Archiv für September, 2016

uhf_ver1_xlgKeine Ahnung, wie ich damals an UHF geraten bin. Ich meine, irgendjemand hatte ihn mir empfohlen, ich lieh ihn in der Videothek aus und war begeistert. Die Mischung aus ZAZesken Spoofs, Außenseitercharme und grellen Albernheiten traf damals genau meinen Geschmack. „Weird Al“ Yankovic war in Deutschland ja maximal ein Randphänomen, von dem man in Vor-Internet-Zeiten kaum etwas mitbekam, diese Komödie war eigentlich das vernehmbarste Lebenszeichen, das er hierzulande hinterließ. Und wie man an der liebevollen Blu-ray-Veröffentlichung sehen kann, die UHF bei uns und in den USA erfuhr, hat sie ein Following errungen, das für den Nostalgieschub auch 25 Jahre später noch Geld auf den Tresen legt. Dabei war der Film damals ein herber Flop für die darbende Orion, die in den späten Achtzigerjahren schwer ins Trudeln geraten war. Yankovics Komödie hatte ein hervorragendes Testscreening genossen und Hoffnungen geweckt, die sich beim regulären Kinostart leider nicht bewahrheiteten. UHF wurde verrissen, die Zuschauer blieben aus, die Abwärtsspirale von Orion drehte sich weiter, Yankovic versank in einem kreativen Loch, aus dem er erst mit „Smells like Nirvana“ wieder herausfand. Erst später, bei seiner Video- und Fernsehauswertung, fand UHF sein Publikum und avancierte zu dem, was man gemeinhin „Kultfilm“ nennt. Man muss gerechterweise sagen, dass Form und Sujet von UHF wie gemacht sind für die Fernsehsichtung, während ihm die Größe, die man von einem Kinofilm erwartet, ziemlich abgeht.

UHF hat sich beim Wiedersehen (allerdings dem ersten im O-Ton) als mixed bag zwischen wirklich grandiosen und solchen Momenten erwiesen, die einem verdeutlichen, dass Humor nicht immer zeitlos ist. Die erwähnten, deutlich von ZAZ-Filmen wie KENTUCKY FRIED CHICKEN inspirierten Spoofs und Film-im-Film-Elemente sind eher müde (die Anfangssequenz von RAIDERS OF THE LOST ARK wurde wohl dutzende Male parodiert, ebenso wie RAMBO: FIRST BLOOD PART II), ein Fake-Trailer für einen Actionfilm mit einem wild um sich ballernden Gandhi ist viel zu unspezifisch, um wirklich witzig zu sein, und die Yankovic-Persiflage des Dire Straits-Videos von „Money for Nothing“ bringt den Film für drei Minuten zum totalen Stillstand. Aber demgegnüber stehen ein Werbespot für ein Geschäft namens „Spatula City“, eines auf Pfannenwender spezialisierten Supermarkts, der alle in die totale Euphorie treibt, die Drohung eines aggressiven Gebrauchtwagenhändlers, er werde einen Seehund zu Tode prügeln, wenn man sein Geschäft nicht besucht, und die schlicht sensationelle Darbietung von Michael Richards als treudoofem Hausmeister Stanley Spadowski, der zum Star des Films wird. Richards sollte ein paar Jahre später als Teil des SEINFELD-Teams Fernsehgeschichte schreiben, schon hier kann man beobachten, mit welcher Akribie er Charaktere durch Körpersprache und Mimik entstehen lässt.Es grenzt an Artistik, was er hier abzieht. Großartig.

Man wünschte sich angesichts solcher Höhepunkte, jemand mit einer klareren humoristischen Linie wäre am Start gewesen und hätte Yankovic einige der schlechteren Ideen ausgeredet. Dann hätte UHF ein richtiger Knaller werden können, denn die Ansätze sind da. So muss man sich durch manches Tief kämpfen und konstatieren, dass dem 90-Minüter vorzeitig die Luft ausgeht. Ich finde den Film trotzdem eher sympathisch und meine, dass seine Vorzüge die Mängel weitestgehend wettmachen. Man kann diesem kleinen charmanten Außenseiter nicht wirklich böse sein.

the-new-kids-poster„A New Ticket to Terror from the Director of ,FRIDAY THE 13TH‚“ verspricht das Plakat von THE NEW KIDS marktschreierisch. Mit dem Hit hatte Regisseur Sean S. Cunningham fünf Jahre zuvor nicht nur das Slasher-Genre als profitable Spielart des Horrorfilms aus der Taufe gehoben, er hatte auch gezeigt, wie man mit einem preisgünstig produzierten Indiefilm in die Phalanx der Großen einbrechen kann. Andere Filmemacher legen mit einem solchen Hit den Grundstein für eine große Karriere, aber von Cunningham kam danach nichts mehr, was auch nur annähernd an den Kassenschlager heranreichte. Er verlegte sich eher aufs Produzieren, drehte hier und da noch saubere, aber immer auch etwas unspektakuläre oder derivative Genrefilme wie A STRANGER IS WATCHING oder DEEP STAR SIX. THE NEW KIDS – auf deutsch sehr schön als DIE KIDS VON ORLANDO vermarktet und sogar geschnitten worden – ist wahrscheinlich einer seiner besten Filme, obwohl das oben Genannte auch auf ihn zutrifft. Gegenüber dem frechen FRIDAY ist dieser Teeniethriller fast aufreizend konzeptarm und bodenständig – aber vielleicht auch deshalb so verdammt effektiv.

Loren (Shannon Presby) und Abby (Lori Loughlin), Kinder eines soeben mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichneten Soldaten (Tom Atkins), stehen völlig unverhofft als Waisen da, als ihre Eltern bei einem Autounfall verunglücken. Die Erleichterung ist groß, als ihr Onkel Charlie (Eddie Jones), sie zu sich und seiner Gattin nach Florida einlädt. Er hat einen maroden Vergnügungsparkt gekauft, in dem die Kinder leben und mit anpacken können. Das tun sie nach Kräften, doch bald gibt es Schwierigkeiten mit dem fiesen Mitschüler Dutra (James Spader) und seinen Schergen: Er hat es auf die neuen, vor allem die hübsche Abby, abgesehen und ist nicht bereit, ein „Nein“ als Antwort auf seine Avancen zu akzeptieren. Was als Schulhofstreiterei angefangen hat, weitet sich bald zu einem Duell auf Leben und Tod aus.

