Nach seiner Co-Regie bei FINAL IMPACT ist STREET CRIMES Stephen Smokes zweiter und – auch insgesamt – letzter Film. Er bringt Michael Worth mit, der ebenfalls mit FINAL IMPACT sein Debüt gefeiert hatte, und zaubert als Clou Dennis Farina aus dem Hut, den man aus Nebenrollen (meist als Cop oder Mafiosi) in zahlreichen größeren Produktionen – z. B. THIEF, CUSACK, MANHUNTER, MIDNIGHT RUN, ANOTHER STAKEOUT, ROMEO IS BLEEDING, GET SHORTY oder OUT OF SIGHT – und als Star der von Michael Mann produzierten Serie CRIME STORY kennt. Der Charakterdarsteller mit dem markanten New Yorker Akzent verleiht STREET CRIMES dann auch einen ordentlichen Qualitätsschub. Figuren und Handlung sind klischiert bis ins Mark, Smoke zeigt erneut einen Hang zum seifenoperesken Drama und entwickelt keinen richtigen „Zugriff“ auf seine Geschichte, aber diese eigenwillige Mischung aus Copdrama, Streetgang- und Kickboxfilm hat mich dann doch bis zum Ende bei der Stange gehalten.
Michael Worth ist Tony, ein junger, unerfahrener Cop mit streitbarem Klamottengeschmack (Lieblingsstück: eine wie eine Jogginghose geschnittene Stonewashed-Jeans mit Gummizug, aber manchmal trägt er auch schwarze Hosenträger zu ockerfarbenen Plusterhemden), der den Spott seiner Kollegen erntet, als das Autohaus, in dem er den Kauf eines neuen Wagens erwägt, überfallen wird und der Täter mit Tonys Wunschauto entkommt, weil der statt der Waffe lieber seine Kickboxkünste einsetzt. Nur der erfahrene Brian (Dennis Farina) nimmt sich des Jungen an und ihn vor den Kollegen in Schutz. Es entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden, in deren Verlauf Tony auch Susan (Patricia Zehentmayer), die blinde, herzensgute Tochter des verwitweten Veterans kennen und lieben lernt. Das gefällt dem Papa nur bedingt, denn die Prinzessin soll ja etwas besseres bekommen als einen Bullen, der womöglich eines Tages mit einer Kugel im Kopf endet. Außerdem sind ihm Tonys ständige Mahnungen wegen seines ungesunden Lebenswandels zuwider: Tony ist ein Gesundheitsfanatiker und Brian vermutet – natürlich zu Recht –, dass sich dahinter schwere Komplexe verbergen. Der Hauptplot, wenn man ihn denn so nennen will, denn Smoke lässt alles relativ gleichberechtigt nebeneinander stehen, kreist aber um eine Reihe von Kickboxfights zwischen Cops und Gangmitgliedern, die Tony eines Tages eher unabsichtlich initiiert und damit einen Waffenstillstand auf den einst so gefährlichen Straßen schafft. In den sportlichen Auseinandersetzungen lernen sich Kriminelle und Cops als „Seelenverwandte“ kennen und respektieren. Eine wunderschöne Vision, geprägt vom amerikanischen Sportsgeist und dem Wissen, dass nichts so sehr verbindet, wie eine zünftige Keilerei. Es könnte alles gut sein, doch der neue Frieden auf den Straßen ist dem Kingpin Gerardo (James T. Morris) ein Dorn im Auge. Niemand will mehr seine Drogen verhökern oder sich prostituieren, also gilt es, dem albernen Treiben ein Ende zu setzen. Er killt den kriminellen Asiaten Jimmy (Ron Yuan), mit dem Tony den neuen Trend losgetreten hatte, entführt Susan und beschwört so den Zorn der Cops und der Stadtbewohner herauf, die Tony am Ende symbolträchtig beim Marsch auf das Jugendzentrum, wo der Finalkampf zwischen den beiden Rivalen stattfinden soll, begleiten.
STREET CRIMES scheint von den damals reüssierenden Hood-Filmen – und möglicherweise auch von den L.A. Riots, die wenige Monate vor Erscheinen des Films ausgebrochen waren – inspiriert. Kameramann Richard Pepin fängt immer wieder ausladende Murals oder Graffitis ein, Karo-Flanellhemden sind unter den hispanischen Nebendarstellern de rigueur, es gibt eine Szene, in der Tony einem kleinen Mädchen Crack abnimmt, und es dann mit Schmackes gegen eine Wand wirft (das Crack, nicht das Mädchen), und eine andere, in der der Cop Flannigan (Max Gail) einer Gruppe von gelangweilten Gangmitgliedern während eines Kurses eine Karriere als Cops nahelegen möchte. Das ganze endet im Streit, weil das von Flannigan genannte Jahresgehalt angeblich dem entspricht, was ein Crackdealer im Monat verdient. Das hitzige Wortgefecht wird von Tony und Brian nur mit amüsiertem Schmunzeln betrachtet. Während Filme wie COLORS, BOYZ N THE HOOD, MENACE II SOCIETY oder auch BLOOD IN BLOOD OUT ungefähr zur selben Zeit eine finstere Zukunftsvision von in kriegsähnlichen Zuständen versinkenden Innenstädten zeichneten, geht STREET CRIMES geradezu entspannt damit um. L. A. wird zum Dorf, auf dessen Straßen die Menschen sich kabbeln, aber im Grunde müssten alle nur mal miteinander reden (oder sich im Ring die Fresse polieren), um zu erkennen, dass sie alle aus demselben Holz geschnitzt sind. Tony und Brian sind dann auch eher Sozialarbeiter als Kriminalbeamte und sie freuen sich ehrlich, wenn ein Gangmitglied ihnen sagt, dass sie für Cops eigentlich ganz OK sind.
Diese Art von mit Actionversatzstücken für den Videomarkt aufgepeppten Dramen verschwand bald gänzlich aus der Produktpalette von PM Entertainment, was durchaus ein bisschen schade ist. Es macht Freude, zu sehen, wie sich PM an einem „ernsten“ Thema versuchen, es dabei aber mit der gleichen Spontaneität und Naivität behandeln wie ihre reinen Actionvehikel. STREET CRIMES raubt gewiss niemandem dem Atem, aber er ist kurzweilig, sieht gut aus und bietet Attraktionen in schneller Folge. Eine Rezension auf der IMDb leiert die üblichen „so bad it’s good“- und „unintentional humor“-Phrasen herunter: Sicherlich ist der Film ein bisschen albern und unbeholfen, aber eigentlich habe ich ihn als sehr heartfelt und ehrlich empfunden.