Mit ‘Arnold Schwarzenegger’ getaggte Beiträge

Als ich COMMANDO zum letzten Mal gesehen habe, vor so ca. zehn Jahren, da steckte ich mittendrin in der Arbeit am „Sauft Benzin, ihr Himmelhunde!“-Blog. Ich betrachtete Actionfilme damals anders, suchte nach verborgenen Subtexten, nach der tiefen Tragik und Poesie in den Geschichten um diese gescheiterten Existenzen, um die es im Actiongenre meist geht. Bei COMMANDO biss ich auf Granit: Der Film, der vielen als einer der tollsten seines Genres gilt und den auch ich immer sehr geliebt hatte, ließ mich enttäuscht zurück. Unter den damaligen Voraussetzungen ist das kein Wunder: COMMANDO ist ein greller, übersteigerter Gewaltcomic, eine gut geölte Unterhaltungsmaschine, mit dem einzigen Zweck, dem Zuschauer einen gepflegten Adrenalinkick zu verpassen. Hier nach einer tieferen Erkenntnis zu suchen, nach Menschlichkeit oder tieferen Emotionen, ist sinnlos und tut dem Film Unrecht, dessen Schönheit darin liegt, wie er all die niederen Instinkte des Zuschauers mit derselben Effizienz bedient, wie sein Protagonist John Matrix (Arnold Schwarzenegger) mit den bad guys aufräumt.

Mark L. Lester bedient sich einer Strategie, die später vor allem Steven Seagal für sich nutzbar machen sollte: Es geht in COMMANDO nicht um Spannungserzeugung in dem Sinne, dass der Zuschauer sich fragt, ob der Held es schafft. Daran besteht von Anfang an kein Zweifel – tut es streng genommen natürlich nie, aber die meisten Filme spielen zumindest mit der Möglichkeit, dass es auch schlecht ausgehen könnte. In COMMANDO ist das anders: Der Spaß besteht darin, dabei zuschauen zu dürfen, wie Matrix mit den Schurken aufräumt, ohne dabei wirklich einmal außer Atem zu geraten. Und um diese Freude zu maximieren, hat Lester seinen Film jeden Zierrats entledigt, auf vier schnurgerade und ohne Tempolimit zum Ziel führende Spuren ausgebaut und seinem Protagonisten dann einen aerodynamisch geformten Raketenwagen zur Verfügung gestellt. COMMANDO kennt, einmal ins Rollen geraten, keine Pausen, der Countdown tickt unerbittlich, der Schnitt drückt mächtig auf die Tube und der Score gibt den treibenden Rhythmus vor. Nach etwas mehr als 80 Minuten ist der Spuk vorbei, erschöpft, aber glücklich liegt man auf dem Rücken wie die Heerscharen feindlicher Soldaten, die Matrix mit maschineller Präzision aus dem Weg geräumt hat.

Dass dieser Film einen andere Weg geht als andere Actioner, zeigt eine Szene zu Beginn: Ehemalige Partner von Matrix haben sein Haus überfallen und seine Tochter (Alyssa Milano) entführt, um ihn dazu zu bringen, für sie den amtierenden Präsidenten einer Bananenrepublik zu stürzen. Matrix stürzt in das Zimmer seiner Tochter, in der Hoffnung, sie noch retten zu können, doch sie ist schon weg. Stattdessen sitzt da einer der Schurken, der die Aufgabe hat, Matrix über die Bedingungen aufzuklären. Normalerweise geht die Szene so: Der Held erfährt, dass er keine Handlungsoptionen hat, dass sein eigen Fleisch und Blut in Lebensgefahr schwebt und er den Anweisungen folge zu leisten hat. Einsichtig wirft er seine Waffe weg und beugt sich den Forderungen. Nicht so in COMMANDO: Hier entgegnet Matrix dem Botschafter auf dessen rhetorische Frage „If you want your kid back, you gotta cooperate, right?“, ein kurz angebundenes, höchst entschlossenes „WRONG“ und schießt ihm eine Kugel zwischen die Augen, bevor er die Verfolgung aufnimmt. Man könnte sagen, dass der Witz des Films darin besteht, Erwartungen aufzubauen und diese dann immer durch gezielte Enttäuschung zu übertreffen. Das berühmteste Beispiel ist Matrix‘ an den rattenhaften Sully (David Patrick Kelly) gerichtetes Versprechen, ihn als letzten umzubringen: Natürlich beißt er als erster ins Gras und seine verdutzte Reaktion darüber quittiert Matrix nur mit dem trocken vorgebrachten Geständnis, ihn angelogen zu haben.

Dieser Ansatz ist perfekt für Schwarzenegger, der als Matrix zwar den liebenden, amerikanische Werte ehrenden Vater geben darf, der mit dem Töchterchen ein Rehlein füttert, sich von ihr Eis auf die Knubbelnase schmieren lässt und angesichts von Fotos von Boy George nur amüsiert den Kopf schüttelt, aber von Lester dennoch wie ein Roboter inszeniert wird, der wie einst der Terminator nur die Programmierung kennt. Das Maschinenhafte besteht aber nicht nur darin, dass Matrix so geradlinig und umweglos auf sein Ziel zuwalzt, dass er keinerlei Emotionen zeigt, sondern eben nur tut, was getan werden muss, sondern auch, dass er, wie beschrieben, beständig die Erwartungen des Zuschauers unterläuft: Er begreift gar nicht, was das ist, „Entertainment“, dass dazu der Tease und das Herauszögern gehören. Und Lester setzt das grandios in Szene: Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie er gemeinsam mit Drehbuchautor De Souza und Editor Mark Goldblatt zusammengesessen und immer wieder überlegt hat, wie er COMMANDO noch schneller machen kann. Wie Matrix gar nicht erst in die Bananenrepublik Val Verde reist, sondern noch aus dem startenden Flugzeug springt, nachdem er seinen Aufpasser mit dem Ellbogen erschlagen hat (wie witzig ist es eigentlich, dass es diese vollkommen sinnlosen Establishing Shots vom Flughafen von Val Verde gibt, wo Matrix nie ankommt?). Wie er in einen Waffenladen einbricht, indem er kurzerhand mit einem Bagger hineinfährt. Wie er ohne großen Plan einfach auf die Insel der Bösewichter stürmt und diese in einem kurz angebundenen Amoklauf wegballert. Wie er sich in einem Geräteschuppen mit mörderischem Heimwerkerequipment ausrüstet, als er einmal in die Enge getrieben wird. Wie er sich seinen Endgegner, den einen frustierten Crush für ihn hegenden SM-Schwulen Bennett (Vernon Wells), mit einer Reihe schnell geschnittener Schädelbrecher für den Finishing Move zurechtlegt, als es ihm zu lang dauert. Selbst die ikonische Montageszene am Strand, in der Matrix sich vorbereitet, scheint hier doppelt so schnell wie in allen anderen Actionern.

COMMANDO ist gewiss kein Film, dessen Story einer ausführlichen Exegese bedürfte. Sie ist Mittel zum Zweck, bietet kaum mehr als eine Prämisse zur Aneinanderreihung der zahlreichen Actionszenen. Was ja durchaus der passende Ausdruck für Matrix‘ Persönlichkeit ist: Egal wie komplex die Probleme auch sein mögen, mit denen er konfrontiert ist, er wird sie immer mit der hier gezeigten frontalen Kompromisslosigkeit angehen. Hinsichtlich seiner Komposition ist COMMANDO nichts weniger als ein Meisterwerk. Hier kann man lernen wie Action geht, wie man die Dinge bis auf das Skelett reduziert, entwirrt und gnadenlos beschleunigt. Wham, bang, thank you ma’am. Und in dieser Hinsicht ist COMMANDO unglaublich reich. Ja doch, war wieder geil diesmal.

