Mit ‘Action’ getaggte Beiträge

Ein photogeshoppter Nicolas Cage vor Stockfoto-Collage auf einer DTV-Premiere, daneben ein aufgeblähter Laurence Fishburne, dessen Gesichtsausdruck „Paycheck“ sagt: Man kann nicht behaupten, dass die Erwartungen durch die Decke gingen, wenn man RUNNING WITH THE DEVIL in den Player wirft. Und er ist auch irgendwie typische Media-Markt-Wühltisch-Ware: Irgendwie seltsam anonym, unpersönlich, ziellos und unfertig, aber dann auch nicht ganz ohne Charme. Hinter seinem unspektakulär-routinierten Professionalismus verbergen sich ein paar gute Ideen und die Abgründe der Sparte, die manchmal den Eindruck erweckt, als bestünde sie nur aus zusammengeklebtem Schnittmüll mit Stand-ins abgetakelter Stars, werden ebenfalls vermieden.

Nicolas Cage ist „The Cook“, ein liebender Familienvater und Betreiber eines Familienrestaurants in Seattle, in dessen Küche er höchstselbst den Kochlöffel schwingt und Pizzateig knetet. Aber er hat noch eine zweite Identität: Für „The Boss“ (Barry Pepper) fungiert er in großem Stil als Drogendealer. Das Business läuft so gut, dass er mit dem operativen Geschäft eigentlich nichts mehr zu tun hat, es sei denn, etwas geht schief, so wie am Anfang von RUNNING WITH THE DEVIL: Ware wird abgezweigt, verschnitten und führt so zu mehreren Drogentoten. Betroffen ist unter anderem die DEA-Beamtin „Agent in Charge“, deren Schwester an einer Überdosis stirbt und die deshalb Jagd auf die Urheber macht. Ein armseliger Kleindealer (Adam Goldberg) wird zu „The Snitch“ und führt sie auf die richtige Spur, derweil „The Cook“ und „The Man“ (Laurence Fishburne) sich nach Kolumbien begeben, um die Spur des Stoffs nachzuvollziehen und herauszufinden, wo die Lücke ist.

RUNNING WITH THE DEVIL ist in seiner ganzen Anlage irgendwie rätselhaft: Für einen DTV-Film ist er erstaunlich ambitioniert und aufwändig, orientiert sich inhaltlich etwas an Soderberghs TRAFFIC und nutzt seine Crime-Story wie dieser, um die wirtschaftlichen Verstrickungen hinter dem Drogengeschäft bloßzulegen, andererseits greift er dabei auf Stilmittel zurück, die diese Ambitionen krass unterwandern. Die Masche, den handelnden Figuren keine Namen zu geben, sondern sie nur nach ihrer Funktion zu benennen und diese Bezeichnungen dann in Freeze Frames reinzustempeln, ist schon vor gut 20 Jahren zum Klischee geronnen, wie auch der ebenfalls in PULP FICTION popularisierte „Gag“, nervige Nebenfiguren zum Opfer plötzlicher Gewaltausbrüche werden zu lassen. Cabell scheint nicht so recht zu wissen, was er wollte – oder aber man drehte seinen Film in der Postproduktion auf links: ernstes Thrillerkino mit quasidokumentarischen Untertönen oder grelle Gewaltkomödie? Diese eigentlich unvereinbaren Ansätze unter einen Hut zu bringe, wäre auch für das größte Regiegenie eine Herausforderung gewesen, ein unbeschriebenes Blatt wie Cabell ist damit hoffnungslos überfordert.

Aber auch wenn RUNNING WITH THE DEVIL gnadenlos uneinheitlich ist und am Ende die Antwort auf die Frage „Was soll das eigentlich?“ schuldig bleibt, so gelingt es ihm immerhin, das Interesse über die Laufzeit von 100 Minuten wachzuhalten. Langweilig ist der Film nicht, es ist immer was los und worauf das alles hinausläuft, lässt sich kaum antizipieren. Bezeichnenderweise ging er noch gut 20 Minuten lang, als ich dachte, dass er jetzt zu Ende sei. Richtig schön fand ich die Szenen um das einfache kolumbianische Ehepaar, das in den Bergen des Landes eine kleine Cocaplantage hat und am bescheidenen Anfang einer Verwertungskette steht, an deren Ende Millionen verdient werden. Da ermöglicht der Film dann tatsächlich Einsichten, die er mit seiner schwarzhumorigen Klischeehuberei ansonsten eher verbaut. Kann man sich durchaus mal angucken, wenn auch nur, um die DAZED & CONFUSED-Homies Hauser und Goldberg mal wieder zu sehen.

 

Mit BAD BOYS II, Bays fünftem Spielfilm, kehrte er 2003 zu den Helden seines Debüts von 1995 zurück. Das, wenn man bedenkt, wie umstritten und unverwechselbar der Regisseur heute ist, doch vergleichsweise bieder daherkam. Mit BAD BOYS II war Bay hingegen längst bei seinem bis heute allerhöchstens in Nuancen verfeinerten Stil angekommen: Eigentlich hatte er ihn bereits mit dem Zweitlingswerk THE ROCK gefunden. Ob man BAD BOYS II mag oder aber fürchterlich findet, hängt demnach entscheidend davon ab, wie man Bay insgesamt gegenübersteht. Stellt sein bisweilen infantiler und konservativer Humor eine unüberwindliche Hürde dar? Ist man der Meinung, dass Over-the-Top-Gewalt nicht im Gewand munterer Familienunterhaltung präsentiert werden sollte? Findet man die Videoclip-Ästhetik und den überbordenden Materialismus – alles ist teuer, gestylt, glänzt und wird ausgestellt wie in einem Schaufenster – abstoßend? Verursacht einem die mit beachtlicher Konsequenz durchgezogene Einstellungslänge von rund drei Sekunden epileptische Anfälle? Wenn man dazu neigt, den Löwenanteil Fragen mit „Ja“ zu beantworten, dann wird man auch mit BAD BOYS II keine Freude haben.

