Archiv für Juli, 2019

POSION IVY ist ein typisches Kind seiner Zeit: In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern gab es eine ganze Welle an Home-Invasion-Thrillern, Filme, in denen das amerikanische Familienglück durch einen bösen Störenfried von außen bedroht wurde, bevor es unter Einsatz roher Gewalt wiederhergestellt werden konnte. Im Unterschied zu ganz ähnlich gelagerten Titeln aus den Siebzigerjahren, am berühmtesten wahrscheinlich Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT, blieb die moralische Integrität der bürgerlichen Wüteriche unangetastet und unhinterfragt: Das Böse muss zurückgeschlagen werden und wenn es gilt, den eigenen Besitzstand zu wahren, sind alle Mittel recht. Das Subgenre erfuhr eine Metamorphose, als Verhoeven mit BASIC INSTINCT den Aufreger der Kinosaison 1992 hinlegte: Nun waren die Invasoren immer häufiger weiblichen Geschlechts und statt auf das Ersparte hatten sie es auf die männlichen Familienjuwelen abgesehen. Der Erotikthriller-Boom verlagerte sich via preisgünstig und schnell runtergekurbelter Videoware recht schnell von den Kinoleinwänden auf die heimischen Bildschirme, infiltrierte also auf anderer Ebene den schätzenswerten Wohnraum. Schwer zu sagen, was die Privatsender in den Neunzigern des Nachts gezeigt hätten, wenn es nicht all diese Softsex-Vehikel um geile Femme fatales gegeben hätte.

Katt Sheas POISON IVY ist einer der populärsten Filme aus jener Zeit und wurde beim renommierten Sundance Festival sogar für den Großen Preis der Jury nominiert. Trotz dieser Kritikerlorbeeren scheiterte er bei seinem limitierten Kinoeinsatz und konnte erst über die Videovermarktung seinen kleinen Kultstatus einheimsen, der sich unter anderem in drei zwischen 1996 und 2008 entstandenen DTV- bzw. PayTV-Sequels niederschlug. Der Film trug außerdem maßgeblich zum Comeback des einstigen Kinderstars Drew Barrymore bei, der sich dann Mitte der Neunzigerjahre mit Auftritten in prestigeträchtigen Großproduktionen wie BATMAN FOREVER oder SCREAM vollzog. Obwohl POSION IVY wie oben skizziert sehr gut in seiner Entstehungszeit zu verorten ist, ist er deutlich besser gealtert als viele artverwandte Produktionen: Das liegt nicht zuletzt daran, dass Shea sich nicht damit begnügte, eine edle Wichsvorlage für ihr männliches Publikum zu fertigen: POISON IVY ist demnach nicht nur ein Film über eine jugendliche Femme fatale, die einem verheirateten Mann den Kopf verdreht, sondern auch ein Coming-of-Age-Film und ein Film über die Freundschaft zweier ungleicher Mädchen, die sich in ihrem Außenseiterstatus verbunden fühlen. In der Zeichnung dieser Freundschaft, aber auch des verführten Vaters, ist POSION IVY ungewöhnlich mitfühlend und authentisch, bewahrt sich bis zum Schluss die Empathie sowohl für seine Antagonistin wie auch den betrügerischen Ehemann, der mit einer Minderjährigen ins Bett steigt. Shea bezeichnete ihren Film als „persönlichen Ausdruck“, was sich wie PR-Sprech anhören mag, aber sich sowohl in der pointierten, visuell sorgfältigen Inszenierung niederschlägt (die klimaktische Verführungsszene ist meisterlich getimt!) als auch in dieser Haltung gegenüber ihren Figuren, die allesamt vielschichtig bleiben und sich nie in reiner Plotfunktionalität erschöpfen.

Das auf den autobiografischen Erfahrungen von Melissa Goddard basierende Drehbuch von Andy Ruben (Sheas damaligem Ehemann) dreht sich um das Teeniemädchen Sylvie Cooper (Sara Gilbert), eine intellektuelle Künstlerseele, die sich in ihrem eigenen Leben als Fremde fühlt: Ihr Vater (Tom Skerritt) nervt sie in seiner Rolle als konservativer TV-Provokateur, die Mutter (Cheryl Ladd) liegt mit einer schweren Lungenkrankheit im Sterben. Das riesige, palastartige Familienanwesen empfindet Sylvie als Gefängnis, in dem man „nie jemanden findet, wenn man ihn sucht“. Die neue Mitschülerin (Drew Barrymore), die sie aufgrund ihres Klebetattoos Ivy tauft (man erfährt nie ihren echten Namen), fasziniert sie sofort, weil sie gleichzeitig ganz anders ist und ihr dabei doch so ähnlich: Aus einfachen, aber ebenso zerrütteten Verhältnissen kommend, verkörpert Ivy Selbstsicherheit und Ungebundenheit, Exotik, Mut und einen gewissen aufreizenden Glamour. Die beiden freunden sich an und nachdem Ivy auch die Sympathie und das Vertrauen der argwöhnischen Eltern gewonnen hat, zieht sie kurzerhand bei Sylvie ein. Doch damit beginnen die Probleme, von denen die sich anbahnende Affäre mit dem Vater noch nicht das größte ist.

Was als erstes auffällt, sind die ungewöhnlichen feinen Dialoge, die das Drehbuch speziell seinen jugendlichen Protagonistinnen in den Mund legt: Selten dürfen sich Jugendliche in Filmen so tiefsinnig, aber gleichzeitig authentisch und mit solch sauber entwickelter Individualität über ihre Befindlichkeiten äußern. Sowohl Sylvie als auch Ivy stehen so binnen weniger Sekunden als glaubwürdige, vollwertige und lebendige Charaktere vor dem Betrachter. Ich war schon mit dem Einstiegsmonolog Sylvies gefangen, mit dem sie Ivy beschreibt, während sie ihr beim Schaukeln auf einer halsbrecherisch über einer Schlucht an einem Baum befestigten Schaukel zuschaut. Ivy bleibt im Folgenden Projektionsfläche erst für Sylvie, dann für ihren Vater, ein mit beiden Füßen in der Realität stehendes Fantasiegeschöpf, und macht im weiteren Verlauf des Films eine Wandlung vom Grungemädel zur eleganten Noir-Schönheit durch. Man könnte auch sagen, dass Ivy ihre Authentizität immer mehr verliert, immer mehr zum Objekt gerät, je mehr sie von ihren Betrachtern „aufgeladen“ wird. Dahinter steckt auch eine Fabel über das Spannungsverhältnis zwischen Ober- und Unterklasse und den fetischisierenden Impuls des Kapitalismus: Während sich Ivy logischerweise vom Reichtum angezogen fühlt, der Sylvie umgibt, sehnt diese sich nach der Unverfälschtheit, für die die aus einfachen Verhältnissen stammende Ivy steht. (Sylvie behauptet am Anfang einmal, sie sei die Tochter eines Schwarzen, um sich vor Ivy interessant zu machen.) Wenn Ivy am Ende für ihre Vergehen bestraft wird, ist das mithin kein Triumph über das Böse, vielmehr werden Erinnerungen an den Barbarismus der bürgerlichen Selbstjustizler aus LAST HOUSE ON THE LEFT geweckt. Es gibt keine Durchlässigkeit nach oben. Die Unterprivilegierten dürfen nur solange mitspielen, wie sie keine Ansprüche anmelden: Dann schmückt man sich gern mit ihrer unverfälschten, erhlichen Authentizität. Doch wehe, sie kommen einem zu nahe …

 

Katt Shea drehte STRIPPED TO KILL 2 back to back mit dem Vampirfilm DANCE OF THE DAMNED in denselben Settings und mit derselben Hauptdarstellerin: ein charakteristischer Coup für den Unternehmergeist von Produzent Roger Corman, der genau wusste, wie man wirtschaftlich produziert und die Rendite maximiert. Der Vorgänger STRIPPED TO KILL dürfte schon über seinen Titel eine sichere Bank gewesen sein, sodass ein Sequel obligatorisch war. Neben Regisseurin Katt Shea war auch wieder ihr Ehemann Andy Ruben als Drehbuchautor an Bord, dem aber leider nicht gelang, dem ersten Teil noch einmal einen draufzusetzen. Das Stripteaselokal-Setting ist hier im Unterschied zu diesem relativ austauschbarer Schauplatz für eine Mordgeschichte, die mit ihrem ausgebrannten Cop und der mysteriösen Femme fatale deutlich vom Film Noir inspiriert ist.

