Nach dem enttäuschenden PUBLIC ENEMIES, Michael Manns letztem Kinofilm, hatte ich eigentlich gedacht, dass es jetzt also auch ihn erwischt, dass auch er sich nun in die Riege der in Ehren ergrauten Veteranen eingegliedert habe, von denen man vielleicht noch routiniert-langweiliges Qualitätskino erwarten dürfe, aber keinesfalls mehr eine echte Offenbarung auf dem Level ihrer künstlerischen Hochphase. Die positiven Reaktionen meiner Filmschreiber-Freunde auf BLACKHAT vernahm ich durchaus mit Freude, aber auch mit einer gewissen Skepsis (PUBLIC ENEMIES fand ja auch mancher gut) und so habe ich den Film bis gestern vor mir hergeschoben, zu groß war die Angst, dass ich Michael Mann – der mit THIEF, MANHUNTER und MIAMI VICE drei absolute Meisterwerke und Lieblingsfilme, mit THE KEEP eine wunderschöne Extravaganz, die sich ihrer HD-Entjungferung weiterhin hartnäckig widersetzt, und darüber hinaus etliche weitere Wunderwerke gedreht hat – danach endgültig würde abschreiben müssen. Was soll ich sagen: Die Furcht war unberechtigt, BLACKHAT ist wieder ein richtiger Hammer geworden, der den öden Dillinger-Film vergessen macht und darüber hinaus etliche jener todtraurigen Gänsehautmomente liefert, für die ich Manns Kino so liebe. Das ist weit, weit mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte.
Die Story um den im Knast einsitzenden Hacker Hathaway (Chris Hemsworth), der freigelassen wird, um ein chinesisch-amerikanisches Ermittlerpaar auf der Jagd nach einem Computerterroristen zu unterstützen, ist spannend und temporeich, bietet reichlich Gelegenheit für ökonomisch über den Film verteilte Actionschübe, einen feisten Showdown und den dichten Tech-Talk, den Mann so schätzt. Aber eigentlich liefert sie nur den Rahmen für diese ebenso verheißungs- wie sehnsuchtsvollen Bilder nächtlicher Straßen, des verführerischen Glitzerns metallischer oder gläserner Oberflächen oder des melancholischen Funkelns dunkler Augen. Kein anderer Regisseur ist dazu in der Lage, den fragenden Blick ins Nichts, den Sekundenbruchteil der schicksalhaften Entscheidung, die Abwesenheit der Sprache, das blinde Verständnis zwischen Seelenverwandten so einzufangen wie Mann, und egal, welches Spektakel er auch aufbietet, diese Momente fungieren wie ein Gravitationsfeld, das alle Aufmerksamkeit unweigerlich auf sich zieht.
Manns Protagonisten – auch Hathaway – sind ewig Suchende, Getriebene, Gejagte, Gescheiterte, immer wieder zieht es sie in Flugzeuge, Sportwagen, Motorboote, mit denen sie der Vergangenheit und sich selbst zu entkommen versuchen, immer wieder hinaus in das Glitzern der Nacht, wo die Chance auf sie wartet, immer wieder finden sie den einen Vertrauten, dem sie sich offenbaren können – oft in der Anonymität eines Nachtlokals oder Diners -, immer wieder scheint es so, als müssten sie ihn verlassen, als könne es aufgrund ihrer einzelnen Vergangenheit keine Möglichkeit auf eine gemeinsame Zukunft geben. Und als Zuschauer wird man gnadenlos in dieses Weltempfinden mit hineingezogen, möchte die sich bietende Gelegenheit mit aller Macht beim Schopfe packen und sich dann ins Ungewisse beamen, in eine Zukunft voller schillernder Möglichkeiten und ungeahnter Potenziale, oder aber an der unüberwindbaren Kluft stehen, die sich zwischen einem selbst und der Welt auftut, und an der Schönheit des Unerreichbaren vergehen.
BLACKHAT ist an den Kinokassen gnadenlos untergegangen. Wir sind allein.