Archiv für März, 2020

LEPRECHAUN ist ein Relikt der Neunzigerjahre, ein Überraschungshit in den USA, der zu einem Zeitpunkt von der mit A NIGHTMARE ON ELM STREET losgetretenen Erfolgsmasche um klugscheißende Horrormonster profitierte, als die eigentlich schon abgenudelt war. Der kleinwüchsige Warwick Davis interpretierte die irische Sagengestalt, einen Kobold, der einen Topf voll Gold bewacht, als boshaften, schadenfrohen kleinen Sprücheklopfer, der der eigentliche Held der Filme war. Nach dem Erfolg des ersten Teils, in dem Jennifer Aniston ihr Debüt feierte, folgten die kontinuierlich billiger (wenngleich nicht unbedingt schlechter) werdenden Sequels, die schließlich nur noch auf Video/DVD vermarktet wurden. Die Reihe fand 2003 ihr vorläufiges Ende mit LEPRECHAUN: BACK 2 THA HOOD, bis LEPRECHAUN: ORIGINS 2014 das heute unvermeidliche „Reboot“ darstellte, das aber 2018 mit dem direkt an den ersten Teil anknüpfenden LEPRECHAUN RETURNS gleich wieder annulliert wurde. Kein Wunder, möchte ich hinzufügen.

LEPRECHAUN: ORIGINS gründet auf der nicht ganz falschen Annahme, das sprücheklopfende Kobolde mit Zylinder, die einen Goldschatz bewachen, nicht mehr so richtig als Antagonisten für einen zeitgeistigen Horrorfilm taugen, erliegt aber dem Irrtum, dass ein charakter- und persönlichkeitsloser Ork ein guter Ersatz sei. Das ist ungefähr so, als würde man JAWS neu auflegen, aber den Weißen Hai, der Urlauber frisst, durch einen Mann mit einem ungewöhnlich großen Mund ersetzen. Kann man machen, aber sollte man dem Ganzen dann nicht konsequenterweise einen komplett anderen Titel geben? Die „Story“ dreht sich um ein paar amerikanische Studenten, die in Irland dem titelgebenden Monster zum Fraß vorgewerfen werden sollen, und der um diese hauchdünne Prämisse gestrickte Film spielt sich als quälend öde Hatz ab, die schon nach 30 Minuten auserzählt, mithin stinklangweilig und zudem auch noch potthässlich fotografiert ist. Der „irische“ Wald ist in einem Depressionen fördernden Graubraun gehalten, das an den Durchfall eines Mangelernährten erinnert, und immer, wenn der Leprechaun auftritt, ein völlig anonym bleibendes Monstrum, dreht der Kameramann hektisch am Schärferegler rum, damit man bloß nicht zu viel erkennt. Es ist wirklich verdammt lange her, dass mich ein Film so hart abgenervt und geärgert hat wie dieses Stück Scheiße, bei dem wirklich gar nix zusammengeht. Mehr sage ich dazu nicht.

kaufen hilft!

Veröffentlicht: März 20, 2020 in Film
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Weil es hier derzeit nicht so viel zu lesen gibt – ich schaue derzeit vor allem CALIFORNICATION und die zweite Staffel von TRUE DETECTIVE – habe ich mal wieder einen Einkaufstipp. Ich war fleißig in den letzten Wochen und das erste Resultat meiner Arbeit liegt jetzt in den Regalen der Onlinehändler oder der gut sortierten Elektrofachmärkte. Das Nic-Cage-Frühwerk VAMPIRE’S KISS war lange völlig vergessen, bevor es dank diverser GIFs und Clips zum Internetphänomen wurde. Der Film liefert ein ideales Showcase für Cages „Megaacting“, zeigt aber auch, dass es sich hier um weit mehr als simples „Overacting“ handelt. Dank Cages Performance reift dieses Indie-Kleinod um einen psychotischen New Yorker Literaturagenten, der sich plötzlich für einen Vampir hält, zur schwarzhumorigen, kafkaesken Parabel über die Vereinsamung im Spätkapitalismus (die durchaus ihrer Zeit voraus war) heran. Den Film, der in Deutschland lange nicht verfügbar war, gibt es jetzt als hübsches, knallrotes Mediabook mit einem Booklet von yours truly. Viel Spaß damit!

Ich gehöre ja zu den Menschen, die TURBO KID ziemlich schrecklich finden. Er ist sicherlich gut gemeint und nicht vollends unerträglich, aber eben genau jene Sorte von Fanservice, Zitatekino und Nerdjerking, mit der ich einfach nichts anfangen kann, die ich grauenvoll unproduktiv finde. Besonders schlimm: Dieses Eighties-Nostalgiegedöns, bei dem man merkt, dass die Urheber die Achtziger auch nur aus komischen Retroshows kennen. SUMMER OF 84 ist der Nachfolger von TURBO KID und macht weiter mit dem Achtziger-Worshipping, auch wenn das hier stärker in den Hintergrund rückt und der Film diese Zeit nur als  (allerdings ziemlich willkürlich gewählten) Rahmen für seine Geschichte verwendet. SUMMER OF 84 ist besser und „reifer“ und auch so angelegt, aber diese Anlage offenbart nun auch endgültig, dass die Filmemacher nicht wirklich etwas zu sagen haben. Auch wenn man TURBO KID ätzend fand, konnte man ihm zugutehalten, dass er immerhin den nötigen Drive und auch einen gewissen Witz mitbrachte, wenn man diesen Humor auch nicht teilte. SUMMER OF 84 läuft zwar gut rein, er ist „funktionabel“, wenn man so will, aber am Ende bleibt einfach nichts übrig. Ein Film, der nicht in erster Linie über seine Schauwerte, Gags und Effekte funktioniert, sollte etwas zu sagen haben. SUMMER OF 84 ist ganz nettes Entertainment, aber er versagt auf dieser Ebene völlig. Er zeigt ziemlich deutlich, dass diese Art von Rückwärtsgewandtheit völlig leer und sinnlos ist, wenn man keine Haltung zu der Zeit und ihren kulturellen Artefakten findet, die man da referenziert.

