Archiv für Mai, 2016

403457Nach dem enttäuschenden PUBLIC ENEMIES, Michael Manns letztem Kinofilm, hatte ich eigentlich gedacht, dass es jetzt also auch ihn erwischt, dass auch er sich nun in die Riege der in Ehren ergrauten Veteranen eingegliedert habe, von denen man vielleicht noch routiniert-langweiliges Qualitätskino erwarten dürfe, aber keinesfalls mehr eine echte Offenbarung auf dem Level ihrer künstlerischen Hochphase. Die positiven Reaktionen meiner Filmschreiber-Freunde auf BLACKHAT vernahm ich durchaus mit Freude, aber auch mit einer gewissen Skepsis (PUBLIC ENEMIES fand ja auch mancher gut) und so habe ich den Film bis gestern vor mir hergeschoben, zu groß war die Angst, dass ich Michael Mann – der mit THIEF, MANHUNTER und MIAMI VICE drei absolute Meisterwerke und Lieblingsfilme, mit THE KEEP eine wunderschöne Extravaganz, die sich ihrer HD-Entjungferung weiterhin hartnäckig widersetzt, und darüber hinaus etliche weitere Wunderwerke gedreht hat – danach  endgültig würde abschreiben müssen. Was soll ich sagen: Die Furcht war unberechtigt, BLACKHAT ist wieder ein richtiger Hammer geworden, der den öden Dillinger-Film vergessen macht und darüber hinaus etliche jener todtraurigen Gänsehautmomente liefert, für die ich Manns Kino so liebe. Das ist weit, weit mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte.

Die Story um den im Knast einsitzenden Hacker Hathaway (Chris Hemsworth), der freigelassen wird, um ein chinesisch-amerikanisches Ermittlerpaar auf der Jagd nach einem Computerterroristen zu unterstützen, ist spannend und temporeich, bietet reichlich Gelegenheit für ökonomisch über den Film verteilte Actionschübe, einen feisten Showdown und den dichten Tech-Talk, den Mann so schätzt. Aber eigentlich liefert sie nur den Rahmen für diese ebenso verheißungs- wie sehnsuchtsvollen Bilder nächtlicher Straßen, des verführerischen Glitzerns metallischer oder gläserner Oberflächen oder des melancholischen Funkelns dunkler Augen. Kein anderer Regisseur ist dazu in der Lage, den fragenden Blick ins Nichts, den Sekundenbruchteil der schicksalhaften Entscheidung, die Abwesenheit der Sprache, das blinde Verständnis zwischen Seelenverwandten so einzufangen wie Mann, und egal, welches Spektakel er auch aufbietet, diese Momente fungieren wie ein Gravitationsfeld, das alle Aufmerksamkeit unweigerlich auf sich zieht.

Manns Protagonisten – auch Hathaway – sind ewig Suchende, Getriebene, Gejagte, Gescheiterte, immer wieder zieht es sie in Flugzeuge, Sportwagen, Motorboote, mit denen sie der Vergangenheit und sich selbst zu entkommen versuchen, immer wieder hinaus in das Glitzern der Nacht, wo die Chance auf sie wartet, immer wieder finden sie den einen Vertrauten, dem sie sich offenbaren können – oft in der Anonymität eines Nachtlokals oder Diners -, immer wieder scheint es so, als müssten sie ihn verlassen, als könne es aufgrund ihrer einzelnen Vergangenheit keine Möglichkeit auf eine gemeinsame Zukunft geben. Und als Zuschauer wird man gnadenlos in dieses Weltempfinden mit hineingezogen, möchte die sich bietende Gelegenheit mit aller Macht beim Schopfe packen und sich dann ins Ungewisse beamen, in eine Zukunft voller schillernder Möglichkeiten und ungeahnter Potenziale, oder aber an der unüberwindbaren Kluft stehen, die sich zwischen einem selbst und der Welt auftut, und an der Schönheit des Unerreichbaren vergehen.

BLACKHAT ist an den Kinokassen gnadenlos untergegangen. Wir sind allein.

the20standln den Achtzigerjahren, als sich die Stephen-King-Verfilmungen die Klinke der Kinosäle in die Hand gaben, waren George A. Romero und John Boorman im Gespräch gewesen, die Verfilmung von Kings epischem Tausendseiter über das Ende der Welt und den anschließenden Kampf von Gut und Böse bzw. Gott und Teufel zu übernehmen, bis man sich dann in einem Anfall der Vernunft darauf einigte, den Roman als „unverfilmbar“ zu erklären und das Projekt zu canceln. Die Idee, die Vorlage als insgesamt rund achtstündige TV-Miniserie umzusetzen, war angesichts des Romanumfangs naheliegend, doch nach der Sichtung der auf sechs Stunden eingedampften Heimkino-Version, würde ich behaupten, man hätte das ursprüngliche Urteil beherzigen und die Finger von dem Stoff lassen sollen. Für den TV-Sender ABC lohnte sich das Mammut-Unternehmen indessen: Die Fernsehausstrahlung erreichte Rekordquoten, doch künstlerisch bleibt die Serie hinter den Erwartungen weit zurück und mutet 20 Jahre später reichlich überkommen und bisweilen geradezu schmerzhaft kitschig und banal an.