 

Teil 5 des Terminator-Franchises hat wie die vorangegangenen beiden Teile vor allem damit zu kämpfen, dass James Cameron seinerzeit mit THE TERMINATOR und T2: JUDGEMENT DAY zwei (sehr unterschiedliche) Filme schuf, die sofort zu Klassikern avancierten und ihre jeweilige Dekade beinahe idealtypisch verkörperten: Düstere, technikskeptische No-Future-Apokalypse für die Eighties, lautes, schnelles, großes, ironiedurchsetztes und zynisches Popcorn-Spektakel für die Nineties. Vor allem letzterer war damals ein Game Changer ersten Ranges, der Film, der einen Paradigmenwechsel und eine neue Epoche computergenerierter Effekte einläutete. Selbst, wenn man von den nachfolgenden drei Teilen der Reihe enttäuscht ist oder war, so muss man doch einräumen, dass es nahezu unmöglich scheint, heute noch etwas von vergleichbarer revolutionärer Bedeutung zu schaffen. Die Effekte von Alan Taylors TERMINATOR GENISYS sind teilweise beeindruckend, das Sounddesign ähnlich wie im Vorgänger TERMINATOR SALVATION eine Klasse für sich, trotzdem sind das nur kleine Details, deren Stellenwert nicht vergleichbar ist mit den Morphing-Effekten um den T-1000 vor beinahe 25 Jahren. Das fällt beim neuesten Eintrag umso stärker auf, als er den direkten Vergleich nicht scheut, sondern ihn aktiv sucht: TERMINATOR GENISYS erzählt die Geschichte von THE TERMINATOR zunächst noch einmal aus der Perspektive des Zeitreisenden Kyle Reese (Jai Courtney), streift dabei ikonische Szenen wie die Konfrontation des Terminators mit den Punks vor dem Planetarium, nimmt dann aber eine Abzweigung. Sarah Connor (Emilia Clarke) und der Terminator (Arnold Schwarzenegger) sind in ihrem Kampf gegen Skynet mittlerweile selbst zu versierten Zeitnavigatoren geworden, sodass es gleich mehrere alternativ laufende Zeitstränge gibt, die sich ständig überkreuzen und etwa dazu führen, dass der Terminator gegen sein altes Selbst kämpfen muss. Am Ende scheint die Zukunft mit der Zerstörung Skynets und ihres neuesten Produkts Genisys gerettet, aber mit Kenntnis der Reihe weiß man, dass es in einer Welt, in der man jederzeit in die Vergangenheit reisen kann, um die Dinge retroaktiv zu ändern, keinerlei bleibenden Gewissheiten mehr gibt. Man könnte sagen, dass die TERMINATOR-Reihe in ihrer ständigen Wiederbelebung und Neuninterpretation des Alten, dem leeren Versprechen einer nun endgültigen „Auflösung“ und der gleichzeitigen inhärenten Unmöglichkeit einer solchen das ultimative Hollywood-Produkt geworden ist. Genisys ist Skynet ist Hollywood.

So wie der Technologiekonzern sich in TERMINATOR GENISYS längst nicht mehr mit der Konstruktion waffenstarrender Kampfroboter zufrieden gibt sondern mittels des titelgebenden Programms via Internet alle relevanten Bereiche des menschlichen Lebens zu kontrollieren sucht, ist Film ja längst nur noch ein Bestandteil des Markenstrebens der Studios. Solange die Marke Gewinn abwirft, wird es also neue Filme geben und dank des den Kern der TERMINATOR-Urerzählung bildenden Zeitparadoxons ist das nächste Update (der Begriff macht hier noch mehr Sinn als anderswo) gewissermaßen schon eingebaut. Kyle Reese kann am Ende nach gelungener Weltrettung im pathetischen Brustton der Überzeugung sagen „The future is not set“, auf das Potenzial geschichtsumwälzender Handlungen anspielen, aber die Ironie entgeht ihm dabei. Denn wenn die Zukunft nicht feststeht, ist ja auch der nun errungene Sieg nur vorübergehend. Was hindert die Maschinenmenschen eines alternativen Zeitstrangs daran, die nun „echte“ Zukunft durch Eingreifen in ihre Vergangenheit wieder rückgängig zu machen? Wir werden es im nächsten Teil sehen.

Die verständliche Kritik an TERMINATOR GENISYS stieß sich genau daran: Dass auch dieser neueste Teil wie so viele andere Sequels und Reboots der vergangenen Jahre die altbekannte Geschichte nicht fortsetzte, sondern lediglich noch einmal von vorn erzählte, er lediglich als ständige Spiegelung der Vorgänger funktioniere und nicht als eigenständiges Werk. Das ist nicht verkehrt, verkennt aber die Tatsache, dass genau dieser Charakter schon in THE TERMINATOR angelegt war. Vordergründig malte Camerons Film eine apokalyptische Endzeitvision um Maschinen, die die Weltherrschaft an sich gerissen und die Menschen versklavt hatten, aber im Kern ging es immer um die Frage danach, inwieweit wir wirklich unseres eigenen Glückes Schmied sind – und um eine Liebes- und Familiengeschichte. Der Scope der Serie, die sich über mehrere Jahrzehnte und verschiedene nebeneinander laufende Zeitstränge erstreckt, nichts weniger als die Zukunft der Menschheit und der Erde verhandelt, mag gewaltig erscheinen: Tatsächlich ist sie von beinahe kammerspielartiger Intimität, kreist beständig um einen Kern von vier Personen, die mit jedem Teil eine neue Fassette ihrer Beziehung zueinander ergründen. Es war natürlich die eindrucksvolle Gestalt Schwarzeneggers, die den Betrachter von THE TERMINATOR zuerst in ihren Bann schlug, wie er da als perfekte Verkörperung einer emotionslosen, aber unaufhaltsamen Maschine durch den Film walzte, aber als ich ihn mir zuletzt angeschaut habe, stellte ich fest, dass das Herz des Filmes in jener kurzen Sequenz schlägt, in der sich Sarah und Reese erst einander annhähern, sich dann schließlich in Erfüllung ihres Schicksals auf einem Bett niederlassen, um das Kind zu zeugen, das später einmal die letzte Hoffnung der Menschen werden wird.

In TERMINATOR GENISYS wird diese durch die Zeit reichende, ihre Achsen krümmende Liebe wieder thematisiert, der Film mit der Komplettierung des Paares durch den von Sarah mittlerweile liebevoll „Pops“ genannten Terminators und des ebenfalls in die Vergangenheit reisenden John Connors (Jason Clarke) endgültig zum Familienfilm – der aber nicht ohne das obligatorische schwarze Schaf auskommt. Die Aufgabe, mit der zukünftige Sequels sich verstärkt zu beschäftigen haben werden, ist eine Justierung der Zeitstränge, die eine Vereinigung aller Familienmitglieder erlaubt. Erst wenn das gelungen ist, ist die Welt – möglicherweise? – tatsächlich gerettet.

Die EXPENDABLESReihe ist irgendwie seltsam.

