Mit ‘Aliens’ getaggte Beiträge

greenslimeposterEine echte Science-Fiction-Kuriosität, dieser Film: Im Jahr von Kubricks bahnbrechendem 2001: A SPACE ODYSSEY entstanden, handelt es sich um eine amerikanisch-japanische Koproduktion mit ausschließlich nicht-asiatischer Besetzung, die vom späteren Wandler zwischen Arthouse und Exploitation, Kinji Fukasaku, mithilfe der Modellbauten aus Antonio Margheritis Weltraumabenteuern inszeniert wurde. Die japanische Fassung ist dem Vernehmen nach eine ganze Ecke kürzer, spart sich das Ringen der beiden Helden, Commander Jack Rankin (Robert Horton) und seinem Kumpel/Rivalen Vince Elliott (Richard Jaeckel), um die schöne Ärztin Lisa Benson (Luciana Paluzzi), das zwar nicht kriegsentscheidend ist, THE GREEN SLIME aber eben das nötige menschliche Drama verleiht. Die deutsche Fassung ist wiederum identisch mit der US-Version, verzichtet aber aus unerklärlichen Gründen auf den absolut fantastischen Titelsong.

Auch abseits solcher Details ist THE GREEN SLIME beachtlich: In der ersten Viertelstunde beweist Fukasaku, dass man die Story von ARMAGEDDON nicht auf drei endlose Stunden dehnen muss, dann nimmt er ALIEN um runde zehn Jahre vorweg und haut in seinem Showdown, bei dem sich schwerbewaffnet durchs All fliegende Astronauten ein heiß umkämpftes Feuergefecht gegen auf der Oberfläche der Raumstation hockende Monsterbrut liefern, noch einmal schwer auf die Kacke. Für Schadenfreude sorgen die putzigen Monsterkostüme – in denen laut IMDb Kinder steckten, die bestimmt die Zeit ihres Lebens hatten – und der unerträgliche Chauvinismus des selbstgefälligen Rankin, der einem aber dessen ungeachtet als echter Supertyp verkauft wird. Was unter anderen Umständen lediglich einer von Dutzenden, ach was, Hunderten preisgünstig runtergekurbelter Sci-Fi- und Monsterschinken geworden wäre, gewinnt unter der versierten Regie Fukasakus beachtlich an Drive und Klasse. Er weiß einfach, wie man wenig nach viel aussehen lässt, wann man mithilfe geschickt gesetzter Schnitte die Illusion aufrechterhält (etwa bei einem fulminant montierten Kart-Unfall, der in einer Totalen wahrscheinlich eher armselig ausgesehen hätte). Auch das Scope-Format hilft: THE GREEN SLIME ist ein visuelles Leckerli, toll fotografiert, in jeder Ecke des Bildes warten die Attraktionen – oder auch doof guckende Statisten, wie sich das für so ein Werk gehört. Und die Kopie, die die Veranstalter Christian Rzechak und Marc Ewert aufgetrieben haben, war nahezu makellos und strahlte in prachtvollen Farben. Einfach wunderbar!

Mein Favorit war indessen eine eher unspektakuläre Szene, in der einer der Darsteller eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass man mit der richtigen Einstellung  auch dann noch eine gute Figur beim Telefonieren macht, wenn das Ohr von einem Helm abgedeckt wird. Wie so oft im Leben alles eine Frage der richtigen Technik.

res10Trotz seiner leicht überdurchschnittlichen IMDb-Bewertung gilt ALIEN: RESURRECTION vielen Genrefilm-Freunden geradezu als Inbegriff für das unerklärliche, bizarre Totalversagen eines einst unfehlbar scheinenden Erfolgsfranchises. Polemiken gegen das Sequel sind ein liebevoll gepflegter Standard von Nerd-Websites, seine Schlechtigkeit ein unstrittiges Faktum, das dort ähnlich vehement verkündet wird wie der Hass auf die STAR WARS-Prequels. Konnten die Fanboys Finchers ALIEN 3 irgendwie noch verzeihen, weil sie dessen schwierige Produktionsgeschichte kannten und das (zusammengestutzte) Endergebnis außerdem immer noch amerikanisch genug war, um es ohne Verdauungsprobleme wegkonsumieren zu können, reizte Jeunet offensichtlich einen bloßliegenden Nerv. Dabei könnte man doch meinen, dass gerade das von vornherein offenkundiger Bestandteil des Deals war: Für ein stromlinienförmiges, wie eine gut geölte Maschine laufendes Entertainment-Vehikel war der Franzose gewiss nicht engagiert worden. Viel eher erwartete man sich doch wohl jene ausstatterische und visuelle Opulenz, schrägen Humor sowie märchenhafte Stimmung gepaart mit postmoderner Findigkeit, die wesentliche Merkmale von DELICATESSEN und LA CITÉ DES ENFANTS PERDUS gewesen waren. Und genau diese Qualitäten weist ALIEN: RESURRECTION dann auch auf – womit er erwartungsgemäß aus dem bis dahin vergleichsweise homogenen Korpus der Reihe herausfällt. Die Frage ist: Ist das wirklich ein Mangel? Und wenn ja: Wird er durch die von Jeunet neu ins Spiel gebrachten Impulse aufgewogen?

ALIEN: RESURRECTION setzt die Geschichte um die überaus aggressive Rasse Außerirdischer sowie die Bemühungen der Menschen, sie für militärische Zwecke nutzbar zu machen, durchaus sinnvoll fort, legt nach Finchers ätherisch-transzendentalem dritten Teil hinsichtlich der aus Scotts Original bekannten, grafischen Sexualisierung wieder eine deutliche Schippe drauf. Jeunet entfaltet eine fast erotisch zu nennende Zeigelust an deformiertem Fleisch, schwelgt in Aufnahmen verwachsener Leiber und mutierter Mensch-Alien-Halbwesen in großen Glasbehältern, macht die vormals eierlegende Alien-Königin zur Lebengebärenden und erfindet auf dem Höhepunkt des Films einen schockierenden Alien-Hybriden, aus dessen menschenähnlichem Totenschädel zwei dunkle, traurige Augen glotzen und das sogar in der Lage ist, sich sprachlich zu artikulieren. (Viele fanden dieses neue Monster eher lächerlich, aber bei mir hat es ein breites Spektrum an Emotionen von Ekel bis Mitleid ausgelöst.) In diesen Momenten gelingt es Jeunet, den ganzen Wahnsinn hinter den menschlichen Zuchtversuchen herauszuschälen, gleichzeitig die evolutionäre Flexibilität seiner Titelkreaturen und das Thema der Reihe – die unauflösliche Verstrickung des Menschen mit der fremden Rasse – auf die Spitze zu treiben. Leider funktionieren viele andere Elemente des Films weniger gut. So geht der bis zu diesem Zeitpunkt noch vorherrschende Realismus der Reihe fast vollends verloren und macht der comicartigen Stilisierung Platz. Die Charaktere – allen voran die geklonte Ripley mit ihrem überlegenen Superbitch-Smile – sind alle vollkommen over the top und man wähnt sich plötzlich in einem ganz anderen filmischen Universum. Auch der krude Humor wirkt fehl am Platze, weil er den Bestrebungen zuwiderläuft, den Zuschauer bei der Gurgel zu packen. ALIEN: RESURRECTION ist über weite Strecken weder besonders spannend noch erschreckend und die Aliens selbst mutieren fast ein wenig zu Witzfiguren. Von ihrer einstigen biologischen Überlegenheit jedenfalls ist nicht mehr viel übrig. Die Actionsequenzen sind Kind ihrer Zeit und gar nicht gut gealtert: Man sieht noch den damaligen Woo- und Hongkong-Einfluss, für dessen überzeugende Umsetzung Jeunet jedoch das kinetische Gespür abgeht. Und die meisten Computerffekte sind ebenfalls reichlich angestaubt.