Shady (Maria Ford) ist der Neuzugang im Stripclub Paragon, der sein männliches Publikum mit beinahe avantgardistischen Darbietungen lockt, und leidet unter schlimmen Albträumen, in denen sie von einem maskierten Mörder mit Rasierklinge im Mund geküsst wird. Nicht nur, dass sie stets mit blutiger Lippe aufwacht, die Morde, von denen sie träumt, haben sich in der Zwischenzeit in echt ereignet – an ihren Kolleginnen. Nicht verwunderlich, dass die Ärmste selbst glaubt, die Schuldige zu sein. Der ermittelnde Cop Decker (Eb Lottimer) hingegen ist von ihrer Unschuld überzeugt und verliebt sich in die zerbrechliche Schönheit.

Die Story dürfte bei Vielsehern das ein oder andere Déjà-vu auslösen und entfaltet sich dann auch ohne große Überraschungen so, wie man es vorausgesehen hat. Kein Vergleich zum tollen Vorgänger, der zwar auch nicht das Rad neu erfand, aber doch aus frischer Perspektive auf das gut abgehangene Serienmörderszenario blickte. Auch die Besetzung ist eine Nummer schwächer und läuft jeglichem emanzipatorischen Potenzial entgegen: Maria Fords Shady ist das hilflose Kätzchen, blickt von Anfang an verstört in die Kamera wie ein Rehlein ins Scheinwerferlicht und nervt damit bereits nach kurzer Zeit. Eb Lottimer spielt tapfer dagegen an, kann aber auch nicht wirklich etwas retten. Selbst die Zickereien der Stripperinnen muten flacher an als im ersten Teil. So schleppt sich STRIPPED TO KILL 2 über die Runden bis zu seinem austauschbaren Finale. Reine Zeitverschwendung also?

Nicht ganz, denn dank Kamera-As Phedon Papamichael gerät Sheas Neo-Noir immerhin zum visuellen Augenschmaus: Das beginnt bei den schon erwähnten Tanzszenen im expressiven Bühnenbild und setzt sich in der betont artifiziellen Ausleuchtung in grellen Neonfarben fort. Ich weiß nicht, ob sich Katt Shea von italienischen Giallos inspirieren ließ, aber die Parallelen sind eigentlich zu gravierend, um hier lediglich Zufall zu vermuten. Mehr als einmal musste ich explizit an Michele Soavis AQUARIUS denken, der eine ganz ähnliche Atmosphäre evoziert, sich genauso „künstlich“ anfühlt. Auch in STRIPPED TO KILL 2 gewinnt man den Eindruck, als agierten seine Charaktere auf einer Bühne vor Publikum, ohne es jedoch zu wissen. Ihr ganzes Leben ist ein Stück, in dem sie eine Rolle einnehmen und jeder Schritt, den sie tun – aus vermeintlich eigenen Stücken – ist vorherbestimmt. So federt Shea die Schwächen ihres Drehbuchs wieder ab und kann am Ende einen Film vorweisen, der immerhin eine interessante formale Fingerübung ist.

„A maniac is killing strippers.“ – Man sollte meinen, dass es nicht viel mehr als dieser Worte bedurfte, um Roger Corman für STRIPPED TO KILL einzunehmen, doch tatsächlich soll Katt Shea über ein Jahr gebraucht haben, um den „King of the Bs“ von ihrer Idee zu überzeugen. Sie war der Filmemacherin angeblich gekommen, als ihr Ehemann Andy Ruben, der dann auch das Drehbuch mit ihr zusammen verfasste, sie nach einer verlorenen Wette mit in einen Stripclub nahm, wo ihr klar wurde, dass der Striptease-Tanz für die professionellen Damen eine legitime künstlerische Ausdrucksform darstellte. Sie besetzte ihren Film dann auch mit echten Tänzerinnen, drehte in einem echten Stripclub und zwang die lüsternen männlichen Videotheken- oder Grindhousegänger, die für einen vermeintlichen Sexfim zahlten, sich mit einer Polizistin zu identifizieren sowie sich mit der weiblichen Sichtweise aufs Animiergeschäft und die eigene Rolle in der Verwertungskette auseinanderzusetzen. STRIPPED TO KILL liegt damit ganz auf der Linie von Corman-Produktionen wie CAGED HEAT oder THE STUDENT NURSES (den mit Stephanie Rothman ebenfalls eine Frau inszenierte), die potente gegenkulturelle Gesellschaftskritik im Adamskostüm der Triebbefriedigung verabreichten.

Der Film handelt von der Kriminalbeamtin Detektive Cody Sheehan (Kay Lenz), die gemeinsam mit ihrem Partner Heinemann (Greg Evigan) im Mordfall an einer Stripperin ermittelt. Der Partner schlägt ihr vor, sich selbst als Tänzerin auszugeben, um tiefer ins Milieu eintauchen zu können, das Vertrauen der Kolleginnen der Toten zu gewinnen, Kontakt zu den Kunden und damit vielleicht dem Täter zu bekommen. Cody willigt ein, tut sich zunächst schwer, geht dann aber auf in ihrem neuen Leben. Als ihr die Vorgesetzten und der Partner empfehlen, ihre Geheimidentität zum Selbstschutz aufzugeben, weigert sie sich, denn sie ist schon zu weit gegangen.

Die Zusammenfassung liest sich nicht nur wie eine weibliche Paraphrase auf William Friedkins CRUISING, der skandalumwitterte Copfilm dürfte eine der wichtigsten Inspirationsquellen für Katt Shea gewesen sein. Dennoch geht die Regisseurin (die zu Beginn der Neunzigerjahre u. a. mit einer Retrospektive im New Yorker MoMa geehrt wurde) eigene Wege. Zunächst einmal sind die dem Zeitgeist entsprechende Ausstattung und visuelle Gestaltung zu nennen. STRIPPED TO KILL suhlt sich nicht, wie Friedkin, im Dreck und in der Düsternis, vielmehr etabliert Shea zusammen mit ihrem DoP John LeBlanc einen hochstilisierten Neonlook und betont damit den traumhaften Charakter der Welt, die Cody betritt. Passend dazu arten auch ihre Striptänze im Verlauf des Films zu regelrechten Theaterperformances aus, die nicht mehr viel mit dem banalen „Stangentanz“ zu tun haben. Auf der Bühne kann sie alle ihre Gefühle und natürlich ihre Weiblichkeit zeigen und was ihr „draußen“ als Schwäche ausgelegt wird, wird hier zur Stärke. Kay Lenz ist keine Oscar-Preisträgerin, aber ihre Darbietung ist trotzdem wunderbar: Besonders gut hat mir ihre missglückte Premiere gefallen. Beim Amateur-Wttbewerb, der ihr die Anstellung bringt, tanzt sie zuerst schüchtern, unbeholfen und unsexy. Dann gelingt es ihr nicht, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen. Nach einigem Zögern gibt sie sich einen Ruck und reißt sich das Kleid kurzerhand vom Leib, womit sie die Menge zum Johlen bringt. Als sie sich schließlich ihres BHs entledigt sieht man kurz die Freude über ihr Gesicht zucken: Sie genießt die Freiheit und die Reaktionen des Publikums, bevor wieder die konditionierte Scham einsetzt und sie sich erschrocken bedeckt und von der Bühne eilt. Lenz interpretiert ihre Polizistin als sensibel und verletztlich, Eigenschaften, die sie durch den Tanz nicht ablegt, sondern vielmehr als integralen Teil ihrer Persönlichkeit zu akzeptieren beginnt.