Dabei ist der Auftakt sehr gut gelungen: Zu den Klängen von Blue Öyster Cults „(Don’t fear) The Reaper“schwebt die Kamera schwerelos durch die Räumlichkeiten einer Militärbasis und fängt beiläufig die leblosen Opfer eines ausgebrochenen Virus ein, der wenig später fast die gesamte Population der USA hinwegrafft. Nur ein paar Menschen, die aus unerfindlichen Gründen immun sind, überleben und werden infolge von Visionen heimgesucht, in denen sie entweder von einer hutzeligen, 106-jährigen schwarzen Oma namens Abagail Freemantle (Ruby Dee) oder aber von Randall Flagg (Jamey Sheridan), einem teuflischen Verführer mit Jeansjacke, Cowboystiefeln und Michael-Bolton-Gedächtnisfrisur, gerufen werden. Die ersten beiden Episoden beschäftigen sich mit dem Zusammenbruch der stolzen Nation und mit den Protagonisten, die ihren Träumen folgen und sich dann in den Episoden 3 und 4 für das titelgebende „letzte Gefecht“ formieren. Was sich wie oben erwähnt ganz schön anlässt, versumpft zusehends in der schmucklosen Inszenierung, die vor allem damit beschäftigt ist, die ausufernde, aber redundante Handlung (von Stephen King höchstselbst fürs Fernsehen adaptiert) unterzubringen. Es bleibt vor lauter Geschäftigkeit kaum Zeit, den Blick einmal schweifen, die Figuren zu Atem kommen zu lassen, und trotzdem hat man ständig das Gefühl, etwas Wichtiges verpasst zu haben. Je näher THE STAND seinem Ende kommt, umso banaler und vor allem kitschiger und klischierter wird der Film: Nirgends wird das deutlicher als in der Figur Randall Flaggs, der mit seiner Sprücheklopferei wie eine verspätete Freddy-Krueger-Variante anmutet, sich zu allem Überfluss auch noch mithilfe mieser Morphingeffekte in einen Teufel mit Gummihörnern verwandelt und nie die Bedrohlichkeit ausstrahlt, die das Script ihm zuweist. Auf der anderen Seite strapazieren die in ihrer Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen, überaus unsympathischen „Guten“ mit ihrem unablässigen Gerede über den lieben Gott und die Vorhersehung die Geduld weniger gläubiger Zuschauer. Das alles wäre noch zu verkraften, wenn THE STAND irgendwohin führte, aber das Finale, in dem die Hand Gottes als preiswerter Visual Effect vom Himmel herabsinkt, der Teufel sich in einer Krähe verwandelt, um den Abflug zu machen, und Las Vegas als Brutstätte des Bösen (gähn!) am Horizont in einer Explosion untergeht, lässt sich nach sechs Stunden nur als maßlose Enttäuschung bezeichnen. Dass dann immer noch nicht Schluss ist, im Finale mit rührseligen Überblendungen und einer Montage der auf dem Weg Verblichenen alle Register des Schnulzenmelodrams gezogen werden, schlägt dem Fass endgültig den Boden aus.

Ich will einräumen, dass die ursprüngliche Langfassung möglicherweise weniger holprig ist, aber ich habe da meine Zweifel. Das einzige, was mich davon abhält, von einer totalen Zeitverschwendung zu sprechen, ist neben dem erwähnt schönen Auftakt die wirklich tolle Besetzung. Neben den Hauptakteuren Gary Sinise, Rob Lowe, Molly Ringwald, Adam Storke, Ray Walston, Ossie Davis, Bill Fagerbakke und Ruby Dee aufseiten der Guten sowie Miguel Ferrer, Matt Frewer, Corin Nemec, Laura San Giacomo, Shawnee Smith und eben Jamey Sheridan als Bösewichter treten auch solche Darsteller wie Ed Harris, Kathy Bates, Howard Sherman oder Kareem Abdul-Jabbar auf, absolvieren u. a. Stephen King, John Landis, Sam Raimi und Tom Holland Gastauftritte. Es wurde gewiss ein immenser Aufwand betrieben, aber man vermisst einen freieren Umgang mit dem vorliegenden Script an allen Ecken und Enden. Wer Film in erster Linie als visuelles Abarbeiten von Handlung und Plot betrachtet, für den mag THE STAND in der vorliegenden Form adäquat sein, aber ich glaube, die 30 Millionen, die die Produktion verschlungen hat, hätte man um Einiges besser anlegen können.

 

300__rise_of_an_empire___fan_art_poster_by_addictomovie-d6woufyRund acht Jahre nach dem damals viel diskutierten 300 erschienen, ist 300: RISE OF AN EMPIRE eines dieser rätselhaften Sequels, die an jedem echten Publikumsbedürfnis vorbei veröffentlicht werden und bei denen die sonst jedes noch so minimale Risiko ausschaltende Marktforschung und Zielgruppenanalyse komplett versagt zu haben scheinen. Vielleicht hätte man satte acht Jahre – eine popkulturelle Ewigkeit nach heutigen Standards – nach Snyders Aufreger noch mit einem DTV-Sequel gerechnet, aber mit einem sogar für IMAX-Kinos aufbereiteten Spielfilm? Get outta here! 