Als vor rund sechs Jahren die Kunde umging, das Sylvester Stallone mit einer ganzen Horde alter Action-Recken einen Söldnerfilm drehe, da war die Euphorie riesig. Auch der erste Trailer, der schmerzhaft deutlich machte, dass man keinen Throwback in selige alte Zeiten erwarten durfte, konnte daran nichts ändern. Der Film, der dann ins Kino gelangte, war nun aber keineswegs vom Ehrgeiz alter Männer geprägt, den Jungen noch einmal zu zeigen, was eine echte Harke ist, sondern von geradezu aufreizender Entspanntheit. Kein Vergleich zu Stallones ultrabrutalem, in fiebrigem Zorn inszeniertem JOHN RAMBO. THE EXPENDABLES kam nicht in seinen eher enttäuschenden Actionszenen zu sich, sondern im von Harmonie geprägten Miteinander seiner Charaktere. Der ganze Film wirkte tatsächlich wie ein Treffen alter Kumpels, bei dem nebenbei und eher zufällig auch noch ein Film entstanden war. Ich fand gerade das sehr schön, doch offensichtlich sahen die Macher den Grund für den Erfolg des Revivals ganz woanders. Für THE EXPENDABLES 2 wurde die Riege der alten Männer noch einmal erweitert, Jean-Claude Van Damme, Chuck Norris und Scott Adkins wurden eingebunden, die Cameos von Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis zu vollwertigen Nebenrollen umgeschrieben. Das Budget wurde nach guter, alter Sequellogik aufgestockt, mit Simon West ein Regisseur verpflichtet, der nicht gerade im Ruf steht, ein Traditionalist oder Handwerker alter Schule zu sein, der ganze Film noch mehr in Richtung Altherren-Kaffeefahrt gebürstet, die mich mit ihren nervtötenden Ausflügen in den ironisch-selbstreferenzielle *Wink-wink*-Metahumor massiv angenervt hat. Hier war endgültig klar, dass man nicht die Tradition im Blick hatte, sondern all die Fans, die den Actionfilm im Grunde genommen total bescheuert finden, sich aber auch noch dann vor Freude in die Hosen machen, wenn Arnie zum hundertsten Mal „I’ll be back!“ stammelt. Furchtbar.

Meine Hoffnungen hinsichtlich THE EXPENDABLES 3 waren demzufolge mehr als gering, eigentlich sogar nahezu inexistent und das nochmalige Aufstocken des eh schon unübersichtlichen Casts ließ Schlimmstes befürchten, zumal man durchaus geteilter Meinung darüber sein darf, ob Leute wie Antonio Banderas, Harrison Ford oder Kelsey Grammer hier überhaupt reingehörten. Dass mit Patrick Hughes ein namenloser Newcomer auf den Regiestuhl gesetzt wurde, stimmte auch nicht eben hoffnungsfroh. Aber erstaunlicherweise ist durchaus eine Art „Rückbesinnung“ zu konstatieren: Der Film kommt nicht mehr als debile, übersteuerte Gagparade rüber, sondern als weitestgehend „ernster“ Actionfilm mit komischen Elementen, der wieder einmal die Kameradschaft der alten Recken betont. Mit dem ersten Teil hat er aber auch die Tatsache gemeinsam, dass die Actionszenen – auch wenn sie in der Summe fast die gesamte Spielzeit einnehmen – sehr middle-of-the-road anmuten. Wirklich hängen bleibt da nichts, Momente, in denen man mitfiebert, aufspringen möchte oder auch einfach nur „Fuck yeah!“ denkt, sind Mangelware. Wie schon im direkten Vorgänger ist ein von Stallone mit seiner unnachahmlich gutturalen Stimme gemurmelter One-Line das einsame Highlight. Wenn Mel Gibsons Oberschurke, der Waffenhändler Blackstone, seinen alten Kumpel Barney (Sylvester Stallone) daran erinnern will, dass er ihn lebendig vor dem Gerichtshof in Den Haag (englisch: The Hague) abzuliefern habe, sagt der nur staubtrocken „I am The Hague!“ und knallt den Halunken nieder. Hose: Geplatzt, Mind: Blown, Mission: Accomplished. THE EXPENDABLES 3 sollte eigentlich voll sein mit solchen Momenten, stattdessen wirkt er aufreizend selbstzufrieden, mit lässiger Geste hingeworfen von Leuten, die glauben, dass die geballte Zugkraft ihrer Namen auf dem Plakat schon die halbe Miete ist. Das finde ich, wie schon beim ersten Teil, durchaus sympathisch, aber ein richtig guter Film wäre mir dann doch noch ein Stück lieber gewesen. Die Rechnung ging dann ja auch nicht auf: Nachdem die ersten beiden Filme noch rund das Dreifache ihres Budgets eingespielt hatten, reduzierte sich das mit dem dritten Film auf das Doppelte.

Es ist tatsächlich schwer, für THE EXPENDABLES 3 echte Emotionen aufzubringen, was an sich ja schon ein kleiner Skandal ist: Klar, es ist einfach schön, diese Typen da vereint auf der Leinwand zu sehen, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie im großen Stil Sachen kaputt machen. Antonio Banderas ist als liebenswerter Dauerschwätzer Galgo durchaus putzig, Mel Gibson als Schurke wie zuvor schon Jean-Claude Van Damme ein Höhepunkt (diese Szene, in der er ganz langsam, fast bedächtig eine Treppe hochzugleiten scheint) und einen Gastauftritt von Robert Davi werde ich eh immer zu würdigen wissen. Ich finde es auch angenehm, dass dieser Film nicht mit großer Dominanzgeste inszeniert wurde, sondern fast bescheiden anmutet, dass es innerhalb des ganzen Getöses am Ende des Tages um die Freundschaft dieser Typen geht (auch wenn die Screentime jedes einzelnen kaum noch der Rede wert ist). Bei allem Technik- und Effektbrimborium bewahrt der Film seinen menschlichen Kern, was ihm sein „Alleinstellungsmerkmal“ beschert und auch seinen Reiz ausmacht. Auch Kurzweiligkeit kann man THE EXPENDABLES 3 nicht absprechen. Das ist eine Basis, auf der sich etwas Wunderbares aufbauen ließe, der erste Schritt, auf den dann ein zweiter und dritter folgen müssten. Leider scheinen dazu aber weder der Wille vorhanden gewesen zu sein, noch ausreichend Energie oder Kreativität. Tatsächlich bestätigen die EXPENDABLES-Filme letztlich genau das, was sie eigentlich zu widerlegen angetreten waren: Dass die Beteiligten nämlich tatsächlich entbehrlich geworden sind. Und darüber täuschen sie auch nicht hinweg, indem sie einen besonders farblosen Trupp Jungspunde rekrutieren.

John „Breacher“ Wharton (Arnold Schwarzenegger) ist eine Ikone des „War on Drugs“ und bärbeißiger Anführer eines Sondereinsatzkommandos des DEA, einer Truppe knallharter Kämpfer und durchgeknallter Adrenalinjunkies (Sam Worthington, Mireille Enos, Terrence Howard, Joe Manganiello, Josh Holloway, Max Martini, Kevin Vance und Mark Schlegel), die ihrem Leader treu ergeben sind. Als während eines ihrer Einsätze 10 Millionen Dollar Drogengeld spurlos verschwinden, wird die Einheit für die Dauer der allerdings ohne Ergebnis bleibenden Ermittlungen aufgelöst. Die Freude über ihre sechs Monate später erfolgende Reaktivierung währt aber nur kurz: Ein Killer hat es auf sie abgesehen und ermordet einen nach dem anderen. Die Beamtin von der Mordkommission (Olivia Williams), die auf den Fall angesetzt wird, versucht zunächst vergeblich, den Kämpfern etwas zu entlocken, erfährt dann aber, dass Whartons Frau und Sohn einst von den Mitgliedern des mexikanischen Drogenkartells auf brutale Art und Weise gefoltert und hingerichtet wurden …