Demgegenüber steht ihr Partner Heineman für die leibgewonnenen Touch-Guy-Klischees des Actionkinos jeder Tage: Er gibt sich bei seiner Arbeit bevorzugt als Rocker aus, trägt seinen Viertagebart mit Nackenspoiler, hat zwei coole Ohrringe im Ohr und kleidet sich bevorzugt in wallende, wadenlange Mäntel, fingerlose Handschuhe mit Nietenarmbändern und Muskelshirts. Eine Art Running Gag des Films besteht darin, dass er seine Partnerin mit einem falschen Messer attackiert und sie darüber aufklärt, dass sie auf die Augen des Angreifers zu achten habe: Wissen, dass ihr in der finalen Konfrontation mit dem Mörder natürlich entscheidend zugute kommt. Wie es sich für einen solchen Film gehört, entwickelt Heineman einen Crash für Cody und während er sich betont cool gibt, leidet er in doppelter Hinsicht unter ihrem neuen Engagement. Zum einen, weil es ihn antörnt, sie nackt zu sehen, zum anderen aus Eifersucht. Er ist noch ganz in der Rolle des Beschützers gefangen, kann nicht akzeptieren, dass sie ihre eigenen Entscheidungen trifft. Im Finale wird er entsprechend schnell ausgeschaltet – leider greifen dann aber doch die üblichen Inszenierungsklischees und er muss in letzter Sekunde Auferstehung feiern, um sie doch noch zu retten. Trotzdem spürt man meines Erachtens, dass hier eine Frau am Werk war: Katt Shea bewegt sich zwar immer im Rahmen des Exploitationkinos, dessen Mechanismen sie nicht aushebeln kann und wahrscheinlich auch nicht will, aber sie bringt eine gewisse Weichheit mit ins Spiel. Das Miteinander der Tänzerinnen ist glaubwürdig und bei ihren Auftritten hat man nur selten das Gefühl, dass hier ausschließlich der male gaze bedient wird. Stattdessen stehen die Performances als Ganzes und ihre transformierende Wirkung für die Tänzerinnen im Mittelpunkt. STRIPPED TO KILL ist ein toller kleiner Thriller, der seinerzeit in der Flut ähnlich gelagerter Videopremieren unterging und hinter dem ich immer nur preiswert-austauschbaren Softerotik-Schund vermutet habe. Wie sehr man sich täuschen kann. In der BluRay-Edition des Films erstrahlt dieses Kleinod in seiner ganzen verlockenden Pracht.

 

 

Nicht immer ist es ganz einfach zu erklären, warum einem bestimmte Filme gefallen. Bei HOLLYWOOD HOT TUBS liebe ich es schon, den Titel leise vor mich hin zu sagen. Ich freue mich  über die bloße Existenz eines solchermaßen betitelten Films so sehr, dass ich gar nicht anders kann, als ihn zu mögen. Er muss eigentlich gar nicht viel mehr leisten, als einfach nur zu existieren. Umso schöner, dass es Pornoregisseur und Teenie-Sexkomödien-Auteur Chuck Vincent tatsächlich gelungen ist, aus einer reichlich fadenscheinigen Prämisse einen Film mit Herz zu zaubern, den ich hier feiern kann, ohne mich dafür verbiegen zu müssen.

Wie es sich für einen solchen Exploitation-Coup gehört, beginnt HOLLYWOOD HOT TUBS mit einem echten Showstopper: Der Betrachter wohnt der in geheimnisvollen Nahaufnahmen aufgelösten Ausführung eines rätselhaften Streiches bei. Nach einigen mysteriösen Minuten entpuppt sich das Handwerk der drei nicht näher identifizierten Jungs als Manipulation des berühmten Hollywood-Schriftzugs: Durch cleveres Platzieren einiger Stoffbanner haben die Vandalen aus „Hollywood“ ein „Hollyweed“ gemacht. Die wahrscheinlich teuerste und deshalb auch minutenlange Einstellung des Films – geschossen aus einem Helikopter – zeigt, dass Vincent diesen Coup nicht etwa per visuellem Effekt realisierte, sondern das Landmark tatsächlich einer Spezialbehandlung unterzog. Auch wenn diese Szene mit dem restlichen Film nur am Rande zu tun hat: Das ist der Spirit, der Exploitation auszeichnet und mir solche Produktionen wie HOLLYWOOD HOT TUBS ans Herz schweißt.

Der Streich dient – das macht es noch besser – als unnötig elaborierte Exposition: Weil die Polizei den Streich bemerkt hat und Shawn (Paul Gunning) nicht das erste Mal auffällig geworden ist, drohen ihm strafrechtliche Konsequenzen. Seine Eltern können das größte Unheil gemeinsam mit dem Bewährungsberater abwenden, indem sie ihrem (für einen Teenie viel zu alten) Sprössling einen Job bei seinem Onkel Al (Stanford Morgan) verschaffen: Der leitet einen kleinen Handwerksbetrieb, der sich auf die Wartung und Reparatur von Whirlpools und anderen Sanitäranlagen spezialisiert hat und Tag für Tag ums Überleben kämpft. Der zunächst unwillige Shawn lernt das Business von der Pike auf – und seine Kollegen zu schätzen. Der große Erfolg naht, als es Jeff (Michael Andrew) gelingt, einen großen Kunden – eben das Spa „Hollywood Hot Tube“ – zu gewinnen.

Der Weg zum großen Geschäftserfolg ist – wie könnte es anders sein? – übersät mit den genreüblichen Stolperfallen sowie reichlich Gelegenheiten für libidinöse Intermezzi und wogende Brüste. Die ganze erste Stunde ist eine muntere Abfolge von „Aufträgen“: Sie führen Shawn meist zu skurrilen Kunden – einem von der Mafia geführten Amüsierbetrieb, einem alternden Horrorfilmstar, dessen Stretchlimousine mit einer Minibadewanne ausgestattet ist, einer Pornodarstellerin – und enden nicht selten in schlüpfrigen Zoten. Die Möglichkeit, ohne allzu große Verrenkungen Titten zeigen zu können, dürfte eine der wesentlichen Motivationen der Produzenten gewesen sein, diesen Film zu machen, umso erstaunlicher ist es, wie viel Liebe Vincent in die Zeichnung seiner Figuren und seine Story gesteckt hat. Der hemdsärmelige Al und seine beiden engagierten Angestellten wuchsen zumindest mir sehr schnell ans Herz, gerade weil ihr Geschäft so durch und durch unsexy ist. Normalerweise widmen sich Filme großen, erfolgreichen Unternehmen oder aber eben irgendwelchen hippen und außergewöhnlichen Start-ups: Hier geht es um einen Handwerksbetrieb, wie er in jeder Stadt dutzendfach existiert. Die vier Überzeugungstäter sitzen in ihrer rammeligen, furchtbar unaufgeräumten Bude nebst Ersatzteillager, fahren mit dem Transporter zu ihren Kunden und kämpfen täglich darum, genug Geld zu erwirtschaften, um alles am Laufen zu halten. Als Al der Unternehmerin Pam (Remy O’Neill) ein Angebot machen soll, druckst er herum, erbittet sich Zeit: Er hat einen Auftrag in dieser Größenordnung noch nie angenommen, was er natürlich nicht zugeben kann. Solchen Realismus sieht man nicht allzu oft in Unterhaltungsfilmen, schon gar nicht in solchen, die auf ihrem Plakat gleich mehrere leicht bekleidete Damen, einen Gorilla und ein Krakenmonster zeigen.

