Ein Teil des anhaltenden Ruhms von Abel Ferraras Regiedebüt geht auf die Tatsache zurück, dass er in Großbritannien als besonders prominenter „Video Nasty“ beschlagnahmt wurde und den sogenannten „Video Recordings Act 1984“ nach sich zog, eine Regelung, die besagt, dass alle für den Handel gedachten Videotapes mit einer Altersfreigabe versehen werden müssen. Wie so oft, hatten die selbsternannten Moralapostel den Film gar nicht gesehen: Es war der Legende nach eine reißerische ganzseitige Werbeanzeige, die Ferraras Debüt die leider ungewollte Aufmerksamkeit einbrachte. Ganz sicher traf Ferrara mit THE DRILLER KILLER einen Nerv. Und noch sicherer hätten sich die aufgebrachten Jugendschützer auch vom Verbot auch nicht abhalten lassen, wenn sie ihn sich angeschaut hätten, denn eins ist mal sicher: Auch wenn die Bohrmaschinen-Morde mit den Effekten eines Savini oder De Rossi nicht mithalten können, THE DRILLER KILLER den durchschnittlichen Gorebauern und Gewaltfanatiker mit seinen Redundanzen eher anöden dürfte, verfügt der Film doch über eine reichlich deprimierende, schmutzige und desillusionierende Atmosphäre, die ausreichend ist, um schlichtere oder zartbesaitete Gemüter in Unruhe zu versetzen.
Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Reno (Abel Ferrara) ist ein heruntergekommener, mittelloser Maler, der verzweifelt versucht, ein Bild fertigzustellen, um an Bargeld zu kommen, mit dem er seine sich türmenden Schulden bezahlen kann. Während er arbeitet, stört ihn eine Band, die im Nebenhaus probt. Alle Versuche, sich gegen den Lärm zur Wehr zu setzen, scheitern. Dies und die ihn umgebende New Yorker Trostlosigkeit bringt ihn schließlich dazu, nachts mit einer Bohrmaschine loszuziehen und Obdachlose umzubringen.
Ferrara drehte mit THE DRILLER KILLER so etwas wie die Punkversion von Joel Schumachers Amoklauf-Film FALLING DOWN. Statt eines fleißigen amerikanischen Büroarbeiters mit Kuli in der Hemdtasche gibt es hier einen abgerissenen Maler, anstelle einer aufgesetzten, dabei ins Reaktionäre abgleitenden Gesellschaftskritik den Blick auf eine Stadt kurz vor der Implosion, statt „gerechter“ Angriffe auf unhöfliche Immigranten, brutale Gangmitglieder, Skinheads oder unflexible Serviceangestelle richtet sich Renos Verzweiflung gegen die größten Verlierer überhaupt. Ferrara macht keine „Aussage“ und er folgt auch keiner Agenda; ganz sicher hat er eine Meinung und wenn man sich THE DRILLER KILLER anschaut, kommt man auch relativ schnell dahinter, wie die aussieht, aber sein Film liefert zunächst mal ein Stimmungsbild. Und was man da zu sehen bekommt, ist nicht gerade anheimelnd. THE DRILLER KILLER erstickt nicht nur im Dreck, seine Charaktere stehen dem allgemeinen Verfall der Welt um sie herum auch absolut gleichgültig gegenüber, ja befördern ihn mit dieser Haltung noch. Es gibt keinerlei Vorwärtsbewegung in Ferraras Films. Dramaturgisch tritt er bewusst auf der Stelle, die langen Szenen, aus denen er besteht, erzählen nichts, es ist die Anhäufung der immergleichen sinnlosen Dialoge und idiotischen Tätigkeiten, in denen sich Ferraras Haltung widerspiegelt. Renos Bilder sind durchaus kunstvoll, er scheint nicht gänzlich unbegabt, aber er selbst ist kaum mehr als ein dumpfer Hänger, ohne jedes Ziel oder echten Antrieb. Mit den „Roosters“, der Band, die ihn in den Wahnsinn treibt, verhält es sich eher anders herum: Ihre Musik ist ein Rockmusik-Albtraum, der akustisch eindrucksvoll darlegt, warum Drogen, Egozentrik und mittelprächtiges Talent eine gefährliche Mischung darstellen, aber sie sind wenigstens überzeugt von dem, was sie da tun (kann sein, das Fans von Bands wie Velvet Underground eine andere Meinung zum Sound der Roosters haben, aber ich finde ja auch, dass die Velvets nahezu unanhörbar sind).
Mitunter ist THE DRILLER KILLER aber durchaus komisch. Da gibt es diese (vermutlich improvisierte) Szene, in der zwei Typen an der Bushaltestellen von einem Penner belästigt werden, der sich offensichtlich für einen Komiker hält. Auch wie Renos Kunstagent sein großes Werk am Ende verreißt, davon redet, dass da „keine Energie“ zu sehen sei, einfach nur Scheiße, und wie Reno dazu dreinschaut, entbehrt nicht einer gewissen Komik, auch wenn dem Protagonisten eher nicht zum Lachen zumute ist. Und dann natürlich das romantische Dinner auf dem verwanzten Teppich in Renos Behausung, mit einer fetttriefenden Pizza aus der Hölle, deren Einnahme mit Schmatz- und Kaugeräuschen unterlegt ist, die auch gut in Fulcis Zombiefilme gepasst hätten. THE DRILLER KILLER ist nicht unbedingt aufregend, aber als Mood Piece für Leute mit New-York- und Underground-Fetisch funktioniert er auch heute noch ausgezeichnet.
Ich muss ja zugeben, ich hab diesen New-York-Fetisch und liebe DRILLER KILLER. Gerade das Verhältnis von Reno zur Band ist ja eines der Kernelemente des Films, der sich dazu ausnimmt wie das filmische Gegenstück zu dem No-Wave, den sie spielen: Während die Band sichtbar Erfolg hat und tatsächlich auch hörbar besser wird (außerdem zieht Pamela rüber zur Band; sie war ja im real life die Freundin des Sängers D.A. Metrov, der eigentlich die Hauptrolle spielen sollte und auch seine Wohnung, im Film Renos, für den Dreh zur Verfügung stellte), befindet er sich auf dem absteigenden Ast und gibt ihnen die Schuld daran.