THE NEW KIDS ist aus zwei Gründen so gut: Zum einen, weil der Grundkonflikt des Films nicht weit weg ist vom eigenen Erfahrungshorizont und Cunningham bis zum Schluss kaum von dieser realistischen Prämisse abweicht, zum anderen weil Dutra und seine Kompagnons wirklich wunderbar hassenswerte Schurken abgeben. Es gibt ja diese Filme, bei denen man die Wut und Verzweiflung förmlich in sich hochkriechen spürt, die es einem nahezu unerträglich machen, taten- und hilflos vor dem Bildschirm auszuharren, die den unstillbaren Wunsch in einem anwachsen lassen, dem Übeltäter höchstselbst die fiese Fresse zu polieren. THE NEW KIDS ist einer davon. James Spader, der hier aussieht wie der verlorene Sohn von Christopher Walkens Max Zorin aus A VIEW TO A KILL, ist ein wahrlich widerliches Ekelpaket, in dessen arrogante Visage man mit wachsender Begeisterung reinschlagen möchte, und die Redneck-Ärsche, die er um sich geschart hat, sind so richtig ignoranter, asozialer Abschaum ohne einen einzigen Funken Anstand im Leib. Wie sie in einem Fort vollkommen harmlose Mitschüler triezen, sich feige in ihrer Clique verstecken, Hunde zu blutgierigen Bestien abrichten, fremder Leute Eigentum mutwillig beschädigen und sich aufführen, als gehöre ihnen die Welt, verlangt einem jede Menge Disziplin ab, sie nicht gleich von der heimischen Couch aus mit unflätigen Kraftausdrücken zu überziehen. Dass Abby und Loren so überaus sympathische und gutmütige Kinder sind, trägt noch entscheidend dazu bei, dass das eigene Unrechtsbewusstsein lautstark Alarm schlägt.

Der Spannungsbogen ist sehr geschickt gespannt, langsam und stetig eskaliert die Situation vom harmlosen Streit bis zur lebensbedrohlichen Vendetta, beschleunigt sich die Gewaltspirale, bis sie von niemandem mehr aufzuhalten ist. Das Finale auf dem gammeligen Vergnügungspark-Gelände bietet dann zum Abschluss genug rostige Gerätschaften für diverse spektakuläre Todesarten und Hinrichtungen und das offene Ende ist erwartbar, aber in diesem Kontext dann auch nicht ohne. Mag sein, dass THE NEW KIDS den finalen Kick vermissen lässt, der die Etikettierung als „Klassiker“ rechtfertigen würde. Aber seine Qualitäten sind m. E. unverkennbar und ich denke, für die Behauptung, Cunninghams Film sei ein nicht zu unterschätzender Vorläufer des in den letzten zehn Jahren so populären, realistischen Terrorkinos, lassen sich einige sehr stichhaltige Argumente formulieren. Guter Film!

 

large_5of5s0byh5k3ihld3zcya2aknst„Das Jahr des Werwolfs“ war neben seinen Romanen eine eher flüchtige Kalendergeschichte von Stephen King, die mich als Jugendlicher vor allem mit ihren detaillierten und bisweilen blutigen Zeichnungen aus der Feder von Bernie Wrightson begeisterte. Als nahezu alles, was unter Kings Namen erschien, sich verkaufte wie geschnitten Brot und zwingend auch verfilmt werden musste, war auch „Das Jahr des Werwolfs“ an der Reihe, das eigentlich keinen Stoff für einen vollwertigen Spielfilm hergab. Also adaptierte King die Geschichte in einem Drehbuch, das dann später zusammen mit der Ursprungsnovelle in einem Band unter dem Titel des Films veröffentlicht wurde: King war in den Achtzigerjahren nicht nur ein immens produktiver Autor, hinter ihm verbarg sich auch eine gut geölte Marketingmaschine.

SILVER BULLET war kein großer Erfolg, entlockte Roger Ebert einen erbitterten Verriss und beendete die Spielfilm-Karriere des Regiedebütanten Daniel Attias auf Anhieb: Er arbeitet seitdem aber überaus produktiv fürs Fernsehen und hat seinen Beitrag zu so ziemlich jeder namhaften Serie der letzten 30 Jahre geleistet. Der Film ist nett, wie eigentlich alle King-Verfilmungen jener Zeit, und das steht ihm aufgrund seines eher flüchtigen Inhalts besser zu Gesicht als anderen Werken, die überwiegend als Enttäuschungen empfunden wurden. Der epische Bogen, der mithilfe des Voice-overs geschlagen werden soll – Jane (Megan Follows), die Schwester des Protagonisten Marty (Corey Haim) fungiert als Erzählerin, die sich an die Vergangenheit erinnert -, geht nicht recht auf, weil der Film zu gegenwärtig aussieht, Ideen wie jene um den aufgemotzten Rollstuhl des querschnittsgelähmten Marty sind als reine Gimmicks zu enttarnen. Aber SILVER BULLET bietet einfach angenehme Kurzweil, ist hier und da recht blutig, hat mit Gary Busey als stets angetrunkener, aber herzensguter Onkel Red einen exzellenten Darsteller, den man nicht oft in solchen durch und durch sympathischen Rollen gesehen hat, ist bis in die Nebenrollen gut besetzt (u. a. treten Lawrence Tierney, Terry O’Quinn und James Gammon auf) und schafft eine gelungene Mischung aus Horror und Humor. Die Szene mit dem Lynchmob im Nebel ist wunderbar und Everett McGill, hier noch vor seiner Paraderolle in TWIN PEAKS, gibt einer fantastischen Schurken ab. Die Werwolfeffekte spielen hingegen nicht ganz in der Liga von THE HOWLING oder AMERICAN WEREWOLF: Für sie zeichnete Carlo Rambaldi verantwortlich, der seine Karriere in den Sechzigerjahren in Italien begonnen und oft mit Mario Bava zusammengearbeitet hatte, bevor er in die USA ging. Er war unter anderem an Spielbergs STRANGE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND, Zulawskis POSSESSION und Scotts ALIEN beteiligt, bekleckerte sich bei KING KONG nicht  gerade mit Ruhm, machte sich aber mit der Schöpfung von E.T., THE EXTRA-TERRESTRIAL unsterblich, bevor er dann im Verlauf der Achtzigerjahre von der Zeit eingeholt wurde. Sein Werwolf in SILVER BULLET leidet jeweils an akutem Wasserkopf. Vielleicht ist er deshalb so wütend.