HOLLYWOOD HOT TUBS lässt sich relativ viel Zeit für seine Geschichte, die erst nach einer Stunde wirklich in Gang kommt: Während Al und seine Leute fieberhaft daran arbeiten, den eigentlich viel zu großen Auftragsumfang zu bewältigen, türmen sich die zwischenmenschlichen Konflikte. Shawns Liebschaft mit Kollegin Leslie (Donna McDaniel) gerät in Gefahr, weil sie ihn mit mehreren nackten Frauen in einem Whirlpool erwischt hat – eine Situation, die der eifersüchtige Jeff initiiert hat, um ihm eins auszuwischen. Der wiederum bekommt Streit mit Pam, als er ihr gesteht, dass er etwas gemogelt hat, als er sich um den Auftrag beworben hatte. Ihr Bruder Jesse (Rex Ryon), ein derber Rocker, will ihm dafür aufs Maul hauen, verwechselt ihn aber mit Shawn, dem der Bewährungshelfer nachstellt, der hinter dem Unternehmen von Al unmoralische Umtriebe vermutet. Man kennt das alles aus ca. einer Million anderer Filme und deshalb ist es auch so wunderbar, dass sich Vincent gar nicht lang mit diesen herbeifabulierten Konflikten aufhält. Die Liebe seiner Figuren zueinander ist viel zu groß, als dass sie lange Groll aufeinander hegen könnten und so sind alle Unklarheiten schneller beseitigt, als es dauerte, sie einzuleiten. Das macht Raum für das herrliche Finale, der großen Neueröffnung von „Hollywood Hot Tubs“, wo dann alle Plotfäden zusammenlaufen und das große Tohuwabohu im Stile eines echten Türenstücks ausbricht. Da hetzen die Charaktere dann durch die Flure, platzen mal hier, mal dort hinein, müssen sich peitschender Dominas, ausgebrochener Gummimonster, knipsender Japaner oder grinsenden Burt-Reynolds-Doubles erwehren, während eine Gruppe musizierender Mariachi dazu aufspielt. Der schönste Charakter ist gewiss Jesses Rockerkumpel Warbaby (Michael Ragsdale): Das Riesenvieh mit der Catweazle-Mähne artikuliert sich ausschließlich in rudimentären Grunzlauten, die Jesse jedesmal exakt zu übersetzen weiß. Sehr süß ist aber auch Pams Tochter Crystal (Jewel Shepard), deren auffälligstes Merkmal ihre zwei wie junge Welpen auf- und abhüpfenden Brüste und ein herrlich schwachsinniger Valley-Slang sind. Regisseurin Kate Shea, die in Vincents PREPPIES brillierte, hat als Pornodarstellerin hingegen leider nur einen Kurzauftritt abbekommen. Trotzdem kann ich hier meine Empfehlung aussprechen: HOLLYWOOD HOT TUBS ist ein wunderbares Kleinod aus der VHS-Blütezeit und erfuhr sogar ein Sequel, welches in Deutschland stilecht als DER TURBOGEILE SAUNA-Club veröffentlicht wurde.

 

Zu seinem erfolg- und einflussreichen Vorgänger FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH verhält sich THE WILD LIFE ein wenig wie ST. ELMO’S FIRE zu THE BREAKFAST CLUB: Er zeigt Charaktere, die sich langsam, aber sicher, auf die Zeit nach der Highschool vorbereiten müssen, beschäftigt sich mit den Geburtswehen, die damit einhergehen, fühlt sich dementsprechend etwas gedrückter, pessimistischer an als der dann doch sommerlich-leichtfüßige Vorgänger – war dann auch weniger erfolgreich und ist heute beinahe vergessen. Das dramaturgische Vorgehen ist hingegen vergleichbar: Nach der Vorlage von Cameron Crowes Drehbuch verfolgt Regisseur Linson eine Gruppe von lose zusammenhängenden Charakteren, deren Weg sich immer wieder kreuzen. Der Zeitraum des Geschehens ist deutlich begrenzter als noch in FAST TIMES: Verteilten sich die Episoden dort über ein Schuljahr, spielt THE WILD LIFE in der letzten Ferienwoche vor dem Beginn des neuen – für einige der Figuren letzten – Schuljahres.

Der Film beginnt mit einem Knall: Der junge, sich als Guerilla-Krieger inszenierende, präpubertierende Jim (Ilan-Mitchell Smith) schleicht sich nachts in seine Schule, wird dort vom Hausmeister erwischt und sprengt beim Rausgehen den Kopf der vor dem Eingang stehenden Statue ab. Jim kokettiert während der folgenden 90 Minuten aufreizend mit dem eigenen Tod und prahlt mit seiner „Freundschaft“ zu einem Vietnamveteran (Randy Quaid). Sein älterer Bruder Bill (Eric Stoltz) trauert der Ex-Freundin Anita (Lea Thompson) hinterher, während er mit dem Einzug ins eigene Appartement schon die Selbstständigkeit probt. Anita befindet sich in einer leidenschaftlichen Affäre mit dem Streifenpolizist David (Hart Bochner), muss aber die leidvolle Erfahrung machen, dass sie für diesen nicht mehr als ein Betthäschen für zwischendurch ist. Ihre Freundin Eileen (Jenny Wright) sucht sich endgültig von ihrem Ex Tom (Chris Penn) zu lösen und muss sich in ihrem Job als Modeverkäuferin nebenbei gegen die Avancen ihres Vorgesetzten (Rick Moranis) erwehren. Tom ist ein sorgloser Partylöwe ohne Perspektive, der sein ganzes Leben unter dem Paradigma größtmöglichen Vergnügens gestaltet und so das Dasein aller, die mit ihm zu tun haben, erschwert: am deutlichsten jenes von Bill, der den Fehler macht, Tom bei sich einziehen zu lassen.

Der Vergleich zu FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH muss eigentlich nicht gezogen werden, da beide Filme inhaltlich nichts miteinander zu tun haben, trotzdem kommt man als Zuschauer kaum um den Abgleich herum, zumal auch die Marketing-Abteilung auf dem Poster noch einmal deutlich machte, dass hier dieselben Macher am Werk waren. Dass THE WILD LIFE nicht dieselbe Begeisterung auslöst, liegt schon in der erwähnten nüchteren, wenn nicht gar ernüchterten Haltung des Films und seiner Charaktere begründet. Das Erwachsenendasein zeigt sich bereits in seinen ersten Besuchen als runterziehende Abfolge von nervenden Verpflichtungen, existenziellen Sorgen und aufreibender Verantwortung. Entsagung scheint auch keine Alternative, wenn man sich Tom anschaut, der mit seiner Lebensphilosophie „It’s casual“ nur durchkommt, weil er sich darauf verlassen kann, dass ihm immer wieder Freunde aus der Patsche helfen, die es weniger lässig nehmen mit ihrem Leben. Tom ist natürlich nach dem Vorbild Jeff Spicolis modelliert und mit Sean Bruder Chris konsequent besetzt, aber man kann nicht ganz so reuelos für ihn jubeln wie für den ewig bekifften Surferdude. Im Gegensatz zu diesem, lebt Tom sein Leben auf Kosten anderer und man vermisst bei ihm jede Einsicht. Dennoch scheut auch Produzent Linson – der den Film kurzerhand selbst inszenierte, weil der eigentlich vorgesehene Regisseur kurzfristig ersetzt werden musste – wie Regisseurin Heckerling vor ihm davor zurück, einen seiner Charaktere ans Kreuz zu nageln. Letztlich kann er sich das leisten, weil THE WILD LIFE mit seinem spektakulären Höhepunkt – einer Abrissparty, die Tom in Bills Wohnung ausrichtet (und bei der Ron Wood von den Stones einen Cameo als Gast absolviert) – die Sphäre des Realismus ein ganzes Stück hinter sich lässt. Selbst der eigentlich gelackmeierte Bill kann dem Mitbewohner verzeihen und ihm ein Lächeln schenken.