Ideologisch ist BAD BOYS II ebenfalls nur schwer zu verteidigen: Seine beiden Helden – die Drogencops Mike (Will Smith) und Marcus (Martin Lawrence) aus Miami, sind sich sich in der aus unzähligen Buddy Movies bekannten Hassliebe verbundenen, können sich mit ihrem Bullengehalt rätselhafterweise kiloschwere Goldketten und Armbanduhren, Designer-Sonnenbrillen und -Anzüge, Traumvillen am Wasser und protzige Luxuskarossen leisten. Außerdem legen sie großen Wert darauf, bloß nicht als schwul angesehen zu werden, lösen wahre Zerstörungsorgien aus und ballern russisch-hispanische Klischeeschurken weg, deren Zeichnung mit dem Attribut „problematisch“ noch vorsichtig umschrieben ist, offenbaren sich in der Erziehung ihrer Kinder zudem als autoritäre Vollspießer und im Umgang mit Frauen als ätzende Machos. Der Film liegt diesen beiden Typen aber geradezu ehrfürchtig zu Füßen, präsentiert ihre peinlichen Marotten als herzallerliebst, ihr Verständnis von Recht und Ordnung als vorbildlich, ihre gestrigen Vorstellungen von Geschlechterrollen und Sexualität als wohltuend ehrlich. Das Böse spricht in BAD BOYS II mit russischem oder spanischem Akzent, verdient Geld mit Drogen und Nutten, hat einen Mamakomplex und schmierige Haare, die Guten machen Barbecue im Garten und reden nicht über Erektionsprobleme. Wenn es auf einer Straßenkreuzung zu einer wüsten Schießerei mit Maschinenpistolen kommt, werden Passanten ausschließlich von den Schurken getroffen, bei einer haarsträubenden Verfolgungsjagd, bei der unzählige Autos explodieren oder ineinanderkrachen, gibt es anschließend angeblich keinerlei Opfer zu beklagen. Ehrlicherweise gibt es auch ein paar redneckige Ku-Klux-Klan-Nazis (der Director-Credit wird just in dem Moment eingeblendet, in dem ein Kreuz in Flammen aufgeht), aber die werden als bierbäuchige Tölpel dargestellt. Der geschmacklose Gipfel des Films ist die Verfolgung eines Leichentransports, bei der die leblosen Körper auf die Straße fallen und dann mitleidlos von den Helden überrollt werden. Bay hält immer schön drauf, ist ja auch einfach zu geil. Das alles, wie gesagt, in einer Ästhetik dargeboten, die ihren Dauerständer angesichts all der Gewalt, der gepimpten Oberflächen und der materiellen Statussymbole kaum verbergen kann. BAD BOYS II ist ein rund zweistündiger Propagandaclip für den American Dream.

Ja, und nun kommt der überraschende Plottwist: Denn ich finde diesen auf Hochglanz polierten und getunten Protzboliden, seine hedonistische Zelebrierung materialistischen Spießertums und männlichen Omnipotenzwahns, seine besinnungslose Selbstbesoffenheit und den unverkennbar kompensatorischen Charakter seiner Gewaltausbrüche auf eine perfide Art auch ziemlich geil. Die immer wieder ins Feld geführte Strategie „Hirn aus, und abfahren“ ist aber nicht der richtige Ansatz. BAD BOYS II ist nicht trotzdem geil: Seine vielfältigen Verfehlungen auszublenden, hieße auch, sich den idealen Zugang zu Film zu verbauen. Nein, BAD BOYS II ist deshalb so geil, weil er Gewaltporno, rechtskonservative Law-and-Order-Fantasien, spießigste Wertvorstellungen, Sitcom-Humor, Videoclip- und Marketing-Ästhetik so unverhohlen und schamlos zusammenbringt und dabei den Eindruck kindlicher Unschuld vermittelt.

Die Spiele der Tomb-Raider-Reihe verkauften sich seit 1996, als der erste Teil erschien, rund 35 Millionen mal. Parallel entwickelte sich die Heldin Lara Croft, ein weiblicher Indiana Jones mit Gardemaßen, zur popkulturellen Ikone und zum Sexobjekt, dem Angelina Jolie 2001 und 2003 in zwei Verfilmungen höchst passende leibliche Konturen verlieh. Seit damals ist viel Zeit vergangen: Das Tomb-Raider-Videospiel-Franchise wurde 2013 einer Generalüberholung unterzogen. Nicht nur gab man der weiblichen Abenteurerin ein fotorealistisches Aussehen, eine neue Backstory und generell mehr Persönlichkeit, auch das Gameplay ist heute deutlich actionlastiger und weniger auf das Lösen von Puzzles und das Absolvieren von Sprung- und Kletterpassagen ausgerichtet.

Zum spielerischen Neustart gehörte auch der filmische: Roar Uthaugs TOMB RAIDER (seinen FRITT VILT habe ich damals gehasst, würde ihm aber eine neue Chance einräumen, da so viele Menschen auf ihn zu schwören scheinen) wartet mit der schönen Alicia Vikander in der Titelrolle auf, ist wie die aktuellen Spiele deutlich ruppiger als die Filme von Simon West und Jan de Bont und etabliert seine Heldin als selbstbewusst, ungehorsam, unbeugsam und leidensfähig. Letzteres macht dann auch ihren neuen Sexappeal aus: Wie dieser Hardbody da über zwei Stunden geschunden und gepeinigt wird, auf in Stürmen zerberstenden Schiffen landet, Wasserfälle hinunterstürzt, von Metallsplittern durchbohrt oder von gedungenen Killern verdroschen wird, vor Schmerzen stöhnt, aber immer wieder aufsteht, appelliert zweifellos an verschüttete sadistische Impulse. Aber Vikander ist durchaus mehr als ein schöner Körper: Sie trägt den inhaltlich dünnen (wie könnte es anders sein?), fast ausschließlich über Schauwerte funktionierenden Film ganz allein und schafft es, das Interesse des Zuschauers kraft ihres Charismas wachzuhalten. Ohne sie wäre TOMB RAIDER weniger als Luft – was eher ein ausdrückliches Lob in ihre Richtung als eine Kritik am Film ist.