Writer-Director David Ayer hatte mich zuletzt mit seinem Cop-Thriller END OF WATCH restlos überzeugt. Der eher stille Film begeisterte mich mit seiner Subtilität, sehr genauen Beobachtungen, einem Ohr für authentische, alltägliche Dialoge und hervorragenden Leistungen von Jake Gyllenhaal und Michael Peña; Aspekte, die die Tatsache, dass END OF WATCH nichts bahnbrechend Neues zu erzählen hatte, mehr als vergessen machten. SABOTAGE hat mich ein bisschen unentschlossen zurückgelassen, auch wenn er den bisher besten Part für Arnold seit dessen Comeback bereithält und andeutet, was da noch kommen könnte. Ayer verfolgt den mit  END OF WATCH oder auch dem von ihm geschriebenen TRAINING DAY eingeschlagenen Weg weiter und befasst sich mit Cops, den Problemen, mit denen diese sich herumschlagen müssen, sowie den Verlockungen, die sie immer wieder vom rechten Weg abzulenken drohen. In SABOTAGE scheint er zeigen zu wollen, was der „War on Drugs“, den die USA seit der Präsidentschaft Reagans verstärkt führen (dem ehemaligen Präsidenten zollt der Film mit einem „Ronbo“-Poster, das die Einheit in ihrem Stützpunkt hängen hat, Tribut), mit seinen Protagonisten anrichtet, welche seelisch zerrütteten Killer der Staat da fahrlässig heranzüchtet. Die Truppe um Wharton, jeder einzelne von ihnen ein muskelbepackter, tätowierter, ständig unter Strom stehender Krieger, ähnelt auch deshalb einer Familie, weil ihre Mitglieder vom Rest der Gesellschaft notgedrungen vollkommen isoliert sind. Für ein normales Leben ist keiner von ihnen noch zu gebrauchen und ein Besuch im örtlichen Stripclub endet regelmäßig in handfesten Schlägereien. Am schlimmsten hat es Wharton selbst getroffen: Abend für Abend sitzt er in seinem abgedunkelten Wohnzimmer und betrachtet das Foltervideo, dass das Kartell ihm als „Andenken“ an Frau und Sohn überlassen hat. Wie macht man danach weiter?

Für den Zuschauer ist SABOTAGE in mehrerlei Hinsicht hartes Brot: In seinen Gewaltszenen macht er manchem Horror- und Terrorfilm der letzten Jahre ernsthafte Konkurrenz, geizt nicht mit blutigen Einschüssen und verstümmelten Toten. Dann sind da die Protagonisten selbst: Ein unerträglicher Haufen vulgärer, chauvinistischer Proleten mit hässlichen Tätowierungen, Bärten, Frisuren und Ansichten. Keiner von ihnen entwickelt eine echte Persönlichkeit über seinen einsilbigen Kampfnamen hinaus. Breacher, Monster, Grinder, Pyro, Tripod, Neck, Sugar: Viel mehr gibt es über sie nicht zu wissen. SABOTAGE lässt keinen Zweifel daran, dass diese Männer so sein müssen wie sie sind: Ein normaler Mensch würde diesen Job nicht nur gar nicht erst annehmen, er wäre auch nicht in der Lage, ihn zu leisten. Er erfordert absolute Rücksichtslosigkeit, stählerne Nerven, einen starken Magen und eine Widerstandsfähigkeit, die jedes normale Maß weit überschreitet. Ayer enthält sich einer Positionierung zu seinen Figuren. Zwar scheint es mir offensichtlich, dass er die Züchtung solcher Killer durch den Staat kritisiertl, aber er tut das eben nicht, indem er sie lange Reden halten lässt, sondern indem er sie und ihre Arbeit ganz einfach so zeigt wie sie sind. Ein ehrenwerter, ehrlicher Ansatz, aber mehr als einmal habe ich mir angesichts des Grades an menschlicher Verkommenheit, der hier zur Schau gestellt wird, eine führende Hand gewünscht, irgendeinen moralischen Anker.

Die ermittelnde Beamtin der Mordkommission könnte einer sein, aber leider ist der Krimiplot, den sie repräsentiert, dann auch das Element, das SABOTAGE letztlich zu einem sehr herkömmlichen Thriller macht. Es gibt das übliche Hin und Her zwischen der auf verlorenem Posten stehenden Polizistin und den verschwiegenen Kameraden um Wharton, das typische Katz-und-Maus-Spiel um die Frage, ob sie in ihren Ermittlungen wirklich durch eigenes Geschick weiterkommt oder ob man ihr die wenigen Hinweise nicht absichtlich überlässt, um sie auf eine falsche Fährte zu lenken. Noch nicht einmal von einer höchst unglaubwürdigen Affäre zwischen ihr und Wharton sieht der Film dabei ab. Spätestens als es irgendwann nur noch um die Identität des Killers und den Verbleib des Geldes geht, begnügt sich Ayer damit, auf ein Ende zuzusteuern, das zwangsläufig ein bisschen enttäuschend sein muss. Immerhin versöhnt die Schlussszene, mit der ich dann auch wieder auf Schwarzenegger zurückkomme: Sie lebt ganz von ihm und seiner Präsenz, zeichnet ihn als granitenes Naturereignis, als lederhäutigen Dinosaurier, und zeigt, wie man ihn in hoffentlich kommenden Filmen gefälligst zu inszenieren hat: Nicht als „I’m too old for this shit“-Oneliner paraphrasierenden Balleropa wie in THE LAST STAND, auch nicht als gesetzten Mythos wie in ESCAPE PLAN, sondern als abgefuckten Vollblutkämpfer, der für seine Gegner längst keine Sprüche, nur noch rohe Gewalt und ein Schulterzucken übrig hat.

 

Ray Breslin (Sylvester Stallone) verdient sein Geld damit, aus Gefängnissen auszubrechen: Er wird engagiert, um ihre Sicherheitslücken zu finden, auszunutzen und so zu ihrer Verbesserung beizutragen. Bisher ist er aus jedem Knast entkommen, doch seine neueste Aufgabe führt ihn an seine Grenzen: Nicht nur ist der Hochsicherheitsknast für politische Gefangene oder hoffnungslose Fälle, genannt „the tomb“, nach Breslins Buch konzipiert, man hat auch jede Verbindung zu seinen Leuten gekappt. Es gibt keine Chance, seinen Auftrag abzubrechen. Vort Ort macht Breslin Bekanntschaft mit Rottmayer (Arnold Schwarzenegger): Der sitzt ein, weil er den international gesuchten Finanzkriminellen Mannheim kennt, den der korrupte Gefängnisdirektor Hobbes (Jim Caviezel) in seine Gewalt bringen möchte. Breslin und Rottmayer erarbeiten gemeinsam einen Plan, zu entkommen. Doch eine Entdeckung lässt ihre Hoffnungen auf den Nullpunkt sinken …