Umso größer die Überraschung, dass 300: RISE OF THE EMPIRE dem ambivalent-provokanten Charme des Vorgängers nicht nur gerecht wird, sondern ihn bisweilen gar übertrifft. Murro inszeniert mit etwas mehr Schwung, die ähnlich stilisierten Bildwelten sind abwechslungsreicher gestaltet, und nicht zuletzt strebt hier ein Gedanke an die Oberfläche, der in Snyders Film meist vom martialischen Getöse überlagert wurde: dass nämlich die Unbeugsamkeit der Griechen nicht so sehr eine Tugend ist, als dass gerade sie es ist, die erst zur totalen Eskalation führt. 300: RISE OF AN EMPIRE beginnt zunächst mit einer Rückblende, die erklärt, warum die Perser in Snyders Film in Griechenland einmarschierten: Der griechische Feldherr Themistokles (Sullivan Stapleton) tötet in der Schlacht von Marathon den persischen König Darius (Igal Naor) und entfacht so in dessen Sohn Xerxes (Rodrigo Santoro) den unstillbaren Wunsch nach Rache an allen Griechen. Als seine Vollstreckerin schickt er Artemisia (Eva Green) über den Seeweg, während er mit seinem Heer selbst gen Sparta zieht. Artemisia wiederum ist Halbgriechin, die in Persien aufwuchs, nachdem sie die Ermordung ihrer Eltern durch griechische Hopliten mitansehen musste, die sie später vergewaltigten, versklavten, halbtot zurückließen und auch sie mit grenzenlosem Hass erfüllten. Was folgt, ist ein ausuferndes Seeschlachtenpanorama, das dank der Mitwirkung Eva Greens eine noch deutlich sexuellere Konnotation hat als in Snyders Film, der auch schon nicht mit Aufnahmen gemeißelter Bodies geizte.

Krieg ist in 300: RISE OF AN EMPIRE eine perverse Angelegenheit, die alle Neurosen und Psychosen der an ihm Beteiligten zum Vorschein bringt und diese gleich noch um ein paar neue Traumata anreichert. Alle Figuren sind kaputt, in einem endlosen Kreislauf der Gewalt gefangen, aus dem es keinen Ausbruch zu geben scheint, weil jeder Mord nur wieder ein neues Rachebedürfnis weckt. Konnte (oder musste?) man Snyders 300 – wohl vor allem Millers Hardliner- und Machotum geschuldet – noch als elitaristische Lobpreisung von soldatischem Ehrgefühl und Glorifizierung eines faschistoiden Reinheitsgedankens verstehen, ist das hier nur noch mit extrem selektiver Wahrnehmung möglich. Der Geilheit von Gerard Butlers Leonidas auf den „beautiful death“ und seiner geradezu lüsternen Raserei setzt Sullivan Stapletons Themistokles den traurigen Blick der Selbsterkenntnis entgegen: Dass er dem Gemetzel, das er als sinnlos erkannt hat, nicht einfach den Rücken kehrt, sondern sich immer wieder in die Schlacht schmeißt, macht es eigentlich nur noch tragischer. Wahrscheinlich kann er sich einfach nicht von Eva Green losreißen, was ich wiederum nur zu gut verstehen kann. In einem mit spektakulären Set Pieces und geilen Bildern nur so vollgestopften Film ist sie gewissermaßen die rot leuchtende Maraschino-Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Toll!

 

300-movie-posterZehn Jahre ist es jetzt schon wieder her, da war Snyders 300 der Film, den man sehen musste, wenn man mitreden wollte. Ich weiß noch, wie mich der Trailer damals angefixt, die Vorfreude ins Unermessliche gesteigert hatte. Im Netz diskutierte man sich bereits die Köpfe heiß, ob dieser Film nicht Kriegstreiberei und Interventionspolitik glorifiziere, gar eine faschistoide Gesinnung erkennen lasse. Als ich damals aus dem Kino kam, fühlte ich mich aber nicht provoziert, sondern lediglich massiv enttäuscht, und zwar nicht, weil ich einsehen musste, dass die Kritiker Recht gehabt hatten, sondern weil ich 300 wider Erwarten vor allem sehr, sehr langweilig fand. Ich kann das heute durchaus noch nachvollziehen: Snyders Filme haben generell immer etwas Niederdrückendes, und das Staunen über die atemberaubenden Bildwelten, die er entwirft, trägt selten über die volle Laufzeit, irgendwann fühlt man sich erschöpft, ermüdet von diesem Gestaltungswillen, der jede Spontaneität im Keim erstickt.So bin ich auch heute noch der Meinung, dass seine Adaption der Graphic Novel von Frank Miller mit 120 Minuten Laufzeit ein gutes Stück zu lang geraten ist.

Aber 300 ist trotzdem ein ziemlich faszinierender Film, visuell sowieso, aber gerade auch, wenn man die Diskussion, die er damals entfachte, bei der heutigen Sichtung mitberücksichtigt. Klar, Miller wird eher nicht als großer Liberaler in die Geschichte eingehen, er fetischisiert den Krieg und die gestählten Körper der Spartaner, das Gerede von Ehre, Opferbereitschaft, Unbeugsamkeit und vom „beautiful death“, den zu sterben sich lohne, und weckt damit reichlich ungute Assoziationen; aber genauso wie man dem Film oben genannte „faschistoide Gesinnung“ unterstellen könnte, eignet er sich dazu, genau das Gegenteil in ihm zu erkennen. Die kriegslüsternen Spartaner um König Leonidas (Gerard Butler) sind nicht gerade Sympathiebolzen in ihrer Todessehnsucht und ihrem lebensfeindlichen Reinerhaltungsgedanken (die bunt gemischten Perserhorden sind ein richtiger Karneval dagegen), und mehr als einmal stellt man sich als Zuschauer, angeregt durch Snyders Inszenierung, die Frage, ob eine Kapitulation vor den Persern denn wirklich so schlimm wäre und ob eine „Freiheit, für die man Hunderte von Menschenleben opfern muss, und eine Zivilisation, die auf Drill, Folter und Abhärtung basiert, überhaupt erhaltenswert sind.