Der Teenie Davey Armstrong (Graham Verchere) ist der festen Überzeugung, dass sein Nachbar, der Polizist Wayne Mackey (Rich Sommer), der Serienmörder ist, der seit einiger Zeit im County sein Unwesen treibt und es hauptsächlich auf Knaben wie Davey abgesehen hat. Mehrere Hinweise erhärten den Verdacht und so bringt Davey seine Kumpels dazu, auf eigene Faust zu „ermitteln“. Als ihr Detektivspiel auffliegt und Mackey nur wenig später einen Verdächtigen verhaftet, scheint der Fall erledigt. Aber Davey ist immer noch von der Schuld des Polizisten überzeugt.

Eine Prise STAND BY ME, etwas Stephen Kings „Es“ (oder auch die nur ein Jahr zuvor überaus erfolgreich gelaufene Verfilmung), schließlich deutliche Anleihen bei FRIGHT NIGHT, dessen Vampir durch einen ordinären Serienkiller ersetzt wird: So in etwa lässt sich SUMMER OF 84 zusammenfassen. Will man es positiv wenden, so kann man konstatieren, dass es dem Regisseursteam gelungen ist, einen Film zu inszenieren, der die Vorbilder sehr originalgetreu emuliert. Die heterogene Protagonistenschar – zu den Kumpels, die alle einen bestimmten Typus repräsentieren, gesellt sich auch noch die scharfe, etwas ältere Nikki (Tiera Skovbye) – wird mit einigen wenigen Pinselstrichen zum Leben erweckt, das unschuldige Detektivspiel gerät mehr und mehr außer Kontrolle, und hinter dem biederen Antlitz des Killers steckt natürlich die wachsende Erkenntnis, dass die behütete Kindheit bald zu Ende und die Welt da draußen voller Gefahren und unangenehmer Überraschungen ist. Das kennt man, das funktioniert, auch zum hundertsten Mal noch. Aber das ist es dann auch schon. Die als große Erkenntnis dargebotene Weisheit, dass sich hinter dem Nachbar ein kranker Mörder verbergen kann, ist wohl einer der abgedroschendsten Standards des Horror- und Serienmörderfilms und der Hinweis auf Ronny und seine Reaganomics ist wahrscheinlich gesetzlich vorgeschrieben, wenn man einen Film über die American Eighties drehen will. Ansonsten reduzieren sich die Referenzen auf Band-T-Shirts, Poster, Plattencover und Soundtrack sowie den ein oder anderen hingeworfenen Dialogsatz. SUMMER OF 84 könnte genauso gut in den Sechzigern, Siebzigern, den Neunzigern oder den Nullern spielen, der Zeitrahmen ist reiner Zierrat, dessen einzige Funktion darin besteht, die anvisierte Zielgruppe zu triggern. Gähn.

Es ist etwas undankbar, den Film zu kritisieren: Er macht eigentlich nichts falsch, aber das liegt eben auch nicht zuletzt daran, dass er absolut nichts Neues, Eigenes ausprobiert. SUMMER OF 84 ist das filmische Äquivalent zur Coverband. Unter Umständen ganz nett, musikalisch vielleicht sogar beeindruckend, aber eben doch nur ein Abklatsch des Echten.

 

Zuerst: Ich habe keinen einzigen Roman aus Lee Childs Reihe um den Titelhelden aus McQuarres Film gelesen, kann also wenig dazu sagen, inwiefern der Figur da Recht oder Unrecht widerfahren ist. Der Film hat mir ganz gut gefallen, aber er hat auch seine Probleme, die man auch ohne Kenntnis der literarischen Vorlage bemerkt.

Wie eigentlich immer, wenn eine beliebte Romanfigur den Weg auf die Leinwand findet, waren die Liebhaber auch im Falle von JACK REACHER damals enttäuscht. Die Besetzung mit Superstar Tom Cruise wurde durchaus kontrovers diskutiert, zumal mit ihm in der Haupt- und Titelrolle auch klar war, dass die Härten der Romane zugunsten der Massenverträglichkeit weichen mussten. Reacher ist ein mit allen Abwassern gewaschener Superprofi, Ex-Militärpolizist mit undurchsichtiger Vergangenheit, ein Loner, der, wenn er will, jahrelang von der Bildfläche verschwindet, Menschen mit einem gezielten Schlag zum Krüppel machen kann, zudem über das Denkvermögen eines avancierten Schachcomputers, ein fotografisches Gedächtnis und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt. Die Figur ist, wie man dieser Beschreibung entnehmen kann, ein echter Supermann, für den Cruise, dessen MISSION:IMPOSSIBLE-Held Ethan Hunt ähnlich übermachtig, aber deutlich comichafter angelegt ist, in vielerlei Hinsicht die Idealbesetzung darstellt. Es gibt wahrscheinlich niemanden, der eine solch übertriebene Figur auf der Leinwand glaubwürdig verkörpern kann, ohne dafür auf entwaffnende Selbstironie zurückgreifen zu müssen. Cruise ist selbst eigentlich kaum noch ein Mensch, sondern eine Entertainment-Maschine, die in ihrem eigenen Kosmos schwebt, bevor sie sich wie einst Zarathustra dazu herbalässt, wieder einmal zu den Sterblichen hinabzusteigen. Er ist wahrscheinlich der größte Actionstar der Welt, aber er hat sich diesen Ruf nicht unbedingt mit Filmen unbarmherziger Härte erkämpft, wie seine Kollegen. Für JACK REACHER ist das schon auch ein Problem, wenngleich nicht das größte.

