Mit ‘Adam Sandler’ getaggte Beiträge

Tief dringt die Kamera ein in das enigmatische Funkeln eines Rohdiamanten, fliegt immer tiefer hinein, als verberge sich eine ganze Welt in dem über Tausende, wenn nicht Millionen von Jahren hoch verdichteten Mineral. Heraus findet sie über den Darm des Diamantenhändlers und Juweliers Howard Ratner (Adam Sandler), der sich gerade einer Koloskopie unterzieht. Ist UNCUT GEMS vielleicht eine bittere Satire über den gnadenlosen Verwertungskreislauf des Kapitalismus, der sich alles einverleibt, nur um die unbrauchbaren Reststoffe am Ende wieder auszuscheißen? Leider ist der Film deutlich banaler, was auch das Wiederaufgreifen der oben genannten Kamerafahrt am Ende belegt: Das Leben, so wollen die Safdies sagen, ist ein unvorhersehbares Wagnis, ein Labyrinth aus verlockenden Irrwegen und Sackgassen. Und das große Ziel, das man anscheinend vor Augen hat, ist vielleicht doch nur der eigene Tod.

Der von Netflix produzierte UNCUT GEMS wurde in den letzten Monaten gehypt wie kaum ein zweiter Film des vergangenen Jahres. Und der von der „intelligenten“ Filmkritik so verhasste Adam Sandler sah sich aufgrund seiner Darstellung des spielsüchtigen, gedemütigten und vom Pech verfolgten Ratner plötzlich als verkanntes Genie und schauspielerischer Gigant rehabilitiert (dass man dieselbe Offenbarung schon vor fast 20 Jahren anlässlich von Paul Thomas Andersons PUNCH-DRUNK LOVE erlebt hatte, ist schon längst wieder vergessen). Wer Sandler positiv oder auch nur unvoreingenommen gegenübersteht, den wird seine Leistung in UNCUT GEMS hingegen weniger überrascht haben: Zum einen hatte er bereits in einigen anderen Filmen angedeutet, dass er sein Handwerk zweifellos versteht (siehe oben) und mehr kann, als den Clown zu geben. Zum anderen können nur die verblendetsten Hater übersehen, dass Sandler ja auch in diesen vermeintlich „schlechten“ Filmen eine unleugbare Präsenz ist. UNCUT GEMS ist durchaus sehenswert, aber wer hier in der Hauptrolle nicht diese „Offenbarung“ erlebt, der wird auch dem Rest gelassener gegenüberstehen; und dann wahrscheinlich bemerken, dass UNCUT GEMS alles andere ist als die Neuerfindung des Rades.

Was ihn auszeichnet, ist sein manisches Tempo: Die Dramaturgie entspricht der sprichwörtlichen Achterbahnfahrt, bei der es hier aber immer nur abwärts geht. Zu Beginn scheint noch der große Reibach für Howard anzustehen, denn er hat einen raren Opal aus Äthiopien aufgetrieben, einen mystisch aufgeladenen, uralten und angeblich mit magischen Kräften ausgestatteten Stein, für den er auf einer New Yorker Auktionen einen hohen Millionenbetrag zu erzielen hofft. Man ahnt da schon, dass Howie vielleicht etwas zu optimistisch mit seiner Schätzung sein könnte, aber bevor es zur Auktion kommt, gibt es zahlreiche weitere Hürden zu überwinden. Kevin Garnett, der Basketballprofi aus Boston, muss den Opal als Glücksbringer haben und dem Juwelenhändler gelingt es nicht, ihm diesen Wunsch abzuschlagen. Den Meisterschaftsring, den er von Garnett als Pfand erhält, verpfändet er, um Bargeld für eine riskante Wette zu haben: Ihm is klar, dass Garnett mit dem Opal im Gepäck ein sensationelles Spiel hinlegen wird. Mit dem Gewinn will er die Schulden bei Arno (Eric Bogosian) begleichen, der langsam die Geduld mit dem Verwandten verliert, von dem er immer nur vertröstet wird, und natürlich den Ring zurückkaufen. Tatsächlich landet Howard mit seiner Wette einen Riesencoup, doch er ist trotzdem der Verlierer: Arno hat die Wette canceln lassen und so hat der Pechvogel nicht nur kein Geld gewonnen, sondern auch das Problem, dass er den Ring zurückkaufen muss, um wieder an seinen Opal zu kommen. Diese Episode ist aber nur ein Glied in einer engmaschigen Kette aus Verstrickungen, Schicksalsschlägen und Fehlentscheidungen, mit denen sich der Protagonist kontinuierlich und gnadenlos in die Scheiße reitet – bis UNCUT GEMS nach rund zweieinhalb Stunden genauso endet, wie man das eigentlich von Anfang an erwartet hat.