Denn seien wir ehrlich: Niemand hat von einem neuen TOMB RAIDER ein cineastisches Meisterwerk oder einen feinsinnigen Film zur conditio humana erwartet. Was man erwarten durfte – einen actionreichen Abenteuerfilm mit Drive, Kinetik, einem Hauch Fantastik und schönen Bildern sowie eben einer scharfen Heldin -, liefert Uthaug ohne nennenswerte Abstriche. Die Vikander ist so überzeugend, dass einem versierte Charaktermimen wie Dominic West und Walton Goggins daneben fast leid tun: Das Drehbuch ist an ihnen aber auch nur insofern interessiert, als ihre Handlungen eine Wirkung auf die Heldin haben. Die Suche nach den Überresten eine angeblich dämonischen Königin ist spektakulär, temporeich und schön anzusehen, aber aufgrund dieser Tatsache auch ein bisschen leer. TOMB RAIDER macht Spaß, aber es bleibt nicht gerade viel hängen. Den nächsten Teil würde ich mir trotzdem geben. Wegen Alicia.

Frank Walsh (Nicolas Cage) verdient sein Geld damit, seltene und gefährliche Tiere zu fangen und an diverse Zoos zu verkaufen. Sein neuester Coup ist ein weißer Jaguar, den er mit diversen Giftschlangen und aggressiven Affen auf einem Schiff nach Übersee transportiert. Mit auf dem Seelenverkäufer sind der NSA-Mann Freed (Michael Imperioli) und seine schwer bewaffneten Männer sowie die Militärpsychologin Dr. Ellen Taylor (Famke Janssen). Im Schlepptau haben sie den psychopathischen Söldner Loffler (Kevin Durand), der sich nur wenig später natürlich aus der Gewahrsam befreien kann, sofort anfängt, Jagd auf seine Häscher zu machen und dazu auch noch Walshs Biester freilässt …

PRIMAL ist ganz gewiss keine versteckte Perle des DTV-Kinos, aber er erinnert doch sehr positiv an längst vergangene Zeiten, in denen sich zwischen den Eventmovies aus Hollywood auch immer mal eine verkappte Videopremiere ins Kino schlich oder man in der Videothek gern zu den diversen Kickbox-, Söldner- oder Copfilmen mit den markigen Zweiworttiteln und den muskulösen Kämpfern auf dem Cover griff – und dann manchmal positiv überrascht wurde. Cages jetzt schon längst nicht mehr neuester Film sieht am Anfang sogar richtig aufwändig aus: Die Urwaldszene, mit der der Film beginnt, ist wunderbar, der per CGI zum Leben erweckte weiße Jaguar wird auch höheren Effektansprüchen gerecht. Mit Famke Janssen, Michael Imperioli, dem herrlich overactenden Durand und dem kantigen LaMonica Garrett ist PRIMAL zudem gut besetzt und das ganze Schiffs-und-Killer-Szenario erinnert positiv an eine wüstpulpige Mischung aus UNDER SIEGE, CON AIR, SILENCE OF THE LAMBS und SNAKES ON A PLANE. Cage hat offensichtlich auch Spaß gehabt, das heißt, man bekommt eine seiner engagierteren Leistungen zu sehen, wenngleich man auch auf ein Showcase seines Megaactings verzichten muss: Er orientiert sich hier eher an den schweigsamen Stoikern des Männerfilms und die fette abgekaute Zigarre im Mundwinkel steht ihm ganz hervorragend. Weniger gut gelitten ist die einst betörend schöne Famke Janssen, die es leider für nötig hielt, ihre markanten Wangenknochen mit Botox auszupolstern und die nun in Nahaufnahmen schmerzhaft künstlich aussieht.

In der zweiten Hälfte kann PRIMAL seine Herkunft und das magere Budget nicht mehr ganz so gut kaschieren wie zu Beginn: Da wird dann wie in den oben geschilderten Zeiten durch die endlosen Gänge eines Heizungskeller geschlichen, der als Innenraum eines Schiffes fungieren muss, das in der finalen Totalen zudem deutlich kleiner aussieht, als es der Film suggeriert. Da fehlen dann noch einmal ein erzählerischer Kniff und eine Zuspitzung des Szenarios zumal auch die CGI-Tiere nicht so zum Zuge kommen, wie man sich das zu Beginn erhofft hat. Einmal wird ein bärtiger Koch von den Affen zerschnetzelt, ein alter Zausel von einer Giftschlange gebissen und der weiße Jaguar huscht immer mal wieder drohend durchs Bild, ohne dass wirklich etwas passiert. Aber böse sein kann ich dem Film trotz all dieser offenkundigen Mängel einfach nicht, im Gegenteil. Irgendwie ist das alles wunderbar bodenständig und retro, aber eben nicht mit diesem nervigen Kult-Appeal anderer Titel, die verzweifelt eighties sein wollen und dann mit irgendwelchem Schnickschnack aufwarten. Denkt man sich die Tiereffekte ein bisschen schlechter, hätte PRIMAL genau so wie er ist vor 25 Jahren erscheinen können. Wahrscheinlich eher nicht mit Cage in der Hauptrolle, aber ihr wisst, was ich meine.