ALIEN: RESURRECTION ist ohne Zweifel der bis dahin schwächste, unrundeste Beitrag zur Reihe und man fährt wahrscheinlich gut damit, ihn nicht so sehr als echte Fortsetzung zu betrachten, sondern als eine Art Spin-off, als Abzweigung vom eigentlichen Hauptstrang, als What-if-Szenario, das sich mit der Frage beschäftigt, was wäre, wenn man die Titelkreaturen aus ihrem unterkühlten Body-Horror-Setting in ein Comic-Universum transplantierte. Jeunets Film verfügt über einen sehr eigenen Charme, traut sich Dinge, mit denen wohl nur ein Europäer davon kommen konnte und lässt nebenbei das Bedürfnis nach einem ALIEN-Film von David Cronenberg ca. 1988 in ungeahnte Höhen schnellen. Vielleicht muss man ihn als den Schraubenschlüssel betrachten, den jemand mit Wucht ins bis dahin gut, vielleicht sogar zu rund laufende Räderwerk gepfeffert hat, bevor es nur noch seelenlose Klonen ausspucken konnte. ALIEN: RESURRECTION sabotierte das Franchise zu einem Zeitpunkt, als es langweilig zu werden drohte, mit seinen kruden Einfällen und lieferte so den willkommenen Anlass für eine Auszeit. Dass seitdem fast 20 Jahre vergangen sind, legt nahe, dass man mit den biomechanischen Außerirdischen nicht mehr allzu viel anzufangen wusste. Es ist fast unmöglich, an Jeunets Film anzuschließen. Das ist eine sehr respektable Leistung, wie ich finde. Mission accomplished.

 

alien_three_ver2Eines meiner Lieblingsthemen sind Filme mit komplizierten Produktionsgeschichten. Über chaotische Prä-Produktionsphasen mit Dutzenden von ent- und wieder verworfenen Drehbuchversionen, kreative Differenzen, Produzenten- und Studioeinmischungen, gefeuerte, ersetzte und wieder eingestellte Regisseure, Katastrophen-Drehs voller Pannen, Exzesse und göttlicher Intervention in Form von Unwettern, Erdbeben und Durchfallerkrankungen, explodierende Budgets sowie das Heckmeck um konkurrierende Schnittfassungen könnte ich den lieben langen Tag lesen. Und die Filme, die unter solchen Umständen das Licht der Welt erblicken, üben auf mich per se eine unwiderstehliche Faszination aus, ganz egal, ob man ihnen diese Probleme ansieht oder nicht. Der Reiz, der von ersteren ausgeht, liegt auf der Hand, und besonders bemerkenswert sind natürlich solche Fälle, bei denen die hinter den Kulissen ausgetragenen Kämpfe gewissermaßen die Geburtshelfer für etwas Großes, Einzigartiges sind. THE ISLAND OF DR. MOREAU mag etwa als Genrefilm und Literaturverfilmung ein Rohrkrepierer sein, aber er transportiert den Wahnsinn seines Titelhelden besser, als eine werkgetreuere, „normale“ Version. ich würde ihn um nichts in der Welt gegen eine solche eintauschen wollen. CLEOPATRA, eine einzige Machtdemonstration Hollywoods, fährt in jeder Einstellung ungeahnten, sprach- und fassungslos machenden Prunk auf und endet irgendwann einfach, weil kein Geld mehr da war. Er verkörpert so in seiner ganzen Struktur den selbszerstörerischen Wahnsinn und die rasende Dekadenz, die das Filmgeschäft zu jener Zeit auszeichnete. Und über die Reise ins Herz der Dunkelheit, die auch die Dreharbeiten von APOCALYPSE NOW bedeuteten, muss ja gar nicht mehr viel gesagt werden.

Auch ALIEN 3 ist einer jener Filme, an die sich die meisten Beteiligten heute wahrscheinlich mit Grausen zurückerinnern und es ist ein mittelgroßes Wunder, dass Fincher danach dennoch zu dem Filmemacher aufsteigen konnte, der er heute ist. Die Vorbereitungen zur zweiten ALIEN-Fortsetzung begannen schon Mitte der Achtzigerjahre mit dem bewährten Team von David Giler, Walter Hill und Gordon Carroll, die jedoch nur noch mäßig interessiert an dem Thema waren. Hauptfigur sollte Michael Biehns Hicks werden, Sigourney Weaver in den Hintergrund treten und der Film sich mit den Bemühungen der Weyland Yutani Corporation auseinandersetzen, eine Armee aus Alien-Soldaten aufzuziehen. Der Versuch, Ridley Scott als Regisseur zurückzugewinnen, scheiterte. Weitere Drehbuchfassungen stammten aus der Feder von Cyberpunk-Erfinder William Gibson, THE HITCHER-Autor Eric Red und PITCH BLACK-Regisseur David Twohy, doch keiner ihrer Entwürfe fand die Zustimmung des Studios. Renny Harlin, nach der Absage Scotts als Regisseur vorgesehen, sprang schließlich ab und drehte stattdessen THE ADVENTURES OF FORD FAIRLANE. Er wurde wiederum ersetzt durch Vincent Ward, dem mit THE NAVIGATOR: A MEDIEVAL JOURNEY ein Überraschungserfolg gelungen war, doch dem gefiel Twohys Script nicht. Seine Verbesserungsvorschläge wurden akzeptiert und John Fasano angeheuert, Twohys Drehbuch umzuschreiben. Viele von Wards Ideen schafften es auch in den fertigen Film, doch weil er sich anderen Änderungswünschen verweigerte, wurde auch er gefeuert. In einem perfekten Zirkelschluss engagierte man David Giler und Walter Hill, um Fasanos Drehbuch umzuarbeiten, und schließlich den Videoclip-Regisseur David Fincher für sein Spielfilmdebüt. Als er nach gerade einmal vier Wochen Vorbereitung auf seinem Stuhl Platz nahm, existierte immer noch kein fertiges Drehbuch, wohl aber diverse Settings, die irgendwie in die entstehende Story eingebaut werden mussten. Da Fincher noch nicht über einen klingenden Namen verfügte, gelang es ihm nicht, sich gegen die Produzenten durchzusetzen. Ganze Subplots fielen der Schere zum Opfer, 30 Minuten wurden gekürzt. Ein besonderer Streitpunkt war die Opferung von Ripley, die erst wenige Tage vor dem Kinostart des Films gedreht wurde. „I probably should have walked away from the first week of shooting when there wasn’t a script but there are extenuating circumstances.“, sagte Fincher später in einem Interview. Er entschied sich für seine Karriere und blieb, lieferte aber am Ende einen Film ab, der eigentlich von Anfang an keine echte Chance hatte. Er war weltweit betrachtet dennoch ein Erfolg, blieb in den USA aber weit hinter den Erfahrungen zurück und verwirrte die Zuschauer eher, anstatt ihnen die erwarteten Scares und Action zu servieren. Der „Assembly Cut“ stellt den Versuch dar, Finchers Version zu rekonstruieren und präsentiert mit einer Laufzeit von 145 Minuten tatsächlich einen ganz anderen Film als die damals regulär veröffentlichte Fassung. Trotzdem ist auch dieser „Assembly Cut“ nicht von Fincher autorisiert worden.