Das ist unterhaltsam, auch spannend, vor allem aber aufreibend und anstrengend, weil es kaum einmal einen Moment der Ruhe gibt. Das betrifft sowohl die beschriebene Dramaturgie als auch die Hochfrequenzdialoge und den Schnitt. Und inhaltlich ist der Film ähnlich eindimensional: UNCUT GEMS spielt in einer Welt, in der ständig alle dem großen Geld hinterherrennen oder aber sich selbst verkaufen. Echte Vertrauensbeziehungen gibt es nicht, vielmehr umschleichen sich alle wie die lauernden Raubtiere, nur auf den Moment wartend, in dem der andere eine Schwäche zeigt und zu Fall gebracht werden kann. Dinah (Idina Menzel), Howards Noch-Ehefrau hat für ihren Gatten nur noch offene Verachtung übrig, die gemeinsame Tochter nimmt ihn auch nicht mehr ernst. Aber noch nicht einmal in seinem Beruf kommt Howard zur Ruhe: Deals platzen, verprellte Kunden bezichtigen ihn des Betrugs, das automatische Schließsystem der Tür fällt immer wieder aus und zwingt betuchte Kunden, in der engen Schleuse auszuharren, bis das technische Problem mit Mühe und Not gelöst ist. Natürlich bringt auch der Opal nicht die erhofften Millionen und selbst das, was er wert ist, kann Howie nicht einstreichen. Er ist für diese Welt einfach nicht gemacht, aber man bekommt als Zuschauer einfach keinen echten Einblick, worin sein Versagen eigentlich besteht: Kommt zu seiner Spielsucht, seinem Leichtsinn und seiner linkischen Art gar auch noch berufliche Inkompetenz hinzu? Hier bleibt UNCUT GEMS leider zu vage. Letztlich erzählt er die geschickt, aber trotzdem überkonstruierte Geschichte eines Süchtigen, der alle Mäßigung verliert und dafür bestraft wird. Das ist alles andere als revolutionär und in der hier dargebotenen Schärfe nicht nur unproduktiv, sondern fast ein wenig sadistisch.

Schön ist die Cinematografie von Darius Khondji, der überwiegend auf Schwarz- und Grautöne setzt, dann aber immer wieder grelle Farbpunkte wie Lichtreflexe in einem Diamant aufblitzen lässt. Auftritte von Basketballprofi Garnett, Soul-Crooner Abel Tesfaye aka The Weeknd oder das Tilda-Swinton-Cameo passen ebenfalls ins Bild. Aber letztlich ist UNCUT GEMS tatsächlich in erster Linie ein Showcase für Sandler, der nahezu jede Szene bestreitet und die ernste, „realistische“ Variante seiner liebenswerten Clowns und Losers geben darf. Er überzeugt auf ganzer Linie und sorgt auch wesentlich dafür, dass einem Howies Schicksal nicht am Arsch vorbeigeht. Er ist somit aber nicht das i-Tüpfelchen auf einem Meisterwerk, sondern der Faktor, der UNCUT GEMS überhaupt erst zum Gesprächsthema macht. Über den Rest muss man wirklich nicht nach Hause schreiben.

blended (frank coraci, usa 2014)

Veröffentlicht: Oktober 20, 2014 in Film
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Jim (Adam Sandler), Witwer und Vater dreier Töchter, trifft bei einem Blind Date auf Lauren (Drew Barrymore), geschieden und Mutter zweier Söhne. Der Abend wird zum Desaster und die Wege der beiden Suchenden trennen sich, ohne dass einer die Lust verspürte, dem anderen noch einmal wieder zu begegnen. Natürlich kommt es anders und schließlich landen die beiden durch eine Verkettung glücklicher Zufälle samt Kindern in einem Luxus-Urlaubsresort in Südafrika. Anfangs nur wenig begeistert, beginnen Jim und Lauren langsam sich gegenseitig wertzuschätzen …

THE WEDDING SINGER und 50 FIRST DATES, die ersten beiden gemeinsamen Filme von Adam Sandler und Drew Barrymore, zählen zu den wenigen Sandler-Komödie, die auch über den erlauchten Kreis von dem Komiker generell wohlgesonnenen Menschen hinaus auf Wohlwollen stoßen. Die beiden verfügen gemeinsam über eine unleugbare Chemie, und die auch mit 39 unverändert zuckersüße Barrymore scheint ein besonderes Talent dafür zu haben, Sandlers oft infantile Impulse im Zaum zu halten – oder sie zumindest zu erden. In BLENDED geht es, dem Alter der Stars entsprechend, nicht mehr um die erste große Liebe, sondern sozusagen um den zweiten Anlauf, bei dem nun nicht mehr nur das eigene Gefühl entscheidend ist. Der Partner muss nicht nur das eigene Herz und Hirn erobern, sondern auch das der mit in die Beziehung gebrachten Kinder und sich zudem der neuen Herausforderung, „fremde“ Kinder zu erziehen, gewachsen zeigen. BLENDED – die mittlerweile vierte Kollaboration von Sandler und Regisseur Coraci (nach THE WEDDING SINGER, THE WATERBOY und CLICK) – zeigt äußerlich die typischen Sandler-Trademarks, gleichzeitig aber auch eine gewisse Ruhe, Souveränität und, ja, Würde, die durchaus neu sind. Wieder einmal scheinen die Dreharbeiten von Sandler als Traumurlaub geplant worden zu sein, bei dem dann als netter Nebeneffekt auch noch ein Film mit schöner Kulisse abfällt, wieder einmal läuft ein menschlicher Running Gag durch Film (Terry THE EXPENDABLES Crews ist wunderbar als Nickens, Sänger der Resort-eigenen Sangestruppe Thathoo), wieder einmal gibt es Tiersex, wieder einmal spielen Sandlers Kumpels mit (Kevin Nealon und Allen Covert), wieder einmal ist seine ganze Familie in Gastrollen mit von der Partie. Aber insgesamt ist BLENDED besinnlicher und von einer unterschwelligen Altersweisheit getragen, die ihm sehr gut zu Gesicht steht.