So endet THE WILD LIFE zwar auf einer versöhnlichen Note: Noch einmal haben alle die Kurve gekriegt, aber man spürt, wie viel Glück dabei auch im Spiel war. THE WILD LIFE wird so seinem Titel gerecht und kann außerdem als eine Art optimistisches Spiegelbild eines Films wie RIVER’S EDGE betrachtet werden. Jener teilt mit diesem die Figur des durchgebrannten Vietnamveterans, der als eine Art missverstandenes Vorbild fungiert. Für Jim ist dieser gezeichnete Krieger eine exotische Figur, die Abenteuer und Draufgängertum symbolisiert, deren Außenseiterstatus zudem von Verwegenheit, Autonomie und Authentizität kündet. Er kleidet sich in Armyklamotten und streift wie ein Einzelkämpfer durch die Straßen, immer auf der Suche nach einem Gegner. Letztlich erkennt er aber, womit er da kokettiert, dass sein großes Idol kein Held, sondern ein Opfer ist: Er erhascht den Veteran dabei, wie er sich auf seinem vergiften Klo einen traurigen Schuss setzt. Ein kurzer flüchtiger Blick nur, aber er verleiht Jims Leben die Erkenntnis, die es für eine Kehrtwende braucht. Wer weiß, wo es sonst mit ihm hingegangen wäre. Wie in FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH gibt es für jede der handelnden Figuren immer die Möglichkeit zur Veränderung. Aber einige kommen diesem Point of no Return hier deutlich näher als im Vorläufer.

 

FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH habe ich hier in den vergangenen Beiträgen bereits mehrfach erwähnt. Seine Bedeutung für die Teeniekomödie ist kaum zu überschätzen, in den USA wird der Film geradezu kultisch verehrt, nicht zuletzt weil er Jungstars wie Jennifer Jason Leigh, Phoebe Cates, Forest Whitaker, Eric Stoltz, Anthony Edwards oder Nicolas Cage auf den Weg brachte. Sean Penn spielte sich mit seiner Darstellung des immer bekifften Surfers Jeff Spicoli in die Herzen der jugendlichen Zuschauer und schuf einen Charakter, der seitdem wohl dutzendfach imitiert wurde (am populärsten etwa in BILL & TEDS EXCELLENT ADVENTURE). In Deutschland scheint mir der Film eher weniger bekannt, was wohl auch dem ultimativ nichtssagenden und austauschbaren Verleihtitel ICH GLAUB‘ ICH STEH‘ IM WALD zuzuschreiben ist, der wüsten Klamauk suggeriert, den Heckerlings Film eher nicht bietet.

Schon die Entstehungsgeschichte von FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH ist interessant: Rolling-Stone-Journalist Cameron Crowe kam, gelangweilt von seiner Arbeit, auf die Idee, sich als Highschool-Schüler auszugeben und sozusagen „undercover“ noch einmal zur Schule zu gehen. Seine Erlebnisse während dieser Schulzeit hielt er im gleichnamigen Roman fest, der noch vor seine Veröffentlichung das Interesse Hollywoods weckte und für eine Adaption optioniert wurde. Crowe selbst schrieb auf Grundlage seines Buches das Drehbuch und der Film, der weder groß beworben wurde noch namhafte Stars aufwies, entwickelte sich in der Folge zu einem Geheimtipp. FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH startete demnach nicht nur die Karrieren der oben aufgezählten Jungdarsteller, sondern auch die von Cameron Crowe, der nur wenig später das Script zum Quasi-Sequel THE WILD LIFE vorlegte und 1989 schließlich den ebenfalls sehr verehrten SAY ANYTHING inszenierte. SINGLES, dem Film zum Grunge-Hype, folgten u. a. der Oscar-prämierte JERRY MAGUIRE und schließlich der autobiografische ALMOST FAMOUS. Erstaunlich angesichts dieses Hintergrundes, dass Crowes Buch seit Jahren OOP ist.

FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH hat keine geschlossene Handlung, sondern kreist um eine Gruppe von Schülern während eines nicht näher definierten Schuljahres: Jeff Spicoli interessiert sich mehr für Parties als für den bevorstehende Abschluss und wird von seinem strengen, aber fürsorglichen Lehrer Mr. Hand (Ray Walston) in die Mangel genommen. Stacy (Jennifer Jason Leigh) sehnt sich angestachelt von ihrer erfahrenen Freundin Linda (Phoebe Cates) nach dem ersten Mal und wird schließlich vom „hustler“ Mike Damon (Robert Romanus) geschwängert. Ihr Bruder Brad (Judge Reinhold) arbeitet in einem Burgerladen an der großen Karriere, erfährt aber eine herbe Enttäuschung, als er von seinem Chef kurzerhand gefeuert wird. Der schüchterne Mark (Brian Backer) ist wiederum in Stacy verliebt und muss miterleben, wie sein bester Freund Mike sie ihm ausspannt und benutzt. Diese eigentlich bekannten Geschichten erzählt Heckerling zum Teil mit großen Zeitsprüngen, aber hoher Sensibilität für jugendliche Befindlichkeiten und einem Gespür für die markanten Details, die dafür sorgen, dass sie sich echt anfühlen.

Herausstechend ist die Episode um Stacy, deren Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht überaus ernüchternd sind und nichts mit dem zu tun haben, was ihr Linda einflüstert: Von einem zehn Jahre älteren Weiberheld wird sie sehr unromantisch des Nachts im Dugout des örtlichen Baseballfelds entjungfert, Mike beglückt sie erst mit einer frühzeitigen Ejakulation, ignoriert sie anschließend und gibt ihr schließlich die alleinige Schuld, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft berichtet. Obwohl er ihr verspricht, sie zur Abtreibungsklinik zu begleiten, lässt er sie sitzen, sodass sie sich von ihrem nichts ahnenden Bruder chauffieren lassen muss, dem sie eine Verabredung im Bowling Center vorgaukelt. Man spürt die weibliche Hand in der Inszenierung dieser Sequenz, die ganz ohne aufgesetzte TV-Movie-Drama und ohne die oft obligatorischen marktschreierischen OP-Szenen auskommt. Im Rahmen der Teeniekomödie, die Sex vor allem aus männlicher Perspektive betrachtete und sich eher selten mit seinen Konsequenzen auseinandersetzte, markiert sie eine bemerkenswerte Ausnahme. Besonders beachtlich: Die Entscheidung Stacy selbst wird nicht hinterfragt, wie das sonst gang und gäbe ist. Es gibt keine Ausflüge in den Beichtstuhl, keine Exkurse über den Wert des ungeborenen Lebens, keine Liebäugelei mit einer Teeniemutterschaft. Stacy tut, was sie tun muss und Drehbuch wie Regie stehen ihr dabei ganz ohne elterliche Bevormundung zur Seite. Diese Haltung ist noch heute, fast 40 Jahre später, nicht selbstverständlich.

Nach einer Lieblingsfigur gefragt, dürften die meisten Freunde des Films Jeff Spicoli nennen: Sean Penn hat die witzigsten Momente und die zitierwürdigsten Dialogzeilen abbekommen, ist von seiner Rolle des Stoners kaum zu trennen. Auch Robert Romanus darf seinem unerfahrenen Zögling Mark als altersweiser „Berater in Liebesdingen“ geschliffen formulierte Ratschläge mit auf den Weg geben und Phoebe Cates hat mit ihrer Oben-ohne-Szene den wahrscheinlich ikonischsten Auftritt des ganzen Films (der wahrscheinlich unzählige Onanie-Sessions beflügelte – ganz wie im Film selbst). Wenn ich mich entscheiden müsste, so würde ich wahrscheinlich Brad nennen, der das tragikomische Element von FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH ausmacht und mit Judge Reinhold wahrhaft kongenial besetzt ist. Er verkörpert den herzensguten Pechvogel mit jeder Faser seines Körpers und wenn er am Ende seinen großen Triumph feiert, nachdem er ein 90-minütiges Tal der Tränen durchwandern musste, gönnt man ihm das als Betrachter von ganzem Herzen. Die Idee, die Zukunft seiner Protagonisten am Ende in einer kurzen Texteinblendung vorherzusagen, haben Heckerling und Crowe aus Lucas‘ AMERICAN GRAFFITI übernommen und im Sinne ihres Films verbessert, indem sie auf unnötige Downer, die einem die Freude nachträglich verderben, verzichtet haben. Überhaupt muss ich den ausnehmend optimistischen Blick, den Heckerling auf das Leben wirft, loben. Selbst ein Charakter wie Mike Damone wird nicht zum „Schurken“ degradiert: Er hat sich wie ein Arschloch verhalten, ja, aber der Film gesteht ihm eine Entwicklung zum Positiven zu. Das scheint dann auch die wesentliche „Aussage“ des Films zu sein, wenn man eine solche denn unbedingt herausfiltern möchte: Die Jugend ist eine Zeit, in der man Erfahrungen sammelt. Diese beinhaltet Enttäuschungen und Fehltritte genauso wie Erfolge und Glücksmomente. Entscheidend ist, dass man nicht auf der Stelle stehen bleibt, sondern mit seinen Erfahrungen wächst. Schön, dass FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH einem dies vermittelt, ohne dabei auch nur einmal den belehrenden Zeigefinger zu heben.

