Archiv für November, 2016

thefirstpower4Gerade eben erst habe ich festgestellt, dass THE FIRST POWER tatsächlich einen deutschen Kinostart hatte: Trotzdem ist er ein hervorragendes Beispiel für die mit den Videotheken untergegangene Tradition der Verleihhits. Das waren Titel der zweiten Reihe – die damals noch nicht ganz so weit von den Lichtspielhäusern weg war wie heute -, die vom Verleih mit großem Werbeaufwand gepusht wurden und in den Videotheken entsprechend auffällig ausgestellt waren. Filme dieser Gattung waren noch nicht als „DTV“ verschrieen und wurden auch nicht als „minderwertig“ wahrgenommen, im Gegenteil. So mancher dieser Titel avancierte zum Publikumsfavoriten und lief in der Gunst der Leiher sogar den großen Blockbustern den Rang ab. Und THE FIRST POWER – deutsches Cover nebenstehend – war so einer: Lou Diamond Philips galt damals, nach LA BAMBA, RENEGADES und YOUNG GUNS, noch als Star, mit dem Posterdesign orientierte man sich offenkundig an Alan Parkers ANGEL HEART und die exploitative Mischung aus Copfilm und Horror war geradezu prädestiniert für die heimische Couch. Man musste das Teil einfach ausleihen.

So richtig enttäuscht waren damals wahrscheinlich die wenigsten, denn THE FIRST POWER ist der Inbegriff der soliden Videothekenware. Nichts, was einen total vom Hocker reißt oder einem gar schlaflose Nächte und schweißnasse Hände beschert, aber eben ein Film, der gut reinläuft und auf diese angenehme Art überraschungsarm und vorhersehbar ist. Man muss sich nicht wirklich konzentrieren, kann zwischendurch mal aufs Klo oder zum Kühlschrank gehen oder neue Chips aus dem Schrank holen, ohne Gefahr laufen, den Anschluss zu verpassen. Man fühlt sich auf Anhieb zu Hause: Es gibt da zwar diese improvisierten Rumpelecken, für die man seit Jahren schon eine Lösung finden will, aber wirklich stören tun einen auch die nicht mehr, man hat sich damit arrangiert. So muss man in THE FIRST POWER damit leben, dass Held und Heldin irgendwann ein Techtelmechtel beginnen, das niemand braucht und an das offensichtlich noch nicht einmal die Filmemacher glaubten; dass der Plot hanebüchen ist und der Drehbuchautor (Regisseur Resnikoff selbst) sich damit begnügt hat, seine paar Ideen aneinanderzureihen: Ausgearbeitet wird hier wirklich gar nichts und das Ende wirkt regelrecht so, als hätten die Macher irgendwann die Lust verloren. Man denkt sich zu jeder Sekunde, dass man dies und jenes hätte viel, viel besser machen können, freut sich dann aber wieder über die kleinen Einfälle, die hervorstechen, oder die geilen Stunts (ein paar Mal wird da sehr spektakulär gestürzt und einen fetten Autocrash gibt’s auch). Oder auch einfach nur über diesen coolen, weiten Achtzigerjahre-Mantel, mit dem Philips ständig rumläuft.

Ich fand THE FIRST POWER gestern doch eher mau: Die Hoffnung, ein vergessenes Highlight wiederzuentdecken, verflog schnell, zu formelhaft ist Resnikoffs Film. Es bleibt einfach nicht viel hängen und Resnikoff bekam die entsprechende Quittung: Er arbeitete nie wieder in Hollywood. Aber die Erwartungshaltung, mit der ich an den Film herangetreten bin, ist ihm auch nicht angemessen. Der durchschnittliche Viedeothekenkunde, der damals einfach nur auf der Suche nach Stoff für einen unterhaltsamen Abend vor der Glotze war, war mit THE FIRST POWER sicherlich gut bedient. Und irgendwie finde ich den Film in seiner ambitionslos-routinierten Art auch sehr sympathisch. Sowas gibt es heute nicht mehr: Videothekenfilme, die im Kino liefen. Oder hätten laufen können. Oder eben Kinofilme, die besser auf Video aufgehoben waren. Und die im Diskurs als gleichwertig behandelt wurden. „ANGEL HEART? Also ich fand PENTAGRAMM geiler. Mit dem Philips, weißte? Geiles Teil, musst du mal leihen!“

jacks-back-poster-screams-80sIn L.A. geht ein Serienmörder um, der zum 100. Geburtstag die Verbrechen Jack the Rippers exakt nachstellt. Der junge Mediziner John Wesford (James Spader) entdeckt das letzte Opfer und den möglichen Täter; einen Kollegen, der ihn im folgenden Zweikampf umbringt und den Verdacht so auf ihn lenkt. Johns Bruder Richard (James Spader) glaubt nicht an die Schuld seines Bruders und begibt sich mit dessen Kollegin Chris (Cynthia Gibb) selbst auf die Suche – oder ist er der Täter?