In Erinnerung bleiben wird 300 fraglos für den Aufwand, der betrieben wurde, die Panels von Millers Vorlage nahezu originalgetreu in Filmbilder zu übersetzen. Ästhetisch ist Snyders Film auch zehn Jahre später noch immens eindrucksvoll, auch wenn nicht zuletzt der Regisseur selbst diesen Stil im Anschluss weiter verfeinert hat. Die sepia-goldene Farbgebung, aus der allein die roten Umhänge der Spartaner hervorstechen, sowie das göttliche Licht, das alles zu illuminieren scheint, betonen den mythologischen Charakter der Geschichte um die todesmutige Schlacht Weniger gegen eine Übermacht, legen gewissermaßen den Nebel der Jahrhunderte über die Bilder, zur gleichen Zeit aber auch ihre krasse Körperlichkeit bloß. 300 ist gleichermaßen anziehend und verführerisch wie abstoßend in seiner Ästhetisierung von Gewalt und Tod, er fühlt sich in seinen besten Momenten tatsächlich an wie vom Geist des antiken Spartas beatmet (zumindest des Spartas, das er da selbst zeichnet): monolithisch, schroff und grausam, aber von der luziden Klarheit schneidender Schmerzen. Die Szenen um die daheimgebliebene Königin Gorgo (Lena Headey) und den schmierigen Verräter Theron (Dominic West) tragen zwar in ihrer Klischiertheit dazu bei, dass man sich als Zuschauer nicht ganz fremd fühlt in dieser fremden Welt, aber mindern damit auch den Impact, den 300 gerade in seiner frontalen Attitüde entfalten könnte. Vielleicht ist das aber auch ganz gut so, denn der archaische Blut- und Schlachtenrausch, in den man da gestürzt wird, ist für zivilisierte Gemüter sowieso schon schwer genug zu verarbeiten.

 

 

fliegenden-feuerstuehleMit BRUCE LEE GEGEN DIE SUPERMÄNNER und Godfrey Hos NINJA THUNDERBOLT haben sich bislang zwei Vertreter des chaotischen und eher preiswerten, um nicht zu sagen „billigen“, Hongkong-Kinos auf die vorderen Plätze meiner bisherigen Jahresliste gekämpft. Die Hoffnung, dass DIE FLIEGENDEN FEUERSTÜHLE an deren Verstrahltheit würde anknüpfen können, zerschlug sich leider jedoch recht schnell: Stanley Wing Sius Film ist zwar ähnlich entfesselt und wahnsinnig in seiner Aneinanderreihung konfuser Actionszenen, ähnlich mutig und unverdrossen dabei, trotz widrigster budgetärer Bedingungen auf dicke Hose zu machen, aber leider nicht ganz so finessenreich wie die genannten Filme. Seine endlosen Fights zeichnen sich neben der wuseligen Geschäftigkeit eines Ameisenhaufens vor allem durch eine Brachialität aus, die sich mangels entsprechender Resultate aber selbst ad absurdum führt: Ob sich die Kontrahenten mit bloßen Fäusten oder Eisenstangen die Fressen polieren, es macht nicht wirklich einen Unterschied. Ich fand DIE FLIEGENDEN FEUERSTÜHLE über die volle Distanz dann auch eher ermüdend als wirklich anregend.

Was nicht heißen soll, dass es hier nicht einiges zu entdecken, zu bestaunen und lachen gibt: Die Geschichte um ein ungleiches Brüderpaar und ihre Verwicklung ins desorganisierte Verbrechen und eine Drogengeschichte ist herrlich bescheuert und naiv, als sei das Drehbuch von Achtjährigen im Zuckerrausch geschrieben worden, die Inneneinrichtungen machten auch einem Film von Jürgen Enz alle Ehre, die Musik wurde wieder einmal aus allen Himmelrichtungen zusammengeklaut und die typischen Kapriolen solcher Hongkong-Billigaction lassen die graue Wolkendecke immer wieder aufreißen und für Sekunden die Sonne herabstrahlen. Zeit und Raum verlieren jegliche Bedeutung, wenn ein Schnitt ausreicht, um die Akteure von einer Kiesgrube in einen alten Hafen zu führen, und die Ensthaftigkeit des Ganzen wird immer wieder infrage gestellt, wenn Keilereien kurz unterbrochen werden, damit die Kämpfenden sich einen anderen attraktiven Hintergrund aussuchen können. Der absurde Höhepunkt ist gewiss der Raum, der mithilfe großzügig applizierter Tesafilmstreifen mit grünen Papierbahnen „tapeziert“ wurde, aber die gerahmte Schwarzwaldimpression in Öl und der traurige Plüschpanda, die die mit Requisiten vom Flohmarkt ausgestattete Harz-IV-Empfänger-Bude des Love Interests schmücken, sind auch nicht zu verachten. Gut möglich, dass ich DIE FLIEGENDEN FEUERSTÜHLE unter anderen Umständen richtig toll gefunden hätte; so kann ich nur sagen, dass der sehr putzig aber eben auch eher tendenzstählern ist. „Geil langweilig“, pflege ich so etwas zu bezeichnen.

zoolander-2-posterIch habe einen besonderen Platz in meinem Herzen für ZOOLANDER reserviert, eine Komödie aus dem Jahr 2001, die auf einem Charakter basiert, den Ben Stiller für eine Reihe von MTV-Sketchen erdacht hatte. In Deutschland gab es mangels Bekanntheit dieser Sketche eigentlich gar keinen Markt für diesen Film, aber als ich ihn in völliger Unkenntnis seiner Basis zu Gesicht bekam war es trotzdem um mich geschehen. In den folgenden Monaten und Jahren avancierte ZOOLANDER in meinem Freundeskreis zur beliebten Stimulanz und als selbst meine neueste weibliche Eroberung bei einer unserer allerersten gemeinsamen Filmsichtungen über die Grimassen lachen musste, die Will Ferrells verrückter Modedesigner Jacobim Mugatu seinem androgynen Sidekick Todd (Nathan Lee Graham) zuwirft, wusste ich, dass ich sie ruhigen Gewissens heiraten kann.