 

 

In meinem Eintrag zu FRATERNITY VACATION hatte ich geschrieben, dass sich die Teenie-(Sex-)Komödie in den Achtzigern in einer „engen Verwertungsspirale“ befand, also bestehende Erfolgsrezepte innerhalb des gesteckten Rahmens immer wieder neu aufgekocht wurden und Updates bzw. bloße Variationen erfuhren. PRIVATE SCHOOLS (dessen Titel auch manchmal als PRIVATE SCHOOL … FOR GIRLS erfasst wird) ist ein gutes Beispiel: Im Titel lehnt er sich zweifellos an PRIVATE LESSONS von 1981 an, der mit seiner notgeilen Jungsfantasie – ein Schüler bändelt mit seiner heißen Nachhilfelehrerin (Sylvia Kristel) an – zum Überraschungshit avancierte. Sylvia Kristel ist dann auch hier wieder dabei, diesmal als tolpatschige, aber selbstredend scharf bestrapste Sexualkundelhrerin Mrs. Copuletta. In der weiblichen Hauptrolle ist die süße Phoebe Cates zu sehen, die ein Jahr zuvor einen ikonischen Oben-ohne-Auftritt in FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH absolvierte, den sie hier nicht nur nicht toppen kann, sondern wahrscheinlich auch nicht toppen wollte: Ihre Brüste bleiben den ganzen Film über schamhaft verborgen, dafür darf sie zwei Songs zum Hitsoundtrack beisteuern. Ebenfalls aus Amy Heckerlings Klassiker herübergerettet wurde Ray Walston, der hier einen kleinen Gastauftritt als Chauffeur absolviert. Angesichts als dieser offenkundigen Parallelen und Anspielungen wundert es nicht, dass es heißt, PRIVATE SCHOOLS sei das Ergebnis einer lückenlosen Marktforschungskampagne gewesen.

Was man von am Reißbrett entworfenen Filmen zu erwarten hat, sieht man hier: Noel Blacks Spielfilm enthält zwar all jene Zutaten, die andere vor ihm so überaus erfolgreich kombiniert hatten, erlangt dabei jedoch niemals deren Maß an Inspiration oder auch nur Lebendigkeit. PRIVATE SCHOOLS ist vordergründig ein professionell gefertigtes Hochglanzprodukt, doch tonal hat er mehr mit billigen Exploitern zu tun, die ihre Reize alibihaft durch ein durchsichtiges Storykonstrukt verschleiern. Noel Black findet nie den richtigen Ton oder ein Verhältnis zu seinen Figuren und deshalb müssen auch seine ohne Unterlass abgefeuerten Gags weitestgehend folgenlos versanden.

Zur Handlung: Über die räumliche Grenze ihrer getrennt geschlechtlichen Privatschule himmeln sich Jim (Matthew Modine) und Chris (Phoebe Cates) an und bereiten nervös giggelnd die gemeinsame Entjungferung vor. Dabei kommt ihnen das intrigante Luder Jordan (Betsy Russell) in die Quere, die es nicht nur nicht mit Enthaltsamkeit hat, sondern sich auch nichts Schöneres vorstellen kann, als einen Keil zwischen die Turteltäubchen zu treiben – was ihr dann auch gelingt. Um dieses Dreieck herum tummeln sich Charaktere wie der in seiner Notgeilheit nahezu geistig behindert erscheinende Bubba (Michael Zorek), die als einzige halbwegs menschliche Betsy (Kathleen Wilhoite), die aus unerfindlichen Gründen aber mit Bubba liiert ist, und der inkompetente Lehrerstab um die prüde Ms. Dutchbok (Fran Ryan).

PRIVATE SCHOOLS versucht den heillos-frivolen Klamauk von Filmen wie SCREWBALLS mit den romantischen Elementen einer warmherzigen Liebeskomödie zu vermählen, scheitert aber in erster Linie daran, dass seine Figuren einfach keine Seele besitzen. Dass sich Traumboy Jim mit einem Typen wie Bubba abgibt, ist ein kaum wiedergutzumachender Makel, der dritte Typ im Bunde, der bebrillte Nerd Roy (Jonathan Prince), kommt gleich ganz ohne irgendwelche Eigenschaften aus. Chris darf adrett aussehen und niedlich, aber wenig mehr sein, Jordan ist eine fleischgewordene Männerfantasie, deren einzige Funktion es ist, blank zu ziehen, wann immer der Film in einer Sackgasse gelandet ist. Nichts passt zusammen, die erzählerische Strategie des Films sieht so aus, möglichst viel an die Wand zu schmeißen und zu hoffen, dass etwas kleben bleibt, was meistens nicht klappt. Dabei ist PRIVATE SCHOOLS jederzeit als drittklassiges Plagiat zu erkennen. Die Figur des Bubba ist nur das offenkundigste Beispiel für den Plagiarismus des Films, denn die Figur ist natürlich an John Belushis Bluto aus ANIMAL HOUSE angelehnt. Während der SNL-Star aber einen Charakter kreierte, der den ihn umgebenden Film in a nutshell verkörperte, ist Zoreks Bubba einfach nur abstoßend in seiner geilen Gluckserei. In einer Szene fragt Chris ihre Freundin Betty, ob sie „es“ schon einmal getan habe, und die erzählt nur davon, dass Bubba behaupte, sie hätten schon mehrfach miteinander geschlafen, aber sie sei dabei nie wach gewesen. Das ist ungefähr das Niveau des Films. Nun gut, jetzt ist Niveau sicherlich nicht das, was man in einer Teenie-Sexkomödie sucht, aber dafür, dass PRIVATE SCHOOLS eben unter anderem auch eine romantische Liebesgeschichte sein möchte, verfügt er über eine beträchtliche Zahl an Momenten, in denen man sich wie ein schmieriger alter Sack im Trenchcoat fühlt, der sich bevorzugt in der Nähe viel zu junger Mädchen aufhält, beide Hände dabei fest in den Taschen vergraben. In seiner Exploitativität ist das ganze Teil bemerkenswert unehrlich und freudlos, wirkt wie eine maschinelle Simulation von Filmen, die mit weitaus geringeren Mitteln deutlich Größeres leisteten. Nur Ray Walston kommt hier mit intakter Würde raus, weil sein Gesichtsausdruck ein gewisses Maß an wissender Selbstverachtung verrät. Für Komplettisten aufgrund der Besetzung ganz interessant, ansonsten darf hier lediglich der Soundtrack als makellos hervorgehoben werden.

