Über die Geburtsstunde der Blaxploitation kann man sich äußerst fruchtbar streiten. Vielerorts wird Melvin van Peebles‘ SWEET SWEETBACK’S BADASSSSS SONG als Initialzündung genannt, aber bereits ein Jahr vorher hatte Ossie Davis COTTON COMES TO HARLEM ins Rennen geschickt und Superstar Sidney Poitier in THEY CALL ME MR. TIBBS!, dem Sequel zum Oscar-prämierten IN THE HEAT OF THE NIGHT, noch vor SHAFT einem schwarzen Cop zu Heldenstatus verholfen. Genannter SHAFT – von Gordon Parks, dem Vater des SUPER FLY-Regisseurs – war dann die frühe kommerzielle Krönung des jungen Subgenres, aber auch ein Film, der nicht bei allen Afroamerikanern gut ankam. Der Film um den schwarzen Supercop, dessen sexuelle Überlegenheit sein Name als rassistisches Klischee zitiert, war als Gegenentwurf zum weißen James Bond angelehnt und hatte mit den urbanen Realitäten der amerikanischen Großstädten nur am Rande zu tun. Ein Muster, dass sich durch das gesamte Blaxploitation-Genre zieht, mal mehr, mal weniger deutlich: Die meisten Filme wurden von weißen Filmemachern gedreht, die sich nicht ganz vom Vorwurf des Exotismus und Rassismus freisprechen konnten, auch wenn sie es gut meinten. Spätestens ab 1972 war der Blick auf Revoluzzer, Pimps, Pusher, Prostituierte, Drogenabhängige und die cool cats aus den Ghettos ein geschäftsträchtiges Feld, das ganz in der Tradition der Exploitation aufklärerisch verbrämt wurde, um seinen Zuschauern das Alibi mitzuliefern.
SUPER FLY ist verglichen mit Filmen wie SLAUGHTER, SLAUGHTER’S BIG RIP-OFF, CLEOPATRA JONES, COFFY, FOXY BROWN, BLACK BELT JONES, TRUCK TURNER, TNT JACKSON oder BLACK SHAMPOO und anderen noch aus einem anderen Holz geschnitzt. Auch hier gibt es das bekannte, oben beschriebene Personeninventar aus Pimps, Pushers, Nutten und Verzweifelten, aber Gordon Parks jr. macht daraus kein buntes Spektakel mit jive talk, bunten Hüten und comichaft überzeichneter Gewalt: Er erzählt seine Geschichte um den Drogendealer Priest (Ron O’Neal) mit den Mitteln des Sozialdramas als beinahedokumentarische Reihe von grobkörnig-intimen Moment- und Großaufnahmen, die weitaus roher und authentischer wirkt als etwa die grelle Larger-than-life-Stilistik, die Jack Hill seinen Reißern angedeihen ließ. Das „Black is beautiful“-Sloganeering, das höchst reale Themen wie Rassismus, Armut und Selbstermächtigung zu bloßen Stylefragen bagatellisierte, wird hier einer höchst kritischen Betrachtung unterzogen: Priest ist den „Brüdern“ nämlich nicht schwarz genug und selbst Rassismus-Opfer und das Leben als Pusher und Pimp hat ihm zwar einigen Wohlstand beschert, aber eben eines noch lange nicht: Den Ausbruch aus einer Gesellschaft, die für ihn nur die Rolle des Abschaums von der Straße bereithält. Alle versuchen sie sich irgendwie über Wasser zu halten, die einen mehr, die anderen weniger erfolgreich, aber Solidarität gibt es nicht. Als Priest von drei schwarzen Aktivisten bedrängt wird, die ihn – verkürzt – als Verderber der Jugend und Verräter an den eigenen Leuten anklagen, antwortet er ihnen nur, dass sie ihn in Ruhe lassen sollen, solange sie nicht Ernst machen und ihre Brüder für den Kampf gegen „whitey“ bewaffnen. Der Kampf ums Überleben kennt keine Bruderschaftsromantik.