Ein Aspekt, der leider nicht weiter ausgearbeitet wird: Die Voice-over-Narration zeichnet zu Beginn ein typisches Kleinstadtidyll („everybody cared as much for the other as he cared for himself“), das dann im weiteren Verlauf mit einem wütenden Lynchmob, Männern die schwangere Frauen im Stich lassen, asozialen Säufern und einem Priester, der sich des nachts in ein blutgieriges Monster verwandelt, mehr als nur in Frage gestellt wird. SILVER BULLET interessiert sich aber nicht besonders für die Kritik an der amerikanischen Kleinstadt, und das ist in diesem Fall auch ganz OK so.

timthumb-phpDas Leben des Young Urban Professionals erweist sich in den Filmen der Achtzigerjahre, in denen diese Figur zum Repräsentanten der damaligen Adoleszenz heranreifte, durchaus als tückisch. Klar, das Geld, die schicken Anzüge, die tollen Loft-Wohnungen mit den Designermöbeln, die einflussreichen Bekannten und geilen Freundinnen, ohne all das sollte man nicht leben müssen, aber ein bisschen Anstand ist dann doch nicht so verkehrt. Am Ziel angelangt erkennt der Yuppie oft, dass er seine Seele verkauft hat.

So auch Robin Weathers (Judd Nelson) in Bob Clarks FROM THE HIP: Der Anwalt einer traditionsreichen Kanzlei hat die Nase voll davon, immer nur zuarbeiten zu dürfen, er will endlich selbst praktizieren. Und er hat den Ehrgeiz, es auf seine Art zu schaffen. In seinem ersten Einsatz gelingt es ihm mithilfe unorthodoxer und spektakulärer Methoden einen eigentlich vollkommen hoffnungslosen Fall zu gewinnen. Seine konservativen Arbeitgeber sind entsetzt über seine Respektlosigkeit, müssen sich aber dem Willen sowohl der Öffentlichkeit, die „Stormy“ Weathers zu einer Art Popstar erhebt, als auch ihrer Kunden, die den jungen Wilden an ihrer Seite wissen wollen, beugen – und ihn zum Juniorpartner machen. Als nächste Herausforderung lockt die Verteidigung von Douglas Benoit (John Hurt), ein elitärer, von sich eingenommener Fatzke, der im Verdacht steht, seine Geliebte brutal ermordet zu haben. Die Zahl der Indizien ist erdrückend und während Weathers erneut seine Show abzieht und auf dem besten Weg ist, zu gewinnen, erhärtet sich auch bei ihm die Überzeugung, er verhelfe einem echten Psychopathen zur Freiheit …

Clark verbindet in seinem Film Elemente der zeittypischen Yuppie-Komödie mit – in der Zeichnung des Benoit-Charakters – Psychothriller- und Horrorfilm-Anleihen und verpackt das ganze in einer Gerichtsfilmdramaturgie. Die Mischung hält den Film über die ganze Laufzeit interessant, auch wenn die einzelnen Bestandteile nicht immer voll überzeugen. Im Mittelpunkt steht natürlich Judd Nelson, der mit seiner Darbietung in THE BREAKFAST CLUB eine Persona als heißblütiger, respektloser, unangepasster, aber ehrgeiziger und intelligenter Rebell etabliert hatte – und für FROM THE HIP somit ideal war. Er ist auch dann glaubwürdig, wenn das Drehbuch seine Aufmüpfigkeit massiv überreizt: Dass er mit seinen bisweilen fragwürdigen Tricks, Attacken auf Zeugen und Anwälte, Schreianfällen und Obszönitäten durchkommt, ist nicht immer plausibel. Aber was ihn treibt, arbeitet Clark schön heraus. Der Thrill, in einem Fall, von dem nicht einmal der Angeklagte glaubt, dass etwas herauszuholen sei, zu triumphieren, wird spürbar und es spielt auch keine wesentliche Rolle, dass Weathers ein abgekartetes Spiel spielt. Seine Methoden sind authentisch und er erwischt alle Anwesenden auf dem falschen Fuß, hat das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Als schleimig selbstbewusster Emporkömmling ist Nelson super, auch weil sich in seinen dunklen Augen und dem Hundeblick eine Restwärme und Unsicherheit findet, die die Empathie ermöglichen. Die Zweifel lassen dann auch nicht lang auf sich warten. Ist der Fall Benoit nicht doch eine Nummer zu groß für ihn? Kann er dem enormen Erwartungsdruck standhalten? Ist der Hype um seine Person gerechtfertigt oder ist er nicht doch nur ein Hochstapler, der sich an die Spitze gemogelt hat? Und vor allem: Will er wirklich einem Killer zur Freiheit verhelfen?

Clark kommt ja eher aus dem Indie-Bereich, machte sich einen Namen mit kleinen effektiven Horrorfilmen wie CHILDREN SHOULDN’T PLAY WITH DEAD THINGS, DEAD OF NIGHT, BLACK CHRISTMAS oder auch den ersten beiden Filmen der PORKY’S-Reihe. Die Slickness des Eighties-Mainstreamkinos fehlt seinen größeren Produktionen weitestgehend. Clark drehte etwa den Stallone-Flop RHINESTONE oder den vergessenen Aykroyd-Hackman-Buddy-Movie LOOSE CANNONS, die trotz großer Namen und griffigen Erfolgsformeln keinen nachhaltigen Eindruck hinterließen. FROM THE HIP belegt, dass er ein guter Erzähler ist und ein Händchen für glaubwürdige Charaktere hat, aber der letzte Schliff fehlt. Das kann ja durchaus eine Qualität sein, aber in seinen formelhafteren Momenten rutscht der Film auf Fernsehniveau, was sicher auch durch den grauenhaften Kitsch-Score von Paul Zaza begünstigt wird (mit dem Clark mehrfach zusammenarbeitete). Die Beziehung zwischen Weathers und seiner Partnerin Jo Ann (Elizabeth Perkins) ist nicht ganz so perfekt und leer, wie man das aus vergleichbaren Filmen gewohnt ist, aber sie wirkt trotzdem wie ein Krückstock für die Geschichte. Als könne ein Mann nicht auch anders als durch die vertrauensvollen Gespräche mit seiner besseren Hälfte zur Vernunft kommen. Demgegenüber steht aber die tolle Kameraarbeit von Dante Spinotti, der vor allem an John Hurt einen Narren gefressen zu haben scheint, ihm immer wieder schöne Close-ups schenkt und das diabolische Funkeln in seinen Augen herausarbeitet. Wenn sich FROM THE HIP zum Finale hin in einen Thriller verwandelt, die glatte Oberfläche immer wieder von eiskalten Irritationsmomenten durchstoßen wird und infernalisches Licht in die mondänen Räumlichkeiten der Kanzlei fällt, erkennt man dann auch den alten Horror-Regisseur wieder.