Der deutsche Titel dieser netten kleinen Teenie- bzw. College-Sex-Komödie lautet in Anlehnung an die damals hierzulande extrem populäre israelische Filmreihe AMERICAN EISKREM, was sehr schön verdeutlicht, in welcher engen Verwertungsspirale sich das Subgenre in seiner Blütezeit befand. Eine kleine Handvoll von Filmen, die meist ihrerseits von erfolgreichen Vorgängern inspiriert worden war, initiierte immer weitere „Updates“, deren Quellen mehr oder weniger offensichtlich waren. Die Traditionslinie reichte von den Juvenile Delinquents Filmen der Fünfziger- und den noch braven Strandfilmen der Sechzigerjahre über AMERICAN GRAFFITI und THE CHEERLEADERS hin zu ESKIMO LIMON und PORKY’S. Es folgten etwa NATIONAL LAMPOON’S ANIMAL HOUSE, MEATBALLS, ROCK N‘ ROLL HIGH SCHOOL, FAST TIMES AT RIDGEMONT HIGH oder der Überraschungshit namens PRIVATE LESSONS. Als John Hughes die Bildfläche betrat und das Genre von seiner ursprünglichen Triebgesteuertheit und anarchischen Unreife befreite, war das komplette Figuren- und Ploinventar nicht nur komplett, sondern bereits durch mehrere Metamoprhosen gegangen.

Auch James Frawley muss die einzelnen etablierten Elemente nur noch neu kombinieren, um einen zwar durch und durch derivativen, aber doch recht unterhaltsamen Film vorzulegen. Stephen FRIGHT NIGHT Geoffreys spielt Wendell Tvedt, der nicht nur mit einem bescheuerten Namen, sondern auch höchster Tolpatschigkeit, genereller Uncoolness und demzufolge anhaltender Jungfräulichkeit geschlagen ist. Immerhin hat er eine wohlhabende Familie und verfügt demnach über Zugang zu einem Appartement in Palm Springs, dem Wüstenrefugium der Reichen und Schönen aus L.A. Hier zieht er mit seinen Kumpels „Mother“ (Tim Robbins) und Joe (Cameron Dye) für einen feuchtfröhlichen Urlaub ein, von dem sich die beiden Freunde jede Menge Sex erhoffen. Zusätzlich angestachelt werden sie von ihrem Rivalen Chas (Leigh INFERNO McCloskey), der wettet, noch vor ihnen zum Stich zu kommen und ihre Bemühungen sabotiert, wo er kann. Natürlich ist es am Ende Wendell, der die Wette für sich entscheidet und beweist, dass auch Nerds über Sexappeal verfügen.

Die Prämisse von FRATERNITY VACATION, die auch die Tagline auf dem nebenstehenden Poster ausformuliert, lässt sich kulturgeschichtlich nicht nur bis zu den Screwball-Komödien, sondern noch weiter zurückverfolgen und baut zu Recht ganz darauf, dass sein Publikum dem jungfräulichen Antihelden näher steht als seinen erfahreneren Kumpels. Während die sich der anvisierten Traumfrau (Sheree J. Wilson) mit bisweilen stalkerhafter Attitüde annähern, knüpft Wendell also zarte Bande mit der burschikosen Nicole (Amanda Bearse, die Marcy D’Arcy aus MARRIED WITH CHILDREN), nicht wissend, dass die nicht nur die Tochter des lokalen Polizeichefs ist (John Vernon variiert seinen Part als Dean Wormer aus ANIMAL HOUSE), sondern von dem auch die sadistische Ader geerbt hat. Nachdem sie ihm gezeigt hat, wie schmerzhaft das Liebesleben und Beziehungsdinge sein können, finde er Trost ausgerechnet in den verständnisvollen Armen der von seinen Kumpels auserkorenen Traumfrauen, die mit dem sensiblen, weichherzigen Wendell gleich viel mehr anzufangen weiß als mit den ihr auf die Brüste sabbernden Vollhonks. Welche ein Wunder.

FRATERNITY VACATION ist ein „Gebrauchsfilm“: Ohne die ganz großen komödiantischen Highlights, aber durchweg kurzweilig, immens aufgewertet zudem durch die gute Besetzung, aus der Tim Robbins erwartungsgemäß heraussticht. Er hat dann auch maßgeblichen Anteil daran, dass man Frawleys Film letztlich positiv verbuchen kann. Denn die Eindimensionalität, mit der die Kerle da den zu Lustobjekten und Trophäen degradierten Frauen hinterhersteigen und diese immer wieder durch perfide Manipulation in Situationen treiben, in denen es nach Möglichkeit zum Sex oder zumindest zur Entblößung der begehrten Leiber kommen soll, kann ziemlich unangenehm werden, wenn man zu lang darüber nachdenkt. Dass Sex eine Sache beiderseitiger Übereinkunft ist, spielt in der Denke der männlichen Protagonisten keine wesentlich Rolle, wichtig ist der eigene Spaß. Heute könnte man dies nur noch schwerlich als Unterhaltung anbieten, ohne eine mittelschwere Empörungswelle auszulösen, was ich natürlich schon ganz gut und richtig finde. Andererseits ist diese Spielart der Teenie-Sexkomödie mit all den notgeilen Typen natürlich nicht ganz weit weg von der traurigen Realität, da waren diese Filme schon recht ehrlich und unverstellt. Nur mit dem Frauenbild haperte es ganz entschieden.

Ein wunderschöner Sommerfilm: Jeffrey Willis (Matt Dillon), Sohn einer einfachen Brooklyner Arbeiterfamilie, wird in den mittleren Sechzigerjahren von seinen Freunden (Fisher Stevens, Brian McNamara und Bronson Pinchot) im vornehmen Beachclub „El Flamingo“ eingeführt, wo die Kumpels ein erfolgversprechendes Kartenspiel-Geschäft ausgemacht haben. Durch Zufall ergattert Jeffrey dort einen Job als Einparkhilfe, über den er wiederum den wohlhabenden Geschäftsmann Phil Brody (Richard Crenna) kennenlernt, selbst ein mit allen Wassern gewaschener Zocker und bekannt wie ein bunter Hund im Club. Brody hat nicht nur eine überaus attraktive Nichte (Janet Jones), er findet auch Gefallen an dem vielseitig begabten Jungen und verspricht ihm eine große Karriere als Autoverkäufer unter seiner Ägide. Jeffreys Vater Arthur (Hector Elizondo), der sich wünscht, dass sein Sohn aufs College geht, ist von den neuen Plänen des Sohnes verständlicherweise alles andere als begeistert.

THE FLAMINGO KID erzählt eine bekannte Geschichte ohne die ganz großen Überraschungen, aber dafür mit jener Leichtfüßigkeit und Empathie, die ein Sommer- bw. ein Coming-of-Age-Film eben braucht. THE FLAMINGO KID atmet die aufgeheizte Meeresluft eines Sommerurlaubs und suggeriert die endlosen Möglichkeiten, die einem jungen Mann angesichts der vor ihm liegenden Ungewissheit der Adoleszenz den Kopf verdrehen können. Unterstützt von Sixties-Evergreens schreitet THE FLAMINGO KID scheinbar entspannt und verträumt, tatsächlich aber mit großer Zielstrebigkeit voran. Als Zuschauer identifiziert man sich mühelos mit dem sympathischen Helden, dem alles Glück der Welt in den Schoß zu fallen scheint. Man gönnt ihm den Erfolg, weil er bescheiden und charmant ist, und dann, wenn man merkt, dass er sich auf dem Holzweg befindet, wünscht man ihm das rechtzeitige Erwachen. Tagträume und Irrwege gehören schließlich dazu zum Erwachsenwerden und Marshall zeigt sie in all ihrer verlockenden Verführungskraft.