Bei meinem Text zum „Assembly Cut“ stehe ich heute vor dem Problem, mich an die alte Kinofassung nur noch sehr vage erinnern zu können. ALIEN 3 war für mich nie ein Film, mit dem ich besondere Emotionen verbunden habe. Ich fand ihn immer sehr OK, ohne jedoch begeistert zu sein. Gemessen am Status seiner Vorgänger wirkte er auf mich stets etwas defensiv, zurückhaltend und unentschlossen. Er ließ das für Filme dieser Größenordnung so wichtige (und charakteristische) Selbstbewusstsein vermissen, es blieb unklar, was eigentlich das Ziel der ganzen Unternehmung war, warum man sich entschlossen hatte, genau diese Geschichte zu erzählen. Doch trotz dieser Schwäche – deren Ursache heute glasklar auf der Hand liegt – hatte ich auch nicht den Eindruck, einem unter massiven Komplikationen gewissermaßen in einer Zangengeburt auf die Welt gekommenen Werk zuzusehen (von der widrigen Produktionsgeschichte erfuhr ich erst sehr viel später). ALIEN 3 war visuell durchaus reizvoll, aber erzählerisch eben auch ein bisschen blass. Und ich bin mir heute nicht 100-prozentig sicher, ob die lange Fassung daran wirklich etwas ändert. Natürlich gelingt es ihr viel besser, die eigenartige Atmosphäre innerhalb der Strafkolonie herauszuarbeiten, das Miteinander der halbirren Insassen, die Isolation und Verlassenheit, in der sie sich zur Wehr setzen müssen. Die Parallelisierung von Alienmutter und Ripley wird hier in radikaler Weise und auf gleich zwei Ebenen fortgeführt: Zunächst einmal, indem die Überlebende in der Gemeinschaft der zölibatären Insassen selbst als feindlicher Oragnismus betrachtet wird, der das Funktionieren des Systems gefährdet, später dann sehr viel direkter, weil Ripleys Körper selbst längst als Nistplatz des Aliens dient und sie buchstäblich zur „Mutter“ einer neuen Aliengeneration werden soll. Als reiner Stimmungskatalysator ist ALIEN 3 hervorragend, weil er die brüterische, drohende Amosphäre der Vorgänger nimmt und ihr eine quasireligiöse, existenzielle Qualität verleiht. Viel ist über die christliche Symbolik des Films geschrieben worden und auch, wenn die Ripley/Jesus-Analogie nicht der Weisheit letzter Schluss ist, so verfehlt die verquere Philosophie, mit der der Irre Golic (Paul McGann) das Alien zur Gottheit stilisiert, seine desorientierende Wirkung beim Zuschauer nicht. ALIEN 3 ist – vielleicht auch wegen der vielen Probleme am Set – ein höchst seltsamer und eigener Film, der sich nur schwer einordnen lässt, ein seltsamer Genrehybrid, in seiner irgendwie träumerischen Atmosphäre zwar durchaus mit Scotts Film verwandt, aber eben ohne dessen klare Vision. Der Verzicht auf die ausufernden Actionszenen von ALIENS mündet keineswegs in eine Rückbesinnung auf den reduzierten, aber auch immens aufgeladenen Horror des Originals. Er funktioniert als Sammlung verschiedener Ideen und Ansätze, denen jedoch der gemeinsame Nenner, das sie zusammenhaltende und ordnende Element fehlt. Daran ändert auch der „Assembly Cut“ nichts. Vielleicht sollte man das als Glücksfall begreifen. Denn eines ist ALIEN 3 nicht: mittelmäßig und stromlinienförmig. Nur 20 Jahre später ist die Schönheit seines Scheiterns undenkbar.

aliens1986Es ist erstaunlich, wie sich dieser Film über die Jahre verändert hat, ohne dabei auch nur ein Gramm seiner Klasse einzubüßen. Als ich ALIENS zum ersten Mal sah, damals noch auf Video (oder war’s im Fernsehen?) in der normalen Kinofassung, wahrscheinlich in den frühen Neunzigerjahren, da war das für mich ein in seiner Größe und Gewalt schier unfassbarer Film, ein Erlebnis, das in meiner Erinnerung auf endlose Ballereien mit Riesenknarren und Horden von furchterregenden, auf mich lospreschenden Aliens eingedampft ist, und das alles mit Effekten realisiert, die mir die Kinnlade mit einem Krachen aufs Brustbein rasseln ließen. Dann irgendwann, bei Sichtung der „Special Edition“ auf DVD und der zahlreichen zugehörigen Extras, die große Verwunderung ob der Erkenntnis, dass der Eindruck einer riesigen Alien-Armee von Cameron tatsächlich nur sehr geschickt vorgetäuscht wurde: Sechs Alien-Kostüme standen Cameron zur Verfügung, wenn ich mich recht erinnere, und mehr als diese sechs Aliens gibt es mithin nie im Bild zu sehen. Jetzt, lange, lange nach der letzten Betrachtung fielen mir endgültig die Schuppen von den Augen: Der große, brachiale, megalomanische Effektklopper von einst ist tatsächlich gar nicht die atemlose Ballerorgie, setzt seine Actionszenen eher so ein, wie es Corporal Hicks (Michael Biehn) einmal von seinen Leuten fordert: in „short bursts“, die dafür umso effektiver sind. Über weite Strecken zeichnet sich der Film durch eine brüterische Atmosphäre aus, die an die des meisterlichen, epochemachenden Originals anknüpft: die sprichwörtliche Ruhe vor dem am Horizont heraufziehenden Sturm, dem sich unweigerlich zusammenbrauenden Unwetter, das man an der drückenden Schwüle erkennt. Nur dann und wann wird sie von einem Windstoß aufgebrochen, der jedoch keine wohltuende Erfrischung bringt, sondern einem nur den Angstschweiß auf der Stirn gefrieren lässt. ALIENS ist ein Meisterwerk in Sachen Build-up und Timing: wie sein Vorgänger – und doch ganz anders. „This time it’s war!“ versprach die kongeniale Tagline (aus der dann passenderweise die britische Death-Metal-Planierraupe Bolt Thrower einige Jahre später einen Song gemacht hat), damit in erster Linie oben genanntes Actionfeuerwerk referenzierend. Aber der Krieg spielt sich auch noch auf einer anderen Ebene, nämlich der von Ripleys Emotionen ab. ALIENS ist für die Protagonistin Konfrontationstherapie, Vergeltungsschlag und Sühne in einem. In einem „Kampf der Mütter“ stellt sie sich nicht nur der Urheberin hinter dem Massaker an ihrer alten Crew, sie gewinnt auch die eigene „Mutterschaft“ zurück: als Retterin der kleinen Newt (Carrie Henn), die eine Art „Ersatz“ für die eigene, längst verstorbene Tochter ist, die während Ripleys Abwesenheit zur alten Frau wurde. Wenn Ripley ihr am Ende sagt, sie habe ihr versprochen, zurückzukommen, versteht der Zuschauer das instinktiv als Ansprache an die verstorbene Tochter, deren 11. Geburtstag sie aufgrund des Unglücks auf der Nostromo verpasst hatte.

Der Eindruck von Größe wird – verglichen mit heutigen Blockbustern – mit eher bescheidenen Mitteln erzeugt. Cameron perfektionierte hier eigentlich nur, was er bei Corman gelernt hatte (man sehe sich etwa GALAXY OF TERROR an, für den Cameron die Settings mitentwarf, und dessen Bauten ALIENS schon erahnen lassen), und hatte zudem das Glück, mit Stan Winston erneut einen Meister seines Faches an der Seite zu haben. Der Trick besteht darin, dem Zuschauer immer das Gefühl zu geben, er sähe mehr als er tatsächlich sieht. Der Einsatz von Licht, Sound und des guten alten Bluescreens wirken hier Wunder, den Rest besorgt das Figureninventar, das voller Leben steckt. Noch der austauschbarste „grunt“, wie die Marines abschätzig genannt werden, verfügt über eine Persönlichkeit, die ihn für den Zuschauer klar aus der Masse heraustreten lässt. Der Rapport, den sie miteinander haben, fühlt sich authentisch und gelebt an, verweist auf die gemeinsame Vergangenheit und eine Welt hinter dem Film (der kurze Dialog über „Arcturian poontang“ etwa, bei dem innerhalb von drei Sätzen eine kleine Geschichte erzählt wird). Wenn ALIEN fast gar kein World Building hatte, macht Cameron während der ersten Stunde des Director’s Cuts kaum etwas anderes. Zahlreiche kleine Stories deuten sich an – die Konkurrenz zwischen Hudson (Bill Paxton) und Vasquez (Jenette Goldstein), der Konflikt zwischen Vasquez und Gorman (William Hope), Gormans eigene Unzulänglichkeit, die wechselnden Beziehungen Ripleys zu Bishop (Lance Henriksen) und Burke (Paul Reiser) – die den Hauptstrang bereichern und dafür sorgen, dass er „zählt“. (Kurz vor dem traurigen Ende von The Dissolve erschien dort ein schöner Text genau darüber.) Aber na klar, letzten Endes schaut man ALIENS nicht wegen der Zwischenmenschlichkeiten, sondern wegen der Titelkreature. Und hier gewinnt Cameron dann auch gegenüber Scotts Vorgänger, dessen Monster den Schauspieler im Gummianzug teilweise nicht ganz verleugnen konnte. Zwar passiert auch in ALIENS nichts anderes, aber das alles sieht doch deutlich ausgereifter und geschickter aus. Teilweise kann man kaum glauben, dass hier keine avancierten Roboter oder CGI zum Einsatz kamen. ALIENS beweist somit auch 30 Jahre nach seinem Erscheinen, dass die Errungenschaften moderner computergenerierter Effekte, die doch angeblich so viel „realistischer“ seien, nicht nur kein Wert an sich sind, sondern auch, dass sie mitnichten zwingend besser als die einfache Lösung sind. Es ist auch die Körperlichkeit der Darstellung, die das Sequel von vergleichbaren Filmen abhebt, ihm diesen immensen Druck verleiht, den Hudson mit dem schönen Satz vom Expressfahrstuhl zur Hölle beschreibt. ALIENS ist eines der seltenen Sequels, die mit ihrem Vorgänger problemlos mithalten können. Manche behaupten gar, Camerons Film sei besser als Scotts Film. Eine Meinung, die man durchaus mit guten Gründen vertreten kann. Ich glaube aber, man muss diese Entscheidung nicht treffen. Beide Filme sind Genrekino in Vollendung von zwei Filmemachern auf dem Gipfel ihrer Schaffenskraft und heute noch genauso gut wie zu ihrem Erscheinen.