Man wird ja üblicherweise nicht verstanden oder mitleidig angeschaut, wenn man überhaupt in Erwägung zieht, Sandler-Filme nicht bloß als hohlen, künstlerisch wertlosen Zeitvertreib zu betrachten; ich kann mir aber nicht helfen: Mir scheint er hinsichtlich seiner Ansichten zu Familie, Liebe und Kindern einer der klügsten Männer in Hollywood überhaupt zu sein, ein echter Humanist, dem es zudem gelingt, Rassen- und Klassengrenzen in einem Atemzug zu transzendieren wie sie ihre Existenz anzuerkennen. Sandlers Filme sind eigentlich immer Utopien, aber niemals wirken sie hochgestochen oder unerreichbar. Es gibt keine ideologisch-politischen Höhenflüge, keine belehrend-mahnendes Fingerzeigen, kein nervtötendes PC-Getue. Im Zentrum werden sie befeuert vom einfachen Glauben daran, dass jeder Mensch das Gute will, sich mancher bei dessen Verwirklichung lediglich selbst im Wege steht. Sandler ist ein Populist im positivsten Sinne des Wortes, nahezu vorurteilsfrei und ohne verklärenden/verklärten Blick auf die Dinge.

Über BLENDED muss ich gar nicht viel mehr sagen, außer: Die schönste US-Komödie des Jahres. Aber das war ja eh zu erwarten.

Der vor allem in den USA erfolgreiche, aber von der Kritik viel gescholtene GROWN UPS war eine der entspanntesten Komödien der vergangenen Jahre; ein Film, dem die oft als erstrebenswertes Ideal angestrebte, aber allzu oft nur mäßige Ergebnisse zeitigende Prämisse, befreundete Komiker zusammenzustecken und sie einfach mal machen zu lassen, ohne Limitierungen durch ein einengendes Drehbuch, zu ungeahnter Lockerheit verhalf. Das Miteinander von Sandler, James, Rock, Spade und Schneider sowie der anhängenden Frauen fühlte sich so echt und privat an, das die halbherzigen Versuche des Scripts, im dritten Akt doch noch so etwas wie einen Plot zu installieren, umso bemühter wirkten. Es war eigentlich klar, dass der zweite Teil, der ja per se das Problem haben würde, etwas draufsetzen zu müssen und nicht ganz so selbstbewusst bei sich sein könnte.

So krankt GROWN UPS 2 gegenüber dem Vorgänger tatsächlich an einer gewissen Überfülle an Ideen und dem verzweifelten Bemühen, einen richtigen Ansatz zu finden. Versammelten sich die Jugendfreunde mit ihren Familien im ersten Teil nach der Exposition schnell an ihrem Häuschen am See, wo sie ihr gemeinsames Urlaubswochenende in Gegenwart des glücklichen Zuschauers verbringen sollten, ist das Sequel deutlich rastloser, unruhiger, auf der Suche nach jenem Rückzugsort, wo seine Protagonisten ganz sie selbst sein können (was sich auch auf der Handlungsebene spiegelt, etwa in Erics (Kevin James) heimlichen Ausflügen zu seiner Mutter, die ihn füttert und ihn bestätigt). GROWN UPS 2 findet sein Haus am See erst ganz zum Schluss in einer großen Achtzigerparty, auf der sich die versammelten Fortysomethings gegen eine Horde vor Kraft strotzender College-Bros zur Wehr setzen müssen. Insgeheim wünsche ich mir eine Alternativversion des Films, die nur an diesem Abend, nur auf dieser Party spielt, mal diesem, mal jenem Charakter folgt, sie wieder vereint, trennt und in unterschiedlichsten Konstellationen zusammenführt, dabei eine Vielzahl kleiner Episoden spinnt, die sich zum Bild eines wunderbaren Abends zusammensetzen, an dem die Zeit stilzustehen scheint. GROWN UPS 2 ist leider nicht dieser Film, aber er ist dennoch ein Vergnügen, wenn er auch den Erfolg des Vorgängers nicht wiederholen kann.

Die rastlose Suche des Films hat nämlich auch was. Es ist schon bemerkenswert, wie wenig er daran interessiert ist, sich von einer Dramaturgie bändigen zu lassen. Das Selbstbewusstsein, das es dafür braucht, eint ihn mit dem ersten Teil. GROWN UPS 2 bewegt sich mal hierhin, mal dorthin, probiert dieses und jenes, scheut in seinem Hit-and-Miss auch vor blöden Einfällen nicht zurück und findet so zu einer Authentizität, die gerade im Komödiengenre, das dramaturgisch sehr festgefahren und enorm von originellen Prämissen abhängig ist, außergewöhnlich ist. Nicht jeder Gag sitzt, ein paarmal verdreht man die Augen, dann wieder gibt es aber diese wunderbaren Momente und insgesamt reicht es vollkommen aus, weitere 100 Minuten mit diesen Charakteren und allen aus dem ersten Teil bekannten Nebenfiguren verbringen zu können. Rob Schneider, der gute Geist des Vorgängers, fehlt allerdings an allen Ecken und Enden als ruhendes Zentrum seiner Clique. Vielleicht ist das tatsächlich der entscheidende Unterschied.