Rowdy ROAD HOUSE Herrington hat einen interessanten kleinen Thriller gedreht, der nicht durch vordergründige Gimmicks besticht, sondern sich durch seine brüterische Atmosphäre auszeichnet. JACK’S BACK ist trotz seiner latent marktschreierischen Prämisse ein erstaunlich bodenständiger und zurückhaltender Film geworden: Lediglich die Exposition, führt den Zuschauer mit einigen Twists auf die falsche Fährte, danach bewegt sich der Thriller dann sehr geradlinig. Wer das ganz große Hexenwerk erwartet, ist hier sicherlich eher an der falschen Adresse, aber mir haben die unaufgeregte Art und der Ernst, mit dem das alles umgesetzt ist, sehr zugesagt. James Spader, den ich in den letzten Wochen häufiger gesehen habe und der mir dabei fast immer gut gefallen hat, überzeugt hier als stiller, schwer einordenbarer Einzelgänger, dessen inneren Abgründe und Gefühlsregungen man eher erahnen kann, als dass sie akribisch ausformuliert würden. Die Ungewissheit über die Identität des Killers erwächst dann auch gar nicht so sehr aus irgendwelchen geschickt konstruierten Drehbucheinfälen, sondern vor allem aus dem Spiel des Hauptdarstellers, aus dem man lange nicht so recht schlau wird. Richtig super fand ich die Szene, in der er sich in die Wohnung seines toten Bruders schleicht, zu dem er keine besonders enge Beziehung hatte, sichtbar versucht, einen Eindruck von dieser ihm fremd gewordenen Person zu erlangen und dann deutlich versteinert, als er vor ihrem Bett steht, in dessen Kopfkissen man noch den Abdruck von der vergangenen Nacht sieht.

JACK’S BACK hat eine Qualität, die ich nur schwer benennen kann, eine, die auf keine konkreten äußeren Aspekte zurückzuführen ist. Aus der Verbindung einzelner Bestandteile – der Doppelrolle Spaders als sozusagen „halbtotes“ Bruderpaar, die dazu führt, dass auch der „Tote“ immer noch anwesend ist, der Ruhe der Inszenierung, der Verlagerung der eigentlichen Mordserie in einen dem Film zeitlich vorgelagerten Raum, dem weitestgehenden Verzicht auf Action- oder überhaupt laute Szenen und der Konzentration auf die Nachtstunden – erwächst etwas Metaphysisches, Geisterhaftes. Mehr als von einem Serienmörder, einer Mordserie oder der Suche nach einem Killer handelt JACK’S BACK von der Leere die bleibt, wenn jemand für immer geht, eine Leere, die paradoxerweise gerade dadurch spürbar wird, dass da immer noch ein Rest übrig ist, Erinnerungen, Gedanken oder gar die körperliche Ähnlichkeit. Der Zuschauer wird durch Herringtons Besetzungscoup in die Rolle Richards gedrängt: Er vermisst den toten Bruder, der in der Gestalt Spaders doch in jeder Szene anwesend ist.

trickortreatquadNach SHOCK ‚EM DEAD musste es einfach dieser Film sein: ein weiterer Vertreter des vor allem in den Achtzigerjahren reüssierenden Heavy-Metal-Horrorfilms, putzigerweise entstanden unter der Regie von Charles Martin Smith, der Brillenschlange aus DE Palmas THE UNTOUCHABLES, den man nun nicht unbedingt mit satanischen Lyrics und facemeltenden Gitarrensolos assoziiert. Der Film hinterließ keine echten Spuren, auch wenn er mit Gastauftritten von Gene Simmons (als Radio-DJ) und Ozzy Osbourne (als Fernsehprediger) sowie der Effektarbeit des späteren Chucky-Schöpfers Kevin Yagher aufwarten konnte. Den Soundtrack steuerte der ehemalige Motörhead-Gitarrist Fast Eddie Clarke mit seiner Combo Fastway im Verbund mit Christopher Young bei. Die Hauptrolle ging an den eher unbekannten Tony Fields, einen professionellen Tänzer (er starb 1995 im Alter von nur 36 Jahren), nachdem sowohl W.A.S.P.-Frontmann Blackie Lawless als auch Gene Simmons abgesagt hatten. Simmons gab an, dass ihm das Drehbuch nicht zugesagt habe, und das ist sofort nachvollziehbar.

TRICK OR TREAT verfolgt wie fast alle Vertreter des Subgenres eine Art Doppelagenda: Einerseits wird da mit der vor allem Jugendliche ansprechenden Musik auf die Zielgruppe geschielt, ihr rebellischer Gestus und ihre von gewalttätig über sexuell bis zu satanisch reichende Bildsprache als Inspiration für entsprechende erzählerische Winkelzüge und Effekte genutzt, die auf die Barrikaden gehende Elternschaft als scheinheiliger, bevormundender Haufen entlarvt. Andererseits bekommen diese Kritiker am Ende regelmäßig Recht, denn natürlich verbirgt sich in der übersteuerten Musik meist wirklich das Böse, dass die zunächst noch in ihrer Selbstentfaltung behinderten Kids an Leib und Leben bedroht. Protagonist von Smith‘ Film ist Eddie (Mark Price), aufgrund seines Geschmacks der Sonderling der Schule und den ständigen Übergriffen von Tim (Doug Savant) und seinen Jocks ausgesetzt. Eddies Idol ist der Metalsänger Sammi Curr (Tony Fields), der einst auf Eddies Schule ging und aufgrund seiner extravaganten Bühnenshow (man sieht ihn einmal, wie er eine Schlange durchbeißt und sich mit ihrem Blut besudelt) und suggestiven Texte Dorn im Auge des Establishments ist, und Eddie ist außer sich, als er von Currs Tod erfährt. Mithilfe einer raren Schallplatte von Currs letzter Aufnahme, die ihm der DJ Nuke (Gene Simmons) vermacht, erweckt Eddie den toten Rocker zu neuem Leben. Aber der hat dann nur Böses im Sinn und muss von seinem größten Fan gestoppt werden.