Der Film, der auf dem Roman „Sniper“ basiert, beginnt mit dem Attentat eines Scharfschützen (Jai Courtney), der anscheinend wahllos fünf Passanten am Ufer des Ohio Rivers erschießt. Alle Beweise führen zu einem ehemaligen Scharfschützen aus dem Irak-Krieg, der aber keine Stellung zu seiner Involvierung nehmen will (der Zuschauer weiß, dass er es nicht war). Das einzige, was er sagt, ist ein Name: Jack Reacher. Der taucht wenig später in Pittsburgh auf: Er hatte den Verdächtigen, der in Bagdad mehrere US-Soldaten erschossen hatte, damals festgesetzt, musste dann aber mitansehen, wie er freigelassen wurde, weil seine Opfer ordentlich Dreck am Stecken hatten und das Militär keinen Staub aufwirbeln wollte. Nun hofft Reacher, den Mann endlich zur Strecke zu bringen, doch je mehr er sich mit dem Fall beschäftigt, umso mehr wachsen die Zweifel an seiner Schuld. Die Staatsanwältin Helen Rodin (Rosamund Pike) steht ihm bei seinen Ermittlungen zur Seite.

JACK REACHER profitiert zum einen von der immensen Coolness seines Stars, der die allumfassende Souveränität und Abgezocktheit Reachers glaubwürdig verkörpert, und dem Drehbuch McQuarries, der offensichtlich große Freude daran hat, ihm eine geeignete Plattform für seine Show zu liefern. Das Timing stimmt, die Dialoge sind pointiert und erinnern auch sehr schön an die Hard-Boiled-Tradition der Romanvorlage, der der Film in den mit angezogener Handbremse inszenieren Gewaltszene nicht immer gerecht wird. Ein paar mehr Härten hätten JACK REACHER nicht geschadet, wie er aller guten Ansätze zum Trotz und sehr im Kontrast zu seiner subject matter überhaupt etwas bieder und leblos geraten ist. Das zeigt sich etwa in der ausgedehnten Sequenz, in der uns alle Opfer des Amokschützen als unbescholtene Tugendbolzen präsentiert werden, samt pathetischem Musik- und Zeitlupeneinsatz, wenn sie dann noch einmal effektreich ins Gras beißen dürfen. Nach der sehr gelungenen Einführung – der Auftritt Reachers etwa ist wunderbar – wird der Film zusehends stromlinienförmiger, bis er nach viel zu langen zwei Stunden in sein austauschbares Finale mündet, bei dem mich die Hintergründe des Falls schon kaum noch interessierten. Schade ist es vor allem um Werner Herzog, der hier eine sehr schöne Darbietung als diabolischer Schurke abliefert, aber trotzdem wie ein zusätzlich aufgepfropftes Gimmick wirkt: Wie er sich in die verschwurbelte Geschichte einfügt, habe ich dann auch nicht so ganz geblickt.

Unterm Strich dennoch ein ganz hübscher Film, für mich als Cruise-Apologeten und Rosamund-Pike-Schwärmer sowieso, und für Freunde des Hard-Boiled-Thrillers auch. Ist doch schön, dass es solche ernsten Thriller ohne irgendwelchen Schnickschnack noch gibt. Das kann man, bei allen kleineren Fehlern, gar nicht ausreichend loben.

 

Douglas Trumbull war eine Legende und Institution, was die Entwicklung von visuellen Effekten anging, trug maßgeblich zum Erfolg solcher Meilensteine bei wie 2001: A SPACE ODYSSEY, THE BLADE RUNNER, CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND, THE ANDROMEDA STRAIN oder STAR TREK. Mit seinen Regiearbeiten hatte er weniger Glück: SILENT RUNNING heimste über die Jahrzehnte immerhin Kultstatus ein, nachdem er zunächst floppte, doch als auch sein gut zehn Jahre später entstandener BRAINSTORM sein Publikum verfehlte, war seine Karriere als Filmemacher mehr oder weniger beendet (da spielten allerdings noch andere Aspekte rein, ich komme später dazu). An Ambition mangelte es auch diesem Projekt nicht: Das von Trumbull erdachte Showscan-Verfahren, das sein Film etablieren sollte, scheiterte aufgrund seiner schwierigen Umsetzbarkeit, weil es eine Umrüstung aller Kinos erfordert hätte, die BRAINSTORM zeigen wollten. Die Idee hinter dem 60-Bilder-pro-Sekunde-Widescreen-Verfahren war visionär: Trumbull wollte die virtuellen Sinneserfahrungen, die seine Charakter im Film durchliefen für den Zuschauer nachfühlbar machen. In der finalen Version ist der Effekt vereinfacht, aber immer noch eindrucksvoll: Wann immer sich die Figuren in die virtuelle Realität begeben, wechselt das Format vom normalen 1,85:1 in das breite Cinemascope. Leider bleibt BRAINSTORM erzählerisch und dramaturgisch weit hinter seinen zukunftsweisenden technischen Ideen zurück.

