Thema wegführt, darüber kann man sicher geteilter Meinung sein. Meiner Meinung nach unbestreitbar ist aber, dass die Abkehr vom ausgelatschten Schema F dringend nötige Frischluft mit sich bringt – und die willkommene Gelegenheit, im hübschen Finale ein paar Special Effects mehr als üblich abzubrennen. Ich kann mir nicht helfen: Die Idee, dass Jason durch die telekinetischen Fähigkeiten einer traumatisierten Göre namens Tina (Lar Park-Lincoln) wiedererweckt wird, hat was. Der Plot, den man wahlweise debil-idiotisch oder frech-kreativ finden darf und der sich um Tinas Konfrontationstherapie unter dem schmierigen Psychiater Crews (Terry Kiser) dreht, der jedoch nicht so sehr an ihrer Heilung, dafür aber sehr viel mehr an ihren übersinnlichen Fähigkeiten interessiert ist, unterfüttert den mittlerweile doch arg vorhersehbaren Schlachtmarathon und bereitet den Weg für einen der absurdesten Einfälle der gesamten Reihe. Dass Buechler diesen Nonsens mit grimmiger Entschlossenheit und (fast) ohne Anflug von selbstironischem Augenzwinkern inszeniert, nötigt mir höchsten Respekt ab. Mich zerreißt es hingegen regelmäßig, wenn Jason am Schluss für jeden Mord mit einer neuen, noch sperrigeren Waffe aufläuft. Der Höhepunkt ist sicherlich jenes Werkzeug, das ich mal als Kreissäge mit Selfie-Stick bezeichnen würde. Mir kann keiner erzählen, dass Jason nicht doch irgendwo ein hübsches Eigenheim mit geräumigem Werkzeugschuppen und benzinfressendem Pick-up-Truck sein eigen nennt. Und wenn der Hausdrachen mal wieder Ärger gemacht hat, geht er nur mal kurz „Kippen holen“.

il-giustiziere-della-strada-1983-exterminators-of-the-year-3000.35345An den ersten beiden MAD MAX-Filmen hatte ich kürzlich hervorgehoben, dass sie ohne jede Exposition und Erklärung auskommen. George Miller wirft den Zuschauer unvorbereitet in die skelettierte Handlung, reduziert alles auf die Konfrontation zwischen dem Helden und den Schurken vor dem Hintergrund einer unbarmherzigen postapokalyptischen Welt. Warum diese sich als neobarbarische Wüstenei darstellt, muss nicht weiter ausgeführt werden: WIe sich die Menschen gegenüber einander verhalten, ist Erklärung genug. Mit seiner Zukunftsvision traf Miller damals den Nerv der Zeit, nicht zuletzt, weil ihr Style gut in eine von Punk, Postpunk, New Wave und DIY-Credo dominierte Popkultur passte. Besonders inspiriert zeigten sich die findigen Produzenten aus Italien: Nach dem Motto „Besser gut geklaut als schlecht selbst erfunden“ schossen die Rip-offs aus dem Boden Cinecittàs und profitierten dabei nicht zuletzt davon, dass Miller im Original selbst nicht mit Millionen um sich hatte werfen können, sondern im Wesentlichen auf Erfindungsgeist und Improvisationstalent zurückgreifen musste. Talente, die man auch in Italien im Überfluss zur Verfügung hatte.

Motivisch wie inhaltlich orientierten sich die italienischen Endzeit-Filme stark am australischen Vorbild, ließen in Leder, Blech und Felle gekleidete Helden in aufgebrezelten Schrottkarren vor dem Panorama der andalusischen Wüste gegen overactende Punks und aus dem Dominastudio geflohene Sadomasochisten antreten, meist mit dem Ziel, irgendeine knappe Ressource zu sichern. Dem fast dekonstruktivistischen Gestus setzten sie allerdings ein meist klassisches Erzählverständnis gegenüber: Man kann die italienischen Endzeitfilme in gewisser Hinsicht als „kommentierte Ausgaben“ von Millers Filmen begreifen, die die Lücken stopfen, die Miller absichtlich klaffen lässt, die Figuren mit Träumen und Hoffnungen ausstatten, wo bei Miller nur Phantome existieren, und die sich in ihrer Naivität einer besseren Zukunft entgegenträumen, während Max Rockatansky ohne Ausweg in der ewigen Gegenwart gefangen ist. MAD MAX und MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR sind Ursprungsmythen, die Italo-Endzeitler die Geschichten, die auf ihrem Boden entstehen. IL GIUSTIZIERE DELLA STRADA ist ein gutes Beispiel dafür: In seiner postapokalyptischen Welt geht ein paar braven Siedler das Wasser aus. Zwischen ihnen und einer neuen Quelle steht der Wüstenpirat Crazy Bull (Fernando Bilbao), doch der kleine John (Luca Venantini) kann den Vagabunden Tiger (Roberto Jannucci) dazu überreden, ihm zu helfen. Am Ende, als der Schurke besiegt, aber trotzdem alle Bemühungen der Protagonisten ergebnislos geblieben sind, öffnet sich wie auf göttliche Initiative hin der Himmel und der erste Regen seit Jahren fällt zu Boden. Davor macht der Zuschauer noch Bekanntnschaft mit dem alternden Mechaniker Peperoni (Luciano Pigozzi), der dem staunenden John von früher erzählt, von der Natur mit ihren Düften und natürlich von schönen Frauen, sowie mit Trash (Alicia Moro), einer tapferen Kämpferin. Nicht nur der finale Regen, auch die Gemeinschaft von Tiger, Trash und John weist den Weg in eine bessere Zukunft mit Vater, Mutter und Kind, der Keimzelle der menschlichen Gesellschaft.