220px-wildcats_movieposterMolly McGrath (Goldie Hawn) ist ein Football-Buff, aber niemand will ihr die Chance geben, ein Team zu coachen – weil sie eine Frau ist. Um sie von ihren Trainerplänen endgültig abzubringen, organisiert ihr Chauvi-Kollege Dan (Bruce McGill) eine Stelle als Coach einer als hoffnungslos geltenden Mannschaft aus Straßenkids (darunter Woody Harrelson und Wesley Snipes). Molly muss sich den Respekt der Jungs erst erkämpfen, doch dann führt sie das Team mit ihrem Fachwissen von einem Sieg zum nächsten. Alles könnte so schön sein, doch dann kommt ihr ihr Ex-Mann (James Keach) in die Quere. Den neuen Umgang seiner Ex-Frau sieht er als Gefahr für seine Töchter und beginnt einen Sorgerechtsstreit …

Michael Ritchie ist einer der großen Unerfüllten des amerikanischen Kinos. In den Siebzigern galt er mit seinem Debüt DOWNHILL RACER; dem nachfolgenden Hardboiled-Klassiker PRIME CUTS sowie Filmen wie THE CANDIDATE oder SMILE als ein vielversprechender Filmemacher. Der große kommerzielle Wurf von THE BAD NEWS BEARS machte dem ironischerweise ein Ende. Ritchie drehte zwar noch einige erfolgreiche, aber auch eher harmlose Komödien, mit denen er keinen großen Respekt mehr einfahren konnte. Der bizarre THE ISLAND war noch einmal sehr toll und ich persönlich liebe FLETCH über alles, aber ansonsten trat Ritchie als Filmemacher eher in den Hintergrund. WILDCATS ist nach dem Burt-Reynolds- und Kris-Kristofferson-Vehikel SEMI-TOUGH sein zweiter Footballfilm und durchaus eine nette Sache. Die Geschichte hat man in ähnlicher Form schon zigmal  vorgesetzt bekommen, nichts ist wirklich neu oder besonders herausragend, aber der Film wirkt ehrlich und dankenswerterweise nicht zu lieblich. Das mag auch an den wirklich tollen Bildern der eher heruntergekommenen Seiten von Chicago liegen: Speziell der Football-Platz der Wildcats, unmittelbar vor einer alten industriellen Backsteinruine gelegen, ist ein tolles Setting, das Kameramann Donal E. Thorin sehr schön einfängt.

Ein positives Wörtchen darf man auch über die Thematisierung von Sexismus in der Berufswelt im Allgemeinen und in einem angeblichen „Männersport“ im Besonderen verlieren, zumal Ritchies Happy-End nicht vorsieht, dass Mama ihre Karriere zugunsten der Kinder aufgibt. Das ist ja leider längst noch nicht selbstverständlich und hier auch deshalb so angenehm, weil WILDCATS sich dafür nicht selbsgerecht auf die Schulter klopft, sondern einfach jenen gesunden Menschenverstand beweist, der leider weniger verbreitet ist, als man annehmen sollte. Was gibt es sonst noch zu sagen? Der Titelsong stammt von LL Cool J („Football“), der in einer kurzen Szene auch selbst zu sehen ist. Und während der Schlusscredits dürfen die Hauptdarsteller ihre eigene Version des Stückes zum Besten geben, eine Idee, die Richard Linklater dieses Jahr in EVERYBODY WANTS SOME!! aufgriff.

vampires-kiss-movie-poster-1989-1020510198Unter Fans von Nicolas Cage – seien es echte Verehrer oder bloß solche, die sich an seinem „Megaacting“ delektieren – genießt VAMPIRE’S KISS einen Sonderstatus. Es ist vielleicht der Film, der die höchste Konzentration des Cage’schen Schauspielwahnsinns bietet, ihm den größten Freiraum für seine Exzesse lässt, ja, auf seine Exaltiertheit geradezu baut. Während Cage gerade bei vielen aktuelleren Sachen der einzige Grund ist, sich diese überhaupt anzuschauen, weil er aus ihnen quasi als Leuchtturm aus der allgemeinen Ödnis heraussticht, ist VAMPIRE’S KISS ein Film, der ohne Cages Darbietung überhaupt gar nicht denkbar wäre, dem Schauspieler wie auf den Leib geschneidert wirkt.

Cage spielt den Literaturagenten Peter Loew, der tagsüber die brave Angestellte Alva (Maria Conchita Alonso) mobbt und sich abends mit schönen Frauen verlustiert. Nachdem ihn eine Fledermaus beim Schäferstündchen mit Jackie (Kasi Lemmons) stört und in einen Kampf verwickelt, weiten sich seine zuvor nur latenten psychischen Probleme zu einer handfesten Wahnvorstellung aus. Er fantasiert die Vampirin Rachel (Jennifer Beals) herbei und erliegt schließlich dem Glauben, selbst ein Blutsauger geworden zu sein …

Der leider völlig namenlos gebliebene Regisseur Bierman (er arbeitete nach VAMPIRE’S KISS fast ausschließlich fürs Fernsehen) zeichnet ein wunderbares New-York-Porträt voller gothischer Bauten, unheimlicher Winde und wie Grabsteine in die Dämmerung ragender Wolkenkratzer. Loew erinnert mit seinem Designer-Appartement, dem eitlen Blick in den Spiegel beim Richten der Krawatte, dem Nichtstun in seinem Büro, dem Verbrauch an gutaussehenden Frauen und natürlich mit seiner Psychose massiv an einen anderen New Yorker Killer, nämlich Patrick Bateman aus Bret Easton Ellis‘ „American Psycho“ (entschuldigt, wenn ich mit diesem Verweis langweile). Aber aus seinem Leidensweg lässt sich weniger leicht eine Kritik herauslesen als aus Ellis‘ Masterpiece. Vielleicht habe ich entscheidende Hinweise übersehen, aber die Ursachen für Peters Absturz in den Wahn bleiben weitestgehend im Dunkeln – und manchmal hat es sogar den Anschein, dass eher Eitelkeit hinter seiner Idee steckt, ein Vampir zu sein. Vielleicht will ereinfach nur aus der Rolle fallen und einen Freibrief für einen Mord haben, der die grausame Monotonie des Daseins etwas aufbricht. Aber egal, wie man VAMPIRE’S KISS ausdeuten mag – oder ob man das überhaupt für notwendig hält: Der Film ist ein Fest. Nicolas Cage ist einfach nur fantastisch, sowohl als versnobbter, aber nicht uncharmanter Aufreißer, als auch als manischer Mitarbeiterinnenquäler oder als komplett irrer, augenrollender Max-Schreck-Imitator mit Plastik-Vampirgebiss, der zu Hause unter seiner Couch schläft.