John Woo drehte zwischen 1993 und 2003 sechs Filme in Hollywood (die Fernseharbeiten ONCE A THIEF und BLACK JACK nicht mitgezählt): HARD TARGET, BROKEN ARROW, FACE/OFF, MISSION: IMPOSSIBLE 2, WINDTALKERS und eben PAYCHECK. Er war der erste und außerhalb seiner Heimat wohl auch der berühmteste der Hongkong-Regisseure der Neuen Welle, die Anfang/Mitte der Neunzigerjahre nach „drüben“ geholt worden waren, doch anstatt das US-amerikanische Actionkino zu revolutionieren, wie es sich viele Verehrer des HK-Kinos allgemein und seiner Heroic-Bloodshed-Opern im Besonderen hofft hatten, bekam man nur eine gestutzte, geglättete und ihrer emotionalen Spitzen beraubte Version. Mit HARD TARGET und FACE/OFF fielen aller Blödheiten zum Trotz immer noch zwei ziemliche Kracher ab, aber aus künstlerischer Sicht muss man seinen zehnjährigen Ausflug nach Tinseltown als kreativen Schuss in den Ofen bezeichnen. Wie bezeichnend, dass er diese Phase seines Lebens mit einer Adaption von Philip K. Dick abschloss, die den einstigen Bilderstürmer kaum noch erahnen lässt und dann auch noch mit PAYCHECK betitelt ist. Ich hoffe, dass sich Woos Sackgasse finanziell gelohnt hat.

Michael Jennings (Ben Affleck) ist ein Top-Ingenieur, der regelmäßig gut dotierte Aufträge erhält, technische Innovationen aus der Welt der Computer nachzubauen und zu verbessern. Damit er danach keine Geheimnisse verraten kann, wird ihm zum Abschluss seiner Arbeit stets die Erinnerung gelöscht. Als sein Bekannter Rethrick (Aaron Eckhart) ganze drei Jahre von Jennings Leben auf diese Weise  kaufen will, zögert der nur kurz: De Bezahlung ist einfach zu gut. Doch als er „aufwacht“, stellt er erschrocken fest, dass er die 90 Millionen, die er in drei Jahren Arbeit verdient hat, kurz zuvor angeblich höchstselbst gegen einen Umschlag voll wertlosen Plunders engetauscht hat. Und dann wird er auch noch vom FBI verhaftet. Mithilfe einer Schachtel Zigaretten und einer Brille aus dem ominösen Briefumschlag gelingt ihm jedoch die Flucht. Zufall? Nein, denn es sieht so aus, als habe Jennings an einer Maschine gearbeitet, mit der man in die Zukunft schauen kann …

Ein Jahr vor PAYCHECK war die von Steven Spielberg inszenierte und mit Tom Cruise besetzte Dick-Adaption von MINORTY REPORT ein großer Erfolg gewesen. Auch da ging es im Grunde um den Blick in die Zukunft – und die berühmte Szene, in der Cruise Computergrafiken auf einem riesigen Bildschirm mit bloßen Händen bewegt und manipuliert, wird in Woos Film gleich in den ersten zehn Minuten kopiert. Der visionären Kraft Spielbergs hat Woo allerdings nicht viel entgegegenzusetzen – und noch nicht einmal die Liebhaber seiner elegant inszenierte Ballereien kommen auf die Kosten. PAYCHECK, der für mich alten Sack noch unter „aktuell“ fällt, sieht heute aus wie ein Relikt der Neunziger und könnte, bis auf ganz wenige Aufnahmen, die den Actionmagier erkennen lassen – es gibt eine ganz schöne Verfolgungsjagd, von jedem inszeniert worden sein. Der Einsatz der Zeitlupe, einst ein Markenzeichen Woos, wirkt hier wie weniger wie ein erzählerisches Stilmittel als vielmehr wie ein Zugeständnis an ein saturiertes Publikum, dem schon eine Episode von EIN FALL FÜR ZWEI zu rasant ist. Diese Mischung aus Ruckel-SloMos, verfremdeten Erinnerungsfetzen und anderen visuellen Gimmicks, die nur wenig später dankenswerterweise auf der Müllhalde der Filmgeschichte landeten, schockierte anno 2003 keinen mehr, zu desillusioniert war man da bereits, was Woos Hollwood-Schaffen anging, aber rückblickend ist das schon ziemlich bitter.

Dass PAYCHECK trotzdem keine totale Zeitverschwendung ist, liegt an seinem Drehbuch bzw. der cleveren Idee Dicks und dem, was Drehbuchautor Dean Georgaris daraus macht: Der Film ist ähnlich Banane wie FACE/OFF, hat einen Hauptdarsteller, dessen Underacting gar nicht so weit entfernt ist vom Overacting des Duos Travolta & Cage, eine gnadenlos unterforderte Uma Thurman und Aaron Eckhart mit dem schlimmsten Messdienerscheitel diesseits von Philipp Amthor. PAYCHECK ist der klassische Fall eines Films, der sich für unfassbar clever hält, der eigentlich nur gemacht wurde, um diese vermeintlich unfassbare Cleverness zur Schau zu stellen, sich dann aber recht schnell als nur halb so schlau entpuppt. Am Ende läuft alles doch wieder nur auf das Abspulen gut abgehangener Klischees hinaus, aber es ist eben diese Art von High-Concept-Cleverness, die irgendwie Spaß macht und über die plastikhafte Hässlichkeit des Film hinwegtröstet.

 

Lang hat es gedauert, aber jetzt ist es endlich raus: Marco Siedelmanns Mammut-Werk zum Schaffen des AMERICAN NINJA-, REVENGE OF THE NINJA- und BREAKIN‘ II-Regisseurs Sam Firstenberg. Die Fertigstellung nahm mehrere Jahre in Anspruch, was wenige verwundert, wenn man sich den schieren Umfang des Wälzers anschaut. Auf über 600 Seiten wird die Geschichte von Firstenbergs Karriere in Form von ausführlichen Interviews mit dem Regisseur selbst, mit den Stars seiner Filme sowie mit etlichen Stabmitgliedern sowie Hunderten von raren Setfotos, Konzeptzeichnungen und Manuskriptseiten protokolliert. Das Buch dürfte für sich in Anspruch nehmen, nicht nur die einzige und auf alle Zeiten maßgebliche und definitive Abhandlung mit Firstenbergs Werk, sondern eine der beeindruckendsten Veröffentlichungen im (zugegebenermaßen noch recht übersichtlichen Bereich „Action-Filmbuch“ sein. Ich bin stolz, mit meinem kleinen persönlichen Vorwort wenigstens einen kleinen Beitrag zu diesem Schatz geleistet zu haben. Die deutsche Amazon-Seite weist das Buch derzeit als „nicht verfügbar“ aus, aber man kann es über amazon.com noch bestellen. Es lohnt sich außerdem ein Blick auf die Facebook-Seite, auf der es Video-Grußworte von Meister Firstenberg himself zu sehen gibt.