Wer das italienische Kino, insbesondere das italienische Genrekino, liebt, der liebt ohne Zweifel seine Verträumtheit, seinen Enthusiasmus, seine Naivität und die unverstellte Romantik. Auch in IL GIUSTIZIERE DELLA STRADA, einem Vertreter des vielleicht zynischsten, resigniertesten, defätistischsten Subgenres jenseits des Rape-and-Revenge-Films, kommen diese Eigenschaften auf wundersame Weise zum Tragen. Lässt Miller seinen Film im Nichts anfangen und dort auch wieder enden, liegt im postapokalyptische Wasteland Carnimeos (und auch dem seiner Landsleute) stets der Samen des Wunders verborgen, darauf wartend, endlich zu keimen. Max Rockatansky lässt die Siedler am Ende von MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR wie einst Shane zurück, weil er weiß, dass das antizivilisatorische Chaos in ihm tobt. Tiger beschließt ILGIUSTIZIERE DELLA STRADA hingegen als väterlicher Freund und künftiger Ehepartner, nachdem er das göttliche Zeichen erhalten hat. Die italienische Tagträumerei kommt am deutlichsten in den zahlreichen Verfolgungsjagden und Autostunts zum Vorschein, denen es zwar nicht an Mut fehlt, wohl aber an der halsbrecherischen Geschwindigkeit der Miller’schen Vorbilder. Bleifußfetischisten werden angesichts des gemütlichen Schritttempos, das da vorgelegt wird, eher nicht auf ihre Kosten kommen, aber irgendwie macht Carnimeos Entdeckung der Langsamkeit im Kontext des Films durchaus Sinn. Mehr als um den Rausch, den Kick, den Affekt geht es hier um die quasireligiöse Hoffnung, die Ermutigung, standhaft zu bleiben, den Glauben nicht zu verlieren. Miller will dem Zuschauer an die Eier, Carnimeo in sein Herz.

friday-the-13th-6Die „Mission“, die Tom McLoughlin als Autor und Regisseur von Teil 6 angetreten war, lässt sich wie folgt umreißen: 1) Er musste die vom Jason-losen Vorgänger enttäuschten Fans mit einer besonders ausgedehnten Rolle ihres Idols und einer porentief reinen Umsetzung des Stalk ‚N‘ Slash-Prinzips besänftigen. 2) Damit dies gelänge, musste er Jason zu einer echten Onscreen-Präsenz verhelfen, ihn zu einem nicht mehr nur heimlichen Protagonisten und Helden machen, anstatt ihn nur ab und zu durchs Bild huschen zu lassen. 3) Ferner hatte er das damit einhergehende „Spannungsproblem“ zu lösen: Da Anwesenheit und Identität des Killers nicht mehr mit Suspense einhergingen, musste er etwas finden, das einen adäquaten Ersatz darstellte. Das Ergebnis: JASON LIVES: FRIDAY THE 13TH PART VI ist ein actionlastiger Spoof geworden, in dem Jason fast mehr Screentime hat als sein menschlicher Gegner Tommy (Thom Mathews) und seine Morde nicht mehr Anlass für Schock und Schrecken sind, sondern für Gelächter und Szenenapplaus.

Der in FRIDAY THE 13TH: A NEW BEGINNING bereits zum zweiten Mal nach FRIDAY THE 13TH: THE FINAL CHAPTER angestoßene Kniff, Tommy zum Erben Jasons zu machen, wird mit JASON LIVES dann auch zum zweiten Mal verworfen. McLoughlin variiert zunächst die Eröffnungsszene des Vorgängers: Damals träumte Tommy, wie zwei Rowdies Jasons Grab öffnen und ihn so zum Leben erwecken, nun begeht er höchstselbst diesen Fehler: History repeats itself, das weiß man spätestens aus den FRIDAY THE 13TH-Filmen. Ein Blitz versorgt den faulenden Killer mit neuer Lebensenergie und fortan prescht er durch den Wald, wo das ehemalige Camp Crystal Lake unter dem Namen „Camp Forest Green“ seiner Neueröffnung entgegensehnt. Tommy versucht den Sheriff (David Kagen) zu warnen, wird jedoch im Stile eines Hitchcock-Helden nicht für voll genommen, sondern kurz entschlossen eingeknastet, bis ihm die fesche Megan (Jennifer Cooke), die Tochter des Gesetzeshüters, aus der Patsche hilft. Am Ende eines ausgedehnten Gemetzels wird der Klller im Crystal Lake versenkt, wo er auf Teil 7 wartet.