Die Wissenschaftler Michael Brace (Christopher Walken) und Lillian Reynolds (Louise Fletcher) haben eine Apparatur erfunden, mit der die Sinneseindrücke, Gedanken, Erinnerungen und Emotionen von Menschen aufgezeichnet und mittels einer Applikatur auf Dritte übertragen werden können: Sie sind in der Lage zu schmecken, was der andere schmeckt, zu fühlen, was er fühlt, zu sehen was er sieht. Die Erfindung weckt die Begehrlichkeiten des Militärs und weil der Finanzier Alex Terson (Cliff Robertson) finanzielle Interessen nicht ganz ablegen kann, geht er einen Deal ein, mit dem er sowohl Brace als auch Reynolds verprellt. Doch die wollen sich ihr Projekt nicht einfach abnehmen lassen.

BRAINSTORM erfindet das Rad mit seiner Geschichte nicht neu, strickt sie ziemlich offenkundig um seine visuellen Effektequenzen, nimmt sie aber dennoch wichtiger, als sie es eigentlich verdient hat. Das Drehbuch bemüht sich, seinen Figuren Tiefe zu verleihen und schießt dabei hoffnungslos übers Ziel hinaus – vor allem die Eheprobleme von Michael und seiner Gattin Karen (Natalie Wood) werden gnadenlos breitgetreten, inklusive Rückblenden in ihre glückliche Datingzeit, aber auch das Miteinander der Wissenschaftler wird hier in einer Art und Weise porträtiert, die den Eindruck erweckt, es mit einem Wissenschafts- und Charakterdrama zu tun zu haben -, sodass am Ende für den eigentlichen Plot kaum noch Zeit bleibt. Der Showdown ist reiner Kintopp, mit Robotern, die sich auf Braces Geheiß gegen ihre Schöpfer verschwören und ein heilloses Chaos anrichten, das Happy End kann kaum verbergen, dass es eine reine Notlösung war: Natalie Wood kam unter bis heute dubiosen Umständen während der Dreharbeiten ums Leben und wurde von Trumbull zum Teil durch ein Stand-in ersetzt – gegen den Willen des Studios wohlgemerkt, das den Film am liebsten in einem Giftschrank hätte verschwinden lassen.

Es gibt viele gute Ansätze und ein paar nachhaltig im Gedächtnis bleibende Szenen in BRAINSTORM und wenn die „Trips“ visualisiert werden, ist das im Kino mitunter spektakulär (wenngleich der Film seinen Gimmick- und Showcase-Charakter nie ganz verbergen kann), aber im Großen und Ganzen ist er zerfahren, uneinheitlich und unausgewogen. Streckenweise habe ich mich königlich gelangweilt und wenn es dann endlich wieder zur Sache geht, ist alles viel zu schnell wieder vorbei. Das Finale ist nach dem langen Aufbau schlichtweg eine Enttäuschung, da können auch die guten Darsteller nichts retten, allen voran natürlich Walken, aber auch Fletcher und Robertson nicht. Kein „Brainstorm“ also, eher ein Hirnpups.

Naja, habe ich ihn jetzt auch mal gesehen.

 

Der Übergang von den Sechzigern- zu den Siebzigerjahren war in Hollywood eine komplizierte Phase. Hat sich auch die Geschichte vom Siegeszug des New Hollywoods etabliert, das die alten Studiobosse mit neuen Ideen und Konzepten auf ihren Stühlen kräftig durchschüttelte und schließlich stürzte, sieht die Wahrheit wie immer etwas weniger romantisch aus. Neben den auch heute noch kultisch verehrten Werken von jungen Gipfelstürmern wie Friedkin, Ashby, Rafelson, Beatty, Hopper oder Altman sowie den ganz neue Aufmerksamkeit erlangenden Veteranen und Mavericks wie Siegel, Peckinpah oder Penn (um mal nur ein paar zu nennen, die mir spontan einfallen), gab es da nämlich nach wie vor die willigen, routinierten Handwerker, die auf Geheiß greiser Produzenten so weitermachten als sei nichts passiert. Abenteuer- und Katastrophenfilme, Romanzen oder Western aus jener Phase sehen heute besonders altbacken aus, nicht zuletzt, weil sie meist mit Stars aufwarteten, die nun neben den neuen Gesichtern noch mehr wie Relikte aus einer vergangenen Zeit wirkten.

