Archiv für Oktober, 2020

the fanatic (fred durst, usa 2019)

Veröffentlicht: Oktober 8, 2020 in Film

Schon sein Name lässt auf einen Trottel schließen: Damit aber gar kein Zweifel aufkommt, trägt der alterslose Moose (John Travolta) auch noch eine grauenhafte Frisur (kahl rasierte Seiten, Topfschnitt-Pony und Nackenspoiler), einen Rucksack, gruselige Hemden und Shorts. Sein hoppelnder Gang mit den schlaff hängenden Armen und der leiernde Duktus erinnern zudem an einen schüchternen 14-Jährigen, der von gleichaltrigen Jungs regelmäßig verprügelt und von den Mädchen ausgelacht wurde. Wie Moose eigentlich sein Geld verdient, bleibt unklar, denn hauptberuflich ist er Filmfan. Lediglich nachts agiert er als hilfloser Kleinkünstler auf dem Hollywood-Boulevard, aber auch dabei wird ihm vom prolligen Abzocker Todd (Jacob Grodnik) die Show gestohlen. Der Großteil von Moose‘ Zeit geht dafür drauf, Memorabilia im Comicladen zu kaufen, Autogramme zu sammeln und seinem großen Idol, dem zweitklassigen Actionstar Hunter Dunbar (Devon Sawa), nachzustellen. Als seine Zuneigung nicht auf Erwiderung des Schauspielers trifft, knallt bei dem Loser auch noch die letzte Sicherung raus.

Travolta hat sich im Laufe seiner wechselhaften Karriere mehrmals aus den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen, aber bis ein großer Regisseur ihm irgendwann noch einmal einen saftigen Bit Part gibt – so wie es Tarantino damals bereits einmal mit PULP FICTION tat und uns wieder an den einstigen SATURDAY NIGHT FEVER-Star erinnerte -, sieht es so aus, als sei das ehemalige Sexsymbol dazu verdammt, in schäbigen DTV-Vehikeln den Aushilfs-Seagal zu geben oder fragwürdigen Filmen wie THE FANATIC zu unverdienter Aufmerksamkeit zu verhelfen. Der zweite Spielfilm des ehemaligen Limp-Bizkit-Fronthampels beschreitet thematisch kein Neuland, sondern erzählt – wie zuvor etwa Scorsese in THE KING OF COMEDY, Tony Scott in THE FAN, Rob Reiner in der King-Verfilmung MISERY oder natürlich Eckhart Schmidt in DER FAN – vom fehlgeleiteten Fan, der seinem Idol zu nahe kommt und ihn mit seiner unerwiderten Liebe zu vernichten droht. Was THE FANATIC von den genannten Beiträgen unterscheidet, ist die unverhohlene Verachtung seines prominenten Urhebers für den „Fan“, der in seiner Zeichnung mehr als einmal an rassistische Karikaturen erinnert: Es reicht nicht, dass Moose offenkundig geistig zurückgeblieben ist, er muss auch so aussehen und zusätzlich einige weitere besonders abstoßende Verhaltensweisen an den Tag legen. Diese Strategie wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf den „Künstler“ Fred Durst, für den Fans offensichtlich das allerletzte Geschmeiß sind, es unterminiert auch jede innere Spannung, die der Film vielleicht aufbauen könnte, raubt ihm dazu die Glaubwürdigkeit und lässt das Finale als billige Rachefantasie eines Halbstarken erscheinen, der im größten Hit seiner nach einem erschlafften Pillermann benannten Combo einst lautstark sang, dass er „alles fürs Bumsen“ tat. (Sollten Dursts Fans besonders lästig und unangenehm gewesen sein, sollte er sich vielleicht an die eigene Nase fassen: Was hat er bei dieser Scheißmusik denn anderes erwartet?)