Die Story erinnert etwas an den putzigen BLACK ROSES, aber TRICK OR TREAT ist insgesamt ernsthafter: Gerade die erste Hälfte des Films, die sich der Darstellung von Eddies Einzelgängertum und der Befreiung widmet, die seine Musik für ihn bedeutet, ist eigentlich sehr einfühlsam und schön. Currs Musik spricht zu Eddie, er sieht sich in der Auflehnung des Musikers repräsentiert, sie macht sein eigenes Leben ein bisschen besser. Currs Tod trifft ihn daher besonders hart: Er fühlt sich um das einzige betrogen, was ihm noch einen gewissen Ausgleich zu den alltäglichen Frustrationen und Demütigungen verschaffte. Die Ablehnung, die „seine“ Musik bei anderen hervorruft ist auch nur die Dopplung der Ausgrenzung, die er täglich erfährt. In einer tollen Szene betrachtet seine Mutter angewidert die Plattencover in seinem Zimmer (u. a Megadeths „Killing is my Business“ und Exciters „Unveiling the Wicked“), bevor sie aus Versehen die Anlage einschaltet und ob des aus den Boxen dringenden Lärms in völlige Panik gerät, zunehmend hilflos und halb wahnsinnig vor Angst auf den Knöpfen herumhämmert: Ein schönes Bild für den unüberbrückbaren Graben zwischen der Elterngeneration und ihrem Nachwuchs. Wenn es dann im letzten Drittel ans Eingemachte geht, ist das zwar immer noch hübsch anzusehen – etwa Currs Auftritt in der Schulaula, bei dem er ein wahres Massaker anrichtet -, aber vor allem den Genrekonventionen statt einer über allem stehenden Idee verpflichtet. Was soll die Tatsache, das Curr als rachsüchtiger elektrischer Dämon aus dem Jenseits zurückkehr, uns sagen? Dass der vermeintlich kathartisch-therapeutische Effekt von Rockmusik ein Trugschluss ist, ein Mittel, um Opfer einzufangen, die es nicht besser wissen? Ich schätze, man darf diese Lesart ausschließen, aber TRICK OR TREAT bietet leider keine andere an.

shock-em-dead-poster-1Definitiv einer der witzigsten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe: Als eine Hardrock-Band verzweifelt einen Gitarristen sucht, meldet sich der im Pizzaladen von Tony (Aldo Ray) arbeitende Martin (Stephen Quadros). Der hat leider überhaupt kein Talent, wird von den Musikern ausgelacht und vom Hof gejagt. Wieder zu Hause in seinem Trailerpark sucht er eine Voodoomama auf, die verspricht, ihn mithilfe ihrer Magie zum Superstar zu machen. Und siehe da: Am nächsten Morgen erwacht Martin nicht nur mit einer riesigen, hochtoupierten Hardrockmähne, er besitzt auch ein herrschaftliches Haus mit Jacuzzi und drei geilen Schlampen – und kann Gitarre spielen wie Yngwie Malmsteen. Als „Angel“ angelt (hihi) er sich den Job in der Band, schmeißt den heroinsüchtigen, tuntigen Sänger raus und verschafft ihnen einen hochdotierten Plattenvertrag beim Plattenfirmenboss (Troy Donahue), der in seinem Büro den schlechtesten Rap der Welt hört und dafür berechtigterweise beleidigt wird. Das neue Leben hat aber auch seine Nachteile: Um zu überleben, muss er regelmäßig töten und die Seelen seiner Opfer aufsaugen. Bassist Greg (Tim Moffett), dem Angel die Managerfreundin Lindsay (Traci Lords) ausspannen will, wittert die Gefahr …