Nach der atmosphärischen Auftaktsequenz um Jasons Wiedererweckung (Teil 6 ist das erste Sequel, das auf eine Best-of-Compilation zu Beginn verzichtet) stellt eine kleine James-Bond-Hommage die Weichen: Wie der Superagent läuft Jasons von rechts nach links ins Bild und wirft ein Beil Richtung Zuschauer, woraufhin sich aus dem sprudelnden Blut der Titel herausschält. Im weiteren Verlauf wundert sich ein besoffener Totengräber beim Anblick von Jasons offenem Grab darüber, was manche Menschen für „Entertainment“ halten, wird eine Gruppe trotteliger Weekend-Warriors beim Gotchaspielen hinweggerafft (darunter auch ein Woody-Allen-Lookalike), liest ein kleines Mädchen im Ferienlager Sartres „No Exit“, sind die zahlreichen Morde übertriebener und comichafter, der Film insgesamt poppiger und viel, viel sauberer als alle Teile zuvor. Es gibt durchaus ein paar hübsche Einfälle: Dass Kinder anwesend sind, schafft eine gewisse Fallhöhe, doch verhält sich Jason ihnen gegenüber eher wie ein Schutzgeist. Seine wahren Feinde sind die Counsellors, die ihn einst absaufen ließen. Eine tolle Aufnahme zeigt den stoischen Mörder nach getaner Arbeit sein Werk betrachtend auf dem Wrack eines umgestürzten, noch dampfenden Wohnmobils. Und mit dem Duell zwischen Tommy und seiner Nemesis mitten auf dem See schlägt McLoughlin sehr schön den Bogen zum Ursprung der Reihe. Wie der Film überhaupt durchweg sauber inszeniert und überaus effektvoll fotografiert ist. Doch all das täuscht nicht darüber hinweg, dass JASON LIVES: FRIDAY THE 13TH Part VI als Horrorfilm auf ganzer Linie versagt. Die Omnipräsenz Jasons raubt der Figur jegliches Mysterium, seine Opfer sind nur darauf angelegt, von ihm umgebracht zu werden, alle existenzielle Schwere ist aus dem Film gesaugt. Zur Ehrenrettung McLoughlins muss man sagen, dass sein Vorhaben grundsätzlich auf richtigen Beobachtungen fußt: Die Geschichte um den Killer war spätestens nach dem vierten Teil auserzählt, wahrscheinlich sogar früher, und das, was die Kids in die Kinos lockte, waren eben die kreativen Morde und der Hüne mit der Eishockeymaske. Aus diesen Zutaten ließ sich anno 1986 nur noch sehr bedingt ein waschechter Horrorfilm machen, der Wandel zum spaßigen Comicvehikel mit Jason als Helden war mehr als naheliegend. Besser macht das diesen sechsten Teil aber trotzdem nicht: Einem gesichtslosen, stummen Killer dabei zuzusehen, wie er völlig egale, eindimensionale Pappkameraden in Slapstickmanier um die Ecke bringt, ist nur bedingt unterhaltsam. Früher mochte ich den Film ganz gern, heute würde ich sagen, dass er von allen FRIDAY THE 13TH-Teilen am schlechtesten gealtert ist.

„Der einzige Jason-Film der Jason-Endlosreihe ohne Jason“: So beschrieb der unnachahmliche Andreas Bethmann dieses vierte Sequel seinerzeit in dem von ihm herausgegebenen Horror-Fanzine „Art of Horror“, einer Fundgrube für angehende Lektoren, Freunde von sprachlos machenden Stilblüten und sprachlicher Einfalt. Nachdem nur ein Jahr zuvor angeblich „Das letzte Kapitel“ erzählt worden war, verkündete Regisseur Danny Steinmann hier also den „Neuen Anfang“. Bei soviel merkantiler Dreistigkeit war es wahrscheinlich angeraten, den Kunden mit einem einladenden Augenzwinkern auf die eigene Seite zu ziehen. Mit dem fünften Teil der Reihe beginnt also das postmoderne Zeitalter der FRIDAY THE 13TH-Reihe, wenngleich Steinmann den von Zito am Ende des Vorgängers fallengelassenen roten Faden dankbar aufgreift und zu den Whodunit-Wurzeln des ersten Teils zurückkehrt. Sein Film spielt mit dem nicht unberechtigten Verdacht des Publikums, der traumatisierte Tommy Jarvis (John Shepherd) könne das Werk von Jason Voorhees aufgegriffen haben, nur um ihn am Ende eines Besseren zu belehren. Wer den Film halbwegs aufmerksam verfolgt, weiß da indessen schon lange, wer sich unter der Eishockemaske verbirgt, denn, wie McCarthy in seinem „Splatter Movie Guide“ schreibt, weist Steinmann im Prinzip mit einem Neonschild auf den Täter hin. Dass er einen Copycat-Mörder an Jasons Stelle setzt, hat dem Film in Fankreisen erbitterte Kritik eingetragen und er gilt generell als einer der schwächeren Teile, aber wenn man FRIDAY THE 13TH: A NEW BEGINNING unvoreingenommen und eben nicht durch die Nerd- oder Fanbrille betrachtet, fallen einem einige Kniffe auf, die ihn zu einem der intelligenteren, zumindest aber einem der interessanteren Sequels machen.

A NEW BEGINNING eröffnet mit einer Albtraumsequenz, in der der junge Tommy (Corey Feldman) beobachtet, wie zwei Jungs das Grab von Jason öffnen und von dem wiedererwachenden Killer gemurkst werden. Jason nimmt sofort Witterung auf, geht wie an der Schnur gezogen auf Tommy zu und rammt ihm seine Machete in den Leib, woraufhin der offensichtlich über Nacht zum Young Adult herangereifte Junge erwacht (der folgende sechste Teil beginnt ganz ähnlich). Er befindet sich in einem Transporter, der ihn in ein Heim für psychisch labile Jugendliche bringt. Dort, irgendwo in einem nicht näher bezeichneten Waldgebiet (auch dieser Teil wurde wieder in Kalifornien gedreht und sieht kein bisschen aus wie die ersten beiden Filme) sollen die Kids auf antiautoritärem Wege auf die Reintegration in die Gesellschaft vorbereitet werden. Das therapeutische Konzept lässt zu wünschen übrig, denn es dauert keine zehn Minuten, da wird das erste – der verfettete, zurückgebliebene Joey (Dominick Brascia) – von einem cholerischen Mitinsassen mit der Axt verhackstückt. Betrachtet man den Film als Abbild der Realität (tut das wirklich jemand?), funktioniert er natürlich kein Stück: Die beiden Heimleiter – Matt (Richard Young) und Pam (Melanie Kinnaman) – behandeln ihre jugendlichen Patienten als seien sie ihre Vertrauenslehrer, der brutale Mord entlockt ihnen kaum mehr als ein besorgt-enttäuschtes Stirnrunzeln, ihre „Methoden“ (welche das genau sind, wird nie wirklich klar) stellen sie trotz dieses Dramas aber nie in Zweifel. Die potenziell gefährdeten Kids benehmen sich weiterhin wie in einem Ferienlager und der schwarze Koch lädt sogar seinen halbüchsigen Enkel Reggie (Shavar Ross) dazu ein, seine Ferien mit den Durchgeknallten zu verbringen (was der seltsamerweise keineswegs widerwillig, sondern im Gegenteil voller Enthusiasmus tut). Aber die ersten vier Teile und ihr desillusioniertes Bild von Jugend im Hinterkopf macht diese Darstellung der Dinge natürlich Sinn. Steinmanns Szenario ist eine gleichnishafte Pointierung all dieser Ideen: Die Jugend ist eine Zeit des inneren Tumults, in der selbst gut ausgebildete Erwachsene keine Hilfe bieten können, die Hormone sprießen wie Unkraut, aber es gibt kaum Gelegenheit zum Triebabbau. Und wenn doch, muss man entweder mit Sanktionen oder aber dem moralischen Zeigefinger irgendwelcher bigotten Spießer rechnen. Das Leben ist buchstäblich ein Tollhaus für diese Kids.