Dabei wäre es falsch, VAMPIRE’S KISS aufgrund Cages Darstellung als „over the top“ zu charakterisieren. Er ist gnadenlos offbeat, das ganz sicher, aber insgesamt zeichnet er sich durch eine eher somnambule, traumgleiche Atmosphäre, denn durch delirierende Wildheit aus, und auch Cage kann diese Stimmung nicht kippen. Egal wie sehr Loew auch zetert und schreit und jault und flucht und lacht, die Welt um ihn herum nimmt kaum Anteil daran – auch nicht am Leid von Alva. Am Ende, wenn Loew blutverschmiert und völlig verstört durch die Straßen Manhattans taumelt, ohne dass ihn irgendjemand aufhält oder auch nur Notiz von ihm nimmt, kommen einem die vielen Freaks in den Sinn, die unsere Metropolen bevölkern, kurze Irritationen in unserem normierten Alltag, über deren Geschichten wir uns keinerlei Gedanken mehr machen. VAMPIRE’S KISS ist zum Schreien komisch und gleichzeitig todtraurig.

secret_admirerSECRET ADMIRER. Das klingt kaum weniger bieder und langweilig als der deutsche Verleihtitel, der da eine CRAZY LOVE – LIEBE SCHWARZ AUF WEISS verheißt. Kein Wunder, dass der Film – in den USA im Double Feature mit CLASS auf DVD erschienen – mehrere Jahre bei mir im Regal auf seinen Einsatz warten musste, obwohl ich die Teeniekomödien aus den Achtzigerjahren ja eigentlich sehr mag. Was für ein Irrtum! Wie auch der zuletzt gesehene MANNEQUIN ist SECRET ADMIRE wirklich charmant, lebt von seinem hervorragend aufgelegten Darsteller-Ensemble aus glaubwürdigen Jungstars und verdienten Profis, denen man den Spaß an der Sache ansieht, und einem Drehbuch, das seiner Prämisse im Laufe der 90 Minuten immer noch weitere Aspekte abringt. Dass man auch noch Kelly Prestons ziemlich beeindruckende Oberweite zu Gesicht bekommt, kann natürlich auch nicht schaden, soll über diese Erwähnung hinaus aber nicht weiter thematisiert werden. Ein Gentleman genießt und schweigt.

Highschool-Kid Michael Ryan (C. Thomas Howell) hat eine Schwäche für die schöne Deborah (Kelly Preston), die so begehrt ist, dass sie nur mit College-Schülern ausgeht. Als er eines Tages einen anonymen Verehrerbrief in seinem Locker findet, ist er sicher: Der muss von ihr sein! Seine lyrisch unbeholfenen Antworten werden von seiner besten Freundin Toni (Lori Loughlin) auf Vordermann gebracht, erweichen so das Herz der eingebildeten Schönheit – und gelangen auf Umwegen auch in die Hände der Eltern der Turteltauben (Dee Wallace Stone und Cliff De Young auf der einen, Leigh Taylor-Young und Fred Ward auf der anderen Seite), was wiederum deren Eheleben mächtig durcheinander bringt …

Es ist genau dieser Kniff, der SECRET ADMIRER von der netten, aber auch harmlosen romantischen Highschool-Teeniekomödie in einen sehr sympathischen, humanistischen und warmen Film verwandelt. Wie die Eheleute da wie aus dem Nichts in eine Affäre taumeln, über den Kitzel sich selbst und dann wieder die Liebe zum Partner entdecken, ist toll, kein bisschen spießig und ehrlich gesagt auch interessanter als der eigentliche Plot. Vor allem Fred Ward, der Deborahs Papa als hardboiled cop mit weichem Kern gibt, beweist wieder einmal seine ganze Klasse, die sich leider viel zu selten in entsprechend großen Rollen niederschlug. Ähnlich überraschend verfährt SECRET ADMIRER mit dem College-Arschloch Steve (Scott McGinnis): Der eklige Jock, der kurz davor ist, auch die zierliche Toni auf die Matratze zu zerren, zeigt plötzlich Skrupel und Herz und wächst zumindest für einen kurzen Moment über das Klischee hinaus, das sich in Sportwagenpostern an seiner Wand zu bestätigen scheint. Bei so viel Liebe zum Detail macht es auch überhaupt nichts, dass die Auflösung des ganzen ein alter Hut und natürlich von der ersten Minute an für jeden, der nicht völlig auf den Kopf gefallen ist, vorherzusehen ist. Völlig Wurst, denn man nimmt das Happy End mit den beiden sich im Hafenbecken in die Arme schließenden zu gern mit. Lori Loughlin ist aber auch wirklich zum Anbeißen niedlich. Das Engagement für die grauslige Schmalzbacken-Sitcom FULL HOUSE wird ihrem Konto gut getan haben, aber hier zeigt sie deutlich größeres Potenzial, das nach dem Fernsehengagement leider nicht mehr gehoben werden konnte. Und auch C. Thomas Howell erinnert daran, warum er dereinst zu den großen Teeniehoffnungen zählte. In einer weiteren Nebenrolle als tölpeliger Kumpel Michaels ist Ex-YOUNG GUN Casey Siemaszko zu sehen. Runde Sache, das.

mannequin-1986MANNEQUIN ist eine der unzähligen Teenie-RomComs seines Jahrzehnts und mit Andrew McCarthy und James Spader mit zwei wichtigen Jungakteuren des damals florierenden Subgenres besetzt. Die beiden waren sich zuvor schon in PRETTY IN PINK begegnet und gehörten zum erweiterten Kreis des erfolgreichen sogenannten Brat Packs. Beide sind hier in für sie typischen Rollen zu sehen: McCarthy als der sympathische Träumer, Spader als schmieriger Yuppie, allerdings in einer deutlich spießigeren Variante. Handlungstechnisch haben wir es mit fast schon prototypisch zu nennendem Eighties-Stoff zu tun: Es geht darum, sich seine Individualität in einer Welt zu bewahren, in der der schnöde Mammon alles regiert. MANNEQUIN ist ein modernes Märchen, hoffnungslos romantisch und naiv, ästhetisch mit seinem Mode-Overkill, Pastellfarben und Spiegelflächen ganz in seiner Zeit gefangen, ein heftiger Trip, wenn man ihn sich heute ansieht.