SHOCK ‚EM DEAD ist eine schäbige Low-Budget-Produktion, die mit Traci Lords, Troy Donahue und Aldo Ray in seiner letzten Rolle verzweifelt um Aufmerksamkeit buhlt. Der Sound der Band sowie ihr Outfit waren 1991, dem Jahr von Nirvana, eigentlich schon gnadenlos überkommen, aber Freed inszeniert das alles mit Pokerface, nicht ohne Humor, aber ohne jedes Anzeichen von wissender Selbstironie. Und das ist ja auch das Tolle daran. Der Gnadenhammer ist natürlich das große Konzert, bei dem Angel zum kommenden Superstar avanciert: Erst eiert da der für alle außer ihn selbst offensichtlich granatenschwule Sänger im pinkfarbenen Jumpsuit und mit Ballettschrittchen über die Bühne, dann stellt Angel ihm ein Bein, schmeißt ihn unter dem Gejohle der Fans von der Bühne und reißt die Performance an sich, ohne dass die Band großen Anstoß daran nehmen würde. Angel spielt im Trockeneisnebel auf einer lachhaften zweihälsigen Gitarre, vollführt peinliche Griffbretttricks für kommende Axtgötter und kotzt zum großen Finale einem begeisterten Groupie beherzt auf die Auslage. Aber auch abseits dieser denkwürdigen Sequenz gibt es eine Menge zu lachen und zu staunen: Der Film ist einfach ein kleines Wunder, dass das Jahr 1991 ganz weit weg erscheinen lässt. Großen Anteil am Gelingen hat Hauptdarsteller Stephen Quadros, der sowohl den bemitleidenswert dämlichen Nerd als auch den teuflisch-größenwahnsinnigen Rockstar überzeugend interpretiert. Quadros ist keine uninteressante Person, wie ich feststellen durfte: Er war tatsächlich Drummer und spielte angeblich sogar einmal für Kiss vor, bevor ihn eine Verletzung zum Aufhören zwang. Er orientierte sich um, wurde Schauspieler und Martial-Arts-Experte: Unter anderem wirkte er als Ratgeber an Filmen wie CRADLE 2 THE GRAVE mit. Das ist vielleicht das einzige, was SHOCK ‚EM DEAD noch fehlt: ein paar harte Fights und Flying Kicks, aber man kann bekanntlich nicht alles haben. Und Freeds Film hat sonst Reize im Überfluss. Wo sonst bringt man das Monster um, indem man ihm etwas zu Essen gibt? Eben.

95385_frontEin Late-Period-Slasher, der trotz einer offenkundig komplizierten Produktionsgeschichte sehr hübsch geworden ist und aus dem oft tristen Einerlei positiv hervorsticht: Regisseur Alan Ormsby wurde nach wenigen Drehwochen von Mark Herrier ersetzt, auch Hauptdarstellerin Jill Schoelen kam erst später für die eigentlich besetzte Amy O’Neill an Bord. Gedreht wurde auf Jamaica, was den Auftritt der für das Sujet etwas ungewöhnlich gewählten Reggae-Band erklärt. Der Film ging an der Kinokasse leider völlig baden und wurde schon nach kurzer Zeit für kleinere Wiederaufführungskinos gebucht, um den Schaden gering zu halten. Herrier – eigentlich Schauspieler – drehte danach nur noch Kurzfilme, Ormsby widmete sich wieder dem Verfassen von Drehbüchern. POPCORN ist leider weitestgehend in Vergessenheit geraten, was schade ist, als er gegenüber vielem anderen Kram, der so als „Kultfilm“ wiederentdeckt und in Deluxe-Editionen auf Blu-ray veröffentlicht wird, doch sehr viel interessanter, origineller und liebevoller ist.

Herriers/Ormsbys Film kreist um ein Horror-Film-Festival, das eine Gruppe von Filmstudenten organisiert, um Geld für den darbenden Lehrstuhl zu generieren. Gezeigt werden „The Mosquito“, „The Amazing Electrified Man“ und „The Stench“ in ihren Originalformaten und mit zahlreichen an William Castle erinnernden Gimmicks. In dem ausgewählten Kino indes hatte sich vor 15 Jahren ein Massaker ereignet, als ein von seinem Publikum verlachter Avantgarde-Filmer seine Familie als letzten Akt seines Werks live auf der Bühne umbrachte bevor er in einer anschließenden Feuersbrunst sein Leben ließ. Das Festival wird dann auch recht bald von einem Killer heimgesucht. Die Studentin Maggie (Jill Schoelen) erfährt, dass sie die Tochter des psychopathischen Filmemachers ist und vermutet, dass dieser sein Unwesen treibt .

Das Herz von POPCORN sind die Ausschnitte aus den im Film gezeigten fiktiven Fünfzigerjahre-Klassikern. Ormsbys gelungene Hommage an die naiven Monster- und Sci-Fi-Filme von einst zeugt von großer Liebe für das Genre und drängt den Vergleich zu Joe Dantes etwas später entstandenem MATINEE ´förmlich auf. Besonders toll ist Bruce Glover als durch die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl mit elektrischen Superkräften ausgestatteter Schurke, der mit zu Berge stehenden Haaren und irrem Augenrollen Blitze verschießt. Dazu gesellen sich dann noch die wunderbaren Gimmicks – ein über das Publikum hinwegfliegendes Riesenmoskito sowie die bekannten Elektroschock-Sitze – und die schönen Originalposter, die man immer wieder im Bildhintergrund erblicken kann. Mehr als die eigentliche Slasher-Story, die ein paar schöne Make-up-Effekte, aber sonst nichts wirklich Neues bietet und am Ende auch etwas ermüdet, erobert POPCORN das Herz des geneigten Betrachters mit der Zelebrierung einer Kino- und Filmkultur, die es in dieser Form in Deutschland leider nie gegeben hat. Da strömen die Teens mit fantasievollen Verkleidungen ins Kino, veranstalten eine Riesenparty mit fliegendem Popcorn und tosender Begeisterung, bejohlen die ins kulturelle Gedächtnis eingegangenen Filme ebenso wie die Einfälle der Veranstalter. Fast wünschte man sich, POPCORN hätte sich ausschließlich dem Miteinander der Besucher gewidmet, dem Hin-und-Her zwischen Kinosaal und Popcorn-Ständer, dem Beziehungskuddelmuddel, das sich da unweigerlich entspinnt. So muss man sich halt auch durch eine eher uninspirierte Horrorgeschichte schlagen, die keinesweges schlecht ist, aber eben auch nichts wirklich Besonderes. Trotzdem: POCORN darf man ruhig mal wieder rauskramen.