Zuerst: Ich habe keinen einzigen Roman aus Lee Childs Reihe um den Titelhelden aus McQuarres Film gelesen, kann also wenig dazu sagen, inwiefern der Figur da Recht oder Unrecht widerfahren ist. Der Film hat mir ganz gut gefallen, aber er hat auch seine Probleme, die man auch ohne Kenntnis der literarischen Vorlage bemerkt.

Wie eigentlich immer, wenn eine beliebte Romanfigur den Weg auf die Leinwand findet, waren die Liebhaber auch im Falle von JACK REACHER damals enttäuscht. Die Besetzung mit Superstar Tom Cruise wurde durchaus kontrovers diskutiert, zumal mit ihm in der Haupt- und Titelrolle auch klar war, dass die Härten der Romane zugunsten der Massenverträglichkeit weichen mussten. Reacher ist ein mit allen Abwassern gewaschener Superprofi, Ex-Militärpolizist mit undurchsichtiger Vergangenheit, ein Loner, der, wenn er will, jahrelang von der Bildfläche verschwindet, Menschen mit einem gezielten Schlag zum Krüppel machen kann, zudem über das Denkvermögen eines avancierten Schachcomputers, ein fotografisches Gedächtnis und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt. Die Figur ist, wie man dieser Beschreibung entnehmen kann, ein echter Supermann, für den Cruise, dessen MISSION:IMPOSSIBLE-Held Ethan Hunt ähnlich übermachtig, aber deutlich comichafter angelegt ist, in vielerlei Hinsicht die Idealbesetzung darstellt. Es gibt wahrscheinlich niemanden, der eine solch übertriebene Figur auf der Leinwand glaubwürdig verkörpern kann, ohne dafür auf entwaffnende Selbstironie zurückgreifen zu müssen. Cruise ist selbst eigentlich kaum noch ein Mensch, sondern eine Entertainment-Maschine, die in ihrem eigenen Kosmos schwebt, bevor sie sich wie einst Zarathustra dazu herbalässt, wieder einmal zu den Sterblichen hinabzusteigen. Er ist wahrscheinlich der größte Actionstar der Welt, aber er hat sich diesen Ruf nicht unbedingt mit Filmen unbarmherziger Härte erkämpft, wie seine Kollegen. Für JACK REACHER ist das schon auch ein Problem, wenngleich nicht das größte.

Der Film, der auf dem Roman „Sniper“ basiert, beginnt mit dem Attentat eines Scharfschützen (Jai Courtney), der anscheinend wahllos fünf Passanten am Ufer des Ohio Rivers erschießt. Alle Beweise führen zu einem ehemaligen Scharfschützen aus dem Irak-Krieg, der aber keine Stellung zu seiner Involvierung nehmen will (der Zuschauer weiß, dass er es nicht war). Das einzige, was er sagt, ist ein Name: Jack Reacher. Der taucht wenig später in Pittsburgh auf: Er hatte den Verdächtigen, der in Bagdad mehrere US-Soldaten erschossen hatte, damals festgesetzt, musste dann aber mitansehen, wie er freigelassen wurde, weil seine Opfer ordentlich Dreck am Stecken hatten und das Militär keinen Staub aufwirbeln wollte. Nun hofft Reacher, den Mann endlich zur Strecke zu bringen, doch je mehr er sich mit dem Fall beschäftigt, umso mehr wachsen die Zweifel an seiner Schuld. Die Staatsanwältin Helen Rodin (Rosamund Pike) steht ihm bei seinen Ermittlungen zur Seite.

JACK REACHER profitiert zum einen von der immensen Coolness seines Stars, der die allumfassende Souveränität und Abgezocktheit Reachers glaubwürdig verkörpert, und dem Drehbuch McQuarries, der offensichtlich große Freude daran hat, ihm eine geeignete Plattform für seine Show zu liefern. Das Timing stimmt, die Dialoge sind pointiert und erinnern auch sehr schön an die Hard-Boiled-Tradition der Romanvorlage, der der Film in den mit angezogener Handbremse inszenieren Gewaltszene nicht immer gerecht wird. Ein paar mehr Härten hätten JACK REACHER nicht geschadet, wie er aller guten Ansätze zum Trotz und sehr im Kontrast zu seiner subject matter überhaupt etwas bieder und leblos geraten ist. Das zeigt sich etwa in der ausgedehnten Sequenz, in der uns alle Opfer des Amokschützen als unbescholtene Tugendbolzen präsentiert werden, samt pathetischem Musik- und Zeitlupeneinsatz, wenn sie dann noch einmal effektreich ins Gras beißen dürfen. Nach der sehr gelungenen Einführung – der Auftritt Reachers etwa ist wunderbar – wird der Film zusehends stromlinienförmiger, bis er nach viel zu langen zwei Stunden in sein austauschbares Finale mündet, bei dem mich die Hintergründe des Falls schon kaum noch interessierten. Schade ist es vor allem um Werner Herzog, der hier eine sehr schöne Darbietung als diabolischer Schurke abliefert, aber trotzdem wie ein zusätzlich aufgepfropftes Gimmick wirkt: Wie er sich in die verschwurbelte Geschichte einfügt, habe ich dann auch nicht so ganz geblickt.