Mit FRIDAY THE 13TH: A NEW BEGINNING wird die Schwelle zur grellen Komödie, auf der vorherige Beiträge immer schon besoffen entlangtorkelten, endgültig überschritten. Die wie in einer bunten Nummernrevue aneinander geklatschten Morde sind an Selbstzweckhaftigkeit kaum noch zu übertreffen, ein gutes halbes Dutzend unterentwickelter Figuren wird zu dem einzigen Zweck eingeführt, den Body Count in die Höhe zu treiben. Mit Spannung hat der Film rein gar nichts mehr am Hut, dafür aber umso mehr mit eigenwilligem, überdrehtem Humor. Eine Eintopf kochende Backwood-Mama und ihr beschränkter Sohn fungieren als Zerrbild vermeintlich uramerikanischer Werte, ein Sanitäter zieht sich eine Linie Koks, während er auf sein Date wartet, natürlich eine dummbratzige Kellnerin. Dem Bürgermeister ist die fortschrittliche Klinik ein Dorn im Auge, weil er der Meinung ist, die Kids bräuchten nicht mehr Freiraum, sondern eine noch stärkere Hand, und die verdreckten Rednecks setzen ihn in einem fort unter Druck. Jede Figur ist ein grobschlächtiges Klischee, das man sofort einordnen kann. Nur Tommy bleibt ein Mysterium: Er steht ständig auf der Kippe und wahrscheinlich hätte der Film sogar erheblich davon profitiert, wenn er mit den Vermutungen, die er bedient, Ernst gemacht und Tommy tatsächlich das Erbe Jasons hätte antreten lassen. So gibt es eine ziemlich doofe Schlussenthüllung und ein Shock Ending, das die Uhr einen Teil zurückdreht und erneut mit einem böse guckenden Tommy schließt. So ganz ablegen kann ich die Enttäuschung über die vertane Chance nicht, dennoch finde ich, dass FRIDAY THE 13TH: A NEW BEGINNING besser ist als sein mieser Ruf. Zu diesem späten Zeitpunkt müsste die Reihe eigentlich längst auf Autopilot laufen. Aber so einfach hat es sich Steinmann dann doch nicht gemacht, was ich sehr honorabel finde.

friday-the-13th-the-final-chapter-577802lFür mich ist dies der beste Teil der Reihe, der finsterste und brutalste, der, der genau das verkörpert, was die Reihe für mich gerade in meiner Jugend immer so reizvoll machte. Joseph Zito gelang es, die Essenz der ersten drei Teile, das, was Jason Voorhees überhaupt erst zu einer effektiven Figur machte, klar herauszuarbeiten, bevor das Franchise endgültig den Wandel zu poppigem Kinderkram und Funsplatter vollzog (was nicht heißt, dass ich die kommenden Teile nicht mag). Hier ist Jason noch eine bösartige, furchteinflößende Urgewalt, ein Mysterium zudem. Seine zahlreichen Morde beenden mittelmäßige bis traurige Teenieleben blutig und überaus mitleidlos, der Film ist dunkel, feucht, kalt und – im Rahmen dessen, was im nicht gerade subtilen Slashergenre möglich ist – beunruhigend, am Ende gar verstörend.

FRIDAY THE 13TH: THE FINAL CHAPTER knüpft wieder unmittelbar an den direkten Vorgänger an, verströmt aber vom Start weg eine ungeahnte Dringlichkeit und Bedrohung, die auch das Teeniegedöns der Exposition entsprechend verdüstert. Zito beschränkt es zudem auf ein absolutes Mindestmaß – das, was nötig ist, um seine Opferschar als notgeile Jammerlappen zu zeichnen – und lässt Jason bereits nach kürzester Zeit von der Leine, auf dass er sein blutiges Handwerk verrichte. Die Spezialeffekte stammen wieder einmal von Tom Savini, kommen ruppig und hart daher, selbst wenn man sieht, dass auch dieser Film Federn lassen musste, um sein R-Rating zu bekommen. Jason selbst geht mit äußerster Effizienz zu Werke und bleibt bis zur letzten Spule nahezu unsichtbar, nicht zuletzt, weil die Nacht, der Wald und der Regen ihn verdecken (man vergleiche Zitos Film nur mal mit dem bei Festbeleuchtung gedrehten Vorgänger). Ein kluger Schachzug: Im Vergleich mit späteren Sequels, in denen Jason fast zum Protagonisten wird, ist dieser vierte Teil deutlich spannender, und wenn der Hüne mit der Eishockeymaske endlich in Erscheinung tritt, schlägt das ganz anders zu Buche. Meine Lieblingsszene mit ihm ist dann auch noch nicht einmal besonders grafisch: Er durchbricht mit den Armen ein Fenster im ersten Stock eines Hauses von außen, greift das dahinter stehende Mädchen, reißt sie heraus und wirft sie kurzerhand über die Balkonbrüstung. In Zeitlupe kommt dieser Mord gleich doppelt brachial daher (Zito setzt sie häufiger sehr effektiv ein). Überhaupt wirken die genretypischen creative killings hier vergleichsweise bodenständig, was dem Film sehr zugute kommt. In späteren Teilen fragt man sich ja des öfteren, welchen Baumarkt Jason zuvor geplündert haben mag, um an sein Arsenal von Mordwaffen zu kommen.