ghost-townA trip down memory lane: GHOST TOWN gehörte damals zum Inventar meiner Stammvideothek. Ich weiß nicht, wie oft ich das Cover in den Händen hielt, die Szenenfotos auf dem Backcover bestaunte und mir dachte, dass das schon ziemlich geil aussieht. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum ich GHOST TOWN dann doch nie ausgeliehen habe. Ich vermute, irgendwann wusste ich, dass die deutsche Version geschnitten war, bei meinen späteren Ausflügen nach Holland waren dann andere Filme wichtiger und interessanter. Tatsächlich habe ich GHOST TOWN jetzt zum ersten Mal gesehen. Und was soll ich sagen: Manchmal sollte man die Geister der Vergangenheit besser ruhen lassen.

Der Gegenwarts-Sheriff Langley (Franc Luz) stößt auf der Suche nach einer verschwundenen Frau (Catherine Hickland) mitten in der Wüste auf eine alte Westernstadt, die von Menschen aus einer längst vergangenen Zeit bewohnt wird. Das Städtchen zittert unter der Knute des schurkischen Devlin (Jimmy F. Skaggs), der auch die schöne Blonde gefangen hält. Langley muss sich den Geistercowboys stellen …

Es ist nicht so, dass GHOST TOWN kein Potenzial hätte: Es gibt nur wenig Beiträge zum Subgenre des Horrorwesterns und noch weniger davon sind gut. Man sieht McCarthys Films das karge Empire-Budget an – die titelgebende Geisterstadt darf nie wirklich zum Leben erwachen, bleibt eine etwas leblose Kulisse für eine handvoll Statisten -, aber die versierte Kameraarbeit von Mac Ahlberg und die guten Make-up-Effekte machen das Manko einigermaßen wieder wett. Das allergrößte Problem des Films: Er hat keine Handlung, ist fürchterlich langweilig, die gesichtslose Inszenierung wirkt steril und betont noch die budgetären Limitierungen des Projekts. Ein Sounddesign ist quasi nicht vorhanden, der Score typisches Empire-Archivgedudel, das ziellose Herumgelaufe zwischen den drei Häusern der Geisterstadt über die volle Laufzeit vor allem ermüdend. Diese typische Anmutung eines Achtzigerjahre-DTV-Plastikfilms killt jeden Westernspirit schon im Ansatz und was an positiven Ansätzen bleibt, fühlt sich für das inhaltliche Nichts, das GHOST TOWN anbietet, verschwendet an. Nee, das war nix.

destroyer-posterEin Presslufthammer mit Laserzielvorrichtung: Welcher Bauarbeiter träumt nicht davon?

DESTROYER – auch bekannt als SHADOW OF DEATH – ist ein eher mittelprächtiger Horrorfilm, der sich der zum Ende der Achtzigerjahre irgendwie angesagten Elektrischer-Stuhl-Thematik annimmr: Mir fallen mit Harlins PRISON, Craven SHOCKER, James Isaacs THE HORROR SHOW und dem Rod-Steiger-Film GUILTY AS CHARGED gleich vier Titel aus jener Zeit ein. Das Poster verspricht einen steroidschwangeren Slasher, mit Lyle Alzado spielt ein ehemaliger Footballprofi den Serienmörder und -vergewaltiger Ivan Moser, dessen schrankwandähnliche Physis allein einem schon Albträume bescheren kann. (Alzado starb nur fünf Jahre später im Alter von 42 Jahren an den Folgen jahrelangen Steroidmissbrauchs.) Leider braucht der um ihn herum errichtete Film eine halbe Ewigkeit, um halbwegs in Schwung zu kommen, bevor er dann in einen nicht enden wollenden und reichlich ermüdenden Showdown voller Wiederauferstehungen mündet. Halbwegs gerettet wird DESTROYER durch den erst kurz vor Drehbeginn für Roddy McDowall eingesprungenen Anthony Pekins als entnervtem Horrorfilmregisseur und ein Drehbuch, das mit einigen Dialogzeilen einen Witz offenbart, den man sonst leider vermisst.

Nach der Hinrichtung des Serienkillers Moser (Lyle ALzado) brach damals ein blutiger Aufstand in seiner Strafanstalt aus, dem mehrere Insassen und Beamte zum Opfer fielen. Die Institution wurde danach geschlossen und ist nun Drehort für einen Horrorfilm, der sich der alten Geschichte annimmt – mit der abgestiegenen Hollywood-Diva Sharon Fox (Lannie Garrett) als Star. Als wären technische Pannen und Allüren nicht genug, erweist sich dann auch noch der tote Moser als überaus lebendig. Ihm stellen sich der Drehbuchautor David (Clayton Rohner) und seine Freundin, Stuntfrau Malone (Deborah Foreman), entgegen.