Die erste echte Paarung der ehemaligen erbitterten Konkurrenten Stallone und Schwarzenegger (nach den beiden EXPENDABLESFilmen) ist naturgemäß nicht das ganz große Feuerwerk, das diese Paarung vor 20, 30 Jahren ohne Frage bedeutet hätte. Die beiden Herren sind in die Jahre gekommen und lassen sich auch gern entsprechend inszenieren: Stallone überzeugt mal wieder in seiner Paraderolle als wizened veteran, als Mann, der keine großen Reden schwingt, sondern lieber mit guter Beobachtungs- und Auffassungsgabe überzeugt und den nichts mehr wirklich umhauen kann. Schwarzenegger ist als Rottmayer demgegenüber etwas gesprächiger und humorvoller, doch hinter seinem offenherzigen Wesen verbirgt sich ein Mann mit dem ein oder anderen Geheimnis. ESCAPE PLAN ist streng genommen Holywood-Bullshit: Konzeptkino, das mit einer überkonstruierten Story voller Twists und Turns aufwartet, die sich für superclever hält, aber vor Plotholes, Logiklöchern und Glaubwürdigkeits-Überstrapazierungen nur so strotzt. Ich bin allerdings gern bereit, über so etwas hinwegzusehen, wenn das Gesamtpaket stimmt, und das ist hier ohne Frage der Fall. Gefängnis- und besonders Ausbruchsfilme finde ich eigentlich immer klasse, die Idee um den Ausbrecherkönig im Superknast ist interessant, die Chemie der beiden Superstars stimmt, die Besetzung ist erlesen – neben den Genannten agieren Vincent D’Onofrio und Curtis „50 Cent“ Jackson als Breslins Geschäftspartner, Vinnie Jones als sadistischer Gefängniswärter und Sam Neill als Gefängnisarzt – und dass die Production Values über jeden Zweifel erhaben sind, ist eh klar. Vor allem aber ist ESCAPE PLAN sauber erzählt, ohne blöde Anbiederungen an den Zeitgeist, ätzende Manierismen oder anderen Kram, der erwachsenen Menschen heute sonst so oft den letzten Nerv raubt. Ich würde sogar sagen, dass der Film angenehm understated ist, sich ganz auf die granitene Präsenz seiner beiden Zugpferde verlässt und so einen Hauch von Siebzigerjahre-Männerkino ins gegenwärtige Eventkino bringt. Kein Meisterwerk, aber nettes Entertainment also, deutlich besser als das, was einem sonst in diesem Segment serviert wird. Und wenn Schwarzenegger in einer Szene deutsch spricht, dann merkt man erst, wie sehr man sich daran gewöhnt hat, ihn auf Englisch radebrechen zu hören.

Eigentlich ist TRUE LIES, wie alles von Cameron, ein Film der Superlative: Der direkte Nachfolger des Gamechangers T2: JUDGMENT DAY markierte mit einem Budget von über 100 Millionen Dollar einen neuen Spitzenwert, der mit dem Vorgänger endgültig zum absoluten Superstar avancierte Schwarzenegger übernahm erneut die Hauptrolle, die visuellen Effekte, die Cameron zuvor in THE ABYSS und eben T2 erprobt und konsensfähig gemacht hatte, wurden weiter perfektioniert, sodass sie hier fast gar nicht mehr als solche erkennbar sind. Trotzdem fühlt sich TRUE LIES flüchtig an, nicht wie ein Projekt, in das der als akribischer Perfektionist und technischer Visionär berühmt-berüchtigte Regisseur mehrere Jahre harter Arbeit investiert hätte, sondern wie eins, mit dem er sich von seinem eigentlichen Kerngeschäft mal entspannen wollte. TRUE LIES fällt aus seinem Werk dann auch weit heraus: Es ist Camerons einziger offen komödiantischer Film, der einzige, der nicht in irgendeinem direkten Bezug zu unserer Realität zu stehen scheint, sondern fast ausschließlich in einem Kosmos aus filmischen Bezügen und Querverweisen existiert, und der erste, bei dem die Frau einzig im Blick des Mannes existiert, während er sie sonst als starke, autarke Persönlichkeiten inszenierte. Holte Cameron mit seinen Filmen stets ein Stück Zukunft in die Gegenwart, war sein Blick dabei immer fest auf den Horizont gerichtet, die direkte Umwelt nur noch ein periphär wahrgenommener Schemen, ist TRUE LIES in jeder Facette ein Produkt seiner Zeit. Das war meines Erachtens damals schon offenkundig und ist es heute noch mehr. Der Film bietet 135 Minuten rasante Kurzweil, es ist wirklich erstaunlich, wie schnell er vorbeifliegt, und in seinem Zentrum gibt es da diesen einen Aspekt, repräsentiert durch diese eine wirklich großartige Szene, der dazu geeignet ist, das Ganze vor der totalen Belanglosigkeit zu retten, aber trotzdem lässt es sich nicht verhehlen, dass TRUE LIES gemessen an den Erwartungen eine große Enttäuschung war und ist und außerdem überhaupt nicht gut gealtert. Er ist amüsant, nett anzusehen, ja. Aber das ist für einen Regisseur wie Cameron doch eigentlich zu wenig. Ich kann es nicht verhehlen, so richtig gemocht oder gar geliebt habe ich TRUE LIES nie.

Das Hauptproblem ist wahrscheinlich, dass TRUE LIES alles auf einmal sein will – Beziehungskomödie, Agentenfilm-Parodie, Actionkracher – und sich diese unterschiedlichen Bestrebungen ständig in die Quere kommen. Vor allem die komischen Elemente unterminieren alle erzählerischen Ambitionen des Films. Und der Plot um die arabischen Terroristen ist noch generischer als man es den Actionfilmen des vorangegangenen Jahrzehnts immer unterstellt. Die Rassismus-Vorwürfe, die sich Cameron angesichts seiner Zeichnung arabischer Fanatiker gefallen lassen musste, prallen eigentlich an dem Fakt ab, dass es überhaupt keine echten Charaktere im gesamten Film gibt, alle nur als Abziehfolien herumlaufen oder als Repräsentanten irgendwelcher strukturalistischen Einfälle fungieren. Wirklich interessant wird TRUE LIES, als er sich in der Mitte der Beziehung von Harry (Arnold Schwarzenegger) und Helen (Jamie Lee Curtis) zuwendet und deutlich macht, worum es ihm geht: eine dysfunktionale Liebesbeziehung, die Parallelisierung von Spionage und Liebe, die Gleichsetzung von Harrys Lügen mit jenen des Gigolos Simon (Bill Paxton), der sich an Helen heranmacht, Harrys Enttarnung als Chauvi und schließlich um eine Emanzipierung Helens. Doch das geht im umgebenden Krawall leider unter.

Harry spielt seiner Frau ein Leben als langweiliger Vertreter vor, während er in der Weltgeschichte herumreist und sich mit Terroristen anlegt. Ihre Wünsche und Bedürfnisse sind ihm nahezu fremd, das gemeinsame Leben ist reines Schauspiel wie seine bürgerliche Identität. Als Simon auftritt, ein Gebrauchtwagenhändler, der sich in Umkehrung von Harrys Rolle als Geheimagent ausgibt, weil er festgestellt hat, dass viele frustrierte verheiratete Frauen sich nach Abenteuer und Aufregung sehnen, wacht Harry aus der Lethargie seines Doppellebens auf und ersinnt einen grausamen Plan, indem er das Spiel Simons mitspielt. Er nutzt die ihm zur Verfügung stehenden Kapazitäten, um Simon beim Rendezvous mit Helen zu überfallen und die beiden gewaltsam festzunehmen, nicht erkennend, was ihn mit Simon verbindet. In einem Verhör fragt er seine Frau nun über ihre Ehe und ihre Beweggründe für den Seitensprung aus. Er befindet sich dabei auf der Rückseite einer für Helen undurchsichtigen Glasscheibe, auch seine Stimme ist verfremdet. Während sie weiterhin glaubt, von einer staatlichen Macht festgenommen worden zu sein und entsprechende Ängste durchleidet, agiert Harry seine Eifersucht aus, stellt seine Gattin zudem vor seinem Freund und Kollegen Albert (Tom Arnold) bloß, der dem Verhör ebenfalls beiwohnt und sich sogar zweimal in das doch sehr private Gespräch einschaltet. Die Szene sagt einiges über den männlichen Blick des Filmzuschauers und das ungleiche Machtverhältnis zwischen Mann und Frau aus, wirkt in einem ansonsten auch in seinen brutalsten Exzessen betont comichaften Film reichlich verstörend und verletzend. Harry verliert in dieser Szene seine Unschuld, entpuppt sich als egoistischer, eifer- und rachsüchtiger Macho, der seine Frau nur im Verhältnis zu sich selbst denken kann. Doch der Film scheint nicht recht zu realisieren. Um Helens Wunsch nach einem Abenteuer nachzukommen, lässt Harry sie bezeichnenderweise vor sich strippen: Erneut bleibt er dabei unerkannt, inszeniert seine Frau als sein Objekt. Als andere Seite der Medaille geht Helen aber eindeutig gestärkt aus dem Erlebnis hervor: Sie zerschlägt beim Verhör den Spiegel, sie ändert ihr Äußeres, um beim Strip bestehen zu können, und findet im Tanz schließlich zu sich. Später wird sie Harry beim Kampf gegen die Terroristen helfen und am Ende als seine Partnerin in den Geheimdienst aufgenommen werden. Trotzdem wirkt ihr emanzipatorisches Coming-out nicht glaubwürdig: Cameron stellt sie immer wieder als tolpatschig dar, als biederes Hausfräulein, das mit der Situation überfordert ist. Beim Striptease fällt sie hin, im Feuergefecht mit den Arabern hat sie Glück, als ihr die Maschinenpistole aus der Hand gleitet und die Bösewichte im Folgenden „von allein“ erschießt. Als sie mit der Kollaborateurin Juno Skinner (Tia Carrere) auf einen Abgrund zurast, wird sie in letzter Sekunde vom starken Arm Harrys gerettet, und als es darum geht, die gemeinsame Tochter aus der Hand des schurkischen Salim Abu Aziz (Art Malik) zu befreien, übernimmt dies ganz selbstverständlich der Vater, während sie hoffend zurückbleibt, wieder in die Rolle der sich Sorgen machenden Mutter zurückfallend.