In den Jahren nach ZOOLANDER boomten die Komödien um seine Stars und deren erweitertes Umfeld und eine mögliche Fortsetzung geriet im Trubel der Geschäftigkeit in Vergessenheit. Mittlerweile ist das einst als „Frat Pack“ bezeichnete Ensemble längst von der nächsten Generation von Komikern abgelöst worden: Ben Stiller verdient sein Auskommen heute vor allem mit ebenso sicheren wie uninteressanten FOCKERS- oder NIGHT IN THE MUSEUM-Sequels, Owen Wilson ist seit seinem Selbstmordversuch vor einigen Jahren aus dem großen Rampenlicht verschwunden, von jemandem wie Vince Vaughn hört man nach einigen harschen Flops fast gar nichts mehr. Der einzige, der noch regelmäßig und mit einigem Erfolg Komödien im bewährten Stil liefert, ist der anscheinend unkaputtbare Will Ferrell. Man kann also nicht gerade sagen, dass Stiller mit ZOOLANDER 2 offene Türen einrennt, auch wenn sich Fans des Originals sicherlich gefreut haben. Trotzdem: Die Zeiten haben sich geändert und das merkt man auch dem Sequel an, das glücklicherweise nicht den Fehler macht, so zu tun, als wäre nichts gewesen.

Die einstigen Supermodels Zoolander (Ben Stiller) und Hansel (Owen Wilson) sind mittlerweile in Vergessenheit geraten, finden bei ihrem Comebackversuch eine Modewelt vor, die sich massiv verändert hat und in der kein Platz mehr für selbstverliebte Gecken und die Publicity-Stunts von vor 15 Jahren zu sein scheint. Wenn der neueste It-Designer Don Atari (Kyle Mooney) seinen Mund aufmacht, verstehen die Protagonsten kein Wort und ihr überkommener Style macht sie bei einer Modenschau zum Gespött des Publikums. Das lässt sich auch auf den Film als solches übertragen, der sich in den Szenen um seine beiden Helden in erster Linie auf bereits bewährte und noch einmal aufgewärmte Gags verlässt und so einen etwas müden Eindruck macht, der aber durchaus zur Verfassung seiner Helden passt. Es stellt sich heraus, dass man Stiller und Wilson in ihren Rollen zwar immer noch gern zuschaut, sie ihren Charakteren aber auch nichts wirklich Neues abzuringen wissen. Konzeptionell folgt der Film dem Vorgänger, bietet wie dieser zahlreiche Cameos und Gastauftritte auf, die die ganze Bandbreite von „gezwungen“ (Katie Perry ist einfach nur da) bis „gelungen“ (Sting, der sich als leiblicher Vater Hansels herausstellt, oder Benedict Cumberbatch als hermaphroditisches Model namens „All“) abdecken, und steigert sich in ein absurdes Szenario hinein, das Elemente der Bond-Reihe mit esoterischem Verschwörungsschwurbel verknüpft und herrlich bescheuert ist. Die echten Höhepunkte gehören auch diesmal wieder den Nebendarstellern: Man spürt förmlich, wie ZOOLANDER 2 abhebt, seinen dringend benötigten Adrenalinschub erhält, wenn Will Ferrell endlich als Mugatu auftreten darf, und zuvor zeigt Kristen Wiig als Modezarin Alexanya Atoz, warum sie derzeit eine der gefragtesten Komödiantinnen Hollywoods ist: Unter dickem Make-up nicht wiederzuerkennen, verleiht sie ihrer Figur einen haarsträubenden Fantasieakzent, von dem man gern noch mehr gehört hätte.

Ob einem ZOOLANDER 2 am Ende des Tages gefällt oder nicht, hängt wohl davon ab, wie sehr man den Vorgänger mochte. Ich habe mich über das Wiedersehen gefreut und fand die Wiederbegegnung kurzweilig und amüsant genug, um auch mit den unübersehbaren Schwächen leben zu können. Der ganz ähnlich gelagerte ANCHORMAN 2: THE LEGEND CONTINUES hat mir da zum Beispiel deutlich weniger gut gefallen. Wer aber schon mit ZOOLANDER nichts anfangen konnte, kann auch hier getrost passen.

pumpkinhead2bby2bpj2bmcquadeEin ewiger Favorite und m. E. einer der schönsten Horrorfilme seines Jahrzehnts: PUMPKINHEAD begleitet mich seit dem Erscheinen des Films auf Video in den späten Achtzigerjahren und verzückt mich bei jeder Auffrischung immer wieder aufs Neue. Er genießt wohl unter Horrorfans einen kleinen Kultstatus, den man unter anderem an solchen Liebesdiensten wie dem nebenstehenden Poster-Fandesign oder an der Verfügbarkeit von Pumpkinhead-Actionfiguren und Modellen sowie natürlich den diversen Sequels erkennt, aber die Anerkennung, die er eigentlich verdient hätte, wird ihm nicht zuteil.