Seit Danny Maccabee (Adam Sandler) in jungen Jahren mithilfe eines Eherings eine wunderschöne Frau zum Beischlaf überreden konnte, schwört der mittlerweile erfolgreiche Schönheitschirurg und Junggeselle auf das Utensil als unfehlbare Abschlepphilfe. Nachdem er jedoch die zauberhafte, 20 Jahre jüngere Palmer (Brooklyn Decker) ganz ohne Schummelei kennengelernt hat, wird der unvermittelt auftauchende Ehering zum Problem: Sie will unbedingt seine Ex-Frau kennenlernen. Solchermaßen in Not, überredet Danny seine Assistentin Katherine (Jennifer Aniston), eine alleinerziehende Mutter, in die Rolle der Geschiedenen zu schlüpfen. Als die sich verplappert, werden auch noch ihre Kinder in das Spielchen mit hineingezogen. Als Belohnung für ihre Hilfe bestehen sie auf eine gemeinsame Reise nach Hawaii. Dort eskaliert die Situation, als Katherine ihre ehemalige Schul-Nemesis Devlin (Nicole Kidman) wiedertrifft und nun ihrerseits darauf besteht, dass Danny in die Rolle ihres Ehemanns schlüpft. Und während die beiden so ein zunehmend komplizierter werdendes Spielchen spielen, stellen sie fest, dass sie füreinander mehr als nur Kollegen und Freunde sind …

JUST GOT WITH IT ist damals komplett an mir vorbeigegangen. Wahrscheinlich hätte ich aber auch sonst einen Bogen um ihn gemacht: auf den ersten Blick komplett uninteressant, in Deutschland zudem mit dem akut nichtssagenden deutschen Titel MEINE ERFUNDENE FRAU gestraft und mit einem Poster beworben, das in dieser Form auch von Neckermann verwendet werden könnte. Den meist schmerzhaft konservativen RomComs stehe ich sowieso eher ablehnend gegenüber – ich habe für mich mal die These formuliert, dass diese Filme vor allem zur Bestückung transatlantischer Passagierflüge produziert werden, und halte sie tatsächlich für plausibel –, und habe so auch glatt vergessen, dass Sandler mit THE WEDDING SINGER und 50 FIRST DATES in zwei Genrevertretern mitwirkte, die ich beide gegen meine Gewohnheit absolut großartig finde. Zwar ist die Chemie zwischen Sandler und Drew Barrymore, die diese beiden Filme trägt, nicht beliebig reproduzierbar, aber weil auch Jennifer Aniston wunderbar zusammen mit dem Komiker harmoniert, gelingt die „Rückkehr“ Sandlers ins Fach der Liebeskomödie. Der Schauspieler findet sich in einer typischen Rolle wieder, die YOU DON’T MESS WITH THE ZOHAN referenziert (der promiskuitive Hedonist entdeckt die Treue), der Plot erinnert mit seinem hohen Tempo und der ansteigenden Verwirrungs- und Konfliktfrequenz durchaus an die glorreichen Zeiten der Screwball-Komödien, einige derbere Gags und Gastauftritte sorgen für die nötige Basisnähe und den Stallgeruch (Höhepunkt der Albernheiten ist die Rettung eines Schafs mithilfe des Heimlich-Manövers). Der unwiderstehliche Drive, den JUST GO WITH IT entwickelt, lässt dann auch die kleineren Mängel verschmerzen, die man ebenfalls schon gewohnt ist: Dass eine der für die Handlung wichtigsten Szenen, die geplatzte Hochzeitszeremonie zwischen Danny und Palmer, offscreen stattfindet und nur per Dialog wiedergegeben wird, erscheint reichlich fragwürdig, wenn nicht gar herablassend gegenüber einer der zentralen Figuren, die noch nicht einmal etwas angestellt hat, was diese Behandlung rechtfertigen würde.

JUST GO WITH IT hat mich mit seiner Vielzahl beknackter Ideen (die beiden abgezockten Kinder Katherines, Nick Swardson, der sich in seiner Rolle als Dannys bester Freund als Online-Schafsverkäufer mit deutschem Akzent und dem Namen „Dolph Lundgren“ ausgibt, Nicole Kidman als zickige Rivalin Katherines, Musiker Dave Matthews als ihr heimlicher schwuler Ehemann) für sich eingenommen. Ja, vieles an Sandlers Filmen erweckt den Eindruck, seine Filme seien während eines Urlaubs mit Freunden – hier eben auf Hawaii – so nebenbei entstanden, weswegen der Neckermann-Hinweis weiter oben gar nicht mal so weit hergeholt ist. Man mag das für dekadent halten und Sandler vorwerfen, dass er seine Kunst nicht mit genügend Respekt ausübt. Aber solange diese „Respektlosigkeit“ so herrlich kernentspannte Komödie wie JUST GO WITH IT – der Titel ist hier eben durchaus Programm – hervorbringt, darf einem das meiner Meinung nach herzlich egal sein.

