paura nella città dei morti viventi (lucio fulci, italien 1980)

Veröffentlicht: Juni 27, 2017 in Film
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„Seil“, wie PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VIVENTI unter deutschen Fulci-Fans in Abkürzung seines kongenialen deutschen Verleihtitels gern genannt wird, war von seinen Splatterepen immer der, den ich am wenigsten mochte. Das änderte sich erst bei der (jetzt auch schon wieder gut zehn Jahre zurückliegenden) letzten Sichtung, in der er mich in seiner ganzen surrealen, akausalen Schönheit offenbarte. In meinem Text zu L’ALDILA schrieb ich im vergangenen Jahr, dass es sich bei diesem eigentlich eher um einen Endzeitfilm as um einen klassischen Zombiefilm handelte, weil die Zombies eher als geisterhafte Sendboten der Apokalypse auftreten denn als hungrige Menschenfresser. Auf PAURA trifft das auch zu; genau genommen sind sich die beiden Filme so ähnlich, dass man L’ALDILA fast als Remake bezeichnen könnte: Er ist etwas ausgefeilter, seine Set Pieces sind spektakulärer, die Effektszenen breiter, zahlreicher und garstiger, die Bilder prächtiger, aber die „Story“, sofern man von einer solchen sprechen mag, ist nahezu identisch. Hier wie dort geht es um den Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen: Gräber öffnen sich, Tote wandeln plötzlich durch die Straßen, geisterhafte Wesen materialisieren sich aus dem Nichts und verschwinden genauso spurlos wieder. Ein Mann und eine Frau stellen sich dem Spuk, doch am Ende können auch sie nichts ausrichten: Das Bild zersplittert, die Wirklichkeit zerbricht, zurück bleibt bodenlose Schwärze.

Der größte Unterschied zwischen beiden Filmen ist das Tempo: PAURA lässt sich viel Zeit und springt zwischen verschiedenen Charakteren hin und her, die zunächst nicht viel miteinander zu tun haben: Da ist das Medium Mary (Catriona MacColl), die eine Vision vom Unheilsort hat, daraufhin in einen kataleptischen Zustand verfällt und lebendig begraben wird, sowie der Reporter Peter (Christopher George), der in ihrem geheimnisvollen Todesfall recherchiert, sie gerade noch aus ihrer misslichen Lage retten kann und sich gemeinsam mit ihr auf den Weg in die dem Untergang geweihte Stadt Dunwich begibt. In Dunwich selbst rätseln der Psychotherapeut Gerry (Carlo Di Mejo), seine Patientin Sandra (Janet Agren), der Mechaniker Mr. Ross (Venantino Venantini) sowie diverse andere über die seltsamen Vorgänge, während der derangiert wirkende Bob (John Morghen) orientierungslos durch die Straßen stapft. Ich habe PAURA diesmal leider als etwas träge und umständlich empfunden: Fulci versucht eine Atmosphäre des drohenden Unheils aufzubauen, aber er tritt dabei  über weite Strecken auf der Stelle, weil es bis kurz vor Schluss keine richtige Zuspitzung der Ereignisse gibt. Vielleicht war meine Ungeduld aber auch ein Resultat der Verbindung aus Müdigkeit und der wie immer eher zweckdienlichen englischen Synchronisation, die nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Dennoch hat PAURA natürlich wunderschöne Ideen, wie gewohnt einen fantastischen Score von Fabio Frizzi und es gelingt Fulci auch durchaus, dieser verquere Stimmung zu erzeugen, die den Bezug auf Lovecraft rechtfertigt.

Ein sehr tolles Element, das mir vorher noch nie so aufgefallen ist, ist die Präsenz von Christopher George: Sein Peter ist der personifizierte Optimismus, den kein Wässerchen trüben kann, und er trägt bis spät im Film ein breites, freundliches Lächeln spazieren, bei dem man nicht so recht weiß, ob es sein Charakter ist oder ob George die Pläne Fulcis sabotieren wollte, so wie es Warbeck in L’ALDILA machte, als er eine Pistole durch den Lauf mit Patronen füllte. Auf jeden Fall macht seine Weigerung, auch angesichts noch so deutlicher Zeichen des drohenden Niedergangs die gute Laune und Hoffnung zu verlieren, ihn nicht nur sympathisch, sondern PAURA auch doppelt tragisch. Seine Unverdrossenheit bekommt etwas Verzweifeltes, Sinnloses, weil die positive Energie, die er verströmt, nichts ändern kann und am Ende unweigerlich enttäuscht werden muss. Aber vielleicht ist er doch der große Gewinner: Während alle mit Leichenbittermiene feststellen, dass alles, woran sie geglaubt haben, zu Staub zerfällt und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, scheint Peter zu ahnen, dass es für den Menschen keine Gewissheit gibt, alles auf Sand gebaut ist und jederzeit von den Gezeiten des Seins fortgerissen werden kann. Er wird nicht Gefahr laufen, der Barbarei anheim zu fallen wie Mr. Ross, der für den Irrsinn, der sich seines Heimatorts bemächtigt, einen Schudigen braucht und sich als Sündenbock den verwirrten Bob ausguckt. Den Drillbohrermord stellte Fulci als „Kritik am Faschismus“ hin, wofür er hier und da verlacht wurde. Ganz Unrecht hatte er damit aber nicht. Und wie könnte ein Film, in dem es um den Zusammenbruch aller Vernunft geht, nicht gegen den Faschismus Stellung beziehen? Die Häme der Kritiker scheint hier einzig und allein einem spießigen Ressentiment gegen den Horrorfilm zu entspringen, dem es anscheinend nicht gestattet ist, zu gesellschaftlichen Missständen Stellung zu beziehen.

 

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