Alien-intro_3064438bVon Kubricks 2001: A SPACEY ODYSSEY sagt man oft, er habe aus dem Science-Fiction-Film, der damals, in den späten Sechzigerjahren, überwiegend ein Thema für Jugendvorstellungen oder Drive-in-Kinos war, ein respektables Genre gemacht, mit dem sich plötzlich auch Intellektuelle beschäftigen konnten. Ridley Scotts ALIEN kommt ein ähnliches Verdienst für den Monsterfilm zu. Der inhaltlich sowohl vom Fünfzigerjahre-Heuler IT! THE TERROR FROM BEYOND SPACE als auch von Mario Bavas TERRORE NELLO SPAZIO inspirierte Film jagte dank Gigers phänomenaler Designs auch Menschen einen Schrecken ein, die für grellen Schlock sonst eher unempfänglich waren. Auch weil Scott auf tief im Innersten verschüttete Urängste vor dem Verlust der sexuellen Identität abzielte, anstatt bloß die Furcht der Menschen vor potenziell feindlich gesonnenen Außerirdischen zu schüren, wie es der Science-Fiction/Monster-Film bis dahin überwiegend getan hatte. Die Besatzung der Nostromo wird nicht einfach hinweggerafft, sie wird geschwängert, penetriert und versklavt von einem zweibeinigen Phallus mit spermatriefendem, bezahntem Zungenpenis, dessen Hunger auf Männlein wie Weiblein gleichermaßen unstillbar ist. ALIEN ist in erster Linie ein Triumph der Ausstattung wie der Atmosphäre. Das Leben auf der Nostromo, die Durchkreuzung des Weltalls hat nichts mehr mit bunten Enterprise-Fantasien zu tun, sondern ist auch nur eine Verlängerung echter Arbeit. Das Schiff ist dreckig, das Essen miserabel, die Bezahlung schlecht und der Arbeitgeber – ein anonym bleibender Konzern – sitzt immer am längeren Hebel. Es findet wenig explizites World Building statt: Man erfährt nicht viel über die Umstände der Mission, auf der sich die Nostromo befindet, noch über das Leben auf der Erde oder die Zeit, in der der Film spielt. Der Film fängt so an, als läge all das auf der Hand. Gerade das macht ALIEN so ungemein effektiv: Man ist sofort drin, weil man alles wiedererkennt als lediglich einige hundert Jahre in die Zukunft gedachte Gegenwart. Wovon logischerweise auch der Monsterplot profitiert, weil er von der Authentizität der Darstellung mitgetragen wird. Scotts Film hat eine unglaubliche erste Hälfte: die Ruhe, mit der er den Zuschauer mit Schiff und Besatzung bekanntmacht, setzt sich in den Vorbereitungen zur Landung und der Erkundung des fremden Planeten fort. Die sonst übliche Hektik und Geschäftigkeit weichen der Routine und der Müdigkeit nach Monaten im All. Alle wollen nur nach Hause, stattdessen müssen sie auf einem gottverlassenen Stein landen, um einem rätselhaften Notsignal nachzugehen. Die Handlung ist ähnlich klaustrophobisch strukturiert wie das Setting: Menschen tun Dinge, die sie nicht tun wollen, aber tun müssen. Und der Zuschauer ahnt bereits, dass das alles kein gutes Ende nehmen kann. Der Besuch auf dem fremden Planeten ist – neben der legendären Chestburster-Szene natürlich – der Höhepunkt des Films. Seine postapokalyptische, aschfarbene Oberfläche, die wie Skelettfinger in den schwarzen Himmel ragenden Trümmer eines fremdartigen Raumschiffes mit seine Vulva-artigen Eingängen, sein in seiner Fremdartigkeit und schieren Größe an Lovecraft erinnernde Interieur, der riesenhafte Leichnam, schließlich die Höhle mit den Eiern. Spätestens, wenn sich eines von ihnen öffnet und den Blick freigibt auf das pulsierende Innenleben, gibt es eigentlich kein Halten mehr und es ist fast eine Erlösung, wenn die konstant gehaltene Drohgebärde sich im Angriff des Facehuggers konkretisiert. Wie Scott während dieser ersten Hälfte des Films die Daumenschrauben in aller Seelenruhe ansetzt und dann unaufhörlich festzieht, ist schlicht beeindruckend. Wenn schließlich das ausgewachsene Alien durch die dunklen Gänge der Nostromo schleicht, die anscheinend nur dafür konstruiert wurden, ihm Tarnung zu verschaffen – man vergleiche die Darstellung des Schiffs in jener zweiten Hälfte des Films mit der vom Anfang, um den Unterschied zu bemerken. (Besonders rätselhaft ist sicherlich der Raum, in dem es Brett erwischt: Mit den herabhängenden Ketten fühlt man sich unweigerlich an einen Underground-Club mit SM-Thematik erinnert – nur eines von vielen Beispielen für die kaum noch unterschwellig zu nennende sexuelle Aufladung von ALIEN.) –, wird Scotts Film ein wenig herkömmlicher und auch, wenigstens aus heutiger Sicht, etwas „gummiger“. Aber der Zuschauer ist dann ja eh schon hoffnungslos verloren. Wer behauptet, mit ALIEN sei Scott einer der unheimlichsten Filme aller Zeiten gelungen, hat damit sicherlich nicht Unrecht. Und das fast erotisch zu nennende Finale zwischen der halbnackten Ripley (Sigourney Weaver) und dem wie ein Triebtäter in ihr Schlafgemach gedrungenen Alien, ist eine Sternstunde seines Schaffens. Ich habe ja ein eher gespaltenes Verhältnis zu dem Mann, finde sein Werk in den letzten 30 Jahren bis auf wenige Ausnahmen ziemlich furchtbar, aber ALIEN ist auch fast 40 Jahre nach seiner Entstehung immer noch meisterlich. Und wenn ein nicht unerheblicher Teil seiner Wirkung auch auf Giger zurückgehen mag: Scott hat genau verstanden, was er mit dessen Ideen anzufangen hatte.