Auch hier nur der Vollständigkeit halber, weil ich den Erkenntnissen meiner Erstsichtung nichts Wesentliches hinzuzufügen habe: BEDTIME STORIES hat einige inspirierte Passagen und eine grundsätzlich liebenswerte Prämisse, aber auch einen unübersehbaren Haken: Seine Grundaussage, sein Loblied auf die Fantasie und die Kreativität, vor allem auf die Kraft der Fiktion und des Geschichten-Erfindens, werden sowohl von der Disney-Fließbandproduktion als auch von der stromlinienförmigen Regie und dem standardisierten Plotverlauf massiv ausgehebelt. Sicherlich muss man bei einem solchen Kinderfilm das Rad nicht neu erfinden, zumal auch die Geschichten, die der liebenswerte Onkel Skeeter (Adam Sandler) seiner Nichte und seinem Neffen erzählt, nur aus Versatzstücken bekannter Filme oder Märchen bestehen; aber über weite  Strecken spult Shankman lediglich ein sattsam bekanntes Schema ab, ohne ihm dabei wirklich Leben einzuhauchen. Vor allem Sandlers sympathische Präsenz und sein natürlicher Enthusiasmus bewahren den Film davor, zum unsympathischen Studio-Bullshit zu verkommen, der sich etwa darin zeigt, dass ein glubschäugiges CGI-Meerschweinchen zum Comic Relief gemacht wird. Schöne visuelle Ideen, wie etwa der Kaugummikugel-Regen, hätten einen sorgfältigeren Film verdient: Vieles hier wirkt seltsam unterentwickelt, muss Platz machen für tausendfach in anderen Filmen durchgekaute Standards, die die an anderer Stelle unverkennbar investierte Liebe neutralisieren. Am Ende bleibt ein Film, den ich zwar irgendwie mag, der in Sandlers Werk aber sicherlich zu den eher uninteressanteren zählt. Schade, denn aus der Ausgangsidee hätte man viel, viel mehr machen können.

Zweitsichtung. Wie schon bei I NOW PRONOUNCE YOU CHUCK AND LARRY gilt auch hier: Der neue Text ist nur eine kurze Ergänzung zum Alttext, Inhaltsangabe etc. kann man dort lesen.

ZOHAN bedeutet für Sandler eine Rückkehr zu den leichteren, überdrehten, comichaften Komödien, mit denen er zunächst berühmt wurde. Der israelische Supersoldat Zohan ist ein Verwandter von Billy Madison, Happy Gilmore, dem Waterboy oder auch Little Nicky: eine Figur wie aus einem Comicstrip, zwar mit der irdischen Wirklichkeit in Verbindung stehend, aber unübersehbar auf einer Metaebene angesiedelt. Diese Verortung ermöglicht es Sandler und Dugan, typische Sandler-Themen zu bearbeiten, aber anders als in seinen herzlicheren und „echteren“ Komödien satirisch auf die Spitze zu treiben. Man mag es angesichts der Plotprämisse nicht für möglich halten, aber YOU DON’T MESS WITH THE ZOHAN ist tatsächlich der vielleicht explizit politischste Film Sandlers. Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis, um den es geht, und den Dugan und Sandler als Ausgangspunkt für ihre Anti-Kriegs-Botschaft nutzen, ist dabei eher austauschbar. Dass ausgerechnet diese beiden Parteien ausgewählt wurden, liegt wohl vor allem darin begründet, dass Sandler selbst jüdischen Glaubens ist. Ein deutlicheres Statement ist die Wahl des tatsächlichen Schurken: Bei diesem handelt es sich nicht etwa um den palästinensischen Superterroristen Phantom (John Turturro), sondern um den Immobilienhai Walbridge (Michael Buffer), der die in Manhattan auf gegenüberliegenden Straßenseiten lebenden Konfliktparteien gegeneinander aufhetzen will, um sie aus ihren Geschäften zu vertreiben und so seine Mall errichten zu können. Während Palästinenser und Israelis in der Fremde einen Streit führen, der sie gar nicht mehr betrifft, sitzt der wahre Feind schon in Lauerstellung: das Kapital. YOU DON’T MESS WITH THE ZOHAN vertritt die Überzeugung, dass das Böse längst nicht mehr mit einer Nationalität oder eine Religion verbunden ist. Dass diese alten Feindbilder aufrechterhalten werden, kommt aber den skrupellosen Geschäftemachern und Wirtschaftsbossen zupass, die aus dem Leid Kapital schlagen. Die Kriege der Gegenwart werden nicht mehr mit Waffen ausgetragen, sondern mittels finanzieller Transaktionen. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Sandlers Film 2008 erschien, in eben jenem Jahr, in dem die anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise öffentlich wahrgenommen und als solche erkannt wurde. Man muss YOU DON’T MESS WITH THE ZOHAN nicht unbedingt seherische Fähigkeiten zuschreiben: Kapitalisten und Imperialisten waren schon immer ausgezeichnetes und beliebtes Schurkenmaterial, aber in Verbindung mit Sandlers typisch humanistischem Utopiestreben ist der Film – zumal für eine vermeintlich alberne Komödie – erstaunlich hellsichtig und luzide.

Ein Unterschied zu Sandlers sonstigen Filmen markiert der Protagonist selbst: Spielt Sandler sonst die Underdogs, die Verlachten, die Verlierer, so ist sein Zohan mit übermenschlichen Fähigkeiten und immensem Sex-Appeal ausgestattet und wird in seiner Heimat als Held und Popstar frenetisch gefeiert. Seine Entwicklung verläuft hier genau in entgegengesetzter Richtung: Er will ein anderes, ruhigeres Leben führen. Des Tötens ist er ebenso überdrüssig wie der Popularität, er möchte lieber Haare schneiden. Man glaubt es kaum, aber ausgerechnet YOU DON’T MESS WITH THE ZOHAN ist einer der Filme, die den Wandel des Komikers vom vergnügungssüchtigen Junggesellen zum gereiften Familienvater seiner gegenwärtigen Filme forcieren.

Bei meiner Zweitsichtung bin ich zu keinem wesentlich anderen Ergebnis als bei Erstbetrachtung gekommen. Anstatt das also alles noch einmal wiederzukäuen, beschränke ich mich auf das, was mir neu aufgefallen ist. Wer mehr wissen möchte, klickt einfach auf den Link.