Filme wie DESTROYER sind einfach nur undankbar, wenn man ein solches Blog führt. Es gibt nichts, worüber es sich wirklich zu berichten lohnte, weder in positiver noch in negativer Hinsicht. Kirks Slasher ist einfach mittelmäßig im tristesten Sinne des Wortes. Einigermaßen kompetent inszeniert und gespielt, ohne rätselhafte Regieentscheidungen, grotesk missglückte Spezialeffekte oder sonstige Dummheiten, aber eben auch ohne überraschende Einfälle oder gar Spannung pluckert DESTROYER so an einem vorbei. Ist man am Anfang noch gewillt, sich in Geduld zu üben, stellt sich bald die Gewissheit ein, dass es die Wende zum Besseren einfach nicht geben wird. Wie oben erwähnt blitzt hier und da mal ein Funke der Kreativität auf, Lyle Alzado ist eine ziemliche Schau (ganz im Gegensatz zu der grausamen Frisur, von der die schnuckelige Deborah Foreman hier verunstaltet wird) und der Presslufthammer-Mord auch ganz nett. Aber am Gesamteindruck ändern diese lichten Momente leider nichts, da kann sich Anthony Perkins noch so sehr ins Zeug legen. Schade ums Coverartwork.

nfp30bis99ff-57Josef von Bákys Verfilmung eines Dramas von Gerhart Hauptmann ist dieser Tage via Filmjuwelen auf DVD erschienen – und durchaus eine lohnenswerte Anschaffung für Menschen, für die die Liebe zum trivialen deutschen Film nicht bei Karl May und Edgar Wallace endet. Im allerweitesten Sinne ein Heimatfilm – die Handlung wurde aus Schlesien in die Alpen verlegt – ist FUHRMANN HENSCHEL eines jener Werke, die einem zwischendurch den Mund offen stehen lassen. Neben den entwaffnenden Einblicken in das Rollenverständnis der Fünfzigerjahre, sind es nicht zuletzt die Ausflüge in die German Gothic, die Bákys Literaturverfilmung auch für aufgeschlossene Genrefilm-Freunde interessant macht. Obendrauf gibt es eine verruchte Nadja Tiller in der Blüte ihrer Jugend, einen extraschmierigen Wolfgang Lukschy und ein putzige Maderl, das in einer verrauchten Gaststube mit Glockenstimmchen ein Liedlein singt, damit der versoffene Opa sich das Zwetschgenwasser leisten kann. Am Ende geht alles in Flammen auf. Meinen Text gibt es auf Critic.

60110afbb44f7d4263d55409f704d668Einer der vielen billigen, schlockigen „Horrorfilme“, die im Zuge der großen Hits in schier unzähliger Zahl auf den Videomarkt geschmissen wurden und dann die Seiten der Fangoria mit bunten Bildern schmückten – dieser gelangte sogar aufs Cover, das muss man sich mal vorstellen! CELLAR DWELLER stammt aus der Empire-Schmiede und wurde von Charles Band produziert: Der Kenner weiß jetzt schon, dass Buechlers Film mit echtem Horror nur ganz am Rande zu tun hat. Will sagen: Hier gibt es zwar Monster, blutige Morde und okkulten Schabernack, aber um den Schlaf bringen wird dieser Quatsch niemanden. Es ist kein Wunder, dass sich der US-amerikanische Horrorfilm zu Beginn der Neunziger für einige Jahre schlafen legte, nachdem sich Hans und Franz an ihm in dieser Form abgearbeitet hatten.

Was natürlich nicht heißt, dass ich diesen Kram nicht abgöttisch lieben würde, aber das wisst ihr sicher schon. CELLAR DWELLER ist hoffnungslos blöd, nichts an dem Film funktioniert, aber er ist recht liebevoll gemacht, geradezu rührend in seinem erfolglosen Versuch, seine rammdösige Geschichte zu erzählen, und – nicht zu unterschätzen – schnell wieder vorbei. Nach gerade mal 77 Minuten kann man sich wieder den wichtigen Dingen des Lebens zuwenden, also eigentlich allem anderen. Aber der Film beginnt gut, nämlich mit einer Rückblende in die 50er-Jahre (die man nur an der Einblendung erkennt), in der Jeffrey Combs einen Comic um die Titelkreatur zeichnet, die daraufhin zum Leben erwacht und ihn attackiert. Im anschließenden Scharmützel kann der Zeichner das Monster zwar durch Abfackeln der entsprechenden Comicseiten besiegen, aber er geht dabei dummerweise mit in Flammen auf. Sprung in die Gegenwart, in der die Horror-Comiczeichnerin Whitney (Debrah Farentino) das Haus des Zeichners bezieht, das nun eine „Kunstakademie“ ist, geleitet von der übellaunigen Mrs. Briggs (Yvonne De Carlo). Sie ist ein Fan der alten Cellar-Dweller-Comics, weiß um die damaligen Ereignisse im Keller und wünscht sich nichts sehnlicher, als dort ihr Zeichenpult aufzubauen und das Werk ihres Idols fortzusetzen. Das tut sie, mit dem Ergebnis, dass sie das Monster mit ihren Zeichnung zum Leben erwecken und morden lassen kann …