PUMPKINHEAD war seinerzeit das Regiedebüt des Special-Effects-Zauberers Stan Winston, dem dann aber leider nichts wirklich Bedeutsames mehr folgte (A GNOME NAMED GNORM, ärx). Auch wenn man sich ein paar Jahre später dazu entschloss, ein (ebenfalls hübsches) Sequel nachzuschieben: An der Kasse ging PUMPKINHEAD mit einem Einspielergebnis von etwas über 4 Millionen Dollar gnadenlos baden und versetzte den Ambitionen Winstons einen herben Dämpfer. Wahrscheinlich war dieser Film den auf den neuesten FRIDAY THE 13TH-Flick wartende Teenies dann doch zu düster und ungemütlich. In überaus sparsamen 82 Minuten erzählt PUMPKINHEAD eine finstere Rachegeschichte ohne Firlefanz, in der es am Ende keinen Sieger gibt, nur Tote und Kriegsversehrte. Die Storyline, aber auch der verschlankte Plot erinnern etwas an die Crime-does-not-pay-Moralkeulen der TALES FROM THE CRYPT-Reihe, aber wo diese am Ende dem alttestamentarischen Gerechtigkeitsempfinden frönen, räumt Winson gnadenlos auf mit der Idee, das Rache irgendetwas lösen könnte, bestraft den Mann, der den Tod seines geliebten Sohnes hinnehmen musste, gewissermaßen doppelt. Der Aderlass von PUMPKINHEAD steht den lustigen, gewissermßaen folgenlosen Body Counts, die in jenen Tagen gefragt waren, stimmungsmäßig diametral entgegen.

Was mich aber in erster Linie so einnimmt für den Film sind zwei andere Dinge: Ich finde es enorm bemerkenswert, wie es Winston gelungen ist, in nur wenigen Szenen die Grundlage zu schaffen, auf der sein Film dann seine emotionale Durchschlagskraft entfaltet. Das ist vor allem Lance Henriksen anzurechnen, der PUMPKINHEAD eben nicht als schnelles Cash-in betrachtet, durch das man sich auf Autopilot durchmogeln kann, wie das einige seiner Kollegen zweifellos getan hätten, sondern aufspielt, als bewerbe er sich bei der Academy. Das macht schon Sinn, wenn man bedenkt, dass es sich hier – mit Ausnahme der späteren Fernsehserie MILLENNIUM – um die vielleicht einzige echte Hauptrolle in der langen Karriere Henriksens handelt. Vermutlich betrachtete er PUMPKINHEAD als Chance, sich für Größeres zu empfehlen. Dieser Plan ging leider nicht auf, aber der Zuschauer darf sich über eine erstkassige Darbietung freuen, die diesen vermeintlich „kleinen“ Timewaster auf eine höhere Ebene hievt. Wo ich schon Kürze und Würze anspreche: PUMPKINHEAD ist einer jener Glücksfälle, in denen ausnahmsweise einmal nichts toterklärt wird. Das Mysterium um die Titelkreatur wird einfach gesetzt, nicht lang und umständlich hergeleitet, der Zuschauer in ein rätselhaft-magisches Backwood-Szenario geworfen, in der latzhosige und stets verdreckte Landeier in knotigen Holzhütten fernab der Zivilisation leben und eine Hexe im Sumpf böse Wünsche erfüllt. Winston kreiert mit wenigen Pinselstrichen eine Welt, in deren Nebel sich einen ganze düstere Mythologie verbirgt. Visuell entspricht PUMPKINHEAD diesem Konzept mit einer  visuellen Gestaltung, die ungefähr die Schnittmenger von Tim Burton, wenn der weniger sterile Ausstattungen bevorzugte, und Mulcahys RAZORBACK widerspiegelt. Die eindrucksvolle Titelkreatur wird überaus effektreich eingesetzt, der Film in seinem letzten Drittel, angetrieben von Kamera und einer kakophonischen Tonspur, sogar äußerst übergriffig und schmerzhaft. Wie gesagt: In den knapp 80 Minuten ist alles drin, was man sich von einem solchen Film aus Angst, enttäuscht zu werden, meist gar nicht erst zu wünschen wagt.

Und für mich persönlich, der ich PUMPKINHEAD nun zum ersten Mal als Vater gesehen habe, wiegt die zentrale Tragödie heute sogar noch ungleich schwerer als bei den letzten, schon über zehn Jahre zurückliegenden Sichtungen. Dieses Bild, wenn Ed Harley (Lance Henriksen) den leblosen Körper seines Jungen in den Armen hält … Niederschmetternd, einfach nur niederschmetternd.

 

baddreams_posterBAD DREAMS ist einer von zwei Filmen, über die ich mich mit Patrick Lohmeier für seinen Bahnhofskino-Podcast unterhalten habe, der nächste Woche am Freitag, 03. Juni, online geht. Weil ich dem Gespräch nicht allzu sehr vorgreifen möchte, halte ich mich an dieser Stelle etwas zurück und hoffe, dass ihr am kommenden Freitag alle einschaltet.