Unterm Strich dennoch ein ganz hübscher Film, für mich als Cruise-Apologeten und Rosamund-Pike-Schwärmer sowieso, und für Freunde des Hard-Boiled-Thrillers auch. Ist doch schön, dass es solche ernsten Thriller ohne irgendwelchen Schnickschnack noch gibt. Das kann man, bei allen kleineren Fehlern, gar nicht ausreichend loben.

 

Joseph (Jeff Risk), seines Zeichens Vietnamveteran und Inhaber eines erfolgreichen Elektronikgeschäfts (!) sowie seine ätzende Gattin werden eines schöne Abends von dem üblen Verbrecher Dutch (Cameron Mitchell) und seinen Männern überfallen. Joseph landet darauf hin im als Krüppel im Rollstuhl, seine Ehefrau unter der Erde. Larry (Jean Glaudé), Josephs Geschäftspartner und bester Freund aus glücklichen Vietnamkriegstagen, trommelt daraufhin die gesamte alte „Einheit“ zusammen, die keine Sekunde zögert, ihrem einstigen Kumpel und Lebensretter zu Hilfe zu eilen. Auf der Suche nach dem bösen Dutch lässt einer nach dem anderen sein Leben, bis Larry am Ende eine böse Überraschung erlebt.

KILL SQUAD stammt aus der schönen Zeit, in der sich ein echter Kerl noch dadurch auszeichnete, in Vietnam gewesen zu sein, und eine Drei-Dollar-fünfzig-Produktion mit lauter Hackfressen, Frisurmutanten und Cameron Mitchell dank geilem Coverartwork zur Must-Ausleihe im Video Center avancieren konnte. In Deutschland genießt KILL SQUAD unter dem alten VHS-Titel DAS SÖLDNERKOMMANDO Kultstatus, der vor allem auf seine höchst asoziale Synchro zurückzuführen ist und kürzlich mit einer Luxusveröffentlichung als schickes Mediabook belohnt wurde. Den Figuren ist es in dieser deutschen Vertonung nahezu unmöglich, auch nur einen Satz zu äußern, ohne dabei in eine blumig-kreative Metapher oder eine derbe Beleidigung auszubrechen. Ihr Aggressionspotenzial ist beträchtlich und so zeichnet dieser Film, dessen Handlung von Freund- und Hilfsbereitschaft kündet, auf seiner Dialogebene das Bild von Kriegsversehrten, die nicht an appem Bein oder Granatsplitter im Kopp leiden, sondern an der Unfähigkeit zur verbalen Konfliktvermeidung. Mit dem kommunikativen Feingefühl und dem diplomatischen Geschick eines Berserkers auf Koks schalten die Figuren schon bei der Begrüßung des Gegenübers in den Beleidigungsmodus, als sehnten sie sich geradezu danach, endlich wieder jemandem die Fresse polieren zu können. Immerhin legen sie bei diesen Beleidigungen einige Kreativität an den Tag: Seit der Sichtung des Films warte ich förmlich darauf, endlich jemanden fragen zu können, ob er mir einen gebrauchten Lutscher ans Hemd kleben wolle.

KILL SQUAD darf in mancherlei Hinsicht als der perfekte Heimkinofilm gelten: Er hat diesen unnachahmlichen Charme, den nur diese räudigen Ramschproduktionen mit Zielpublikum „Vollasis und Kickboxer“ verströmen, glänzt darüber hinaus mit eimerweise unfreiwilliger Komik, ohne sich jedoch ganz und gar der Lächerlichkeit preiszugeben. Nein, man kann und darf den Film noch einigermaßen ernst nehmen, auch wenn es schwer fällt. Ich liebe diese „Alte Vietnambuddies raufen sich für ihren Kumpel zusammen“-Filme, in denen einer nach dem anderen sein Leben mit größter Selbstverständlichkeit über den Haufen wird, um für einen alten Kameraden von anno dunnemals wieder Ärsche zu treten. (Der kürzlich begutachtete THE ANNIHILATORS ist das etwas professionellere Ebenbild dieses Filmes.) So laufen sie dann am hellichten Tag in schnieker Tarnfleck-Klamotte rum, wie es in der Realität nur absolute Soziopathen tun, die in Filmen wie KILL SQUAD, die die Welt in zauberhaftester Märchenmanier auf den Kopf stellen, auf einmal die wahren Helden sein dürfen. Wenn einer nach dem anderen von den Schüssen eines Unbekannten niedergestreckt wird, der aber immer so lange wartet, bis die nötige Information aus den Bösewichten herausgedroschen wurde, seine Kumpels in stiller Andacht, aber ohne den ganz großen Schmerz dessen Hundemarken abreißen, weiß man demnach: Ein Idiot weniger. Die große Überraschung am Ende überrascht dank eines gnadenlos duchsichtigen Verhüllungsmanövers garantiert niemanden, dafür aber die Szene um den bärtigen Pete (Francisco Ramirez), der von zwei Kollegen vom Dach eines Hauses geworfen wird, weil er sie schlecht aussehen lässt, sie dann aber unten ohne jeden Kratzer erwartet, um ihnen die verdiente Abreibung zu verpassen. Das ist ein passendes Bild für diesen Film, der wirklich in jede nur erdenkliche Stolperfalle latscht, aber am Ende trotzdem unverletzt daraus hervorgeht. Ein Meisterwerk der Selbsthauptung. Ich Söldnerkommando, also Kill Squad.