Dass ich diesen Film – der wie schon der dritte Tel vor ihm und die folgenden ebenfalls in Kalifornien gedreht wurde und dessen Setting kaum mit den ersten beiden Filmen in Übereinstimmung zu bringen ist – so mag, liegt neben der Top-Performance von Jason und der zielstrebigen Inszenierung von Zito vor allem an den beiden „Stars“, Corey Feldman und Crispin Glover. Ersterer hat als damals 13-Jähriger die Hauptrolle als Crystal-Lake-Anwohner Tommy und trägt erheblich dazu bei, dass man tatsächlich emotional in FRIDAY THE 13TH: THE FINAL CHAPTER involviert ist. Wenn Tommy in seinem Bett aufjauchzt, weil er die geilen Ischen nebenan nackig sehen kann, ist man ganz bei ihm und sorgt sich im Folgenden um seine Sicherheit. Das harte Finale, in dem er einen sichtbaren Knacks erleidet, sorgt ebenfalls dafür, dass dieser vierte Film der Reihe neben dem ersten als ernstester Beitrag gelten darf. Die Schlusseinstellung zeitigt eine Wirkung, die der vierte Teil einer tumben Slasherfilm-Reihe eigentlich niemals haben dürfte. Crispin Glover ist hier so etwas wie das Comic Relief, auch wenn dieser Begriff seiner Funktion nicht ganz gerecht wird. Er ist der linkische Nerd, der sich bei den Frauen ziemlich dumm anstellt und dessen Selbstbewusstsein massiv angeknackst ist. Er reißt sich dann zusammen, spricht tatsächlich ein Mädel an und gewinnt die Herzen der Zuschauer mit einer der bizarrsten Tanz-Performances ever. Sein Ende spielt meiner Deutung der FRIDAY THE 13TH-Reihe sehr in die Karten: Er wird gekillt, nachdem ihm seine Eroberung ein Spitzenleistung im Bett bescheinigt hat. Nicht, weil ein Puritaner ihn dafür bestrafen will, dass er Sex hatte, sondern weil solches Glück im Teenieleben einfach nicht vorgesehen ist. Life’s a bitch and then you die.

Boyhood_A4_Poster-722x1024Die auf dem nebenstehenden Plakat abgedruckten Superlative lassen schon erkennen, dass BOYHOOD kein ganz gewöhnlicher Spielfilm ist. Linklaters Projekt, das Heranwachsen eines Jungen über einen realen Zeitraum von 12 Jahren mit denselben Schauspielern zu verfolgen, bedeutete vor allem eine organisatorische Herausforderung: Linklater wusste natürlich nicht, in welche Richtung sich sein(e) Hauptdarsteller und demnach auch sein Film entwickeln würden und sah sich so gezwungen, seinen Film in jährlichen Etappen fortzusetzen. Die Grundidee ist nicht so neu, wie es die Lobpreisungen eigentlich erwarten lassen, wenn Linklater sie auch konsequenter umsetzte als seine Vorgänger. Der berühmteste ist wahrscheinlich Francois Truffaut, der sich zwischen 1959 und 1979 in fünf Spielfilmen und einem Kurzfilm (u. a. BAISERS VOLÈS, DOMICILE CONJUGAL und L’AMOUR EN FUITE) der Biografie seines fiktiven Protagonisten Antoine Doinel – gespielt von einem mit der Figur wachsenden Jean-Pierre Léaud – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter widmete. Während Truffaut jedoch mit jedem Film ein neues Kapitel im Leben Antoines aufschlug, gewissermaßen zu besonderen Stationen von dessen Biografie sprang, ermöglicht Linklaters Herangehensweise ein sehr viel lückenloseres Bild einer Entwicklung. Man sieht, wie sich das Gesicht von Mason (Ellar Coltrane) langsam verändert, das Kindliche verschwindet, wie die Frisuren der Mode entsprechend ihre Form ändern, wie sich bestimmte Charakterzüge langsam herausbilden und schließlich verfestigen. Die größte Leistung Linklaters ist es sicherlich am Ende einen Film vorgelegt zu haben, der ganz entgegen seiner etappenartigen Entstehung wie aus einem Guss wirkt.

Im Mittelpunkt des Interesses steht eben jener Mason und das ist sehr wörtlich zu nehmen: Es gibt wenig Drama in BOYHOOD, keine tragischen Todes- oder Krankheitsfälle, keine dunkle Schatten werfenden Schicksalsschläge, kaum Tränen oder Schmerzen, keinen Plot nach herkömmlichem Verständnis, keine großen Erkenntnisse, die man gewinnen könnte. Stattdessen steht da dieser Junge im Zentrum des Bildes, genau zuschauend, wie sich das Leben um ihn herum entfaltet, wie es einmal durchlaufene Räume verschließt und neue Türen öffnet, wie es überraschende Abzweigungen nimmt, wie jede Entscheidung der Anfang für eine Kette weiterer Entscheidungen ist. Mason ist bis zum Schluss keine im klassischen dramaturgischen Verständnis „handelnde“ Figur: Wichtige Entscheidungen nehmen ihm Eltern und andere Autoritätspersonen ab, an ihm vollzieht sich erst einmal nur der Wille anderer Menschen, mit wachsendem Widerwillen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als dieses Spiel mitzumachen in der Hoffnung, dass da in seinem Sinne gehandelt wird und natürlich, dass er irgendwann die Zügel für sein Leben selbst in die Hand nehmen können wird. Das tut Mason dann am Ende des Films, der ein neuer Anfang ist: Die unbeschwerte Zeit der Kindheit ist vorbei, nun muss er auf eigenen Füßen stehen. All das, was ihm vorher abgenommen wurde, unterliegt nun seiner eigenen Verantwortung. Er kann nur auf das zurückgreifen, was er in den Jahren zuvor, als er seine Eltern und die anderen Erwachsenen um ihn herum beobachtete, gelernt hat.