Nach THE MAGNIFICENT SEVEN noch einmal ein kurzer Sprung zurück ins Jahr 1958 und in eine Zeit, in der der 28-jährige Steve McQueen händeringend und meist erfolglos versuchte, als Schauspieler Fuß zu fassen. THE BLOB gilt heute als seine Leiche im Keller und er akzeptierte die Hauptrolle nur, weil er die 3.000 Dollar Gage gut gebrauchen konnte (er lebte damals weitestgehend auf Kosten seiner ersten Ehefrau Neile Adams, einer erfolgreichen Sängerin und Tänzerin, was dem Macho gar nicht gefiel) und glaubte, dass den kruden Exploiter um einen gefräßigen Wackelpudding aus dem All eh niemand sehen würde. Das Angebot einer Umsatzbeteiligung schlug er demzufolge aus: Welchen Gewinn sollte der Film schon machen?  THE BLOB mauserte sich dann wider Erwarten zum Überraschungshit, spielte sage und schreibe 4 Millionen Dollar ein und hätte McQueen auf Jahre hinaus saniert. Eine Lektion, deren Folgerung er später beherzigen würde: Das wirklich große Geld liegt stets in der Prozentbeteiligung.

Zum Film selbst habe ich nicht irrsinnig viel zu sagen. Er ist unterdurchschnittlich inszeniert und vor allem gespielt, rettet sich  letztlich über die Zeit, weil seine Titelkreatur so einprägsam und die entsprechenden Set Pieces gelungen sind. So gut immerhin, das Chuck Russell für sein wunderbares 1988er-Remake kaum etwas veränderte: Vom Auftakt mit dem alten Zausel und der Glibberhand über die Fortsetzung beim Arzt bis hin zur Kinobelagerung sowie der Suspense steigernden Maßnahme, den jugendlichen Protagonisten gegen erwachsene Vorurteile und den Unglauben der Autoritäten ankämpfen zu müssen hält, sich Russell sehr eng an Yeaworths Original, legt lediglich bei den Effekten ein Schippe drauf. Die sind tatsächlich aber auch schon in der alten Version ganz ansehnlich, wenn auch erwartungsgemäß längst nicht so spektakulär und einfallsreich wie 30 Jahre später.

Von den in den Fünfzigerjahren immens populären Monster- und Invasionsfilmen hebt sich THE BLOB zum einen durch den Einsatz von Farbe ab, zum anderen durch den Verzicht auf jedes pseudowissenschaftliche Gewäsch und den vorgeschobenen Bezug auf reale Ängste. Der Blob ist keine Vorhut einer intelligenten Alienrasse, die die Menschheit bestrafen will, auch nicht das Ergebnis menschlicher Hybris oder dem risikoreichen Spiel mit den Atomen, sondern einfach der in der deutschen Fassung beschworene „Schrecken ohne Namen“. THE BLOB wirkt daher angenehm entspannt, was sich auch daran zeigt, dass Yeaworth zwischendurch, wenn er sich dem Miteinander der jugendlichen Helden widmet, beinahe zu vergessen scheint, was eigentlich auf dem Spiel steht. Ein putziges Filmchen, das trotz seiner offenkundigen Schwächen besser ist, als ich es erwartet hatte, aber heute natürlich trotzdem niemanden mehr um den Schlaf bringt. Und McQueen hat THE BLOB dann ja auch nicht geschadet.

THE-ANGRY-RED-PLANET-1024x798Letzte Woche starb Ib Melchior im Alter von 97 Jahren. Die Aufführung seines liebgewonnenen Science-Fiction-Klassikers ANGRY RED PLANET bei Mondo Bizarr in Düsseldorf erhielt so eine etwas traurige Aktualität, die dem prallen Vergnügen, das der Film bereitet, jedoch glücklicherweise nichts anhaben konnte. Das Kino ist ein Ort zum Feiern, wo die Kategorien „lebendig“ oder „tot“ letzten Endes eh hinfällig sind. Melchior drehte nur zwei Spielfilme – nach diesem noch THE TIME TRAVELERS, der hierzulande auf den tollen Titel 2071: MUTAN-BESTIEN GEGEN ROBOTER hört –, machte sich vor allem einen Namen mit Science-Fiction-Romanen und -Kurzgeschichten (die Vorlage für Bartels DEATH RACE 2000 stammt von ihm) sowie Drehbüchern, z. B für den Klassiker ROBINSON CRUSOE IN SPACE.

Sein ANGRY RED PLANET ist, würde ich sagen, ein recht typischer Vertreter des Science-Fiction-Kinos seiner Zeit: von einer heute geradezu rührenden Naivität ebenso geprägt wie von jener charakteristischen Mischung aus euphorischer Fortschrittsbegeisterung, nagender Skepsis und schlechtem Gewissen. Filmhistorisch interessant ist er durch den Einsatz einer „CineMagic“ getauften Technik, die nach nur einem weiteren Film – THE THREE STOOGES IN ORBIT von 1962, wie ANGRY RED PLANENT von Norman Maurer produziert – gleich wieder auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt wurde. Das Verfahren basiert auf einem technischen Verfahren namens „Solarisation“, bei dem das schwarzweiße Film-Negativ behandelt und farblich partiell „umgekehrt“ wird. Die Behandlung brachte nicht nur den für die Mars-Szenen gewünschten Rotstich, sie zog auch einige weitere für die Filmemacher positive Nebeneffekte nach sich: Der Effekt ließ die Schauspieler „flächiger“ erscheinen, sodass sie sich besser in die zum Teil gemalten Mars-Settings einfügten. Außerdem sparte man sowohl das Geld für den Farbfilm als auch für die Erstellung eines Positivs. Die Szenen auf dem Mars sind tatsächlich recht effektiv, wirken durch die eigentümliche Textur des Bildes fremdartig-träumerisch, dennoch sieht man auch, warum sich die Technik nicht durchsetzte (mal ganz davon abgesehen, dass sie arg limitiert war): Da, wo ursprünglich schwarze Schatten zu sehen waren, zeigt das Bild nun stattdessen milchige Flecken.

Der Freude tut das aber keinen Abbruch: Höhepunkt ist natürlich der Auftritt des Spinnen-Fledermaus-Rattenmonsters, eines kleinen Design-Triumphs, so bescheuert die Idee auch anmutet. Auch die später eine noch größere Bedrohung darstellende Riesenamöbe gefällt, vor allem in dem fadenscheinigen, aber doch gruseligen Effekt, wenn man durch ihre gallertartige Substanz sieht, wie der arme Sam Jacobs (Jack Kruschen) in ihrem Inneren verdaut wird. Wie bei den meisten Filmen dieser Art ist es aber zuvorderst die naive Vorstellung von Raumfahrt und Wissenschaft und natürlich des Fünfzigerjahre-Sexismus, die den Film heute zu einem großen Spaß machen. Das Treiben an Bord der Rakete kann man nur als „entspannt“ beschreiben: Die Lederhalbschuhe passen super zu den schicken Overalls, in einem Schrank gibt es einen reichhaltigen Vorrat an Konservendosen, die Funkverbindung zur Erde ist trotz der großen Distanz erstklassig und während des ereignislosen Transits gibt es viel Zeit für das gut gelaunte Beisammensein. Das Alphamännchen ist Colonel O’Bannion (Gerald Mohr), einer jener schmierigen Typen, die einem damals gern als kernige Frauentypen vorgestellt wurden und heute sofort eine Unterlassungsklage am Hals hätten, wenn sie sich einer Dame nur näherten. Den Overall hat er immer bis knapp über den Bauchnabel geöffnet, damit man seine braungebrannte Altherrenbrust mit dem stattlichen Wolfspelz gut sehen kann. Sein unwiderstehlicher Charme entbirgt sich in einem öligen Triebtätergrinsen, mit dem er bei seiner Kollegin Iris (Naura Hayden) seltsamerweise mächtige Eindruck schindet. Die rothaarige Schönheit ist für die menschliche Wärme an Bord zuständig, dafür, sich Sachen erklären zu lassen, oder auch mal sauber zu machen, wenn gerade nichts Wichtigeres zu tun ist. Für die Marsbegehung rüstet sie sich ganz ladylike mit einem süßen Handtäschchen aus. Professor Gettell (Les Tremayne), komplett mit Wissenschaftler-Spitzbart, stellt seine Seriosität damit unter Beweis , dass er ständig irgendwelche „Gefühle“ und Eingebungen hat, und besagter Sam ist als handfester Typ das Stand-in für den Zuschauer, andauernd verdutzt bis begeistert und benimmt sich generell wie ein kleiner Junge, dessen Traum wahr geworden ist. Ihm wird später die Ultraschall-Kanone anvertraut, die er sogleich „Cleo“ nennt und mit unaufhörlichen Liebkosungen überschüttet. Später sorgt er mit dem wiederholt geäußerten Wunsch, „ans andere Ufer“ zu wollen, für Gelächter, auch wenn er sich damit tatsächlich auf einen See bezieht.