Das Herz des Films ist Matt Dillon, der hier noch einmal daran erinnert, warum er in den frühen Achtzigerjahren einer der viel versprechendsten Jungdarsteller war und wen Hollywood da eigentlich aufgrund einer Reihe von falschen Karriereentscheidungen für die ganz großen Rollen verlor. Als Jeffrey zeigt er all die Unsicherheit eines Jungen einfacher Herkunft im Angesicht von Reichtum und Erfolg, das unwiderstehliche Selbstvertrauen, das daraus erwächst, wenn einem Respekt entgegengebracht wird, und schließlich die Arglosgkeit des Heranwachsenden, der immer nur im Moment lebt. Ihm gegenüber steht Hector Elizondo als besorgter, aber auch strenger Vater: Der Darsteller ist heute leider auf langweilige TV-Autoritätsrollen abonniert, hier entfacht er im Zusammenspiel mit Dillon Augenblicke großer Wahrheit, die aber ganz ohne disneyeskes Pathos auskommen. Arthur durchschaut den schleimigen Brody sofort, aber er weiß, dass er seinen Sohn nicht länger bevormunden kann, dass dieser seine Lektion selbst lernen muss, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als auf dessen Intelligenz zu hoffen. Der Augenblick ihrer Versöhnung ist grandios und hat mich tatsächlich sehr berührt. Als mephistophelischer Verführer hat Richard Crenna, am besten bekannt als Rambos Ausbilder Colonel Trautman, den wahrscheinlich saftigsten Part des Films abbekommen und er genießt sichtlich die Gelegenheit, schauspielerisch aufdrehen zu dürfen. Sehr typisch für Marshalls Film: Auch dieser Brody ist nicht nur Schuft, im Gegenteil. Seine Zuneigung zu Jeffrey, der Wunsch, einen Zögling heranzuziehen, fußt nicht zuletzt auf dem Bedürfnis, bewundert zu werden. Es ist der weiche Kern, die Achillesferse dieses Mannes, der von sich das Bild des souveränen Strippenziehers malt. Als Jeffrey ihm am Ende die Loyalität entzieht, zerbricht für Brody eine Welt. Der einzige Schönheitsfehler, den sich THE FLAMINGO KID erlaubt, ist die Beziehung des Protagonisten zur farb- und eigenschaftlos bleibenden Carla. Als die ihm vor dem Ende der Ferien offenbart, dass sie die Zeit mit ihm nie vergessen werde, fragt man sich unwillkürlich warum: Sie fungiert bestenfalls als weibliche Chiffre, als idealisiertes Dream Girl, aber niemals als echter Charakter und Marshall bemüht sich gar nicht erst darum, mehr aus dieser Beziehung zu machen, als einen folgenlosen Urlaubsflirt, der schnell vergessen sein wird.

 

Die Siebzigerjahre waren ein merkwürdiges Jahrzehnt: Gesamtgesellschaftlich prägten die Demütigung in Vietnam und der Watergate-Skandal die Stimmung in den USA, sorgten für eine beachtliche Depression, die dann mit Drogen, Hedonismus, Yacht-Rock und Disco bekämpft wurde. Das zeigt sich auch an einer kleinen Reihe von Sportfilmen, die die nationalen Helden in ihren Football-, Baseball-, Basketball- oder Eishockeytrikots von ihrem Podest stießen. International am bekanntesten dürfte wahrscheinlich George Roy Hills wunderbarer SLAP SHOT sein (ein ewiger Lieblingsfilm): Er widmete sich den fragwürdigen Methoden, mit denen ein erfolgloses, zum Verkauf freigegebenes Eishockeyteam den eigenen Marktwert zu steigern suchte, und zeichnete die Sportler als Bande von ungebildeten Proleten, Säufern, Schlägern und Zynikern. Selbst ein „Kinderfilm“ wie THE BAD NEWS BEARS, den man wahrscheinlich als putzige Komödie abgespeichert hat, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als mindestens ambivalent: ein desillusionierter Säufer, der ein Kinder-Baseballteam betreut? Wenn man sich nicht einmal auf dem Sportplatz mehr sicher sein konnte, dass die amerikanischen Ideale Bestand hatten, woran konnte man sich dann überhaupt noch festhalten?

NORTH DALLAS FORTY, Kotcheffs Film über den Titelkampf einer texanischen Football-Mannschaft, beginnt mit dem Blick auf Wide Receiver Philipp Elliott (Nick Nolte), der morgens wie zerschlagen auf einem mit Nasenblut besudelten Kopfkissen aufwacht, sich mit schmerzenden Knochen stöhnend erhebt und die Schmerztabletten mit einem offenen Bier runterspült, bevor er von seinen wild mit einer Schrotflinte herumballernden Teamkollegen zur „Jagd“ auf Kühe abgeholt wird. Dieser Beginn setzt den Ton, der bis zum Ende ohne Brechungen durchgehalten wird. Philipp, mit Anfang/Mitte 30 bereits ein körperliches Wrack, wird von seinem ekligen Manager (G. D: Spradlin) aufs Abstellgleis geschoben, weil er angeblich nicht über genug „Teamgeist“ verfüge. Was immer er tut, es wird gegen ihn ausgelegt. Umgeben ist er von grunzenden Psychopathen wie Jo Bob (Bo Svenson) oder O.W. (John Matuszak), der Teambesitzer (Steve Forrest) ist ein schleimiger Menschenfänger, der stets seine anzugtragenden Vollstrecker vorschickt, um ungeliebte oder ausgediente Spieler rauszuschmeißen. Die Spieler werden mit miesen Manipulationen dazu gebracht, sich fitspritzen zu lassen, im gleichen Atemzug kann eine Dose Bier oder ein Joint den Rauswurf nach sich ziehen, wenn man eh schon auf der Abschussliste steht. Während die Sportler also Blut, Schweiß, Tränen und letztlich ihre Gesundheit geben, stehen hinter ihnen eiskalt kalkulierende Arschgeigen im Anzug, für die das alles nur ein Business mit austauschbaren Spielfiguren ist.

Es gibt Vieles an NORTH DALLAS FORTY, was ich mag: Die Besetzung mit Kerlen mit Stiernacken sowie Tabak- und Whiskey-gegerbten Stimmen. Die saxophonlastige, melancholisch-plüschige Musik von John Scott. Den schmerzhaften Humor, der allerdings ganz ohne Gags und Lacher auskommt. Die großartige Fotografie von Paul Lohmann. Diese ätzende, selbstzersetzende Resignation. Gleichzeitig schafft Kotcheff es aber leider nicht, das alles in eine Form zu gießen, in der es wirklich sinnhaft würde. NORTH DALLAS FORTY gefällt sich irgendwie in seinem Zynismus und seiner einseitigen Sicht der Dinge – Sportler sind vielleicht etwas „einfach“, aber eigentlich gute Kerle, die Besitzer sind hingegen profitgeile Kapitalisten ohne Empathie -, kulminiert in einer flammenden Rede, die Elliott vor dem Management hält und färbt die Entgleisungen seiner Teammitglieder als verzeihliche Marotten schön. Dazu kommen klischierte Elemente wie Elliotts Beziehung zur intelligenten Charlotte (Dayle Haddon), der er sein vor Jahren gekauftes, aber immer noch unbebautes Grundstück auf dem Land zeigt, un die ihn dazu überreden will, die Schuhe an den Nagel zu hängen – womit sie den obligatorischen Wutausbruch heraufbeschwört, denn Football ist natürlich sein Leben. Alles läuft exakt so ab, wie man das vorhergesehen hat, ohne Überraschungen und auch ohne echten Mehrwert. Die Kritik, die Kotcheff auf der Grundlage des autobiografischen Romans des Footballspielers Peter Gent übt, wirkt vorgeschoben: Sie ist letztlich ein Vorwand, um Verfall, Dekadenz und Tabubrüche publikumsträchtig auf die Leinwand bringen zu können. Dem Film fehlt sowohl die satirische Schärfe als auch ein gewisser Idealismus. Interessant ist NORTH DALLAS FORTY allerdings im Kontrast zum heutigen Business: Seine kettenrauchenden, saufenden und herumhurenden Sportler könnten das Pensum der hochgezüchteten Stars von heute gar nicht mehr absolvieren, ohne zusammenzubrechen. Ironischerweise steht hinter dieser Entwicklung aber weniger die „Moral“ als vielmehr die wirtschaftliche Risikominimierung. Insofern ist die kleine Welle bitterer Sportfilme, für die auch NORTH DALLAS FORTY steht, durchaus relevant. Die Beobachtungen, die ihre Macher damals – aus welchen Gründen auch immer – machten, waren geradezu prophetisch.