Was ja eine durchaus nette Idee ist, wird leider durch ein ausgesprochen halbgares Drehbuch unterminiert, das es total versäumt, so etwas wie ein konsistentes Regelwerk aufzustellen oder auch nur die Motivation der Protagonistin klar herauszuarbeiten. In einigen Szenen scheint es, als wüsste sie genau, was sie tut, dann wieder ist sie völlig überrascht, als ihre Kommilitonen genauso abgeschlachtet werden, wie sie das in ihren Bildern erdacht hat. Auch das Ende ist ziemlich bescheuert: Als alle tot sind, kommt Whitney auf die clevere Idee, jeden einzelnen durch eine Zeichnung wiederauferstehen zu lassen, nur um dieses Werk durch eine Verbrennung der Comics gleich wieder zunichte zu machen. Es ist wirklich nicht nachzuvollziehen – aber auch irgendwie vollkommen egal, weil die Handlung eh nur schnödes Beiwerk ist. Der Reiz von CELLAR DWELLER liegt in der putzigen Gummimonster-Schöpfung und den ständigen Gegenüberstellungen der Filmhandlung und Whitneys Zeichenkunst, vor allem aber in der grausam untalentierten, ohne Sinn und Verstand zusammengewürfelten Anhäufung von Künstlerseelen, die Mrs. Briggs da um sich geschart hat.

Whitney ist die einzige, der man so etwas wie handwerkliches Geschick zubilligen möchte – auch wenn sich die Frage stellt, warum sie nicht einfach versucht, Arbeit als Comiczeichnerin zu finden, anstatt unter einer Lehrerin zu arbeiten, die ihre Kunst für trivialen Käse hält (der sie, wenn man ehrlich ist, ja auch ist). Neben ihr gibt es noch den froschmäuligen Philip (Brian Robbins), der naive Bildchen mit Fingerfarben malt (wahrscheinlich von Buechlers Tochter beigesteuert), Whitneys Nemesis Amanda (Pamela Bellwood), die ständig mit einer Videokamera herumläuft, sowie der völlig deplatzierte auf die 60 zugehende Hardboiled-Autor Norman (Vince Edwards), der einem angesichts der Tatsache, dass er in diesem Alter auf einer drittklassigen Schule mit Leuten herumhängt, die seine Kinder sein könnten, nur Leid tun kann. Den Vogel schießt aber die Ausdruckstänzerin Lisa (Miranda Wilson) ab, deren kreuzerbärmliche Ausdruckstanz-Performance mit Baumschüler-Symbolismus – sie sticht mit einem Küchenmesser Luftballons kaputt und hantiert mit Babypuppen –  Whitney doch tatsächlich „moving“ findet. Das ist alles so unglaubwürdig und beknackt, als habe es sich ein Kind ausgedacht. Nichts ergibt einen Sinn und hat nicht einmal annähernd etwas mit der Realität zu tun. Und wenn doch, danm möchte ich auch auf eine „Kunstakademie“, eine, in deren Klassenzimmern wie hier Poster von Filmen wie GHOST TOWN, RE-ANIMATOR oder TROLL hängen. Jetzt sofort!

 

mpw-52982Vielleicht überrascht diese Aussage jetzt, aber ich halte THE CABLE GUY für ein in jeder Hinsicht faszinierendes Stück Hollywood-Filmgeschichte. Damals ein absolutes High-Profile-Projekt, erlangte der Film schnell den Ruf eines markerschütternden Flops, auch wenn er weltweit etwa das Doppelte seines Budgets wiedereinspielte: Zu wenig, aber immer noch weit von einem Totalfiasko entfernt. Die Stigmatisierung des Films liegt m. E. nicht nur in seinem finanziellen Versagen begründet, sondern auch darin, dass der Film sich tonal zwischen alle Stühle setzt und bis heute ein beispielloses, nur schwer einzuordnendes Zwitterwesen zwischen greller Slapstick-Komödie, düsterem Psychodrama, fehlgeleitetem Psychothriller und Mediensatire darstellt. Kaum vorstellbar, dass das die Absicht der Columbia war, als sie das Drehbuch von Lou Holtz jr. nach einem harten bidding war für eine satte Million Dollar erwarben. Auch sonst ließ man sich nicht lumpen, engagierte Jim Carrey als Hauptdarsteller – nach den Hits ACE VENTURA: PET DETECTIVE, ACE VENTURA: WHEN NATURE CALLS, DUMB AND DUMBER, THE MASK und seiner Nebenrolle in BATMAN FOREVER der heißeste Scheiß in Hollywood – für die damalige Rekordgage von sage und schreibe 20 Millionen Dollar. Produzent Judd Apatow hätte gern selbst Regie geführt, aber diesen Wunsch schlug man ihm ab: Immerhin folgte man seinem Vorschlag, seinen Kumpel Ben Stiller den Job übernehmen zu lassen.