 

Zum Abschluss gab es beim Mondo Bizarr Weekender wieder mit der groben Kelle, genauer gesagt, mit der verhornten Faust von Jimmy Wang Yu. DUELL DER GIGANTEN ist die Fortsetzung seines ONE-ARMED BOXER, der seinerseits eine Art Zusammenführung seiner beiden großen Shaw-Brothers-Rollen darstellte: ONE-ARMED SWORDSMAN und THE CHINESE BOXER. Mit ersterem erfand Wang Yu zusammen mit Chang Cheh den Eastern-Antihelden, mit letzterem begründete er die Popularität des Kung-Fu-Films, der den Wuxia in der Gunst des Publikums ablöste, und fungierte somit auch als Wegbereiter für den Superstar Bruce Lee. Der Ruhm stieg Wang Yu schnell zu Kopf und so kam es 1970 auf dem Gipfel seines Erfolgs zum Bruch mit den Shaws, der auch zur Folge hatte, dass Wang Yu nur noch in Taiwan arbeiten konnte. Er machte das beste daraus, betätigte sich selbst als Regisseur und wurde so zu seiner eigenen Marke, die auch im fernen Deutschland ihre Verehrer fand.

DUELL DER GIGANTEN ist aber nicht einfach nur eine Fortsetzung um den einarmigen Boxer Liu Ti Lung, der Film greift auch auf die ein Jahr zuvor in THE FLYING GUILLOTINE der Shaws zu Ehren gekommene Enthauptungswaffe auf und bindet ein herrlich rasantes Martial-Arts-Turnier in seine von einer Sensation zur nächsten hetzenden Handlung ein. Der Film beginnt schon markig mit der Guillotinen-Demonstration eines blinden Shaolinmönches vor einer karstigen Felskulisse, wechselt nach den mit fetzigem Krautrock unterlegten Credits zu einer von Wang Yu gegebenen Trainingseinheit, bei der er unter anderem seine Skills im An-der Decke-Laufen vorführt, und mündet dann recht schnell in besagtes Turnier, bei dem ein Kampf an den nächsten gereiht wird und etliche unterschiedliche Fighter gegeneinander in kurzen Duellen antreten, die ein blutiges Ende finden, bevor sich auch nur der Hauch von Langeweile einstellt. Im Grunde könnte das ewig so weitergehen, stattdessen rekrutiert der blinde Guillotinenmönch die besten Kämpfer des Turniers, um sich an Wang Yu zu rächen, mit dem er noch eine Rechnung aus dem Vorgänger offen hat.

Der Film ist einfach nur eine Schau und was ihm vielleicht an den Production Values und der Farbbrillanz der Werke aus dem Hause Shaw fehlt, macht er mit Attitude, Rasanz und brachialer Rohheit wett. Wer bei Eastern angesichts komplexer Figurenkonstellationen und mangels historischen Hintergrundwissens egelmäßig den Überblick verliert, wird die Geradlinigkeit von DUELL DER GIGANTEN lieben: Diesem Film kann man auch mit vier Promille noch problemlos folgen, die Figuren sind klar unterscheidbar, die Kämpfe kurz und knackig, der Gesamteindruck weniger fernöstlich-philosophisch als vielmehr räudig, asozial und stumpf. Der schönste Einfall ist sicher der Yogi mit den verlängerbaren Armen, aber auch der Japaner, der angeblich ohne Messer kämpft, ist eine coole Socke. Und dann Wang Yu selbst, gegen den sich Eastwood ausnimmt wie ein hysterischer Possenreißer. Die fliegende Guillotine selbst gibt es noch als Bonus oben drauf, und Wang Yu tut gut daran, ihren Einsatz nicht auszureizen. Der Finalkampf setzt dem Ganzen so tatsächlich noch die Krone auf und nachdem der Held den Schurken mit einem beherzten Punch durchs Dach seines Hauses und geradewegs in einen bereitstehenden Sarg prügelt, geht man breitbeinig aus dem Kino, bereit, die Ehre der begleitenden Dame mit trockenen Schlägen zu verteidigen. Oder auch einfach einen gepflegten Streit anzufangen. Viel geiler kann ein Festival nicht enden.

Ich muss an dieser Stelle ja eigentlich nicht mehr viel über MACHO MAN sagen. Der Film genießt nicht nur in seiner Heimatstadt Nürnberg – wo er Jahr für Jahr im Open-Air-Kino aufgeführt wird und für eine volle Hütte sorgt – Kultstatus, sondern längst bei Freunden des abseitigen Films in ganz Deutschland. Wenn man will, kann man MACHO MAN, den man noch vor 20 Jahren mit viel Glück von den Grabbeltischen der Videotheken bergen musste, heute als Bootleg-DVD kaufen und vor zwei Jahren erschien sogar eine Fortsetzung. Der Platz in den Geschichtsbüchern ist MACHO MAN sicher, wenn auch nicht so, wie sich seine Hauptfiguren das vielleicht gedacht hatten. Mit einem bundesdeutschen Actionfilm hätte Regisseur Benda anno 1985, als der Film seinen deutschen Kinostart (!) erlebte, echte Pionierarbeit leisten können, doch leider scheiterte das Unterfangen an Inkompetenz und Eitelkeit. So ist MACHO MAN vor allem das Zeugnis einer – allerdings ziemlich tristen – Wahnvorstellung und der ehrfurchtgebietenden Mode der damaligen Zeit. Aber was für eines!

Die Lehre, die man aus MACHO MAN ziehen muss, ist entgegen den Intentionen des Drehbuchs nicht so sehr, dass ein gut trainierter Körper einen gesunden Geist beherbergt oder es tapferer junger Männer bedarf, um der Probleme unserer Zeit Herr zu werden, sondern dass Eitelkeit ein sehr, sehr schlechter Ratgeber ist, wenn man einen Film dreht. Weller und Althof nutzen die sich ihnen gebotene Gelegenheit, um sich in die Brust zu werfen und kommen dabei wahlweise rüber wie ein zugekokster Kleinwüchsiger, der seine Minderwertigkeitskomplexe hinter absurden Klamotten versteckt (Weller) oder wie der sportliche Zwilling von Spongebobs Kumpel Patrick (Althof). Ich mache den beiden keinen Vorwurf: Natürlich fanden sie es geil, die harten Kerls in einem harten Actioner zu geben und nebenbei auch noch an Bea Fiedler respektiv Jacqueline Elber rumschrauben zu dürfen, natürlich ergriffen sie die sich bietende Gelegenheit und natürlich hatten sie keine Ahnung, dass sie dabei nicht wie die obercoolen Dudes, sondern wie zwei peinliche Trottel rüberkommen mussten. Der Film profitiert immens von der Unbedarftheit seiner Hauptdarsteller, ihrer Bereitschaft, sich ins Zeug zu legen und mitzumachen bei der infantilen Zelebrierung eines Männerbildes, das in dieser reinen, unverschnittenen Form wohl nur unter besonders minderbemittelten Türstehern zu finden ist.