Zwar wird es für die Raumfahrer tatsächlich noch bedrohlich auf dem Mars, doch so ganz kann Melchior dem Film seine Gemütlichkeit nicht austreiben. Die zukunftsweisende Expedition in fremde Welten wird zum amüsanten Wochenendausflug einer Patchwork-Familie, die auch mit einer Tour nach Disneyland ganz zufrieden gewesen wäre, sich dann aber wahrscheinlich nicht zwischen Splash Mountain und Magic Mountain hätten entscheiden können. Dass die Marsianer sie so aggressiv verjagen und ihnen noch eine Grußbotschaft mitgeben, die besagt, die Menschen sollen gefälligst zu Hause bleiben, sonst setze es was, versteht der Zuschauer besser als die Protagonisten, die sich keiner Schuld bewusst sind, weil sie jede Gabe zur Selbstrefexion vermissen lassen. Wie Pauschaltouristen eben.

 

UNDER THE SKIN, nach dem großartigen BIRTH und fast zehnjähriger Funkstille der neueste Film des seinerzeit für SEXY BEAST mit Kritikerlob überhäuften Jonathan Glazer, war im vergangenen Jahr ein kleines Politikum unter deutschen Cineasten. Von Senator in den Vertrieb genommen, drohte der bildgewaltige Film nach Weigerung der Firma, ihn ins Kino zu bringen, auf Heimmedien zu versauern. Es war nicht zuletzt der Kampagne und dem Eifer von Sebastian Selig zu verdanken, dass dieser ohne Frage für die große Leinwand konzipierte Film dann doch den Weg in einige ausgesuchte Lichtspielhäuser fand, die sich bei Senator gewissermaßen um eine außerplanmäßige Auswertung „beworben“ hatten. Vielleicht verbirgt sich hinter diesem Sonderfall auch ein Weg, die oft so risikoarme Vertriebspolitik der Verleihfirmen zu reformieren: Kinos verwerten nicht mehr einfach nur, was ihnen angeboten wird, sondern bestimmen dieses Angebot durch ihre direkte Nachfrage selbst und geben so ein Signal gegen Mutlosigkeit, ästhetische Armut und das festgefahrene Programm, das als Alternativ zum neuesten Hollywood-Blockbuster bloß noch deutsche Beziehungskomödien oder betulichen Arthouse-Quark für die Rotweinfraktion kennt. Es ist durchaus nachvollziehbar, warum Senator bei UNDER THE SKIN den Schwanz einzog: Glazers Film ist ebenso handlungs- wie dialogarm, von klassischem Erzählkino denkbar weit entfernt, experimentell, elliptisch und enigmatisch, dabei von betörender und auch verstörender Klarheit und somit für den Zuschauer, der Film in erster Linie konsumiert, als kulturell angehauchten Einstieg ins Wochenende begreift und dabei möglichst wenig gefordert und überrascht werden möchte, ein potenzieller Stimmungskiller. Andererseits: Besteht nicht geradezu eine Verpflichtung dazu, seinem Publikum nicht nur zu geben, was es will, sondern ihm auch zu zeigen, was ihm dabei entgeht? Was Kino auch ist, sein könnte? Und als solcher „Erweckungsfilm“ eignet sich UNDER THE SKIN wirklich hervorragend, zum einen, weil er mit Scarlett Johansson über eine bekannte und beliebte Hauptdarstellerin verfügt (den um sie betriebenen Starkult zudem gleich mitreflektiert), zum anderen, weil er trotz aller experimentellen Höhenflüge im weitesten Sinne als Genrefilm rezipierbar bleibt.

UNDER THE SKIN ist vordergründig ein Alien-Invasion-Film, handelt von einem außerirdischen Vampirwesen, das Menschen als Nahrung benötigt und sich seiner attraktiven weiblichen Hülle bedient, um seine Opfer – Männer – in die Falle zu locken. Doch das Monster entdeckt seine Empathie, als es einen durch Neurofibromatose entstellten jungen Mann kennenlernt, und flieht vor der eigenen Mordlust ins schottische Hinterland, wo es selbst einem Vergewaltiger zum Opfer fällt. Doch unter dieser Handlungsebene handelt Glazers Film sinnigerweise vor allem von Oberflächen, Texturen, Aggregatzuständen und den Kontrasten zwischen ihnen – ganz wortwörtlich, aber auch im übertragenen Sinne. Ästhetisch zeigt sich das in der Differenz zischen den roh wirkenden Szenen, die die Protagonistin bei ihren Fahrten durch die Innenstadt Glasgows zeigen, und den überaus slicken Effektsequenzen und collagenhaften Zwischenspielen. Unterstreicht Glazer den improvisierten Charakter ersterer mithilfe des roh wirkenden, pixeligen und bewegungsunscharfen HD-Bilds (er realisierte diese Szenen mithilfe von Passanten, die er auf der Straße ansprach und dann über ein earpiece instruierte), sind letztere betont artifiziell und sauber gehalten, zeigen glänzende, makellose Oberflächen aus öligem Schwarz oder gleißendem Weiß, reines Nichts oder pures Licht gewissermaßen. Dieses ölige Schwarz, das das Haus der Außerirdischen auszufüllen scheint, saugt ihre Opfer ein, konserviert sie in einer tiefblauen Flüssigkeit, in der sie sich langsam auflösen, bis nur noch ihre Haut übrigbleibt, die dann herumtreibt wie ein erschlaffter Luftballon. Sie sind einer Fantasie zum Opfer gefallen, die den Kern aller Vampirgeschichten ausmacht, aber hier durch die Besetzung noch besonders hervorgehoben wird: Scarlett Jonhansson ist natürlich eine programmatische Besetzung. Sie spielt dieses Wesen weniger als dass sie eine Projektionsfläche für das männliche Begehren bietet, die ikonische Verkörperung der Sehnsucht. Wenn die Hollywood-Schauspielerin wie eine Nutte gekleidet, mit sinnlichem roten Mund durch die Arbeiterviertel Glasgows fährt und auf offener Straße junge Männer anspricht, ist das ohne Frage zu allererst die Verbildlichung einer sexuellen Fantasie, die Hollywood überhauptt erst ermöglichte. Im Aufeinanderprallen von Johanssons sinnlich-rauchiger, wohlartikulierter Stimme, der sanften Weichheit ihrer Lippen und ihres Teints, und dem zerhackten, hingeworfenen und rudimentären Slang, der ihr aus den verdutzten Durchschnittsgesichtern der schottischen Jungmänner entgegenschlägt, spiegelt sich der ganze Film, in dem ständig Weiches auf Hartes knallt, sich elektrisch am anderen reibt, dann schließlich umarmt und gegenseitig aufsaugt. So funktionieren Fantasie und Begehren, so funktioniert Film, funktioniert Hollywood. Die Frage bleibt, was hinter den verlockenden Oberflächen lauert, was unterhalb des elektrostatischen Britzelns stattfindet. Und ob da überhaupt etwas passiert. Oder verbirgt sich unter dem Schutzpanzer nur ein weiterer, wie das Ende nahelegt?