Andrew McCarthy spielt Jonathan Switcher, einen Bildhauer, der vergeblich versucht, seine künstlerischen Ambitionen mit den traurigen Anforderungen des Arbeitsmarktes in Einklang zu bringen: Seinen Job als Hersteller von Schaufensterpuppen verliert er, weil er einfach zu lange für eine Figur braucht. Dafür ist ihm seine neueste Schöpfung so gut gelungen, dass er selbst ganz hin und weg von ihr ist. Als sie plötzlich zum Leben erwacht – aus ungenanntem Grund ist sie vom Geist einer ägyptischen Prinzessin (Kim Cattrall) beseelt -, verliebt er sich nicht nur in sie, die freigesetzten Gefühle begünstigen einen kreativen Höhenflug, die die von ihm dekorierten Schaufenster zu einer Sensation machen und dem darbenden Kaufhaus von Claire Timkin (Estelle Getty) neue Umsatzrekorde verschaffen. Seine karrieregeile Ex Roxie (Carole Davis) will ihn daraufhin zum Konkurrenzunternehmen des fiesen B. J. Wert (Steve Vinovich) locken, der wiederum das Timkin-Kaufhaus mithilfe des verräterischen Richards (James Spader) in seinen Besitz bringen möchte …

MANNEQUIN macht fast alles richtig: Er verschwendet keine Energie und Zeit darauf, seine fantastische Prämisse irgendwie herzuleiten, er hat mit Andrew McCarthy einen sympathischen Hauptdarsteller, dem man die Daumen drückt, eine mit turbulenten Verwicklungen und sexuellen Anspielungen gespickte Handlung, fiese Schurken und ein buntes Inventar an Nebenfiguren. Das alles ist natürlich voller Klischees, aber diese Klischees werden durch die Darbietungen des Casts und ein pfiffiges Drehbuch lebendig: Der schrill-schwule schwarze Designer Hollywood (Meshach Taylor), der stets mit absurden Sonnenbrillen und Jacken herumstolziert, ist nicht gerade progressiv, wird aber auch nicht zur homophoben Karikatur verzeichnet, darf vielmehr als einer jener Individualisten durchgehen, denen die Sympathie des Films gehören. Dann ist da als ein Zeitgeistbezug G. W. Bailey als dämlicher Wachmann Felix mitsamt Hund Rambo („because he likes to draw first blood“): Bailey hatte sich 1984 einen Namen mit seinem Mitwirken in der Hitkomödie POLICE ACADEMY gemacht und gibt hier eine Art Reprise auf die Rolle, die ihn im öffentlichen Gedächtnis verankerte. Auch James Spader zeigt komisches Talent und hat eine sehr schöne Szene, in der er mit einer Schreibtischlampe kämpft – und verliert. Freundin Roxie ist eine jener damals gängigen Karrierezicken und als sie dem lieben Jonathan den Laufpass gibt – wie sie jemals zusammenkommen konnten, ist ein größeres Mysterium als das Erwachen der Schaufensterpuppe -, buhlt sofort der italienische Geck Armand (Christopher Maher) um sie, ein selbstverliebtes Weichei, das im entscheidenden Moment trotz Tigerfellbettwäsche an erektiler Dyfunktion leidet.

Am wichtigsten ist aber natürlich die Beziehung zwischen Jonathan und seiner magischen Geliebten Emmy: Es gibt eine tolle Montagesequenz, in der die beiden in immer neuen  Verkleidungen durch das Kaufhaus toben und eine wunderbare Szene, in der die Holde an einem Flugdrachen durch das riesige Treppenhaus kurvt. Cattrall ist heute ja vor allem durch ihre Cougar-Rolle aus SEX AND THE CITY bekannt und hier verkörpert sie so ziemlich das exakte Gegenteil. Es funktioniert. MANNEQUIN ist Trivialunterhaltung in Reinkultur und wenn man die Achtziger abstoßend findet, wird man sich auch hier nur in seiner Meinung bestätigt sehen. Ich fand den Film aber ganz wundervoll (wenn auch am Schluss vielleicht einen Hauch zu lang), mitsamt aller Nostalgieschübe. Ehrlich, ein Film, in dem Schaufensterdekorationen Aufsehen erregen? Ja, so war das damals.

 

 

alexanderDiese Zweitsichtung hat 12 Jahre gebraucht. Damals im Kino war ich ziemlich ratlos und enttäuscht gewesen von Stones Historien-Epos, ein wesentlicher Schritt in einer bis heute anhaltenden Entfremdung von einem Regisseur, dessen Filme in meiner Filmsozialisation eine wichtige Rolle gespielt hatten. Der „Final Cut“, der als ALEXANDER REVISITED ca. ein Jahr nach der enttäuschenden, um nicht zu sagen verheerenden regulären Kinoauswertung auf Scheibe erschien (und einer der erfolgreichsten Heimkino-Titel im Katalog von Warner Bros. wurde), hatte es nie in meinen Player geschafft, erst jetzt, auf Blu-ray, konnte ich die Scharte auswetzen. Wie zu erwarten war, ist diese Langfassung sehr viel konziser und auch mutiger als die kürzere Version – ein anderer Film ist ALEXANDER deswegen aber nicht. Wer sich damals in Erwartung eines Monumental-Abenteuerschinkens à la GLADIATOR oder BRAVEHEART ins Kino verirrte und sich dann königlich langweilte, wird mit dieser noch einmal 30 Minuten längeren Fassung ganz ähnliche Schwierigkeiten haben. Mir hat Stones teuerster Film hingegen deutlich besser gefallen als damals und das, was ihm oft vorgeworfen wird, habe ich als interessante Idiosynkrasien empfunden. Nicht alles geht auf, manches wirkt albern, oder besser: campy, aber gerade das zeichnet den Film gegenüber „traditionelleren“ Historienfilmen aus, die alles in ein Hollywood-Raster pressen und keine Fragen offen lassen.