Steven (Matthew Broderick), frisch von seiner Freundin Robin (Leslie Mann) vor die Tür gesetzt, lernt den Fernsehtechniker Chip Douglas (Jim Carrey) kennen, der ihm den Kabelanschluss legt. Chip ist ein seltsamer Vogel, der von einem schlimmen Lispeln geplagt wird, soziale Etikette völlig vermissen lässt und darüber hinaus sehr, sehr anhänglich und überdies ausgesprochen peinlich ist. Eher aus Versehen lässt sich Steven auf eine Verabredung mit Chip ein und wird ihn danach nicht mehr los. Der neue „Freund“ drängt sich in Stevens Privatleben, verprellt seine Freunde und treibt den hilflosen Mann immer weiter in die Enge. Das ist jedoch nichts gegen den Terror, den Chip entfacht, als Steven ihm die Freundschaft aufgekündigt …

THE CABLE GUY beginnt zunächst, wie man es von einem Film mit Jim Carrey damals erwarten durfte: als One-Man-Show des Gummigesichts, das den „Cable Guy“ als überlebensgroße Comicfigur interpretiert, mit „lustigem“ Sprachfehler, Unterbiss und Fünfzigerjahre-Crew-Cut. Aber anders als etwa in ACE VENTURA, in dem sich dieser Gummimann mit aufreizender Souveränität durch eine Welt bewegt, in der alle anderen ihn wie einen Außerirdischen betrachten, wirkt dieser Chip in THE CABLE GUY wie ein Fremdkörper, wie das deplatzierte Element in einem „Was passt hier nicht rein“-Suchbild. Das ist einerseits ein Teil des Gags des Films, aber auch ein ständiges Irritiationsmoment, das sich nur in der Sequenz legt, in der Steven gemeinsam mit Chip in das absurde Szenario eines Mittelalter-Event-Restaurants verfrachtet wird, in dessen Mitte frustrierte Kleinkünstler Ritterspiele austragen. Abseits solcher Szenen fällt es schwer, Carreys hoffnungslos überdrehten Chip als „realen“ Charakter zu akzeptieren oder gar zu glauben, das ganz normale Menschen wie Stevens Eltern ihn als amüsanten Zeitgenossen betrachten könnten. Diese Anlage erschwert es auch, am Ende mit ihm mitzufühlen, wenn sein tragischer Hintergrund offenbart wird: Chip ist ein furchtbar einsamer Mensch und seine peinlichen Anwandlungen nur der verzweifelte Versuch, jemanden an sich zu binden. Diese Offenbarung verleiht der Figur zwar die nötige Ambivalenz, aber emotional will sich das nicht wirklich niederschlagen, zu psychopathisch ist Chips ganzes Verhalten in der entfesselten Darstellung von Carrey, die keine feinen Nuancierungen kennt, zu wenig scheint er überhaupt demselben Universum wie die „normalen“ Menschen um ihn herum zu entstammen.

Aber Stiller belässt es auch nicht bei dieser rätselhaften Mischung, irgendwie will er mit THE CABLE GUY auch noch Medienkritik betreiben, wobei nicht ganz klar ist, ob auch das nur ein Beispiel für den schrägen Humor des Filmes ist. Stiller selbst tritt als Zwillingsbruderpaar in innerfilmischen Nachrichtensegmenten auf, die über einen laufenden Mordprozess berichten. Ein ehemaliger Kinderstar, eben Stiller, steht vor Gericht, weil er seinen Zwillingsbruder – seinen Partner in einer alten TV-Show – umgebracht haben soll. Die vielleicht witzigste Szene von THE CABLE GUY ist der Trailer für einen True-Crime-Film über das Brüderpaar, in dem der Part Stillers von Eric Roberts übernommen wird (na gut, der Auftritt von Janeane Garofalo als grandios genervte Bedienung im Mittelalter-Resaturant ist auch sehr toll). Und am Ende, im großen Showdown über einer riesigen Parabolantenne, löst der herabstürzende Chip just in dem Moment einen stadtweiten Übertragungsausfall aus, als die Nation gebannt den Urteilsspruch erwartet – heute, wo jede News innerhalb von Sekunden im Netz abrufbar ist, würde das gar nicht mehr funktionieren. Da entdeckt dann eine verzweifelte Couch Potato mangels der Fernsehdauerberieselung sogar ein Buch wieder, das vorher einsam auf dem Tisch lag, und beginnt selig darin zu lesen. Kaum vorstellbar, dass Stiller das wirklich ernst meinte.

THE CABLE GUY ist ein reichlich merkwürdiger Film und es fällt mir schwer, ihn angemessen zu beurteilen. Er funktioniert nicht richtig, aber die Art und Weise, wie er nicht funktioniert, macht ihn auch wieder sehr interessant und ungewöhnlich und eben „besser“, als wenn er ausgewogener inszeniert und in der Hauptrolle traditioneller besetzt und gespielt wäre. Überraschenderweise haben ihm die vergangenen 20 Jahre auch keinen großen Schaden zugefügt, er ist im Gegenteil besser gealtert als andere Filme dieser Periode, die man damals als „gelungener“ bewertet hat. Ja, man kann durchaus sagen, dass THE CABLE GUY ein Unikat ist. Das sollte man honorieren, heute, wo Hollywood kaum mehr als stromlinienförmige Beliebigkeit und nur ganz selten echte Überraschungen produziert, schon gar keine solch fehlgeleiteten Querschläger wie diesen hier, mehr denn je.