Man muss sich diese Fragen nicht stellen, weil schon die auf sinnlicher Ebene wahrnehmbare Vibration des Films eine völlig ausreichende, befriedigende Sensation ist. Man hat nicht gelebt, wenn man nicht gesehen hat, wie die schwarhaarige Scarlett Johansson im dünnen pinkfarbenen Pulli über den spitzen Brüsten durch den schottischen Regen läuft, um dann von einem wohlmeinenden Busfahrer mitgenommen zu werden. UNDER THE SKIN ist keinesfalls ein kalter Film, keine in Ästhetizismus erstarrte Hirnwichserei, sondern ein abwechselnd erotisierendes, dann wieder zutiefst erschütterndes Werk. Die Liebesgeschichte zwischen dem außerirdischen Vampir und dem Entstellten ein nie in dieser Klarheit gesehenes Bekenntnis zum Menschen, von entwaffnender Romantik. Die Szene, in der sie beobachtet, wie ein Ehepaar bei dem Versuch, den eigenen Hund zu retten, in der tosenden Flut des Meers ertrinkt, absolut niederschmetternd. Nur selten wird das Sterben mit der Beiläufigkeit eingefangen, die Glazer ihm hier beimisst. Man begreift fast gar nicht, was da eigentlich passiert, weil man gewohnt ist, dass die Darstellung des tragischen Todes mit einer Emphase versehen ist. Hier sehen wir ihn durch die Augen eines Wesens dem Leben, Tod und Mitleid fremd sind. Sie beobachtet den Todeskampf neugierig, aber teilnahmslos, wie wir uns vielleicht einen Surfer im Wasser anschauen würden. Das Sterben ist tatsächlich furchtbar banal. Dass da auch noch ein schreiendes Baby ganz allein am grauen Felsenstrand zurückbleibt, ist emotional kaum verkraftbar. Später taucht der Partner der Außerirdischen auf – seine Rolle wird nicht ganz klar – und sammelt einige Spuren ein, das Baby jedoch lässt er einfach sitzen. Grausam. Das Schöne und das Furchtbare stehen ganz unvermittelt nebeneinander und es ist das frappierende So-Sein des Films, das noch als Verstärker fungiert. Ich fühlte mich entwaffnet, auch die Hermeneutikerbrille schafft kaum Distanz. Was gut ist.

Vielleicht ist es das, was man aus UNDER THE SKIN mitnimmt. Das Leben ist äußerst selten nur wunderschön oder nur hässlich, es besteht vielmehr aus einem beständigen Ineinanderfließen der beiden vermeintlichen Ideale besteht, einem Mischzustand. Die Fantasie ist letztlich nur der zum Scheitern verurteilte Versuch, uns vor der Härte der Wirklichkeit zu versperren, die viel reicher ist, als alles, was wir uns so erträumen könnten. Vor dem Hintergrund seiner komplizierten Veröffentlichungsgeschichte muss man den Film fast als eine Kampfansage gegen Gleichschaltung, Oberflächlichkeit und Zielgruppenoptimierung begreifen. Als Plädoyer für mehr Filme, die den Menschen eben nicht das geben, was sie zu brauchen glauben.

edge-of-tomorrow-posterDie Erde wird von einer außeriridischen Invasion überrollt, Zentral- und Westeuropa ist bereits verloren. Major Cage (Tom Cruise), ein Schreibtischtäter, zuständig für das Marketing des Militärs und die Anwerbung neuer Rekruten, nicht aber für den bewaffneten Kampf, glaubt sich in einem Albtraum, als er an die Front geschickt wird. Völlig unvorbereitet wird er in einen Kampfanzug gesteckt und in die Schlacht geworfen, wo er schon nach kürzester Zeit das Zeitliche segnet … nur um denselben Tag gleich noch einmal zu durchleben. Und noch einmal, und noch einmal … Ein Ausbruch aus dem Zyklus des ewigen Sterbens scheint möglich, als die Soldatin Rita (Emily Blunt) – nach einer fast im Alleingang gewonnenen Schlacht „Engel von Verdun“ getauft – Cages sehr spezielles Problem erkennt und ihm erklärt, dass er mit der Fähigkeit der Aliens, die Zeit zurückzudrehen, infiziert worden sei und somit den Schlüssel zum Triumph in der Hand halte. Gemeinsam versuchen die beiden sich zum „Omega“, dem zentralen Hirn der Invasion vorzukämpfen. Doch bis dahin müssen Cage und Rita noch zahlreiche Tode sterben … 

EDGE OF TOMORROW ist ganz ohne jeden Zweifel dem zeitgenössischen Eventkino zuzuzählen, mit all den Auswüchsen, die das miteinschließt: In der Hauptrolle agiert mit Tom Cruise vielleicht der größte Star, den Hollywood zu bieten hat, weniger ein Schauspieler als eine erfolgversprechende Marke, die jeder kennt. Von der ersten Minute an wird der Zuschauer mit eindrucksvollen Effekten und Bildern überhäuft, allesamt State of the Art und in gewisser Weise Machtdemonstration einer Industrie, die eh längst keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr hat. Und das Ganze basiert weniger auf einer Geschichte als auf einer Synthese verschiedener erfolgreicher Filme, die jeder, der sich etwas für das Kinogeschehen interessiert, sofort benennen kann. Man hört bei der Entfaltung des Plots förmlich den Sales Pitch, mit dem das grüne Licht für die Produktion erzwungen wurde: STARSHIP TROOPERS/INDEPENDENCE DAY/BATTLE LOS ANGELES trifft SAVING PRIVATE RYAN trifft GROUNDHOG DAY. Zu Beginn hatte ich dann auch trotz der wohlwollenden Stimmen diverser Kollegen ein ungutes Gefühl: Zu Wenn sich der zynische Marketingfuzzi Cage – Cruise ist so typgerecht-programmatisch besetzt, dass es fast schon schmerzt – vor dem Kampfeinsatz drücken will, für den er zuvor Tausende von Freiwilligen akquiriert hat, dann aber als wimmerndes Etwas mitten im Kampfgetümmel landet, droht EDGE OF TOMORROW zur militaristischen Propaganda zu werden, zur Fabel über den Feigling, der im Stahlbad des Krieges zum Helden reift. Glücklicherweise wirft Regisseur Liman aber jegliche Prätention über Bord und konzentriert sich einfach darauf, den Zuschauer zwei Stunden lang die berühmte Achterbahnfahrt zu liefern, die allzu viele Kollegen immer nur versprechen.

Es ist nicht zuletzt der Humor, der Limans Film auszeichnet und ihn von so vielen unangenehm grimmigen, misanthropischen bis protofaschistischen Action- und Kriegsfilmen der letzten 15 Jahre abhebt. Irgendwann nimmt Cage seine Tode nur noch mit der leicht genervten Resignation des Konsolenspielers hin, der wieder und wieder das Ableben seiner Bildschirmfigur miterleben muss. Eine ganze lange Sequenz widmet sich einer erfolglos verlaufenden Trainingseinheit, bei der Cage nach immer wieder erlittener, manchmal auch nur harmloser Verwundung von seiner Mitstreiterin per mitleidlosem Pistolenschuss „erlöst“ wird. Liman entwickelt eine fast sadistische Freude daran, darin TOM & JERRY-Cartoons nicht unähnlich, seinen Star über die Klinge springen zu lassen und Tom Cruise, nicht gerade im Ruf stehend, ein besonders gelassenes Verhältnis zu sich selbst zu haben, macht bei dem Spiel begeistert mit. Es ist ziemlich offensichtlich, dass den Machern klar war, dass Cruise von nicht gerade wenigen Kinogängern für seine perfekt modellierte Fassade inbrünstig verachtet wird: EDGE OF TOMORROW bedient diese Verachtung, indem er den Star zur Zielscheibe des Sadismus macht, und wird damit für ausgesprochene Cruise-Verächter ebenso zum Muss wie für seine Verehrer.