I NOW PRONOUNCE YOU CHUCK AND LARRY setzt sich auf sehr amüsante Art und Weise mit männlicher Sexualität, männlichem Gender und den damit verbundenen Klischees und Vorurteilen auseinander. Der Film beginnt mit einem Basketballspiel, das Chuck (Adam Sandler) und Larry (Kevin James) mit ihren Arbeitskollegen während einer Pause austragen. Eine attraktive Frau – eine Lateinamerikanerin vermutlich – tritt an den Zaun, der das Spielfeld begrenzt, und beginnt, Chuck mit Beleidigungen zu überziehen. Sie hat offensichtlich eine Beziehung mit ihm und erfahren, dass er sich mit ihrer Schwester statt mit ihr vergnügt hat. Chuck spielt das Unschuldslamm: Er hätte die beiden verwechselt. Dann tritt die Schwester hinzu und es kommt nun zur Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen, die wie aus einer Männerfantasie entsprungen aussehen. Chuck weiß genau, wie er die Situation zu seinen Gunsten wendet. Er heizt die Eifersucht zwischen den beiden Schwestern an und fordert sie schließlich auf, sich zu küssen, um zu beweisen, welche von beiden experimentierfreudiger ist. Seine Kollegen stehen mit offenen Mündern hinter ihm und können ihren Augen nicht trauen. Eine Sirene unterbricht das Schauspiel, bevor es zum großen Finale kommen kann: Die Frauen lassen voneinander ab, die Männer müssen enttäuscht zum Einsatz eilen. Sie sind bei der Feuerwehr.

Der Beruf der beiden Protagonisten dürfte kaum zufällig gewählt worden sein: Zum einen werden uniformierte Männer in der Gay Culture immer wieder ikonisch aufgegriffen (man denke an die Village People), zum anderen verbindet man den Beruf mit genuin männlichen Attributen. Wie es hierzulande noch undenkbar scheint, dass sich ein Fußballprofi als homosexuell zu erkennen gibt, so sorgt das spätere, dem Zwang geschuldete Outing der beiden (das ja eigentlich keines ist) auch bei ihren Kollegen für die erwartbare Mischung aus Angst, Schnappatmung und Aggression. Doch die von der Masse gegen den Einbruch des „Unnormalen“ verteidigte Realität ist ja eh nur noch ein mühsam aufrechterhaltener Schein: Der schwarze Muskelprotz, den man für einen Gewaltverbrecher hält (Ving Rhames), folgt dem Beispiel seiner Kollegen, outet sich und tanzt dann vor den in Homophobie erstarrten Kollegen unter der Dusche ausgelassen zu Chaka Kahns „I’m Every Woman“. Der von Larry zunächst noch besorgt beobachtete Sohn, der sich nicht für Baseball, aber dafür für Tanz und Musicals interessiert, schlägt den Bully, der ihn als Weichling ausgemacht zu haben glaubt, mit einem beherzten Schlag ins Gemächt ganz einfach nieder. Und der der Promiskuität zugetane Prolet Chuck, der das Leben eines Westentaschen-Hugh-Hefners führt, wird später von allen als der weibliche Part in der Männerbeziehung ausgemacht – sehr zu seinem Entsetzen. Frauen entpuppen sich als Männer, Heteros als Homos – die Freundschaft zweier Männer gar als Liebe? Je länger Chuck und Larry ihre Täuschung aufrechterhalten, umso weniger scheinen starre Konstrukte von Sexualität und Geschlecht noch eine Entsprechung in der Wirklichkeit zu haben. Am Ende ist man fast etwas überrascht, wenn Chuck und Larry vor dem Kuss, den sie sich als Beweis der Echtheit ihrer Beziehung vor dem Gericht geben sollen, genauso wie die beiden Schwestern zu Beginn des Films unterbrochen werden, ihre Scharade auffliegt und sie zu ihrem alten Leben zurückkehren, anstatt als Paar zusammenzubleiben, vielleicht in einer Dreiecksbeziehung mit der feschen Anwältin Alex (Jessica Biel), die sich in Chuck verliebt hat. Aber auch so haben sich die einst fest gefügt geglaubten Verhältnisse im Film als immens durchlässig und nachgiebig erwiesen. Hetero, Homo: Alles völlig egal, reine Privatangelegenheit und nichts, was irgendwas über den Menschen aussagt. Letzten Endes nur Begriffe, die eine Denkblockade aufbauen, um uns daran zu hindern, die Schönheit im Gegenüber zu entdecken.

Der New Yorker Zahnarzt und Familienvater Alan Johnson (Don Cheadle) trifft in Manhattan seinen ehemaligen College-Freund Charlie Fineman (Adam Sandler) wieder. Charlie hat bei den Attentaten von 9/11 seine gesamte Familie – Ehefrau und drei Töchter – verloren und sich seitdem ins innere Exil zurückgezogen. Er vegetiert in seiner Wohnung vor sich hin, driftet ziellos durchs Leben und versucht jegliche Erinnerung an den Schicksalsschlag und seine Geliebten zu verdrängen. Alan fühlt sich einerseits hingezogen zu dem bar jeder Verantwortung und Struktur lebenden Charlie, merkt aber auch, dass er ihm helfen muss, sich seiner Trauer und seinem Schmerz zu stellen, damit er mit dem Leben weitermachen kann. Er überredet Charlie zu einer Gesprächstherapie bei der befreundeten Therapeutin Angela (Liv Tyler). Nach anfänglichen Schwierigkeiten macht Charlie einen enormen Fortschritt, als er es endlich schafft, Alan von jenem Tag zu berichten, als sich sein ganzes Leben veränderte. Doch der Schmerz über den Verlust ist so stark, das Charlie danach beschließt, seinem Leben ein Ende zu machen …