Ich habe es zuletzt einigen Filmen positiv angerechnet, dass sie nicht aus einem Guss sind. Uneinheitlichkeiten, Disparitäten und Widersprüche machen manchen Film erst zu dem, was er ist. Aber dazu müssen diese unvereinbaren Gegensätze in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. In TRUE LIES gibt es diese Spannung nicht, stehen die Elemente bloß nebeneinander, ohne sich sinnvoll zu befruchten. Diese Szene um die gedemütigte Frau, die vor dem Spiegel ihr Herz öffnet, hätte einen so viel besseren Film als diese weitestgehend unwitzige James-Bond-Parodie verdient, in die sie eingebettet ist wie ein Kuckucksei.

 

 

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Film schon gesehen habe. Die letzte Sichtung liegt wahrscheinlich gut zehn Jahre zurück (eher sogar mehr), aber das hat ihm nicht geschadet. Manche Filme, selbst Klassiker, überstehen solche langen Pausen nicht gut: entweder weil sie so extrem in einer bestimmten Zeit verhaftet sind, dass sie danach nur noch antiquiert und anachronistisch anmuten, oder aber weil man sich selbst zu stark verändert. PREDATOR ist inszenatorisch unverkennbar ein Produkt der Achtzigerjahre mit seiner „handgemachten“ Action, den feurigen Explosionen, großkalibrigen Waffen, politischen Allusionen und seinen ungebrochenen muskulösen Helden, die in druckreifen Aphorismen die Allgewalt des Faktischen beschwören, aber gleichzeitig ist er absolut zeitlos. Ihm kommt sicherlich zu Gute, dass er von McTiernan so ausgezeichnet und zupackend inszeniert wurde, dass er außerdem so ungemein pointiert ist mit etlichen Momenten, die schon zum Zeitpunkt seines Erscheinens klassisch waren, aber wichtiger scheint mir etwas anderes: Während McTiernans Mitbewerber um den Actionthron die Nähe zu politischen oder gesellschaftlichen Ereignissen der Zeit suchten, dringt er in PREDATOR zum mythischen, universellen Kern des Actionfilms vor. Er strebt Universalität an und findet sie.

Die Parallelen zum Vietnamkrieg, die manche Kritiker zogen – mit der neuesten Waffentechnik ausgerüstete, perfekt ausgebildete Soldaten sehen sich in unwegsamem Gelände einem „unsichtbaren“ Krieger gegenüber – verrät mehr darüber, wie präsent der Konflikt in den Achtzigerjahren noch war (auch dank des Actionkinos), als über PREDATOR selbst. Schon bei nur einigermaßen genauer Betrachtung hält der Vergleich nicht stand. Nicht nur, dass die Geschichte vom Sieg einer technisch hoffnungslos unterlegenen nordvietnamesischen Armee gegen die Profisoldaten aus Amerika ein Mythos ist, der nicht der Wahrheit entspricht, es ist ja auch augenfällig, dass Dutch und seine Männer der Waffentechnologie des Predators nicht gewachsen sind. Archaisch am Predator ist nur sein Motiv, nicht die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Ihm geht es nicht um territorialen Gewinn, er ist schlicht und ergreifend auf Trophäenjagd: Ihm gefallen menschliche Schädel. Und um ihn zu besiegen, muss Dutch sich aller Modernität entledigen, wieder ins vorzivilisatorische Stadium zurückkehren. Das letzte Duell zwischen den beiden Rivalen spielt sich in einer unwirklichen Urzeitlandschaft ab, über die die metaphorische Nacht vor dem Heraufdämmern der Zivilisation hereingebrochen ist. Mit Fallen, Fäusten, Pfeilen und Fackeln wird diese Schlacht ausgetragen, die Kontrahenten verschmilzen mit der Welt um sie herum, und gewinnen wird der, dem die Mimikry am besten gelingt. Am Schluss schlägt mit der urknallartigen Explosion, die der Predator auslöst, die Stunde Null, aus der Dutch als das neue Alphatier hervorgeht. Wie ein Fels steht er in der von Asche bedeckten Landschaft, nur als Schemen im sich lichtenden Rauch zu erkennen. Den Aufstieg des Helden aus dem Nebel des Mythischen, seine bis in die dunkelsten Tiefen der  Menschheitsgeschichte reichenden Wurzeln, hat kein Actionfilm je so explizit thematisiert und illustriert wie PREDATOR. Rambo hat seinen Bogen und sein Messer, unzählige Martial Artists vertrauen auf eine jahrhundertealte Kampfkunst und die dazugehörige Philosophie, John McClane klettert barfuß durch die Infrastruktur eines Wolkenkratzers wie ein Urwaldkrieger, aber keiner entledigt sich der Ketten der Zivilisation so konsequent wie Dutch. Noch nicht einmal der Indianer in seiner Einheit, dessen beinahe übersinnlichen Fähigkeiten und klischierte Naturverbundenheit ihn schon früh die fremde Präsenz spüren lassen, hat dem Predator etwas entgegenzusetzen. Auch er ist von der Gegenwart schon zu korrumpiert. Kein anderer als Schwarzenegger hätte den Dutch spielen können, den Mann, der das Menschliche ablegt, zur Naturgewalt wird und die Übermacht aus dem All mit seinen bloßen Händen erlegt. Es ist eine paradigmatische Rolle für den Österreicher, eine, die auch seinen eigenen Mythos aufzubauen entscheidend mitgeholfen hat.