BAD DREAMS erschien 1988, es handelte sich um eine relative große Produktion der Fox, für die niemand Geringeres als Gale Ann Hurd verantwortlich zeichnete, und die auch in Deutschland einen Kinostart erhielt. Der vom damals gerade einmal 23 Jahre alten Debütanten Andrew Fleming inszenierte Horrorfilm ist ein relativ typisches Kind seiner Zeit und vielleicht auch deshalb etwas in Vergessenheit geraten. Er ist zwar überdurchschnittlich sauber gestaltet und gespielt, ungewöhnlich erwachsen (keine nervenden Teenies) und nimmt auch eine durchaus originelle Storywendung, aber auf dem Weg dahin integriert er Versatzstücke aus so ziemlich jedem damals erfolgreichen Genrefilm. Die augenfälligste Vergleichsgröße entbirgt sich schon im nur mäßig einfallsreichen Titel: Unter bösen Träumen litten zur selben Zeit zahlreiche Teenager sehr prominent auf der Elm Street und gerade an den zum Zeitpunkt der Entstehung von BAD DREAMS aktuellen dritten Teil der Reihe, A NIGHTMARE ON ELM STREET 3: THE DREAM WARRIORS, erinnert Flemings Film massiv. Wie dort spielt sich ein Großteil der Handlung in einer psychiatrischen Anstalt und den dort abgehaltenen Gesprächsrunden einer Therapiegruppe ab, deren Mitglieder anscheinend einem untoten – und verbrannten – Bösewicht zum Opfer fallen, der auch die Träume der nach 13 Jahren aus dem Koma erwachten Cynthia (Jennifer Rubin) bevölkert. Dass die Protagonistin in einer ganz ähnlichen Rolle schon im genannten Vorbild zu sehen war, war wahrscheinlich die Parallele, die den Goodwill der Kritiker überstrapazierte. BAD DREAMS wird vielerorts als bloßes NIGHTMARE-Rip-off gehandelt; ein Vorwurf, der wie gezeigt nicht aus dem Nichts kommt, aber eben auch verkennt, dass Steven E. de Souzas Drehbuch einige interessante Volten schlägt.

Bis zum unerwarteten Twist kann man sich an der gediegenen Optik, der Darbietung des geliebten Schurkendarstellers Richard Lynch oder einigen blutigen Effekten erfreuen (die deutsche Fassung war/ist geschnitten) sowie die vielen bekannten Motive enttarnen. Die Sektenbackstory erinnert sowohl an die Manson-Family, der auch einige entsprechende Sixties-Songs auf dem Soundtrack Rechnung tragen, als auch an den Massenselbstmord der Mitglieder des Peoples Temple um den Sektenführer Jim Jones im Jahr 1978. Bruce Abbott ist seit RE-ANIMATOR vom Chirurgen zum Psychologen aufgestiegen, eine Szene in einem Luftschacht hat de Souza zur gleichen Zeit auch in DIE HARD untergebracht, das Zombie-Make-up von Lynch – der nach Cohens GOD TOLD ME TO zum zweiten Mal einen Sektenführer spielt – konnte man so ähnlich auch in Tony Randels HELLBOUND: HELLRAISER II bewundern, der darüber hinaus ja auch in einer „Irrenanstalt“ spielte, in der ein Oberarzt finstere Pläne verfolgte. Ein Amoklauf wird zu Sid Vicious‘ Version von Sinatras „My Way“ choreografiert, der Abschlusssong ist Guns N‘ Roses Superhit „Sweet Child O‘ Mine“. Die volle Achtzigerdröhnung also, die einen kleinen Ausflug lohnt, wenn man seine Erwartungen etwas im Zaum hält. Mehr nächste Woche.

media-title-der_n-15Im deutschsprachigen Genrekino tut sich was: Nachdem zuletzt GERMAN ANGST, ICH SEH ICH SEH, DER BUNKER und der von mir noch nicht gesehene DER SAMURAI überwiegend positive Reaktionen ernteten, setzt Akiz‘ DER NACHTMAHR die neue, begrüßenswerte Tradition fort. Seine ungewöhnliche Mischung aus Jugenddrama, Drogenfilm, Psycho- und Körperhorror überzeugt durch Zurückhaltung und Authentizität, wo sonst Moralkeule und Klischees regieren, eine herrlich desorientierende Gestaltung der Ton- und Bildebene, wunderbar „handgemachte“ Spezialeffekte und einen Gastauftritt von Sonic-Youth-Gitarristin Kim Gordon. Wer noch nicht sicher ist, ob er sich den am Donnerstag anlaufenden Film anschauen sollte, lässt sich vielleicht von meinem Review überzeugen, das soeben auf Critic.de veröffentlicht wurde. Viel Spaß!

rs_634x846-150504151844-634-magic-mike-poster-cm-5415Steven Soderberghs Überraschungserfolg mit der Male-Stripper-Ode MAGIC MIKE ließ sich neben der (zu Recht) wachsenden Beliebtheit von Channing Tatum wohl nicht zuletzt auf den damaligen Run von Matthew McConaughey zurückführen: Der knüpfte zu jener Zeit nach einem guten Jahrzehnt in der Rom-Com-Hölle gleich mit mehreren Filmen an längst vergessene schauspielerische Glanzzeiten an und wurde dafür ja auch mit einem Oscar für DALLAS BUYERS CLUB belohnt. Aber es gab ja durchaus noch andere Gründe, aus denen man Soderberghs Film liebhaben konnte/musste: die Umkehrung der sonst in Hollywood üblichen Geschlechterrollen z. B., nach denen es vor allem Aufgabe der Frauen ist, die Männer mit ihren körperlichen Reizen zu verführen, die crispen Visuals, die so richtig Lust machten, sich ins sommerliche Nacht- und Partyleben zu stürzen, die humorvolle-unprätentiöse Verquickung von Sozialkommentar und Exploitation sowie natürlich die nicht zu verachtenden Tanzskills von Boy Toy Tatum. Ein ausbaufähiges Konzept also, das förmlich nach einer Fortsetzung schrie, die nun von Gregory Jacobs inszeniert wurde. Der konnte mit seinen beiden vorangegangenen Filmen zwar noch nicht wirklich auf sich aufmerksam machen, war als Kameramann aber maßgeblich für den erwähnten Look der Vorgängers verantwortlich und ist darüber hinaus ein enger Vertrauter Soderberghs, der das Gelingen des Films nun als Produzent überwachte.