Das bedeutet auch, dass die Erwachsenen zeitweise wichtiger sind als Mason: Seine Mutter (Patricia Arquette) hat das fragwürdige Talent, sich die falschen Männer auszusuchen, sein Vater (Ethan Hawke) war der Richtige zur falschen Zeit. Mason und seine ältere Schwester Samantha (Lorelei Linklater) werden mit zwei grundverschiedenen Lebensmodellen konfrontiert. Auf der einen Seite die Versuche der Mama, Erziehung, Haushalt sowie eigene Karriere und Liebesleben in den Griff zu bekommen, auf der anderen die Unbeschwertheit des Single-Daseins ihres Vaters, der die wenige gemeinsam Zeit nutzt, seinen Kindern möglichst viel mit auf den Weg zu geben. Am Ende – das ist vielleicht die „Botschaft“ des Films – muss jeder sich auf sich selbst verlassen, die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, möglichst optimal nutzen. Das gilt für Eltern wie Kinder: Erstere können alles versuchen, um ihre Sprösslinge auf den richtigen Pfad zu bringen, aber eine Garantie gibt es nicht, letztlich ist ein gewisses Vertrauen notwendig. Und all das, was ein Junge während seiner Kindheit mitbekommt, egal wie er geprägt wird, irgendwann liegen die Dinge bei ihm. Es gibt keinen sauberen Übergang zwischen der Kindheit, Jugend und dem Erwachsensein, alles blutet ineinander. Seine Mutter, sagt Mason, ist im Grunde genommen genauso überfordert mit den Anforderungen des Lebens wie er.

Ich mochte die Leichtigkeit des Films, seine Stimmung, die Ruhe und Gelassenheit, mit der er Mason und seine Familie begleitet. Eigentlich passiert überhaupt nichts in BOYHOOD, trotzdem habe ich die annähernd drei Stunden als überaus kurzweilig empfunden. Ich habe meine Zeit gern mit diesen Figuren verbracht, zugeschaut, wie sie sich verändern und dabei doch sie selbst bleiben. Ein paarmal kann Linklater vom Klischee nicht lassen – der in seiner Arbeitsuniform Dosenbier saufende dritte Lebensgefährte von Masons Mom könnte aus einem moralinsauren Alkoholikerdrama kommen –, aber aus der Bahn wirft das seinen Film nicht. Auch die bei diesem Thema eigentlich obligatorische Nostalgiehuberei sucht man vergeblich. Der Zeitkolorit spielt eine nur sehr untergeordnete Rolle, es geht nicht darum die 2000er abzufeiern und einer bestimmten historischen oder popkulturellen Epoche ein Denkmal zu errichten. BOYHOOD ist universell in seinem Ansatz, amerikanisch natürlich, aber im Wesentlichen allgemeingültig in seiner Perspektive auf das Leben, die angenehm bescheiden ist. Es braucht keine Karriere, keinen Reichtum, kein Abenteuer: Dass wir werden, wer wir sind, ist Wunder genug.

 

Nach seinem gelungenen „Comeback“ mit PRINCE OF DARKNESS folgte nur wenig später diese kapitalismuskritische Science-Fiction-Arbeiterkomödie. Ich meine mich zu erinnern, dass THEY LIVE damals durchaus wohlwollend, aber auch etwas irritiert aufgenommen wurde. Die beiden Protagonisten des Films, die einfach gestrickten Bauarbeiter Nada (Roddy Piper) und Frank (Keith David), waren nicht gerade das typische Heldenmaterial und die mittlerweile kultisch verehrte, minutenlange Keilerei zwischen den beiden schien etwas unter der „Würde“ des noch wenige Jahre zuvor zuvor gefeierten Horror- und Suspense-Meisters. Der Film verlor nach gutem Start seine Zuschauer und blieb als milde Enttäuschung in Erinnerung. Aber wie das so oft ist mit Filmen, die bei ihrer Erstverwertung auf ein gewisses Unverständnis stoßen, reifte auch THEY LIVE mit den Jahren langsam aber sicher zum Kultklassiker, der von den Menschen, die ihn lieben gelernt haben, umso inbrünstiger gefeiert wird. (Hier sei exemplarisch auf Outlaw Verns Liebeserklärung verwiesen.) Es ist gerade diese Verbindung von dystopischer Gesellschaftskritik, selbstbewusst tumbem Humor und stumpfem Machismo, die THEY LIVE zu einem immens liebenswerten Außenseiter seines Science-Fiction-Subgenres machen. Dass die Revolution ausgerechnet von zwei intellektuell eher einfachen Männern, von Vertretern der Unterschicht losgetreten wird, macht THEY LIVE zu einem Seelenverwandten von Romeros LAND OF THE DEAD (sowie seiner Zombiefilme generell und natürlich zahlreicher weiterer Paranoia-Thriller, von denen der berühmteste wahrscheinlich INVASION OF THE BODY SNATCHERS ist). Und obwohl er zur Zeit der Reaganomics erschien, scheinen seine Beobachtungen heute noch genauso zuzutreffen wie vor rund 30 Jahren – wenn nicht sogar noch mehr.