Damit Moose überhaupt ins Haus des Actionstars gelangen kann, erfindet Dursts Drehbuch (auch das noch!) die knuddelig-brave Paparazzi-Fotografin Leah (Ana Goljah), die aus unerfindlichen Gründen mit Moose befreundet ist und ihre eigene zweifelhafte Karriere damit aufs Spiel setzt, dass sie ihn bei seiner Jagd auf die Stars unterstützt (zu Beginn verschafft sie ihm Eintritt in eine exklusive Bar, in der sie arbeitet). Und auf seine Frage, wie man herausfindet, wo die Stars wohnen, führt sie ihm arglos eine entsprechende App vor, die sie selbst benutzt – und ist dann wenig später erschüttert darüber, dass er sie TATSÄCHLICH dazu verwendet hat, um bei Dunbar einzubrechen. Sie hätte sie ihm ja „nur so“ gezeigt, nicht, damit er sie benutzt. D’uh. Man muss sich über Dursts Menschenbild wundern: Es gibt keine einzige sympathische oder auch nur nachvollziehbar agierende Figur im ganzen Film, jeder hat Dreck am Stecken, ist egoistisch und kaltherzig: Dunbar versetzt seine Ex-Frau und seinen Sohn für eine Autogrammstunde, treibt es mit seiner mexikanischen Haushälterin und hasst seine Fans. Seine Ex-Frau macht ihm eine Riesenszene und holt ihn aus einem bestehenden Engagement, weil er einen Termin hat platzen lassen. Der Straßenkünstler Todd ist ein Bully, der die Menschen um sich herum ausnutzt oder quält, wenn er sie für unterlegen hält. Doch halt, da gibt es doch einen netten Menschen: einen alten Afroamerikaner, der auf Moose‘ Seite steht und eine öffentliche Toilette am Hollywood Boulevard reinigt – leider hatte Morgan Freeman keine Zeit. Was mich wieder zu Travolta führt, der offensichtlich immer noch viel zu viel Zeit hat, obwohl im Monatsrhythmus ein neuer Film von ihm erscheint, von dem man sich wünscht, er wäre lieber nicht entstanden. Seine schauspielerische Leistung ist beachtlich, aber in welchen Dienst stellt er sich hier? Er wirft sich in diesen Schrott, als ginge es darum, einen Oscar zu ergattern, und vergeudet seine Kraft an eine Figur und einen Film, die keinerlei positive Energie verbreiten, nur Hass, Verachtung, Spott, Ekel und Häme. Man nimmt nichts mit aus diesem Film, gewinnt keine Erkenntnis über Fankultur, die Beziehung zwischen Idolen und ihren Anhängern, die Promikultur, das Geschäft mit den Träumen oder auch nur über die Leidenschaft Moose‘. Immerhin weiß man am Ende, dass Durst als Filmemacher genauso unterbelichtet ist wie als Musiker. (Größter Cringe-Moment des Films: Als Hunter in seiner Karre einen Lima-Bizkit-Song anschmeißt und seinem Sohn erzählt, dass das sein shit in den Nineties gewesen sei. Yikes.)

In einer Szene referenziert Filmbuff Moose William Lustigs MANIAC, einen Film, von dem sich Durst offensichtlich beeinflusst sah, als er THE FANATIC erdachte (siehe auch die Rolle von Moose‘ Appartement und seine Freundschaft zu einer Frau). Der selbstbewusste Vergleich gereicht THE FANATIC natürlich nicht zum Vorteil: Ja, Travolta agiert ähnlich aufopferungsvoll wie Joe Spinell und niemand würde behaupten, dass MANIAC ein ausgesprochen positiver Film wäre, aber Lustig ließ seinem Titelhelden die Würde, zeigte dessen Gebrochenheit und vermittelte dem Zuschauer eine Ahnung von den Ursachen seines Wahns. Alles, woran Durst interessiert ist, ist die Bloßstellung eines lächerlichen Freaks. Ätzend.

CONVOI DE FEMMES darf sich ans Revers heften, unter den vielen Schundfilmen, die ich in meinem Leben gesehen habe, nur noch von DIE SEX-SPELUNKE VON BANGKOK übertroffen zu werden, wenn es um schiere schäbige Niedertracht und die Anzahl der Momente geht, in denen man die Hände vor die Augen schlägt und Stoßgebete ge Himmel schickt, dass es doch bald zu Ende sein möge. Aber nicht nur in dieser Hinsicht ist Chevaliers Eurocine-Hobel Exploitation der fragwürdigen Sonderklasse: Die Chuzpe, mit der die Produzenten hier trotz eines Budgets von schätzungsweise 23 Mark 50 und eines Casts aus alkoholkranken Pennbrüdern auf „Historienfilm“ machten, ließ mich mehr als einmal mit offenem Mund auf das Spektakel schauen, das sich da vor mir auf der Leinwand darbot. Damit das „Konzept“ auch nur halbwegs aufging, füllte man den Film zu gut 40 Prozent mit Material aus einem anderen, deutlich aufwändigeren Film auf, der wahrscheinlich ebenfalls der Eurocine-Schmiede entstammte – und möglicherweise back-to-back entstand. Jedenfalls turnt Franco-Regular Paul Muller in beiden herum und schafft es so, dass die Schweißnähte nicht ganz so auffällig sind.