Aber es ist zugegebenermaßen nicht dieser motivische Unterbau, der mich auch heute noch so für PREDATOR einnimmt (auch wenn er eine Rolle spielt). McTiernans Film ist vielmehr einer jener ganz seltenen Glücksfälle, an denen einfach alles stimmt, jeder noch so kleine Moment das Potenzial hat, sich bei jeder neuen Sichtung als neuer Lieblingsmoment herauszukristallisieren. Die einzelnen Figuren, so comichaft und überzeichnet sie auch sein mögen, tragen mehr Leben in sich als mancher psychologisch voll ausgefeilte Charakter, und die ihnen in den Mund gelegten Dialogzeilen sind untrennbar mit ihnen verbunden, fungieren fast wie kleine Hooklines in einem besonders facettenreichen Popsong. Die Acionszene nach etwa einem Drittel der Laufzeit – der Überfall auf das Guerilla-Lager – dürfte eine der größten, fesselndsten Actionsequenzen eines an solchen nicht armen Jahrzehnts sein, ebenso wie das schon angesprochene Finale. Der Predator selbst ist längst Film- und Popkulturgeschichte, der auch inflationäre Spin-offs und mittelprächtig gelungene Sequels nichts anhaben können. Getragen wird PREDATOR aber von jenem körperlich spürbaren Gefühl, von etwas Fremdem beobachtet und verfolgt zu werden. Diese Spannung, die einen in die Rolle eines in die Ecke gedrängten Tieres versetzt, hat McTiernans Film bei mir auch diesmal wieder evoziert. 100 Minuten auf der Sesselkante, perfektes Kino, glücklicherweise ohne den streberhaften Ruch des Perfekten, einfach die ganze Palette aufpeitschender Emotionen. Ein Meisterwerk, ganz sicher.

Es ist mir nicht möglich, unserem alten Himmelhunde-Text, der nunmehr auch schön fünf Jahre alt ist, noch Wesentliches hinzuzufügen. Ich beschränke mich deshalb auf ein paar persönliche Eindrücke.

Zunächst mal: Beeindruckend, wie Camerons Film einer ähnlich gut geölten, unaufhaltsamen Maschine gleicht, wie sie auch der titelgebende Terminator in der Darstellung Schwarzeneggers ist. Das ganze erste Drittel, in dem die drei Protagonisten strategisch in Stellung gebracht werden, ist ein Musterbeispiel ökonomischer Inszenierung. Keine Szene, kein Bild ist hier überflüssig. Wie es Cameron unter fast vollständigem Verzicht auf erklärende Dialoge gelingt, die Mission des Terminators sowie die drohende Gefahr für Sarah Connor für den Zuschauer greif- und nachvollziehbar zu machen, ist schlicht meisterlich. Weil er zwischen den beiden Konfliktparteien hin- und herschneidet, ist der Zuschauer dem Geschehen immer einen Schritt voraus. Bis zum ersten Aufeinandertreffen von Sarah, Kyle und dem Terminator steigert sich die Spannung stetig und mit eisiger Präzision. Das passt zu einem Film, der sich der dramaturgisch eigentlich undankbaren Aufgabe stellt, seine eigene inhaltliche Ausgangslage zu ermöglichen, indem er genau das erfüllt, was von Anfang an Status quo ist. „Du redest über Dinge, die ich noch nicht getan habe, in der Vergangenheit!“, sagt Sarah einmal zu Reese und bringt das Dilemma der Heldin damit auf den Punkt. Zeichnet sich der Held im klassischen Verständnis dadurch aus, dass er sich den Gegebenheiten widersetzt, sie umkehrt, selbst Geschichte, Schicksal schreibt, muss Sarah Connor lernen, das zu werden, was schon vorgezeichnet ist. Es gibt keine Freiheit für sie. Und doch vollzieht sich das Unabdingbare in THE TERMINATOR stets spontan.

Camerons Film ist supereinflussreich gewesen, seine Nachbeben spürt man noch heute im apokalyptischen Film, er prägte Schwarzeneggers Karriere wahrscheinlich wie kein anderer und erfand mit „Tech Noir“ gleich noch den Begriff, mit dem man die Verbindung von düsterer Noir-Metaphorik und High-Tech-Science-Fiction bezeichnet. Was für mich aber mehr als seine Maschinenästhetik den Geist des Films ausmacht, ist die Liebesszene zwischen Sarah und Kyle. Sie ist der Knotenpunkt, in dem die Zeitachsen zusammenlaufen, in dem der Film vom reinen Actioner zur tragisch-existenziellen Bestandsaufnahme wird. Und wenn sich der Zirkel am Schluss mit der Entstehung jenes Fotos, aufgrund dessen Kyle Reese sich in Sarah verliebt, schließt, ist das pure Magie. Ja, eigentlich ist THE TERMINATOR der Film über eine die Gesetze von Zeit und Raum aufhebende und überschreitende Liebe; eine Liebe, die ihre eigene Verwirklichung gegen jede naturwissenschaftliche Wahrscheinlichkeit erzwingt und im Vollzug die Grundlage für ihre eigene Existenz erneut schafft. In dem Moment, in dem Sarah und Kyle sich in der Gegenwart vereinigen und ihren Sohn zeugen, gewährleisten sie, dass sie sich „wiedertreffen“ (weil John Kyle ja aus der Zukunft in die Vergangenheit – Sarahs Gegenwart – schickt). In einer Zeitschleife erleben sie jene kurzen friedlichen Stunden der Intimität, in denen sie allein sind und der Terminator noch weit weg, in denen sie ihr Schicksal annehmen und die ihnen zugedachte Aufgabe erfüllen, bis in alle Ewigkeit.

Von allen großen Actiondarstellern der Achtzigerjahre war Arnold Schwarzenegger der modernste. Während Kollegen wie Sylvester Stallone oder Chuck Norris mit heiligem Ernst und stoischer Miene ihren Dienst verrichteten und dabei an wiedergeborene Helden der Antike erinnerten, da positionierte sich „Arnie“ schon früh in ironischer Distanz zu sich selbst. Was zu Beginn aus der Not geboren war – als Quereinsteiger aus Österreich mit entsprechendem Akzent brachte er nicht die Mittel mit, um als Schauspieler wirklich ernstgenommen zu werden –, entwickelte sich bald zum Markenzeichen. Arnie war immer Arnie, ob er nun Conan, T-100, John Matrix oder Dutch hieß. Anders als Stallone, dessen Persona gewissermaßen ihre Apotheose in Rocky Balboa und John Rambo fand, verschwanden Schwarzeneggers Figuren hinter ihrem Star. So konnte Schwarzenegger auch außerhalb des Actionfilms erfolgreich sein (TWINS markiert den Komödienhit, um den sich Stallone umsonst bemühte) und seine Karriere in die Neunzigerjahre hinüberretten, das Jahrzehnt der Ironie, in dem seine einstigen Konkurrenten entweder gänzlich von der Bildfläch verschwanden oder aber deutlich an Popularität einbüßten.

Für seine Rückkehr auf die Leinwand nach rund zehnjähriger Abwesenheit (ein paar Nebenrollen und Cameos nicht mitgerechnet) durfte Schwarzeneggers Hang zur Selbst-Darstellung durchaus skeptisch stimmen: Im fürchterlichen THE EXPENDABLES 2 waren Schwarzeneggers Auftritte am schmerzhaftesten, zeigten die schlimmsten Auswüchse seiner Selbst-Ironisierung und -Mythologisierung. Ein ganzer Film davon wäre kaum zu ertragen gewesen. Erstaunlicherweise ist THE LAST STAND, der auch Kim Jee-Woons Hollywood-Debüt darstellt, keineswegs das Zeugnis einer triumphalen Rückkehr nach langer Abwesenheit, selbstbewusste Zelebrierung einer Leinwandlegende zu Lebzeiten oder Hollywoods kulturelle Hegemonie demonstrierender Event-Overkill, sondern vergleichsweise unaufgeregt und ruhig. Noch nicht einmal aus dem stattlichen Alter des Hauptdarstellers, das in den jüngsten Werken seiner ehemaligen Mitstreiter stets mitthematisiert wurde, möchte er eine große Sache machen. Und so verlässt sich der immer schon bildgewaltig inszenierende Kim Jee-Woon ganz auf seinen ikonischen Helden: Es reicht, Schwarzenegger im Sheriff-Outfit vor der Wüstenkulisse zu sehen, um die richtigen Assoziationen zu wecken. Beispielsweise: Western, Wayne, THE WILD BUNCH. Leben, Sterben, letzter Kampf. THE LAST STAND eben.