Carpenters Film ist eine einzige Polemik gegen das Kapital: Die Reichen und Mächtigen sind ameisenartig-skeletale Außerirdische, die die ahnungslosen Massen via Werbung, Fernsehen und Magazinen mit subliminalen Botschaften in ihrem Schäfchenstatus halten. „Obey“, „Submit“, „Sleep“, „Don’t question authority“ und „Consume“ sind nur einige der Befehle, die die Menschen täglich aufnehmen und befolgen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wie Neo aus THE MATRIX erlebt der mittellose Vagabund und Gelegenheitsarbeiter Nada einen Kulturschock, als er die Welt durch eine Spezialbrille und ohne den von den außerirdischen Imperialisten aufgezogenen Smokescreen sieht. Seine Armut ist kein Resultat ungünstiger Umstände, vielmehr ist die Welt so geordnet, dass Menschen wie er nie zu etwas werden: Er ist ein „Arbeiter“, dazu da, die Strukturen aufrechtzuerhalten, von denen die Herrschenden profitieren. Was THEY LIVE u. a. von der Trilogie der Wachowskis unterscheidet, ist die Charakterisierung der Helden, die für den Widerstandskampf nicht ausgerüstet und in allen Belangen hoffnungslos unterlegen sind. Sie sind beide nicht zum Heldentum berufen und auch die Erkenntnis sinkt erst ganz langsam ein. Sie begreifen zunächst nicht, was eigentlich los ist. Vern beschreibt in seinem Text sehr treffend, dass Nada lange Zeit vor allem zuschaut: Er sieht und bemerkt Dinge, die ihm merkwürdig erscheinen, auch wenn er noch nicht genau weiß, warum. Wenn er die Sonnenbrille findet, die es ihm ermöglicht, die „Realität“ zu erkennen, läuft er wie in Trance durch die Straßen, ungläubig wahrnehmend, dass er sein ganzes Leben in einer Illusion verbracht hat. Sein Kumpel Frank, den er einweihen will, wehrt sich hingegen zunächst mit Händen und Füßen dagegen, die Sonnenbrille aufzusetzen: Das Nichtwissen, die Ignoranz sind durchaus bequem, und mit der Erkenntnis geht eine gewisse Verantwortung einher. Man kann nicht mehr zurück und steht vor der Frage, wie man mit dem neu erlangten Wissen umgeht. Nada und Frank wollten eigentlich nur irgendwie durchkommen, jetzt auf einmal sind sie Freiheitskämpfer in einer aussichtslosen Schlacht.

Wenige Wochen, nachdem man sich als halbwegs intelligenter und aufgeklärter Mensch für wild ins Blaue fantasierende, in ihren diffusen Ängsten vor allem gegen Schwächere keilende Mitbürger schämen musste (Stichwort: PEGIDA), bekommt ein Film wie THEY LIVE natürlich eine zweite, weniger eindeutige Ebene. Nada und Frank stellen fest, dass die ultimative Verschwörungstheorie wahr geworden ist. „Die da oben“ steuern alles, Information und Entertainment sind in Wahrheit das sprichwörtliche Opium fürs Volk, das von den Herrschenden für ihre Zwecke eingespannt ist. Wer aufbegehrt, muss damit rechnen, gnadenlos ausgeschaltet zu werden. Aber die Geschichte funktioniert natürlich auch andersrum: Dann wäre Nada ein Irrer, der einer Wahnvorstellung unterliegt. Anstatt die Tarnung aufzuheben, könnte die Brille ihrem Träger ja auch ein Zerrbild vorgaukeln. Die Frage ist letztlich, was man glauben will: Für Frank und Nada ist die Existenz einer fremden Macht, die für ihre prekäre Lage verantwortlich ist, in gewisser Weise bequem. Anstatt resigniert festzustellen, dass sie ihre Situation einer Verkettung von unterschiedlichen Faktoren verdanken, auf die sie keinen Einfluss haben, können sie den Schuldigen ganz klar benennen und ihre Bemühungen in eine bestimmte Richtung lenken. Das ist eindeutig nicht der Weg, den Carpenter beschreitet – er lässt m. E. keinen Zweifel an der Richtigkeit von Nadas und Franks Mission –, aber es gibt dem Film aus heutiger Perspektive das gewisse Etwas, den doppelten Boden. In erster Linie lebt THEY LIVE aber von der Geradlinigkeit von Carpenters Inszenierung und seinen Protagonisten. Roddy Piper ist kein guter Schauspieler, aber er ist hier perfekt besetzt. Ein besserer, attraktiverer Akteur wäre weniger effektiv gewesen, einfach weil der ganze Film mit der Diskrepanz zwischen den Helden und den Schurken steht und fällt. Nada und Frank sind in fast allen Belangen unterdurchschnittlich, das einzige, was sie haben, ist Herz. Deswegen ist auch diese absurde Keilerei so toll, weil sie ihrem Wesen idealtypisch entspricht. Für fünf Minuten hauen sie sich mit Inbrunst auf die Schnauze, einfach, weil sie keine großen Redner sind. Und danach geben sie sich die Hand und sind Freunde mit einem gemeinsamen Ziel. Carpenters Filme sind oft ein wenig kalt und auch dieser strebt mit seiner Prämisse in diese Richtung, bevor er sich dann in ein warmherziges Buddy Movie verwandelt. Das ist einfach ein toller Schachzug. THEY LIVE sieht auf den ersten Blick nicht so aus, aber er ist ein verdammt origineller und liebenswerter Vertreter seiner Zunft.

Es ist lustig, dass das Franchise ausgerechnet mit Miners zweitem Beitrag zur Reihe sicheren Tritt fand, denn FRIDAY THE 13TH PART III ist mit Abstand der seltsamste Film um den klobigen Killer vom Camp Crystal Lake. Dabei ist es nicht ganz einfach, genau zu benennen, worin die Seltsamkeit des Films eigentlich genau besteht. Vordergründig ist dieser dritte Teil, von seinem gimmickhaften Einsatz der 3D-Technologie einmal abgesehen, nämlich sogar ausgesprochen konzeptarm, stellt quasi einen idelatypischen Slasherfilm dar: Ein paar Teenies lassen sich zu einem lauen Wochenende bei Alkohol, Dope und Sex in einem Häuschen am Crystal Lake nieder und werden vom maskierten Butzemann plattgemacht, bis ihm das Final Girl vorerst ein Ende bereitet. Die Morde sind gegenüber den Vorgängern kreativer und comichafter, der ganze Film weniger „realistisch“, sondern von einer irgendwie irrealen, märchenhaften Qualität.