ALEXANDER REVISITED verfolgt zwei parallele Handlungsstränge, die nebeneinander herlaufen und sich immer wieder abwechseln: der eine schildert Alexanders (Colin Farrell) Kindheit und Jugend bis zur Krönung zum König von Mazedonien nach der Ermordung seines Vaters Philip (Val Kilmer), der zweite folgt ihm bei seinen Feldzügen bis nach Indien und wieder zurück. Geklammert wird das alles durch den Bericht von Alexanders Weggefährten Ptolemäus (Anthony Hopkins), der einem Schreiber die Lebensgeschichte des Herrschers 40 Jahre nach dem Tod in die Feder diktiert. Historiker meldeten sich frühzeitig zu Wort, um in grotesker Fehlkonzeption von Kunst und Unkenntnis von Stones Arbeit Fehler aufzuzählen und Ungenauigkeiten zu monieren. Als wäre es dem Regisseur darum gegangen, bloß Fakten nachzuerzählen. Sein Alexander ist der erste Globalisierer der Weltgeschichte, ein Mann, der die Menschheit vereinen und ihre Trennung in Völker, Nationen und Stämme auflösen möchte. Mit diesen Ideen stößt er bei seinem Stab nicht ausschließlich auf Zustimmung: Die sich für überlegen haltenden Griechen und Mazedonier sehen es gar nicht gern, dass der Thronfolger ihres Königs von einer „Wilden“ geboren werden soll, dass die Barbaren vom Ende der Welt gleichberechtigt neben ihnen stehen. Kurz: Alexander hat mit denselben Problemen zu kämpfen, denen sich heute Europa gegenübersieht. Aber auch seine eigenen Dämonen stehen ihm im Weg, etwa die Hin- und Hergerissenheit zwischen einer überprotektiven Mutter (Angelina Jolie), die behauptet, er sei der Sohn Zeus‘, und ihn gegen den eigenen Vater aufhetzt, oder eben der Vater, der Alexanders Mutter hasst und den ungeliebten Sohn verachtet. Die eigene Homosexualität kommt ihm ebenfalls in die Quere, vor allem, weil er sich nicht mit einem Jüngling begnügen mag, und natürlich trotzdem sein Erbe sichern muss.

ALEXANDER REVISITED ist expliziter in der Darstellung dieser Homosexualität als es die Kinofassung war, die sich mit sehnsüchtigen Blicken zwischen Alexander und seinem Freund Hephaistios (Jared Leto) begnügte. Es reichte damals aus, um die Erfolgsaussichten des Films erheblich zu minimieren. Das schwule Begehren und Zaudern, das im Final Cut mehr in den Mittelpunkt rückt, prägt den Film auch in ästhetischer Hinsicht ganz wesentlich. Die zahlreichen Vignetten, wärend derer die Männer um Alexander dem Müßiggang frönen, in den opulenten Palästen der von ihnen eroberten Städte herumlümmeln, sich betrinken und exotischen Tänzen zuschauen, erinnern an dekadente Musicals, die Sehnsucht nach der hexenhaften Mama wird umso grotesker, als diese von der geilen (aber nur ein Jahr älteren) Jolie mit russischem Schlampenakzent gegeben wird. Farrell überzeugt, wenn er flammende Reden halten darf, wird sonst aber auf reines Eye Candy reduziert: Er ist ein hoffnungsloser Softie mit Goldhaar, dessen utopische Ambitionen man nie recht in Einklang mit diesem Bild bringen kann. Genau darum geht es: Man bekommt diese Figur nie wirklich in den Griff, so wie er sich in Stones Interpretation auch selbst immer fremd bleibt.

Trotz der opulenten Settings, des massiven CGI-Einsatzes, der Jahrzehnte und Kontinente umspannenden Geschichte wirkt ALEXANDER REVISITED intim und nach innen gekehrt. Es gibt zwei große Schlachtenszenen, eine gleich zu Beginn, eine kurz vor Schluss des rund 220-minütigen Final Cuts, der Rest sind Dialogszenen; und in den meisten versucht Alexander, sich selbst auf die Schliche zu kommen. Stone zeichnet ihn als Getriebenen, Fliehenden oder Suchenden: Alexander will weg von dem, was er glaubt zu sein, um sich neu zu erfinden. Als er in Indien immer noch nicht fündig geworden ist, der Ruf der Mutter immer noch unvermindert stark in seinen Ohren klingt, sieht er die Sinnlosigkeit seines Unterfangens ein und macht kehrt. Zurück in Babylon verstirbt er. Er liegt damit auf Linie der anderen historischen Figuren, denen sich Stone bislang gewidmet hat, vor allem fühlt man sich an seinen NIXON erinnert. Auch bei dem hatten sich eine zerrüttete Psyche, die Kluft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung in historisch unumstößlichen Tatsachen manifestiert.