CONVOI DE FEMMES spielt im 18. Jahrhundert, wie uns ein ellenlanger Fließtext zu Beginn erklärt, und handelt von den beiden französischen Frauen Aline (Anne Gladysek) und Nicole (Marianne Rémot), Ehefrau respektive Schwester eines hohe französischen Offiziers, der sich mit einem Schiff auf nach Amerika macht. Kaum ist er fort, werden die beiden Frauen von britischen Soldaten (?) entführt und als künftige Prostituierte in die Neue Welt geschafft (Chevalier lehnt sich an William A. Wellmans Western WESTWARD THE WOMEN an). Der Film entwickelt sich als „Gangrape-Komödie“, die immer mal wieder mit Versatzstücken des Abenteuerfilms auf Länge gebracht wurde und sich am Ende zum Kriegsfilm entwickelt. Das alles wurde gedreht im heimischen Forst, mit erbärmlichen Kostümen und den so typischen viel zu lang gehaltenen Einstellungen, unter anderem immer wieder auf die Ärsche zweier Pferde. Besonders eklig sind die zahlreichen Vergewaltigungs- und Sexszenen, die stets nach demselben Muster ablaufen und selbst vom größten Rapefetischisten unmöglich für anregend oder gar erotisch gehalten werden können. Die deutsche Synchro macht gute Miene zum bösen Spiel und garniert das Treiben mit flotten Sprüchen, damit es nicht ganz so erbärmlich und runterziehend wird. Dafür sorgt auch eine muntere Hure, die ihr trauriges Schicksal mit jeder Menge Humor nimmt: Dass sie da im Tagesrhythmus immer wieder für andere Kerle gegen ihren Willen die Beine breit machen muss, kommentiert sie nur mit „Öfter mal was Neues!“

So abstoßend der Film in seinem Gesamtentwurf und in seinen Sexszenen auch ist: So richtig böse sein kann man ihm nicht, dafür ist das alles viel zu lachhaft. Man begegnet CONVOI DE FEMMES dann eher mit der Nachsicht und dem Mitleid, die man besonders dummen, aber letztlich harmlosen Menschen entgegenbringt. Die Pannen sind wirklich kaum zu zählen: die lachhaften Kostüme und die armseligen Settings sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Da gibt es den Trapper mit den albernen Stiefelapplikationen aus Plastik, den die Kamera gleich zweimal dabei einfängt, wie er Äste fürs Lagerfeuer abbricht. Den Wachmann, der seinem Dienst so geschäftig nachgeht, dass er die Frauen, die in zwei Meter Entfernung an ihm vorbeischleicht, gar nicht bemerkt. Den indianischen Späher „Schneller Adler“, einen mitleiderregenden Spargelatarzan, der seinen bedeutungsschwanger eingeleiteten Auftritt nach zwei Minuten Gerenne durchs Birkenwäldchen mit einem Speer im Rücken beendet. Überhaupt die Indianer, die sich die verfilzten Langhaarperücken mit Lumpen auf dem Quadratschädel festbinden müssen, damit sie dort halten. Oder die tolle Szene, in der Aline – die mitten im Film ohne jede Vorwarnung zur Powerfrau mutiert, nachdem sie zuvor lediglich ein Häufchen wimmerndes Elend war – mit dem Zeigefinger den Himmel absucht, um herauszufinden, wo Westen sein könnte. Gekrönt wird das von einer Dialogzeile, mit der der französische General die Ankunft der Prostituierten im Fort kommentiert: „Wichsen ist für alle Männer ab sofort offiziell verboten!“ Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Ein echtes Wunder ist auch Paul Muller: Der verkörpert in einem Meer aus Tristesse und Inkompetenz nicht nur ein einsames Zeichen der Professionalität, er lässt sich auch zu keiner Sekunde etwas anmerken. Und er muss doch gewusst haben, dass er hier auf einem absoluten Seelenverkäufer angeheuert hatte. Pierre Chevalier war hingegen voll in seinem Element: Dass sich in seiner Filmografie nicht nur eine KARAWANE DER NACKTEN FRAUEN, sondern auch noch ein CONVOI DE FILLES findet, lässt einen echten Überzeugungstäter vermuten.

