FANGO BOLLENTE ist nicht etwa der Name eines argentinischen Liedermachers, sondern der Titel eines eisigen Soziopathen-Dramas und lässt sich etwa mit „Kochender Schlamm“ oder „Heißer Schmutz“ adäquat ins Deutsche übersetzen. Ob der Italiener mit dem schön klingenden Wortpaar vielleicht auch das stinkende Resultat aggressiver Durchfallerkrankungen bezeichnet, die durch übermäßigen Genuss pikanter Fleischgerichte ausgelöst werden, konnte ich in der Kürze der Zeit leider nicht mehr eruieren, aber denkbar wäre es durchaus. Womit man auch in etwa eine Vorstellung davon hat, in welche archaischen Untiefen der menschlichen Niedertracht sich Vittorio Salernos Film begibt.
Ovidio Mainardi (Joe Dallessandro) arbeitet in einer sterilen Datenverarbeitungsfirma, deren saubere Ordnung in krassem Widerspruch zu seinen animalischen Gelüsten steht und diese durch die ständige Unterdrückung jeder Körperlichkeit noch zusätzlich anheizt. Als er ein Experiment mit friedlichen weißen Mäusen so manipuliert, dass diese sich gegenseitig zerfleischen, kommt ihm eine Idee, wie er der aseptischen Langeweile seines Daseins Abhilfe schaffen kann: Er begibt sich mit seinen ebenfalls gelangweilten Kollegen in ein Fußballstadion und löst dort eine Massenschlägerei aus, bei der es zu Dutzenden von Verletzten und einem Todesfall kommt. Doch das ist erst der Anfang einer ganzen Reihe von immer blutrünstigeren und rücksichtsloseren Verbrechen. Ein aufs Abstellgleis geschobener Kriminalbeamter (Enrico Maria Salerno), der in Mainardis Firma einen Computerkurs belegt, ermittelt in dem Fall und kommt dem selbstherrlichen Lustmörder auf die Schliche.
Salernos Film ist inhaltlich ein sehr typischer Vertreter des italienischen Crimekinos jener Tage: Der Blick auf die Gesellschaft ist verbittert, die Kapriolen des Kapitalismus werden mit der nüchternen Verachtung des intellektuellen Marxismus aufgezeigt, der zwangsläufige Verfall der Moral diagnostiziert, statt dem Aufzeigen eines Auswegs gibt es den fast schadenfroh ausgemalten Blick in eine düstere Zukunft ohne Licht am Horizont. Dabei muss man einräumen, dass FANGO BOLLENTE als Gesellschaftskritik nur mäßig erfolgreich ist: Sein Protagonist ist bereits viel zu weit draußen, um als durchschnittlicher Repräsentant des unteren Mittelstandes angesehen werden zu können, selbst wenn seine Lebensumstände – Ehefrau, kleine Wohnung, kleines Einkommen, langweiliger, aber sicherer Job, keinerlei Visionen oder Pläne – durchaus repräsentativ sind. Dieser Ovidio tickt von Anfang an nicht ganz normal, ist fasziniert und erregt vom Regelverstoß, von Gewalt und Tod, hat keine Angst vor einer Strafe, kultiviert vielmehr eine immer stärker werdende Todessehnsucht. Die Art und Weise, wie er sein Spielchen mit Salernos Polizeibeamtem spielt, den Cop immer wieder provoziert und Andeutungen macht, die fast einem Geständnis gleichkommen, diese seltsame Beziehung, die er zu ihm aufbaut, erinnern stark an das Serienmörderkino, der Schluss, der eine Art virusartiger Verbreitung seiner perversen Ideen prophezeit, an düstere urbane Horrorvisionen eher amerikanischer Prägung à la DEATH WISH, THE EXTERMINATOR oder VIGILANTE, nicht zuletzt wegen des ähnlich unaufhaltsam nach vorn pumpenden Scores.
Wenn man FANGO BOLLENTE so betrachtet, nicht als Vertreter des politisch motivierten gesellschaftskritischen Thrillers oder des cinema di dinuncia, sondern als Dystopie, die realistische Hintergründe im Stile der agitatorischen Warnfabel überspitzt wiedergibt, ist er hingegen ausgezeichnet. Die Atmosphäre, die der Regisseur aufbaut, ist äußerst ungemütlich, Dallessandro als diabolisch grinsender Soziopath und Salerno als erfahrener, schon etwas müder, aber immer noch hochmotivierter Cop, der fast alles schon gesehen hat, sind perfekt besetzt, das Drehbuch marschiert mit großer Konsequenz seinem unabwendbaren Ende zu, die Gewaltspitzen sind fies und schmerzhaft. Ein Wutklumpen mit der Wirkung eines Hochdruck-Einlaufs. FANGO BOLLENTE räumt den Magen auf.
[…] wieder besonders ausführlich Oliver Nöding von Remember It For Later. Der nicht nur die Filme „Fango Bollente“, „Cristiana Monaca Indemoniata“, „Acid – Delirio dei Sensi“ und „Danza Macabra“ […]