e0e9f5c6bfGestern ging dieses unglaubliche Video von Corey Feldmans Auftritt im US-Fernsehen durchs Netz. Ich verfolge Feldman schon etwas länger, weil ich ihn hochgradig faszinierend finde – und quasi mit ihm aufgewachsen bin. Er evoziert eine komplexe Mischung von Gefühlen bei mir, die mit „Fremdscham“ nur unzureichend erklärt ist. In den Achtzigern war er ein beliebter und viel beschäftigter Kinder- und Jugendstar, dem die Herzen und die Geldscheine nur so zuflogen, bevor ihm der Ruhm dann aber irgendwie in die Quere kam. Die üblichen Drogenprobleme wurden publik, die Rollen wurden kleiner, die Kluft zwischen Feldman und der Realität größer. Als sein Kumpel und Filmpartner Corey Haim verstarb, der ein ähnliches Schicksal teilte, aber noch weniger gut damit zurechtkam, ließ Feldman in seiner Biografie verlauten, die beiden seien von einem namhaften Hollywood-Produzenten sexuell missbraucht worden. Richtig ernst nahm und nimmt das tragischerweise keiner: Feldman ist heute einer dieser C-Prominenten, die in erster Linie deshalb noch manchmal in die Öffentlichkeit gezerrt werden, weil man sich ulkige Schoten von ihnen erhofft. So machte er in den letzten Jahren mit peinlichen Partys von sich reden, auf die man sich teuer einkaufen konnte und die sich dann als traurige Versammlungen Fehlgeleiteter entpuppten oder eben von seinen verzweifelten Versuchen, eine Musikkarriere zu starten. An seinem aktuellen Album „Angelic 2 the Core“, das der Anlass für seinen TV-Auftritt war, arbeitete er angeblich zehn Jahre und suchte vergeblich nach einem Label: Natürlich nicht, weil er grotesk untalentiert und geschmacklich mit seinen Jacko-Anleihen in den Neunzigern stehengeblieben ist, sondern, weil sich keiner „getraut habe“. Die Musik, ein krass anachronistischer Rap/Rock-Hybrid ist ziemlich furchtbar, Feldmman definitiv weder ein Sänger noch überhaupt ein begabter Frontmann, seine Darbietung amateurhaft und überambitioniert. Aber ich finde seinen Auftritt ja gerade wegen des enthusiastisch dargebotenen Untalents ziemlich grandios. Feldman ist mit Leib und Seele bei seiner Musik, das merkt man, und das schützt ihn auch vor dem Spott der anderen. Er lebt mit „Corey’s Angels“, seiner Backingband aus engelhaft gekleideten Mädels, die er angeblich von der Straße aufgelesen habe, in einer komplett eigenen Welt, in der Jackos Tanzmoves immer noch das Allergrößte sind und die Leute versessen darauf sind, ihn im Duett mit Fred Durst zu hören. Das ist, wenn man den Hintergrund kennt, ziemlich tragisch: Aber wenn das Feldmans Weg ist, mit seinen Traumata klarzukommen, dann kann man das nur gutheißen. Fakt ist: Das, was er da auf die Bühne gebracht hat, macht sonst keiner.

LICENSE TO DRIVE ist in den Karrieren seiner beiden Stars knapp vor dem Niedergang anzusiedeln und war in den USA ein recht beachtlicher Hit. Feldman machte direkt im Anschluss mit Joe Dante den tollen THE ‚BURBS, es folgten, ebenfalls mit Haim, DREAM A LITTLE DREAM, eine Sprecherrolle im ersten TEENAGE MUTANT NINJA TURTLES-Film sowie der spaßige EDGE OF HONOR, dann ging es, von Ausnahmen wie BORDELLO OF BLOOD abgesehen, stetig bergab. Für Haim war LICENSE TO DRIVE nach THE LOST BOYS die erste echte Hauptrolle: Er war der kommende Mädchenschwarm und gemeinsam mit Feldman gab er ein jugendlich-freches Duo ab. So dachten sich die Produzenten das jedenfalls. Der Plan ging nicht wirklich auf. Keiner von Haims folgenden Filmen – der genannte DREAM A LITTLE DREAM, die Koontz-Verfilmung WATCHERS oder der Endzeitfilm PRAYER OF THE ROLLERBOYS – hinterließ einen bleibenden Eindruck, der Abstieg in das weite Feld der Videopremieren war vorgezeichnet. Dazu passend ist LICENSE TO DRIVE auch ein Film, der eher von der kurzen Popularität Haims profitierte, als dass er echte Meriten hätte. So sehr sich Regisseur Beeman auch bemüht, eine turbulente Teeniekomödie auf die Beine zu stellen – Chris Columbus um Längen besserer ADVENTURES IN BABYSITTING ist ein guter Vergleich  -, alles wirkt irgendwie simuliert, steif und zweitklassig.

Es geht um den sechzehnjährigen Les Anderson (Corey Haim), der sich nichts so sehr wünscht, wie endlich den Führerschein und das dazugehörige Auto zu haben. Auf der Highschool muss man sich ohne fahrbaren Untersatz erst gar keine Hoffnungen machen, von den Mädchen wahrgenommen zu werden, schon gar nicht von einer Schönheit wie Mercedes Lane (Heather Graham), die sich lieber mit einem slawisch anmutenden Graf-Dracula-Ersatz mit Ferrari abgibt. Dummerweise fliegt Les just an jenem Tag durch die Prüfung, an dem er der holden versprochen hat, sie zu einem Date mit Opas Auto abzuholen. Also entwendet er den Cadillac kurzerhand und begibt sich in ein haarsträubendes Abenteuer, an dessen Ende der Wagen ein einziger Schrotthaufen ist.

LICENSE TO DRIVE bemüht eine Eskalationsdramaturgie, für die ein gutes Gespür für Timing nötig ist – und natürlich ein Hauptdarsteller, mit dem man mitfiebert. Beides fehlt. Die Aneinanderreihung von haarsträubenden Katastrophen wirkt beliebig (die feindseligen Rockerproleten, denen Les und seine Kumpels immer wieder begegnen) oder vollends überzogen (der Besoffene, der den Caddy stiehlt und damit auf Amokfahrt geht), und Haims stets mit offenem Mund in die Gegend stierender Les ist viel zu unreflektiert und verantwortungslos, um echtes Mitleid mit ihm und seiner Situation zu haben. In dem Bemühen, es allen Recht zu machen, lässt er sich auf die idiotischsten Aktionen ein (wie etwa die, die sturzbetrunkene Mercedes in den Kofferraum seines Autos zu stecken, damit sie den Innenraum nicht vollkotzt). Wie er mit dem Cadillac seines Großvaters umgeht, ist einfach zu fahrlässig, um als Zuschauer jenes Anteil an der fortschreitenden Zerstörung nehmen zu können, das notwendig für das Funktionieren von LICENSE TO DRIVE ist. Wirklich witzig sind Richard Masur und Carol Kane als Elternpaar, unangenehm fällt die Feindseligkeit auf, mit der jeder Kritik am US-amerikanischen Automobilfetisch begegnet wird. So wird der Aktivistentrip von Les‘ Schwester ihrer Verehrung für einen „Commie“ im Lenin-Look zugeschrieben und dass der Junge von einem BMW als Erstwagen träumt ist irgendwie legitim. Seine Verantwortungslosigkeit ist am Ende OK, weil er die schwangere Mama rechtzeitig ins Krankenhaus bringt und der Opa kann über seinen Schrotthaufen nur lachen, weil er den Wagen von Les‘ Eltern selbst zu Klump gefahren hat. Wie gut, dass Mercedes wenigstens einen Golf Cabrio ihr eigen nennt. Nun ja.