Die schöne Britin Greta Franklin (Barbara Bouchet) reist nach Venedig, um dort die vakante Sekretärinnenstelle im Haus des Schriftstellers Richard Stuart (Fraley Granger) einzunehmen: Ihre Vorgängerin Sally (Patrizia Viotti) ist unter mysteriösen Umständen verschwunden. Wie sich später herausstellt, ist Greta nicht nur eine ehemalige Kollegin Sallys, sie unterhielt zu der jungen Frau auch eine Art Liebesbeziehung – und sie vermutet, dass diese keineswegs einfach abgereist ist, wie Stuart behauptet, sondern von ihm umgebracht wurde. Der macht sich eh verdächtig: Nicht nur mit den freizügigen Parties, die er gemeinsam mit seiner Gespielin Eleanora (Rosalba Neri) abhält, sondern auch mit seinen Fantasien um den „perfekten Mord“ …

Silvio Amadio, der im Spätherbst seiner Karriere einen zweiten Frühling mit erotischen Filmen um Sofsex-Star Gloria Guida erlebte (siehe QUELLA ETÀ MALIZIOSA oder LA MINORENNE) erlebte, inszenierte mit ALLA RICERCA DEL PIACERE (zu Deutsch etwa: „Auf der Suche nach Vergnügen“) einen Giallo, dessen Verwandtschaft mit den gediegenen Mysterythrillern und klassischen Whodunits allenfalls durch die damals typischen Erotik-Einschübe aufgebrochen wird. Granger ist als amoralischer Mordapologet natürlich mit seinem Auftritt in Hitchcocks STRANGERS ON A TRAIN im Hinterkopf besetzt worden, auch wenn er damals das ahnungslose Opfer gab. (Granger hatte zu jener Zeit ein Refugium in Italien gefund, wie so viele Schauspieler, die in der Heimat auf dem Abstellgleis landet waren, und war unter anderem auch in LO CHIAMAVANO TRINITÀ, Monteros RIVELAZIONI DI UN MANIACO SESSUALE AL CAPO DELLA SQUADRA MOBILE oder natürlich Dallamanos LA POLIZIA CHIEDE AIUTO zu sehen.) Mit den postmodernen Dekonstruktionen, die die „avancierteren“ Giallos, allen voran natürlich die Filme Argentos, damals lancierten, hat ALLA RICERCA DEL PIACERE nicht viel gemeinsam: Schon der Handlungsort Venedig verweist auf die Verankerung im Gothic Thriller, Wasser in allen erdenklichen Formen zieht sich leitmotivisch durch den Film und repräsentiert sowohl Gretas fehlende charakterliche Festigkeit wie es die Flexibilität und Vergänglichkeit moralischer Wertzuschreibungen symbolisiert. 

Amadio geht ein eher gemächliches Tempo, in dem die wenigen Suspense-Szenen schon fast den Charakter von Störfeuern annehmen. Ein bisschen hat mich sein Film an Francos EUGENIE (den mit Christopher Lee) erinnert: Auch hier geht es vor allem darum, dass die junge Frau mit ihrem Engagement bei Stuart und seiner Eleanora plötzlich in eine Welt der entfesselten Leidenschaft und der zügellosen Selbstverwirklichung eintaucht. Aber während Francos philosophische Interessen und seine improvisatorische Neugier ihn davon freimachten, Genremechanismen zu bedienen, bleibt Amadio ihnen letztlich treu. ALLA RICERCA DEL PIACERE kommt über den ästhetisch ansprechenden, aber letztlich „nur“ unterhaltsamen Giallo nicht hinaus. Daran ändert auch die Anwesenheit der beiden Schönheiten Bouchet und Neri nichts, die sich in einer schönen Sexszene in Zeitlupe miteinander vergnügen.