CANDY ist ein solcher Film, ohne Zweifel gut gemeint, aber auch hoffnungslos hin- und hergerissen zwischen falsch oder nur halb verstandenden Ideen der damals an Boden gewinnenden Gegenkultur sowie der männlich geprägten Macht- und Machokultur, die Hollywood immer noch dominierte. Betrachtet man den Film – Christian Marquands letzte Regiearbeit, die überhaupt nur zustande kam, weil er Marlon Brando gewinnen konnte und plötzlich alles, was Rang und Namen hatte, sich zur Mitarbeit bereit erklärte -, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass eine Menge Drogen im Spiel waren. Wahrscheinlich schon in den späten Fünfzigerjahren, als Terry Southern den zugrunde liegenden Roman zusammen mit Mason Hoffenberg in Greenwich Village und in Frankreich verfasste, später dann bei der Adaption durch Buck Henry und vermutlich auch beim Dreh, denn anders ist dieses Tohuwabohu kaum zu erklären, das von der deutschen Synchro auch noch eine dem Zeitgeist entsprechende derbe Spaßsynchro verpasst bekam, die den Film endgültig aus dem Ruder laufen lässt.

CANDY verfolgt das titelgebende kulleräugige, puppenhaft-naive Schulmädchen (Ewa Aulin) durch eine Reihe von Vignetten, die durch eine Art losen Roadmovie- und Coming-of-Age-Plot verbunden sind: Vom exzentrischen alkoholabhängigen Dichter McPhisto (Richard Burton) wird das junge sexuell unerfahrene Mädchen verführt und schließlich vom mexikanischen Gärtner der Familie (Ringo Starr) entjungfert, was das konservative Elternhaus um den Vater (John Astin) in eine existenzielle Krise stürzt. Das Mädchen soll zu Verwandten ausgerechnet nach New York geschickt werden, um sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, doch auf dem Weg zum Flughafen tauchen drei motorradfahrenden Hexen auf (darunter Florinda Bolkan), die Schwestern des gefeuerten Gärtners, und es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd, die an Bord eines Flugzeugs der amerikanischen Luftwaffe endet. An Bord verliert General Smight (Walter Matthau), der Anführer der Spezialeinheit, die seit sechs Jahren in Wartestellung durch die Luft kreist und nur zum Tanken oder zum Einholen von Proviant landen darf, beim Anblick der jungen Schönen die Beherrschung. Beim folgenden Handgemenge wird Candys Vater schwer verletzt und nach der Notlandung vom Starchirurgen Dr. Krankeit (James Coburn) operiert. Auch der kann seine Libido nicht im Zaum halten. So geht der Film weiter: Weitere Episödchen drehen sich um einen durchgeknallten Regisseur (Enrico Maria Salerno), dessen Film „Gumbo“ zwei Stunden lang Aufnahmen von Suppen aneinanderreiht, einen buckligen Vagabunden (Charles Aznavour), der an Wänden hochlaufen kann, sowie schließlich um einen Guru (Marlon Brando), dessen Ashram sich im Anhänger eines Lkw befindet und der es mit der gepredigten Askese selbst nicht so ernst nimmt.

Alle diese Geschichten laufen darauf hinaus, dass die Männer diverse Vorwände suchen, das Mädchen ins Bett zu zerren, und dank ihrer Sorglosigkeit damit auch meist erfolgreich sind. Es handelt sich bei den Kerlen fast ausnahmslos um Autoritätsfiguren, die ihre Stellung missbrauchen, um sich in das Höschen der jungen Schönen zu mogeln. Das soll satirisch gemeint sein und ist mitunter auch ziemlich amüsant, da die Superstars sich mit Verve in die ihnen auf den Leib geschriebenen Karikaturen hineinwerfen. Allerdings stellen sich in der zweiten Hälfte doch auch einige Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen ein: Zum einen grenzt das atemlose Tempo des Films an Hysterie, sind alle Figuren so gnadenlos überzeichnet, dass man sich manchmal eine Pause wünscht, zum anderen hat CANDY kein echtes Ziel. Und so stellt sich das Gefühl ein, dass auch diese latente geäußerte Kritik an geilen Männern, die ihre Macht missbrauchen, nur Vorwand für eine wüste Sexkomödie ist, zumal jede sich bietende Gelegenheit genutzt wird, die Reize seiner Hauptdarstellerin ins rechte Licht zu rücken. Man könnte sagen, dass der vordergründig mit jeder Menge Hippie-, Psychedelia- und Gegenkultur-Schnickschnack vollgestopfte Film eigentlich eine Altherrenfantasie bedient – und dabei ziemlich spießig ist. Das spiegelt auch die deutsche Synchro wider, die einerseits Juwelen wie „Ich bin Sozialwissenschaftler, kein Humanist!“ aus dem Hut zaubert, dann aber eher an den Ton von Herrenwitzen erinnert.

Sehr kurios ist auch die deutsche Fassung, die sowohl um die von Douglas Trumbull gefertigte Anfangssequenz erleichtert wurde, als auch das eigentliche Ende an den Anfang verfrachtete und so jede noch in Spurenelementen enthaltene aufklärerische Message ad absurdum führt. Interessant ist der Film trotzdem: Er ist ein schönes Beispiel dafür, wie zur damaligen Zeit auch unter dem strengen Studioregime und der Mitwirkung seriöser Superstars völlig außer Kontrolle geratener Blödsinn entstehen konnte. Das gibt es zwar auch heute dann und wann noch – siehe zuletzt CATS -, aber die Wildheit, Geschmacksverwirrtung und rasende Bizarrie eines CANDY sucht man heute weitestgehend vergebens.