Ach ja, Filme wie diesen allzu kritisch zu behandeln, trägt einem leicht den Ruf ein, ein zerknirschter Misanthrop zu sein. REIGN OVER ME ist schon in Ordnung, vor allem, weil seine beiden Hauptdarsteller das, was andere sonst in vollem Bewusstsein der Bedeutungsschwere zu einem eher unangenehmen Tränendrücker gemacht hätten, mit großer Lockerheit und Entspannung absolvieren (und natürlich, weil die Gegen-den-Strich-Besetzung von Sandler ihre Wirkung nicht verfehlt). Der Film ist das Porträt einer ungewöhnlichen Freundschaft, mehr als das runterziehende Psychogramm eines Trauernden. Auch auf 9/11 wird zum Glück nur sehr dezent eingegangen. Was sollte dazu auch noch gesagt werden? Zwar zielt auch Binder auf die Tränendrüse des Zuschauers, aber er ist dabei weniger spekulativ und kalkulierend als vergleichbare Filme das oft sind. Der Schmerz Charlies wird nicht ausgeschlachtet, eben weil die Dimension seines Leids sich nicht offen zeigt. Was in ihm wirklich vorgeht, erkennt man an seinen Übersprungshandlungen, daran, wie er eben nicht trauert, sondern sich gegen jede Empfindung versperrt. So wie er da auf seinem motorgetriebenen Roller durch die Straßen Manhattans gleitet, erinnert er ein wenig an den Silver Surfer, jenes Lebewesen, das, von der Trauer um seine verlorene Liebe getrieben, die Einsamkeit, Unendlichkeit und Stille des Universums durchquert wie ein Pilger. REIGN OVER ME hat mir am besten in seinen leisen Momenten gefallen, in denen Alan und Charlie einfach nur zusammensitzen, miteinander reden. Leider werden sie dabei viel zu oft vom dann doch wieder schematischen Plot gestört. Binder fehlt der Mut, beim Schmerz, bei der Stille, bei Charlie zu bleiben.

So muss es gezwungenermaßen nicht nur zur dramatischen Zuspitzung der Ereignisse kommen, bei der alle Beteiligten ihre Lektion lernen und ein Richter salomonische Weisheit offenbart: Auch Alan darf nicht einfach nur Charlies Freund sein, ihm zuhören, er muss etwas aus der Beziehung zu ihm für sein Leben mitnehmen. Und anstatt Charlie die Zeit zu geben, die er braucht, wie es der Film eigentlich propagiert, muss er die mögliche Erlösung in Form einer neuen Liebe ins Spiel bringen. Natürlich ist das Leben oft genug tatsächlich so einfach. Aber in REIGN OVER ME fühlt sich diese Auflösung dennoch wie ein Krückstock an, der dem Zuschauer überreicht wird, weil er mit etwas Handfestem nach Hause gehen will.

Michael Newman (Adam Sandler) ist mit der wunderschönen Donna (Kate Beckinsale) verheiratet, liebevoller Vater zweier Kinder und erfolgreicher Architekt.  Und er hat ein Problem: Weil er alles versucht, um seinen Chef (David Hasselhoff) zufriedenzustellen und Karriere zu machen, enttäuscht er zwangsläufig seine Familie. Als er in einem Baumarkt bei dem mad scientist Morty (Christopher Walken) eine Fernbedienung ersteht, die es ihm erlaubt, durch sein Leben zu zappen wie durch eine DVD, scheinen alle Probleme gelöst. Wenn die Ehefrau nervt, wird sie leiser oder gleich ganz stummgeschaltet, langweilige Familienessen werden einfach vorgespult, Vergessenes durch Zurückspringen wieder ins Gedächtnis gerufen. Ein Traum, so scheint es. Doch dann lernt er, was es mit der Lernfunktion des Wundergerätes auf sich hat: Das hat sich die Vorlieben Michaels nämlich genau gemerkt und nimmt ihm diverse Entscheidungen nun vollständig ab. Michael verpasst ganze Jahre seines Lebens, ist plötzlich alt, fett und geschieden, weiß nicht, wie die Gattin seines Sohnes heißt und erfährt aus zweiter Hand, dass sein Vater gestorben ist …