FRIDAY THE 13TH PART III beginnt zunächst mit dem Rückblick auf Teil 2, der aus Gründen der Erzählökonomie leicht abgewandelt wird. Die düstere, erdige Farbgebung dieser Bilder wird von der dann einsetzenden Title-Sequenz, die schon einen Vorgeschmack auf das Kommende gibt, kontrastiert: Die Schrifteinblendungen knallen vor blauem Hintergrund und Rauchschwaden in leuchtend blutroten, dreidimensionalen Blockbuchstaben ins Bild, Harry Manfredinis hyperaktiver Score wird mittels Stampfrhythmus und Blubberbass zur geisterbahnhaften Disconummer variiert. Der erste Tatort, der Gemischtwarenladen samt Wohnung eines gammeligen White-Trash-Ehepaares, sieht mit seinem komischen Hinterhof aus wie ein trauriges Bühnensetting aus einer vergessenen Siebzigerjahre-Kindersendung. Die Optik meiner DVD, die eine ganz seltsame Flächenunschärfe aufweist, trägt ihren Teil dazu bei, dass der Film wirkt, als betrachte man ihn durch die Kristallkugel eines humorvollen Zauberers. (Ich nehme an, das hat etwas mit der 3D-Konvertierung zu tun, aber ich bin kein Fachmann und kann da nur spekulieren.) Außerdem schlägt zu Buche, dass Miner den Film komplett an kalifornischen Schauplätzen inszenierte, obwohl Camp Crystal Lake eigentlich an der Ostküste liegt (die vorangegangenen Teile waren in New York und Connecticut gedreht worden): Die Landschaft sieht anders aus, sonniger und staubiger, das Licht ist ein anderes, das ganze Setting lässt vermuten, man habe es mit einem ganz anderen Crystal Lake zu tun als zuvor (der zuvor ausladende Waldsee ist hier kaum mehr als ein Tümpel). Dass die vorangegangenen Ereignisse nach dem erwähnten White-Trash-Prolog keinerlei Erwähnung mehr finden, unterstreicht noch die Fremdartigkeit des Films. Während später etwa durch die Etablierung des Tommy Jarvis eine Art durchgehender Chronologie aufgebaut wird, die zumindest die Teile 4 bis 7 verbindet, wirkt dieser dritte Teil wie ein folgenlos bleibender Exkurs.

Auch der eine inhaltlicher Schlenker, den sich der Film gönnt, suggeriert eine parallel zum Franchise laufende Alternativ-Story: Die Protagonistin Chris (Dana Kimmell) leidet an einem Trauma, seit sie vor einem Jahr von einer missgebildeten Gestalt im Wald angefallen wurde. In einer Rückblende sehen wir, parallel zu ihrer Erzählung, wie sie im Wald eingeschlafen ist (!) und plötzlich von einem Mann mit fürchterlich entstelltem Gesicht überrascht wird. Er stürzt sich auf sie, während sie panisch und erfolglos versucht, ihn abzuschütteln. Die Rückblende endet, Chris berichtet, sie sei zu Hause in ihrem Bett aufgewacht und ihre Eltern hätten nie wieder mit ihr über die Vorfälle jener Nacht gesprochen. Später stellt sich natürlich heraus, dass die Gestalt niemand Geringeres als Jason Voorhees gewesen ist. – Nicht nur, dass Chris‘ Geschichte – das unschuldige Mädchen, das im Wald sanft entschlummert und von einem Monster geweckt wird – zum märchenhaften Charakter des Films entscheidend beiträgt, sie impliziert auch einen unangenehmen sexualpathologischen Aspekt von Jasons Handeln: Die Interpretation, dass Chris von ihm vergewaltigt wurde, bestätigt der Film zwar nicht, bemüht sich aber auch nicht gerade, sie zu entkräften. In der sonst sehr lückenlosen Jason-Saga – jeder Film schließt unmittelbar an den vorangegangenen an – suggeriert Chris‘ Erlebnis außerdem, dass Jason ein Leben „zwischen“ den Filmen führt – und dass ihm möglicherweise andere Menschen begegnet und entkommen sind. Der sonst sehr enge Fokus der FRIDAY THE 13TH-Filme öffnet sich, die eindimensionale Jason-Figur wird „veruneindeutigt“. Ansonsten wandelt FRIDAY THE 13TH PART III aber auf ausgetretenen Pfaden, sieht man einmal davon ab, dass er deutlich humorvoller ist als die Vorgänger und den ersten Schritt zu späteren Eskapaden und der Idolisierung Jasons macht. Dies ist bekanntermaßen der Film, in dem der Killer endlich seine Hockeymaske findet, die ihn zur Ikone werden ließ. Jason rückt weiter in den Vordergrund als zuvor und erhält seine Persona als unaufhaltsame, stoische Mordmaschine, die in den folgenden Installationen weiter ausgebaut und schließlich auf die Spitze getrieben wird. Mir hat immer der deutsche Titel UND WIEDER IST FREITAG DER 13. imponiert: Er betont gnadenlos den seriellen Charakter des Films, gleichzeitig schwingt aber auch eine gewisse tragische Resignation in den Worten mit. Der Titel sagt, dass zwangsläufig weitere Unglückstage kommen werden und mit ihnen auch der von Jason angehäufte Leichenberg weiter wachsen wird, ohne dass man dagegen etwas unternehmen könnte. Wie ich in meinem Text zum ersten Teil schon sagte: Die Reihe ist ganz den dunklen Abgründen der „Teenage experience“ und der Angst vor einem vorzeitigen, sinnlosen Tod verpflichtet