Zynisch ist SUPER FLY dabei nicht, nur realistisch. Das gilt auch für die 1972 im Rahmen eines großen Kinoerfolgs wahrscheinlich ziemlich revolutionäre Sexszene zwischen Priest und seiner Freundin Georgia (Sheila Frazier), die komplett in Zeitlupe und Großaufnamen der beiden sich nackt in einer Badewanne räkelnden Körper aufgelöst ist und damit wahrscheinlich politischer als alle großen Equality-Reden, die die Blaxploitation-Helden in ihren Filmen zu halten pflegen. „Black is beautiful“ verkommt hier nicht zum Modebekenntnis, sondern darf tatsächlich als Forderung nach einer Gleichberechtigung verstanden werden, die vor nackten, ungeschönten Tatsachen nicht Halt macht. Das gilt interessanterweise nicht nur für die Verständigung zwischen Schwarz und Weiß: Der Blick der Kamera verharrt hier nämlich nicht, wie es sonst üblich ist, auf den sekundären Geschlechtsmerkmalen der Frau, sondern fängt die im Liebesspiel verschlungenen Körper als einen ein. Was da Mann und Frau ist, lässt sich kaum noch trennen. Es ist nur eine der impressionistischen Inszenierungsideen Parks‘: Die tragische Unfalltod des harmlosen Kleindealers Fat Freddy wird mit einem Dialog zwischen Priest und Sheila parallel montiert, bei dem er ihr von seinem Wunsch und Vorhaben schildert, endlich auszusteigen aus dem Leben des Drogendealers. Es wird nicht nur klar, von welchem Leben Priest hier eigentlich spricht, es schwingt auch die Idee mit, dass es beim Wunsch bleiben könnte: Wen die Straße einmal im Griff hat, den lässt sie so schnell nicht wieder los. Eine andere Szene löst Parks in Standbildern auf, die er in einer preisgünstigen Variation von Jewisons Splitscreens aus THE THOMAS CROWN AFFAIR in immer neuen Kompositionen und Anordnungen zusammenfügt. In Verbindung mit einem Drehbuch, das auf große Action-Set-Pieces verzichtet und beinahe antiklimaktisch endet, unterstreichen solche Einfälle den Charakter einer pointierten Momentaufnahme. Priests Traum ist kein Indiz für einen Wandel, er dient nicht als Vorbild, dessen Ideal man nacheifern sollte: Seine Geschichte ist nur eine weitere von vielen, die mal anders, mal ganz ähnlich verlaufen.
Es muss ja eigentlich nicht noch gesondert erwähnt werden, aber das entscheidende Tüpfelchen auf dem I ist natürlich Curtis Mayfields sensationeller Score, eines der seltenen Beispiele, in dem sich eine radikale Vision für den Künstler auch in Zahlen niederschlug. Mayfields Soundtrack verkaufte sich millionenfach, angetrieben von den Hitsingles „Super Fly“ und „Freddy’s Dead“, und darf neben einem Album wie Marvin Gayes „Let’s get it on“ als politisches Manifest der damaligen Gleichberechtigungsbewegung lesen. Film wie Musik bildeten den Nährboden, auf dem auch Hip-Hop gedeihen konnte, auch Literaten wie Donald Goines, dessen roher Ghetto-Pulp den Charakterstudien und Beobachtungen Mayfields sehr nahesteht, dürften ganz genau zugehört haben. Zugegeben, den Funk brachten auch andere Blaxploiter, aber die subversive Kraft von Mayfields im Falsett vorgetragenen Zeilen über den „man of odd circumstance, a victim of ghetto demands“, diese Mischung aus Sozialkritik und empathischem Realismus, erreichten nur wenige. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass SUPER FLY tatsächlich das Projekt einer weit überwiegend schwarzen Crew war und nicht die aufgeblasene Ghettofantasie eines Weißen.
(Wer mehr über den Soundtrack lesen will, findet in diesem kürzlich veröffentlichten Review Futter.)