So grobschlächtig MACHO MAN auch ist – Drogen böse, René geil, Peter geil, Sport geil, Brüste geil, Klamotten geil -, so sehr ist es doch ein Film, bei dem es sich lohnt, auf die kleinen Details zu schauen: Darauf etwa, wie Dr. Fischer das Medikament für die Mittelohrentzündung seiner Patientin direkt aus der mit bunten Arzneipäckchen vollgestopften Schrankwand seines Behandlungszimmers nimmt und ihr in die Hand drückt. Wie er den verletzten Andreas (Peter Althof) danach von Sanitätern auf einen Schemel setzen lässt und als erstes den Reflexhammer rausholt. Auf den Deppen-Apostroph auf dem Schild des Gebrauchtwagenhändlers, der, man ahnt es bereits, „Auto’s“ verkauft. Auf das selbstgemalte Ankündigungsplakat für den Freundschaftskampf zwischen Dany (René Weller) und Andreas. Auf die Korea-Flagge über Andreas‘ Bett und das Glas Schwartau-Marmelade auf Danys Frühstückstisch. Auf die geilen „Grafittis“, die die Wände der Wohnung der Drogendealer zieren (Totenkopf, Sex Pistols, Herz mit Pfeil, Penis, „Gift“). Bemerkenswert sind unerklärliche Handlungsdetails wie die drogentote Schwester Sandras (Bea Fiedler), die diese schon wenige Minuten später vollkommen vergessen hat, um mit Andreas und Dr. Fischer zu einem Boxkampf von Dany zu gehen. Oder die Tatsache, dass zum Personal Training in Andreas‘ offensichtlich bundesweit bekannter Karateschule die persönliche Abholung am Flughafen, die anschließende Stadtrundfahrt vorbei an Nürnbergs Sehenswürdigkeiten und die körperliche Zuwendung des Lehrers gehört. Wunderbar außerdem der obligatorische Uhrenvergleich der Helden, bevor diese die komplett holzvertäfelte Stammkneipe der Drogenhändler stürmen. Meine liebste Dialogzeile hat die Arzthelferin Sandra, die auf die Frage Andreas‘, warum sie sich einen Boxkampf ansehe, antwortet: „Man muss doch wissen, was alles passieren kann, und warum.“ Ansonsten besteht ein Großteil der verbalen Austäusche aus der gegenseitigen Versicherung, wie geil der jeweilige Gegenüber doch ist. Die sportlichen Leistungen, die zur Schau gestellt werden, rufen geradezu lüstern klingende Bewunderung hervor: Jimmy, der Dunkelhäutige mit den hässlichen Füßen, ist in den „langsamen Techniken“ einmalig (nein, dabei geht es nicht um Sex), die Breakdancer haben eine „unglaubliche Körperbeherrschung“, Boxweltmeister Dany ist ein Wahnsinnsboxer (der allerdings eine unangenehme Affinität für angeberische Kirmesboxertricks hat) und Andreas ein „Pfundskerl“. Als solcher hat er natürlich einen ihm treu ergebenen Lakaien namens Markus (Michael Messing), der für ihn die Drecksarbeit erledigt und auch schon einmal vorgeschickt wird, um Botschaften zu überbringen, für die sich der Chef selbst zu schade ist.

Am Ende ist MACHO MAN aber natürlich auch der Film, der dem Begriff der Ballonseide eine ganz neue Bedeutung verleiht. Weller, ein ohne Zweifel gut durchtrainierter, aber doch eher schmächtiger Typ, stakst hier in Klamotten herum, die ihn aussehen lassen wie eine transsexuelle Prostituierte: Stiefeletten mit Absatz, um die geringe Körpergröße zu kaschieren, enge, arschbetonte Jeans, dazu auf Hüfte geschnittene, aufgepumpte Blousons. Oder, wenn es in die Disco geht, der metallic-taubengraue Overall im Michelin-Männchen-Style (gibt es auch in Zitronengelb, fürs Schlussbild). Nicht ohne ist auch die zeitlos schöne Kombi aus eng geschnittener Wildlederjacke mit überdimensionalem Pelzkragen und weißem Seidenschal. Die Frauen geben sich alle Mühe, da mitzuhalten, haben aber erwartungsgemäß keine Chance. Bea kommt René mit ihrem goldenen Glitzerabendkleid, mit dem sie die wenig bevölkerte Tanzfläche des „Superfly“ entert und sich dort wiegt und windet, als tanze sie im Spotlight des Studio 54, immerhin recht nahe, Althof und Messing sind mit Leder in verschiedensten Kombinationen mal besser (Althof), mal schlechter (Messing) beraten.

Ich könnte hier jetzt noch eine Weile so weitermachen, aber am Ende ersetzt das die eigene Sichtung natürlich nicht. MACHO MAN ist ein Monument des schlechten Geschmacks und der Verblendung, ein einzigartiger Actionbaddie und natürlich ein eminent bedeutender Beitrag zur deutschen Filmgeschichte. Fahrt im Sommer nach Nürnberg, macht euch ein paar schöne, von köstlichen Landbieren und fränkischer Küche bereicherte Tage, und schaut den Film vor einem euphorisierten Publikum im Freilichtkino. Danach könnt ihr dann beruhigt sterben.