Vor zwei Jahren feierte MANIA, der letzte Film der Nürnberger Hobbyfilmer von Postmortem Productions seine ausverkaufte Weltpremiere beim Morbid Movies. Das damalige Werk hätte inhaltlich eigentlich besser in den Rahmen des 1. Hieb- und Stichfestes gepasst als ZOMBI RITUAL, der neueste Streich des Teams, aber der aus allen Nähten platzende Saal des KommKinos und die enthusiastischen Reaktionen des Publikums auf den Film ließen keinen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, auch das neueste Opus wieder ins Programm aufzunehmen. ZOMBI RITUAL ist – im Rahmen der Möglichkeiten natürlich – deutlich ambitionierter als der Vorgänger (was sich nicht zuletzt in der längeren Spielzeit niederschlägt), die Effekte sind aufwändiger, die Gags elaborierter. Im Kern funktioniert auch dieser Film aber vor allem deshalb, weil all jene Stärken, die schon den Vorgänger so liebenswert machten, bewahrt wurden.

Die Story dreht sich um ein heidnisches Ritual, mit dem die Toten zum Leben erweckt werden, um ein rätselhaftes Found-Footage-Video, das den Helden des Films zugespielt wird, und am Ende sogar um eine gemeine Erbschwindelei. Letztlich ist sie aber vor allem der Anlass für lustige Schpläddereien Marke Eigenbau, die mit viel Witz, Selbstironie und natürlich der Verneigung vor den beliebten Videoklassikern verbunden werden.

Ich schrieb es damals schon: Gerade der Horror-Amateurfilm krankt oft daran, dass Anspruch und Realität meilenweit auseinanderklaffen und sich der Spaß, den die in den Dreh Involvierten zweifellos hatten, nicht zwangsläufig auch auf Außenstehende überträgt. Die Jungs hinter ZOMBI RITUAL kennen ihre Grenzen aber ganz genau und statt sie notdürftig zu kaschieren, werden sie einfach mitinszeniert. Die Mitwirkenden sind keine echten Schauspieler, sondern einfach nur enthusiastische Kumpels? Kein Problem, wenn man sie einfach so quatschen lässt, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und ihnen keine literarisch wertvollen Dialogzeilen unterjubelt. So zieht ZOMBI RITUAL seine größten Lacher auch aus der furztrockenen fränkischen Art, mit denen die Publikumslieblinge Roland „Ripper“ Kreißl und Benjamin Herr das absurde Gemetzel quittieren. Was wiederum nicht hieße, dass nicht auch die gescripteten Gags zünden: Sehr schön etwa, wenn die großspurige Behauptung, hinter der unscheinbaren Fassade eines Reihenhauses verberge sich eine Kultstätte der Templer, auch von den Charakteren des Films entsprechend ungläubig quittiert wird. Richtig gut gelungen ist auch der atmosphärische Prolog, der das titelgebende Ritual in ferner mittelalterlicher Vergangenheit zeigt: Ganz ohne Dialoge, nur untermalt vom tollen Score von Sabrina Teleki, entfaltet die Sequenz zum Ende hin tatsächlich eine blasphemische Intensität, die auch den Blackdeathern von Goath, die als Höllenpriester fungieren, gut gemundet haben dürfte. Vielleicht zeigt sich hier sogar ein Weg für die Zukunft der Filmemacher, weg vom Funsplatter und hin zu einer ernsteren, düstereren Spielart des regionalen Low-Budget-Horrors. Ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt, wohin die Reise gehen wird und freue mich auf die Weltpremiere in ca. zwei Jahren.

Weitere Informationen und Trailer zum Film sowie die Möglichkeit, BRs, DVDs oder CDs zu bestellen, bietet die Website von Postmortem Productions. Support your local Horrorfilmmakers!

Gemessen an der Weltgeschichte währte die FWOGSF (die First Wave of German Slasher Films) nur Sekundenbruchteile – und auch, wenn man ein durchschnittliches Menschenleben als Maßstab nimmt, nicht allzu lang. Die meisten werden es schon lang vergessen haben, dass es da mal den überaus erfolgreichen ANATOMIE gab, dem gar ein Sequel und eben FLASHBACK folgten. Wenig später war der Spuk dann auch schon wieder vorbei, der deutsche Kinogänger wendete sich wieder seinem Lieblingsgenre, der Komödie, zu und ließ den deutschen Horrorfilm traurig zurück wie einen kurzen Urlaubsflirt.

Auch wenn FLASHBACK also keine spürbaren Folgen in der deutschen Filmlandschaft hinterließ, ist er doch ein überaus charmantes Wurmloch, durch das man in eine Zeit zurückreisen kann, in der die GZSZ-Riege sich anschickte zu Stars zu werden (was dann doch nicht klappte), man seine überdimensionierten Handys in Plüschtäschchen steckte und sich fragte, wie man die vollgequatschte Mailbox leert und ein Werbeslogan wie „Da werden sie geholfen“ zum Kulturgut gehörte. Und das tollste: FLASHBACK beweist auch sonst, dass da durchaus was gegangen wär mit dem deutschen Slasherfilm, wenn man ihm die Möglichkeit der Entfaltung gegeben hätte.