Erstaunlicherweise steht dieser Humor dem Gelingen des Films als spannendes Actionvehikel niemals im Weg, vielmehr entwickelt sich das eine wunderbar organisch aus dem anderen. Und während andere „Prämissenfilme“ unter der Last der einen großen Idee oft in die Knie gehen, dem ursprünglichen, genialischen Funken schon nach kurzer Zeit nichts mehr hinzuzufügen wissen, entwickelt Liman ein spielerisches Verhältnis zu seinem Stoff, probiert immer wieder neue Ansätze aus, verwirft, wenn das Potenzial ausgereizt ist, und versucht etwas anderes. Obwohl EDGE OF TOMORROW also ganz wesentlich aus Wiederholungen besteht, erfindet er sich immer neu. Ganz so, wie das auch sein Protagonist tut. Besonders effektiv ist es, wenn Liman andeutet, dass wir nur einen winzigen Ausschnitt aus den Dutzenden Wiederholungen gesehen haben, die Cage durchlaufen hat, klar wird, dass er manche Handlungen schon Hunderte von Malen durchgeführt hat, ohne einen Fortschritt zu erzielen. Einmal verzichtet Cage ganz darauf, sein gewohntes Pensum abzuleisten: Wie ein vom Alltag gebeutelter Arbeiter setzt er sich stattdessen in eine Kneipe und trinkt, gezeichnet von der Wiederkehr des Immergleichen, ein Bier. Als er zum xten Male den Tod seiner Partnerin nicht verhindern kann, fasst er nach dem Neustart den Entschluss, auf die Zusammenarbeit mit ihr ganz zu verzichten. Er sucht sie wie gewohnt zum „ersten Mal“ auf, schaut sie an, dreht sich um und geht. Sie hat natürlich keine Ahnung wer er ist und kann dem rätselhaften Fremden nur irritiert hinterherschauen. So entwickelt dieser Bubblegum-Film ungeahntes dramatisches Potenzial und emotionale Tiefe, wo andernorts nur oberflächliches Spektakel vorherrscht. Aber auch letzteres beherrscht Liman und seine Schlachtenpanoramas sind wirklich atemberaubend. So fällt es dann auch nicht negativ ins Gewicht, dass der Showdown, die Auflösung ein bisschen pflichtschuldig rüberkommen und eigentlich auch nicht mehr wirklich interessieren. 

Ich habe angesichts der hier gebotenen Klasse so meine Zweifel, dass irgendein Film EDGE OF TOMORROW den Titel „Bestes Big-Budget-Effetkspektakel des Jahres“  noch streitig machen kann. Überhyptes Mittelmaß wie THE AVENGERS wird hier m. E. spielend in die Tasche gesteckt. Schade, dass das niemand den potenziellen Zuschauern gesagt hat, die dem Kino in Scharen fernblieben und Liman einen massiven Flop bescherten. Egal, Mund abwischen, Neustart wagen.

Eine von der Weyland Corporation und ihrem sich nach Unsterblichkeit sehnenden Namensgeber (Guy Pearce) gesponserte Mission macht sich auf den Weg zu einer fernen Galaxie, in der die Schöpfer des Menschen beheimatet sein sollen. Höhlenzeichnungen aus unterschiedlichsten Epochen der Menschheitsgeschichte und in weit voneinander entfernten Regionen haben die Geologen Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) davon überzeugt, dass es nicht Gott war, sondern eine intelligente außerirdische Rasse, die auf der Erde einst die Saat menschlichen Lebens ausgesät hat. Auf dem fremden Planeten findet das von Meredith Vickers (Charlize Theron) geführte und vom Androiden David (Michael Fassbender) ärztlich überwachte Team tatsächlich Spuren einer hoch entwickelten Zivilisation, die jedoch von irgendetwas ausgerottet wurde. Und dieses „Irgendetwas“ fordert auch bald schon die ersten Opfer unter den Wissenschaftlern …

Mal ehrlich jetzt: Das ganze Schwadronieren darüber, ob PROMETHEUS nun tatsächlich ein ALIEN-Prequel ist oder nicht doch eher als eigenständiger Film mit nur geringfügigen und vernachlässigbaren Verbindungen zum Klassiker angesehen werden muss, kann ja wohl nicht ernst gemeint gewesen sein. Ist es das, wo Filmrezeption und Filmjournalismus gelandet sind: beim Fanboy-mäßigen Debattieren über die Sinnhaftigkeit von Marketing-Strategien und über Banalitäten, die gar nicht diskutiert werden müssten, widmete man sich einfach dem Film, der da vor einem abläuft? Zieht man all die Vorfreude und die Erwartungen ab, die PROMETHEUS auslöste, ignoriert man all den Effektbombast, die von getragener, unheilvoller Musik unterlegten Bilder galaktischer Tristesse und das Bedeutungsschwere vortäuschende Gefasel über Gott, das Leben und die Unsterblichkeit, bleibt am Ende ein erschreckend stromlinienförmiges und einfallsloses Remake des einflussreichen Originals, das statt des ikonischen Alien-Monsters eine Vielzahl anderer schleimiger, Giger-inspirierter Kreaturen und eine schunkelbirnige und gurkennasige Rasse menschenähnlicher „Ingenieure“ aufbietet. Das ist durchaus unterhaltsam, weil das Konzept, Astronauten auf einem fremden Planeten von einer bizarren Monstren auslöschen zu lassen, nie ganz verkehrt ist und 95 % der Kreativität in Eye Candy und Effektgematsche gesteckt wurden. Wenn man aber bedenkt, das Ridley Scott mancherorts als „Meister“ gilt und ALIEN einst eine Innovation darstellte, die eine der originellsten Kreaturen der Filmgeschichte zum Leben erweckte und auch heute noch die Fantasie der Zuschauer anregt, dann ist PROMETHEUS schon reichlich ernüchternd. Fast Eins zu Eins kupfern Scott und seine Autoren den Plotverlauf des Klassikers ab: Anreise im Hyperschlaf mit Vorstellung der Besatzung, Besichtigung einer dunklen, biomechanisch anmutenden Grotte, Einschleppung des fremden Organismus, Befall der Crew, Verrat durch die Weyland Corporation und den Androiden, finales Überleben einer Frau nach dem Kampf gegen das Monster. Damit es nicht allzu frappierend auffällt, dass PROMETHEUS wirklich gar keinen neuen Einfall aufbietet, wird wortreich über Ursprung und Ziel der Menschheit schwadroniert, eine Parallele zwischen den „Engineers“ und dem Menschen gezogen, der ja auch in der Lage ist, neues Leben zu kreieren. Außer der Heldin natürlich, denn die ist unfruchtbar, bis sie – haha, welch bittere Ironie! – als Wirtskörper der Alienbrut fungieren muss. Das ist in seiner pseudo-auf- und -abgeklärten Art, hintenrum doch wieder nur den lieben Gott zu retten, nicht nur schreiend unoriginell (Brian De Palma hat man dieselbe Idee vor 13 Jahren für seinen deutlich tiefsinnigeren MISSION TO MARS um die Ohren gehauen), sondern schlicht und ergreifend dumm. Was ALIEN allein durch ein geschicktes Script und die bahnbrechenden Designs Gigers andeutete, die enge Verbindung von Tod und Sexualität, verkommt hier zum leeren Zierrat, der dafür aber schön breit ausformuliert wird. Auch deshalb finde ich die oben angedeuteten Diskussionen über PROMETHEUS absurd: Der ist mit seiner erklärbärigen Art einfach nur typischer Prequelstoff wie er jedes Jahr dutzendfach ins Kino gelangt. Damit der zahlende Kunde bei der Stange gehalten wird, gibt es natürlich ein offenes Ende, an das man ein weitere Prequel-Sequel dranhängen kann. Stünde hier nicht „Ridley Scott“ drauf, ginge es nicht um ALIEN, PROMETHEUS erzeugte kaum mehr als wohlwollendes Gähnen.

Wenn man sich damit arrangiert, dass diesen Film auch ein uninspirierter Handwerker wie Brett Ratner problemlos über die Rampe gebracht hätte, kann man sich immerhin über den hübschen Look, eklig-unterschwellige Effekte wie die Minitentakel im Augapfel!, ein glibbriges Krakenalien, brachiale Transformationen und eine angemessen blutige Alien-Abtreibung freuen. Aber das wäre auch mit weniger Getöse gegangen. Den wahren Kern des Films reflektiert nichts so sehr wie das selbstzufriedene Antlitz des androgynen Maschinenmenschen David: Pure, glattgebügelte Oberfläche, ordentlich gescheitelt, die man sich gern anschaut, hinter der sich aber nur Leere verbirgt.