Schon bei 50 FIRST DATES hatte ich den Vergleich zu einer TALES FROM THE CRYPT-Episode gezogen, und der drängt sich hier noch eutlich mehr auf. CLICK beginnt zunächst wie eine comichafte Komödie, die die What-if-Prämisse seiner Geschichte genüsslich ausspielt: Michael „pausiert“ seine Mitmenschen, stellt sie stumm und den Hund leiser, nutzt die Vorspultaste, schaltet sich in vergangene Kapitel seines Lebens, schaut sich sein persönliches Making of an, lässt seinen Chef auf Spanisch schwadronieren, belauscht die japanischen Geschäftsleute durch Zuschaltung der Untertitelspur oder hört sich den Audiokommentar zu seinem Leben an, der äußerst dramatisch von niemand Geringerem als James Earl Jones vorgetragen wird. Dass irgendwann ein Konflikt folgen muss ist klar, doch wie heftig sich Michaels Gebrauch der Fernbedienung auf sein Leben auswirkt, ist schon überraschend. CLICK verwandelt sich von der überdrehten Komödie in echten Horror jenseits übersinnlichen Spuks und messerwetzender Psychos: Michael zerstört sein Leben, verpasst prägende Ereignisse, die danach für ihn unwiederbringlich verloren sind. Für ihn gibt es am Ende wirklich kein Zurück mehr. Er muss akzeptieren, dass er sich einiger der wertvollsten Momente seines Lebens beraubt und die Liebe seiner Familie leichtfertig verspielt hat. Natürlich geht es dank eines gängigen Drehbuchkniffs – der, das muss man fairerweise sagen, auch nicht als große Überraschung oder spektakulärer Twist inszeniert ist – am Ende doch noch gut für ihn aus: Alles war nur ein Traum, der ihm gezeigt hat, was in seinem Leben wirklich wichtig ist. Die Wirkung der Mahnfabel wird in CLICK, anders als bei den den EC-Comics entlehnten Geschichten aus TALES FROM THE CRYPT und vergleichbaren Formaten, also nicht nur auf den Zuschauer übertragen, sondern auch auf den Protagonisten, der das Glück hat, Einsicht in seine Irrtümer zu erhalten und sich zu verändern.

CLICK gehört ohne Zweifel zu den schönsten Filmen Adam Sandlers: Die Mischung aus grellem Witz und humanistischem Geist bekommt im amerikanischen Mainstreamkino keiner auch nur annähernd so gut hin wie er. Dass er mit CLICK eben nicht den leichtesten Weg geht – locker hätte sich aus der Fernbedienungsidee ein putziges, beschwingtes 90-Minuten-Komödchen zurechtkloppen lassen –, ehrt ihn zusätzlich. Man muss die Konsequenz bewundern, mit der er seinen Einfall zum Äußersten treibt, ohne dabei allzugroße Rücksicht auf ein Publikum zu nehmen, dass eine Reihe lustiger Vorspulgags erwartet hat. Dass er den Bogen dabei am Ende vielleicht einen Hauch überspannt, ist angesichts dieses Muts ein verzeihlicher Fehler.

Als seinerzeit verlautbart wurde, dass ein Remake von Robert Aldrichs Klassiker THE LONGEST YARD mit Adam Sandler in der Burt-Reynolds-Rolle gedreht werden sollte, hatte ich das Original gerade zum ersten Mal gesehen und konnte nicht fassen, wie man auf eine solch idiotische Idee kommen konnte. Nach der gestrigen Sichtung von Segals Bearbeitung muss ich jedoch eingestehen, dass sie durchaus ordentlich geworden, Sandler als ehemaliger Football-Profi keineswegs die krasse Fehlbesetzung ist, man Aldrichs Film keine Schande gemacht hat, sondern ihm mit der Neubearbeitung vielmehr die verdiente Ehre erweist. Denn daran, wie sklavisch Segal an den zentralen Plotpoints und selbst noch an kleinen Details des Originals klebt und wie flüssig die Maschine auch in dieser skelettierten Form immer noch läuft (Segals Films ist gut 20 bis 30 Minuten kürzer als Aldrichs Original), zeigt sich ja auch, wie zeitlos und maßgeblich Aldrichs Film auch 40 Jahre nach seinem Entstehen immer noch ist.

In Segals Version sind Ecken und Kanten abgeschliffen, der Ernst, die existenzialistische Tragweite von Crewes Situation hat hier keinen Platz mehr. Was Aldrich noch sorgsam auf- und ausbaut, das skizziert Segal nur noch. Er muss nicht mehr tun, weil Aldrichs Film eine Schablone für etliche Nachzieher lieferte, die einst neue Prämisse heute längst bewährte Formel ist. Weil mit Sandler und Chris Rock zwei Komiker die Besetzungsliste anführen, ist auch klar, dass das komödiantische Element, das in Aldrichs Film nur eines von vielen war, in den Vordergrund rückt. Das Football-Team aus Knackis, das Crewe zusammenstellt, ist noch hoffnungsloser, die Attacken auf den Gegner sind noch wüster, der Teamgeist noch stärker. Alles läuft schnurstracks und ohne große Hindernisse auf das finale Spiel zu, das ähnlich viel Raum einnimmt und ebenso spektakulär inszeniert wird.

Als Zeittöter ist THE LONGEST YARD höchst effizient: Die Mischung aus Gags und Action sitzt, die Besetzung ist bis in kleine Nebenrollen perfekt (Brian Bosworth und Steve Austin geben zwei Wärter, Ed Lauter absolviert einen kleinen Gastauftritt) und wer mit Sportfilmen etwas anfangen kann, den wird auch der Showdown mit seiner makellosen Spannungsdramaturgie gefangen nehmen. Was Segals Film jedoch fehlt, ist das Fleisch auf den Rippen. Die Figuren bleiben allesamt ein- bis maximal zweidimensional und das beeinträchtigt auch die Glaubwürdigkeit des zentralen Konflikts. Nichts wirkt wirklich echt, sondern bloß wie zitiert, nachgespielt. Aldrichs Film bestand eben nicht nur aus der erfolgreichen Prämisse, er hatte echtes Drama, echte Charaktere, echte Schwere. Für Crewe stand wirklich etwas auf dem Spiel und das spürte man auch als Zuschauer. Schwer ist im Remake gar nichts, es hält gerade so lange vor, wie es dauert. Aber das ist wie gesagt schon weitaus mehr, als ich ursprünglich angenommen hatte.