Sechs lange Jahre mussten wir auf die Fortsetzung zu UNDISPUTED 3: REDEMPTION warten. Eine elend lange Zeit, in der sich das damals noch florierende DTV-Actionkino stark verändert hat. Das Ende von Blockbuster Video und der Aufstieg von Streamingdiensten wie Netflix oder Amazon Prime Video haben dem klassischen DTV-Film den Gar aus gemacht. Konnten sich Freunde des Actionfilm eine Zeit lang über regelmäßige, tolle Veröffentlichungen freuen, darunter solche Masterpieces wie UNIVERSAL SOLDIER: REGENERATION oder UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING, war auf einmal Schicht im Schacht. Einer der Haupt-Leidtragenden neben dem Fan selbst: Isaac Florentine, der in den 2000er-Jahren zu einem der wichtigsten Action-Auteurs avancierte und anscheinend nichts falsch machen konnte, im Jahrestakt tolle Filme herausbrachte. Zuletzt war damit Feierabend und für BOYKA: UNDISPUTED IV, die heißersehnte Fortsetzung der Reihe um den russischen MMA-Fighter Juri Boyka, wurde dann sogar überraschenderweise ein anderer Regisseur verpflichtet. Würde auch diese Reihe den Weg in die Belanglosigkeit antreten?
Ich freue mich, diese Befürchtung zerstreuen zu können, auch wenn der neueste Teil nicht ganz an die beiden Vorgänger heranreicht. An Todor Chapkanov hat es nicht gelegen: Wie ich aus vertrauenswürdiger, gut informierter Quelle weiß, ist BOYKA: UNDISPUTED IV Florentines Film durch und durch – und das sieht man. (Der vermeintliche „Wechsel“ auf dem Regiestuhl hatte eher buchhalterische Gründe). Wem der immer noch nicht ganz überwundene Brauch, Actionszenen via Schnitt und Wackelkamera zu „authentifizieren“ und zu dynamisieren – was für ein Blödsinn – auf die Nerven geht, der darf frohlocken: Die Fights in BOYKA: UNDISPUTED IV sind wunderbar übersichtlich, in langen Totalen aufgelöst, in der die Artistik und Power der verschiedenen Kämpfer perfekt zum Ausdruck kommen. Dann und wann wird die Geschwindigkeit für besonders spektakuläre Sprünge und Combos heruntergefahren, nur um sofort wieder hochgepitcht zu werden – ein Florentine-typischer Kniff, der nichts von seiner Wirkung eingebüßt hat. Und blutig ist das alles: Hier gibt es kein CGI-Blut, es wird, dem dreckigen Sujet entsprechend, rotes Kunstblut in der Gegend rumgerotzt, dass es nur so spritzt.
Die Story ist einfach, greift den quasireligiösen Erlösungsaspekt, dem auch die beiden vorigen Teile schon verpflichtet waren, erneut auf und begleitet den Protagonisten auf seiner Reise, die ihn zwar immer wieder in die Scheiße führt, ihn aber zumindest spirituell zum Märtyrer reifen lässt. Auf dem Weg zum ersehnten Profikampf muss er nur noch einen Gegner besiegen. Das gelingt ihm zu gut: Das große Ziel vor Augen, schlägt er deinen Konkurrenten tot. Vor dem Turnier, auf das er seit Jahren hinarbeitet, reist er zurück nach Russland, um Alma (Teodora Duhovnikova), die Witwe des Toten, um Vergebung zu bitten. Doch natürlich kommt es anders: Alma, die ein Jugendheim leitet, wird vom fiesen Gangsterboss Zourab (Alon Aboutboul) in dessen schmierigem Etablissement eingesetzt, um ihren Schulden abzuarbeiten – natürlich hofft das Ekelpaket insgeheim darauf, sie auf seine Bettstatt zerren zu können. Boyka verpflichtet sich, in Zourabs Arena anzutreten und Alma so freizukaufen. Wird ihm das gelingen? Und zwar rechtzeitig, um seine große Chance wahrnehmen zu können?
Man ahnt schon früh, dass es damit nichts wird: Dieser Boyka ist nicht für schnöden sportlichen Erfolg gemacht, sondern dazu verdammt, immer wieder durch die Hölle zu gehen, um am Ende einen lediglich moralischen Triumph feiern zu können. Dürfen wir uns als nächstes auf einen weiteren Knastfight-Film freuen? Das Ende legt das sehr nahe, auch wenn es vielleicht an der Zeit scheint, diesen Boyka in den Ruhestand zu schicken. Adkins, der sonst zwar immer sehr sympathisch, aber auch etwas blass agiert, blüht als russischer Kampfkoloss merklich auf, aber seine Figur bietet nicht gerade endlose Möglichkeiten, sie weiterzuentwickeln. Inhaltlich ist das neueste Sequel ein bisschen trister als der bunte, comichafte Vorgänger: Die immergleichen, reichlich eindimensionalen Ostblock-Kotzbrocken geben sich die Klinke in die Hand und machen BOYKA: UNDISPUTED IV zu einer Übung in runterziehendem Misanthropismus. Es fehlt ein bisschen der Lichtstrahl im Dunkel, Farbe, vielleicht auch etwas Witz. Der mit Bane-artigem Maulkorb ausgestattete, hünenhafte Endgegner hätte sich in diese Richtung entwickeln lassen, aber auch der wird lediglich als humorloser Kraftprotz inszeniert. Es regieren Schmerzen, Leid, Schuld, Sühne, russische Akzente und Knasttattoos.
Ich will nicht meckern: BOYKA: UNDISPUTED IV ist eine würdige Fortsetzung, die niemandem, der die bisherigen Teile mochte, ernsthaft missfallen dürfte. Florentine beweist erneut, was er kann und warum der Actionfilm ihn dringend braucht. Aber nach dieser langen Pause hätten ruhig ein wenig mehr Kreativität und Herzblut ins Drehbuch fließen dürfen. Andererseits: Wie viel wäre davon überhaupt im fertigen Film gelandet? Das Budget zu BOYKA: UNDISPUTED IV war dem Vernehmen nach geradezu lachhaft gering und erlaubte – auch im preiswerten Bulgarien – keine großen Sprünge. Vielleicht sollten wir alle einfach dankbar dafür sein, dass es diesen Film überhaupt gibt, anstatt nach dem Haar in der Suppe zu suchen.