Inhaltlich erfindet MAGIC MIKE XXL das Rad nicht neu: Wie im echten Leben sind auch im Film drei Jahre seit den Ereignissen des ersten Teils vergangen. Mike (Channing Tatum) arbeitet hart am Erfolg seines eigenen Unternehmens, für das er am Ende von MAGIC MIKE seine Tätigkeit als Stripper aufgegeben hatte. Ein erotisches Tänzchen wagt er höchstens noch in seiner Werkstatt, aber wenn sein Signature Song „Pony“ im Radio läuft, lodert das alte Feuer sofort wieder. Wie passend, dass ihn wenig später seine alten Weggefährten anrufen: Sie müssen sich gar nicht anstrengen, um ihn davon zu überzeugen, mit ihnen auf eine letzte Tour zu gehen, die sie zu einer Stripper-Convention führen soll (und der Film hat auch kein Interesse, Mikes Entscheidung unnötig herauszuzögern). Wie er wollen die alternden Tänzer sich in anderen beruflichen Projekten versuchen, sich ihre eigenen Träume erfüllen, nachdem sie sich jahrelang um die der vernachlässigte Frauen in ihrem Publikum gekümmert haben. Zusammen begeben sich die Männer auf große Fahrt, auf der es die üblichen, allerdings nicht allzu gravierenden Hindernisse zu überwinden gilt, bevor am Ende der triumphale Auftritt absolviert werden darf.

Die Episodenhaftigkeit des Films ist Programm, denn MAGIC MIKE XXL verwirft den milde kritischen Ansatz des Vorgängers zugunsten einer locker-flockigen Road-Movie-Dramaturgie. Die Freundschaft der Stripper und ihre unterschiedlichen Charaktere, Eigenschaften und Fähigkeiten stehen im Mittelpunkt, der Ton ist ausgelassener, echte Krisen gibt es nicht, allerhöchstens eine bittersüße Melancholie, die mit der Erkenntnis der Protagonisten einhergeht, dass sie alle nicht jünger werden und sich langsam um ein Leben jenseits der Bühne kümmern müssen. Die Reise ist gesäumt von kleinen Pannen, Treueschwüren, neuen und alten Bekanntschaften: Den Platz von McConaughey nimmt Jada Pinkett-Smith als Stripshow-Entrepreneurin und -Philosophin Rome ein und begeistert in dieser Rolle vollends, die alte Soderbergh-Weggefährtin Andie McDowell brilliert als Südstaaten-Diva, die feststellen muss, ihr ganzes Leben mit einem heimlichen Homosexuellen verbracht zu haben. Das neue Love Interest für Mike gibt Amber Heard in einer Rolle, die am ehesten erkennen lässt, dass das Drehbuch für MAGIC MIKE XXL gewiss keine Originalitätspreise einheimsen wird: Man müsste wohl nicht allzu viele Variablen ändern, um aus derselben Story eine der derzeit gefragten Hollywood-Komödien für Paul Feig, Adam McKay, Judd Apatow oder Seth McFarlane zu zaubern. MAGIC MIKE XXL kann kaum verhehlen, dass es eigentlich keine Notwendigkeit mehr für ihn gibt, aber er entschädigt dafür mit einem übergroßen Herzen. Und diese unverholene Trivialität ist die große Stärke des Films.

Wie schon der erste Teil bereitet es einfach Freude, diesen Typen zuzuschauen, wie sie den Spaß ihres Lebens haben, ohne dabei jedoch zu hirnlosen Vergnügungsjunkies und Egotrippern zu mutieren. Jacobs und Soderbergh beweisen erstaunliches Feingefühl dabei, potenziell unangenehme Szene in einer ganz und gar unprolligen Art und Weise aufzulösen. Ein gutes Beispiel ist die kurze Episode, in der der hünenhafte Richie (Joe Manganiello) die Aufgabe erhält, eine miesepetrige Tankstellenbedienstete aufzumuntern. Am Ende haben beide Figuren gewonnen. Aber auch die Dialoge unter den Männern, die in weniger geschickten Händen nur zu leicht in chauvinistisches Schwanzgeprotze hätten ausarten können, kommen mit spielerischer Leichtigkeit rüber. Das ist wohl das Geheimnis dieses Films wie auch seines Vorgängers: ein entspanntes Verhältnis zu Sex, das leider eher Seltenheitswert im Kino hat. So wenig Zweifel auch daran gelassen werden, welch existenzielle Bedeutung ihm zukommt, so unverkrampft wird mit dieser Erkenntnis umgegangen. Sex soll, wie eigentlich alles im Leben, Spaß machen, ansonsten machte es gar keinen Sinn, damit seine Zeit zu verschwenden. Überhaupt ist die Zeit, die uns auf diesem Erdenrund verbleibt,viel zu knapp bemessen, um sich nach irgendwelchen von außen oktroyierten Maßstäben zu richten. Eine schöne Poesiealbums-Weisheit, doch glücklicherweise verliert MAGIC MIKE XXL die Realität nicht aus den Augen. Das Leben ist kein Ponyhof, auch dann nicht, wenn man Channing Tatum ist. Der brennt in seinen zwei, drei Tanzperformances mal wieder ein echtes Feuerwerk ab und trägt im Verbund mit R. Kellys unfassbarem Song „Cookie“ („I’m a cookie monster/Break your back, crack it open like a lobster„) dazu bei, das erotische Antanzen (oder Angetanztwerden) zum transzendentalen Erweckungserlebnis zu machen. Großartig!