Die Story basiert auf einem Drehbuch der Hammer-Ikone Jimmy Sangster, hinter der Kamera stand mit Peter Krause ein Mann, der als Camera Operator immerhin Roland Emmerich während seiner ersten zehn Hollywood-Jahre begleitet hatte, und Regisseur Michael Karen – der heute wie so viele einstige deutsche Regietalente sein Dasein mit traurig-seichten TV-Filmen und -Serien fristet – inszeniert sowohl die spannenden und horriblen als auch die komischen Momente kompetent und stilsicher. Der Film nimmt sich nicht allzu ernst, aber er ist dann doch relativ zupackend und mit einigen Geschmacklosigkeiten versehen, die man so nicht unbedingt erwarten durfte. Die Story ist genretypisch unglaubwürdig, der Twist überkonstruiert, aber dann immerhin schön böse. Die Besetzung mit Soap-Opera-Stars verleiht dem munteren Treiben eine zusätzlichen Charme, entsprechen sie doch nahezu perfekt dem Typus der eindimensionalen Teenies, die man mit dem Slasherfilm gemeinhin assoziiert – mit der Ausnahme, dass sie hier allesamt züchtig verhüllt bleiben. Dazu ein kleiner Geniestreich wie die Besetzung der strengen Haushälterin „Frau Lust“ mit der deutschen Legende Elke Sommer und die blutigen Effekte, fertig ist ein Werk, das – und das kann man ja nun nicht allzu oft über deutsche Genrefilme sagen – richtig Spaß macht.

 

THE PROWLER ist wahrscheinlich mein absoluter Lieblings-Slasherfilm, aber bisher habe ich über ihn „nur“ für ein Buch geschrieben, nämlich für Lukas Foersters und Nikolaus Perneczkys „The Real Eighties“ (das ich hier noch einmal wärmstens empfehlen möchte). Zitos Slasher der ersten Stunde – er erschien ca. ein Jahr, nachdem der Stein mit FRIDAY THE 13TH ins Rollen gekommen war – hat mit den im Laufe der Jahre zunehmend alberner und auch harmloser werdenden Slasherfilmen , die bis in die frühen Neunzigerjahre in großer Zahl erst in die Kinosäle und dann in die Videotheken gespült wurden, formal wenig zu tun: Er erinnert auch dank der sensationellen Effekte von Tom Savini, der hier meiner Meinung nach auf dem Gipfel seiner Kunst war, aber auch aufgrund seiner düsteren Atmosphäre noch stärker an Titel wie MANIAC oder auch MOTHER’S DAY, denen es nicht in erster Linie darum ging, Teenies die Untermalung fürs trockene Gefummel zu liefern, sondern die tatsächlich noch verstörten und Grenzen überschritten.

Die Prämisse des Films ist mit dem Prolog, der mit einer Rückblende auf den Ursprung der Mordserie weit in der Vergangenheit verweist, um die es dann während des Hauptteils geht, sehr traditionell, aber THE PROWLER hält sich danach nicht lang mit dem üblichen Ringelpiez auf, sondern geht schnell und mit zupackender Härte zur Sache. Im Vordergrund stehen der Thrill, ein paar milde Nuditäten und die schon erwähnten Gore-Exzesse von Effektpast Savini, aber der Blick auf die Details der Handlung lohnt sich durchaus. Zito erzählt in THE PROWLER nämlich von einer Art Generationenkonflikt: Nicht nur der Mörder, ein Weltkriegsveteran, laboriert sichtbar an den Spätfolgen und Begleiterscheinungen des Krieges, der Film bietet noch weitere Alte auf, die mit den Jugendlichen nicht allzu viel gemein haben oder auch nur normal mit ihnen kommunizieren würden. Major Chatham (Lawrence Tierney in einer wortlosen Rolle) sitzt in seinem Rollstuhl und glotzt den lieben langen Tag aus dem Fenster, möglicherweise, um einen Blick auf die jungen Mädchen zu erhaschen, die im gegenüberliegenden Wohnheim leben. Einmal hält er die vor dem Killer flüchtende Protagonistin Pam (Vicky Dawson) mit seiner schwarz behandschuhten Hand auf, ohne auch nur den geringsten Grund anzugeben. Der Hausmeister legt voyeuristische Züge an den Tag, hält zweimal als potenzieller Verdächtiger her, entpuppt sich am Ende aber als Retter in der Not.

Kleines Kuriosum am Rande: Der Film erschien in Deutschland unter dem Titel DIE FORKE DES TODES mit einer fuchterregenden Sub-Pornosynchro des Labels Westside Video, die ihn in dieser Fassung unanschaubar machte. Selbst Soundeffekte waren darin auf billigste Art und Weise nachsynchronisiert worden. Mit der Beschlagnahmung im Jahr 1989 wurden die Zuschauer von dieser Verhunzung erlöst. Allerdings existiert eine sehr hochklassige deutsche Vertonung des Films, die hierzulande aber nie zum Einsatz kam. In einem Zustand geistiger Umnachtung hatte Tele 5 den Film nicht nur gekauft, sondern ihm dann – ein nachvollziehbarer Gedanke – eine komplette neue Synchro verpasst, offensichtlich ohne zu Wissen, dass sie den Film nicht würden ausstrahlen können. Die Synchro gelangte dann auf mysteriösen Irrwegen nach Australien, wo sie auf einer DVD des Films verewigt wurde, und von da dann wieder ins Netz. Wer suchet, der findet!

Ein Teil des anhaltenden Ruhms von Abel Ferraras Regiedebüt geht auf die Tatsache zurück, dass er in Großbritannien als besonders prominenter „Video Nasty“ beschlagnahmt wurde und den sogenannten „Video Recordings Act 1984“ nach sich zog, eine Regelung, die besagt, dass alle für den Handel gedachten Videotapes mit einer Altersfreigabe versehen werden müssen. Wie so oft, hatten die selbsternannten Moralapostel den Film gar nicht gesehen: Es war der Legende nach eine reißerische ganzseitige Werbeanzeige, die Ferraras Debüt die leider ungewollte Aufmerksamkeit einbrachte. Ganz sicher traf Ferrara mit THE DRILLER KILLER einen Nerv. Und noch sicherer hätten sich die aufgebrachten Jugendschützer auch vom Verbot auch nicht abhalten lassen, wenn sie ihn sich angeschaut hätten, denn eins ist mal sicher: Auch wenn die Bohrmaschinen-Morde mit den Effekten eines Savini oder De Rossi nicht mithalten können, THE DRILLER KILLER den durchschnittlichen Gorebauern und Gewaltfanatiker mit seinen Redundanzen eher anöden dürfte, verfügt der Film doch über eine reichlich deprimierende, schmutzige und desillusionierende Atmosphäre, die ausreichend ist, um schlichtere oder zartbesaitete Gemüter in Unruhe zu versetzen.

Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Reno (Abel Ferrara) ist ein heruntergekommener, mittelloser Maler, der verzweifelt versucht, ein Bild fertigzustellen, um an Bargeld zu kommen, mit dem er seine sich türmenden Schulden bezahlen kann. Während er arbeitet, stört ihn eine Band, die im Nebenhaus probt. Alle Versuche, sich gegen den Lärm zur Wehr zu setzen, scheitern. Dies und die ihn umgebende New Yorker Trostlosigkeit bringt ihn schließlich dazu, nachts mit einer Bohrmaschine loszuziehen und Obdachlose umzubringen.

Ferrara drehte mit THE DRILLER KILLER so etwas wie die Punkversion von Joel Schumachers Amoklauf-Film FALLING DOWN. Statt eines fleißigen amerikanischen Büroarbeiters mit Kuli in der Hemdtasche gibt es hier einen abgerissenen Maler, anstelle einer aufgesetzten, dabei ins Reaktionäre abgleitenden Gesellschaftskritik den Blick auf eine Stadt kurz vor der Implosion, statt „gerechter“ Angriffe auf unhöfliche Immigranten, brutale Gangmitglieder, Skinheads oder unflexible Serviceangestelle richtet sich Renos Verzweiflung gegen die größten Verlierer überhaupt. Ferrara macht keine „Aussage“ und er folgt auch keiner Agenda; ganz sicher hat er eine Meinung und wenn man sich THE DRILLER KILLER anschaut, kommt man auch relativ schnell dahinter, wie die aussieht, aber sein Film liefert zunächst mal ein Stimmungsbild. Und was man da zu sehen bekommt, ist nicht gerade anheimelnd. THE DRILLER KILLER erstickt nicht nur im Dreck, seine Charaktere stehen dem allgemeinen Verfall der Welt um sie herum auch absolut gleichgültig gegenüber, ja befördern ihn mit dieser Haltung noch. Es gibt keinerlei Vorwärtsbewegung in Ferraras Films. Dramaturgisch tritt er bewusst auf der Stelle, die langen Szenen, aus denen er besteht, erzählen nichts, es ist die Anhäufung der immergleichen sinnlosen Dialoge und idiotischen Tätigkeiten, in denen sich Ferraras Haltung widerspiegelt. Renos Bilder sind durchaus kunstvoll, er scheint nicht gänzlich unbegabt, aber er selbst ist kaum mehr als ein dumpfer Hänger, ohne jedes Ziel oder echten Antrieb. Mit den „Roosters“, der Band, die ihn in den Wahnsinn treibt, verhält es sich eher anders herum: Ihre Musik ist ein Rockmusik-Albtraum, der akustisch eindrucksvoll darlegt, warum Drogen, Egozentrik und mittelprächtiges Talent eine gefährliche Mischung darstellen, aber sie sind wenigstens überzeugt von dem, was sie da tun (kann sein, das Fans von Bands wie Velvet Underground eine andere Meinung zum Sound der Roosters haben, aber ich finde ja auch, dass die Velvets nahezu unanhörbar sind).

Mitunter ist THE DRILLER KILLER aber durchaus komisch. Da gibt es diese (vermutlich improvisierte) Szene, in der zwei Typen an der Bushaltestellen von einem Penner belästigt werden, der sich offensichtlich für einen Komiker hält. Auch wie Renos Kunstagent sein großes Werk am Ende verreißt, davon redet, dass da „keine Energie“ zu sehen sei, einfach nur Scheiße, und wie Reno dazu dreinschaut, entbehrt nicht einer gewissen Komik, auch wenn dem Protagonisten eher nicht zum Lachen zumute ist. Und dann natürlich das romantische Dinner auf dem verwanzten Teppich in Renos Behausung, mit einer fetttriefenden Pizza aus der Hölle, deren Einnahme mit Schmatz- und Kaugeräuschen unterlegt ist, die auch gut in Fulcis Zombiefilme gepasst hätten. THE DRILLER KILLER ist nicht unbedingt aufregend, aber als Mood Piece für Leute mit New-York- und Underground-Fetisch funktioniert er auch heute noch ausgezeichnet.