Ein bisschen mehr Aufregung hätte es dann aber doch ruhig sein dürfen. In den ersten beiden Dritteln, in denen letztlich bloß alle Parteien für den Showdown in Position gebracht werden, ist THE LAST STAND richtiggehend leer und damit auch ziemlich beliebig und langweilig. Summerton, das Provinznest in der Einöde, in dem Sheriff Ray Owens (Schwarzenegger) seinem verdienten Ruhestand entgegensieht, wird nie lebendig, nie entsteht diese symbiotische Bindung zwischen dem Ort und dem Protagonisten, die doch so wichtig wäre (und die beispielsweise in Mangolds COP LAND so wunderbar aufgebaut wird). Alle Nebenfiguren sind Klischees, die nicht mehr groß erklärt werden müssen, aber hier erfüllen sie kaum noch ihre Funktion als Klischees. Der Schurke schließlich ein Schurke nur seiner Reputation nach. In THE LAST STAND tut er eigentlich nicht mehr als wegzulaufen und sich den falschen Ort für die Grenzüberquerung nach Mexiko auszusuchen. Er hat keinerlei Präsenz, wohl auch, weil er fast den ganzen Film über in Bewegung ist. Wie er da in einem superschnellen Sportwagen seinem Ziel entgegenrast, an dem Sheriff Owens und Partner die Vorbereitungen zur Verteidigung treffen, weckt natürlich Erinnerungen an HIGH NOON. (Die nur sporadisch eingesetzten und deswegen wirkungslos verpuffenden Zeiteinblendungen tun ihr Übriges.) Aber viel eher illustriert seine Abhängigkeit von einer PS-Schleuder, dass er seinem Gegner, dieser Verkörperung unverrückbarer Gegenwart, nicht gewachsen sein wird.

All dieser schwerwiegenden Probleme zum Trotz findet THE LAST STAND im Showdown dann doch noch wie durch ein Wunder zu sich. Kim Jee-Woons bis dahin unauffällig im Dienste der Plotabwicklung stehende Regie trägt entscheidend dazu bei. Insgesamt mag sein Film flüchtig wirken, leicht und vergänglich, aber im Explodieren der Schüsse und dem Krachen ihrer Einschläge entwickelt er eine ungemeine Physis, eine Unmittelbarkeit, die nach dem beliebigen Auftakt fast erschreckt. Statt elaborierter Stunts und überdrehter Set Pieces setzt es einen furztrockenen Shootout nach dem anderen, keine durchchoreografierten Bullet Ballets, sondern kurze, heftige Duelle. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist die Gerade. Bumm, zack, another one bites the dust. Da merkt man dann auch, dass THE LAST STAND richtig toll aussieht. Supercrisp brennt die Sonne vom endlos blauen Himmel, macht die Konturen so scharf, dass es in den Augen schmerzt. Das Maisfeld, in dem sich die Boliden belauern, eine schöne Enturbanisierung des Finales von Walter Hills großartigem THE DRIVER. Und am Schluss, als sich der Drogenbaron Gabriel Cortez und Ray Ownes schließlich gegenüberstehen, auf einer provisorischen Brücke, die die Henchmen des Bösewichts für seine Flucht aus dem Boden gestampft haben, da sehen sie aus, wie in einen alten Western-Screenshot hineinretuschiert. Aber nur einer fühlt sich hier zu Hause. Das Zeug zum John Wayne hat Arnie, jetzt muss er nur noch seinen THE SEARCHERS machen (bis zu THE SHOOTIST hat er ja noch Zeit). THE LAST STAND ist eher TRUE GRIT, aber immerhin.

THE EXPENDABLES hat mich vor etwas mehr als zwei Jahren wahnsinnig glücklich gemacht: Ein richtig guter Film war er trotzdem nicht. Die Freude darüber, die alten Recken nach teilweise entbehrungsreichen Jahren in einem großen Actionfilm vereint zu sehen, überdeckte die milde Enttäuschung darüber, dass Slys Film kein großes „Fuck You!“ an die modernen Sitten und Gebräuche des Actionkinos darstellte, sondern weitestgehend dessen fragwürdigen ästhetischen Rahmenbedingungen verpflichtet war. Dass THE EXPENDABLES verglichen mit anderen Großproduktionen dennoch beinahe bescheiden rüberkam – was Viele ihm ankreideten –, er nicht versuchte, das Rad neu zu erfinden oder Michael Bay und Konsorten in Sachen Megalomanie zu überbieten, fand ich sehr angenehm. Es passte zur Altersmüdigkeit seiner Darsteller, zu ihrem Wissen, dass der eigene Mythos längst gesichert ist. Niemand von ihnen musste irgendwem noch irgendwas beweisen. Bei THE EXPENDABLES 2 ist die Unschuld weitestgehend verloren: Die Freude über das Wiedersehen, das schöne Gefühl, den alten Helden bei ihrer verdienten Ehrenrunde zujubeln zu dürfen, weicht hier dem Eindruck, dass das alte Eisen den angekündigten Ruhestand gern noch ein paar Jahre nach hinten verschiebt, wenn die große Kasse winkt. THE EXPENDABLES war ein Geschenk, THE EXPENDABLES 2 ist im Grunde Business as usual. THE EXPENDABLES war Black Sabbath einmalig wiedervereint mit Ozzy, THE EXPENDABLES 2 ist die xte Tournee der greisenhaften Rolling Stones. Der Film schmälert schon durch seine bloße Existenz rückwirkend den Liebesdienst, den Sly seinen Fans mit Teil 1 erwiesen hat. Und er wirft teilweise sogar die Frage auf, ob er wirklich verstanden hat, was einen guten Actionfilm auszeichnet, was Fans am Genre und seinen Protagonisten lieben und was am ersten Teil gelungen war.

THE EXPENDABLES handelte seine Action-Set-Pieces fast pflichtschuldig ab, war dafür immer ganz bei sich, wenn er seinen wettergegerbten Helden dabei zusah, wie sie sie selbst waren. Mehr als irgendwelche Stunts oder Effekte sind es die kleinen Momente, die sich bei mir eingebrannt haben: Stallone und Rourke im nachdenklichen Zwiegespräch, die Sorge Jet Lis um sein finanzielles Auskommen, Dolph Lundgrens fall from grace und seine finale Wiederaufnahme im Kreis der Kameraden. Dass ich hier die Namen der Darsteller verwende und nicht die ihrer Rollen, ist zwar meiner Faulheit zuzuschreiben, bei IMDb nachzuschauen, macht aber dennoch Sinn: THE EXPENDABLES bediente den Wunschtraum eines jeden Fans, dass seine Helden (oder etwa die Mitglieder der Lieblingsband) auch privat die dicksten Kumpels sind, in ihrer Freizeit miteiander rumhängen und in Erinnerungen schwelgen, Anekdoten austauschen, sich necken und aufziehen, aber immer für einander da sind. Außergewöhnlich an diesem Film war nicht die Allstar-Besetzung, sondern seine fast unverschämte Relaxtheit. Der generische Plot um Eric Roberts und seine Bananenrepublik hat beim Ehemaligentreffen fast gestört.

Nun also THE EXPENDABLES 2: Die Vermarktungslogik ließ vermuten, dass gegenüber dem Vorgänger vor allem quantitativ zugelegt wird. Und so ist es dann auch: Die Cameos von Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger wurden zu Nebenrollen ausgebaut, Chuck Norris darf einen Gastauftritt absolvieren, Jean Claude Van Damme den Schurken spielen, die Rolle des obersten Henchman, die im Vorgänger Steve Austin zufiel, übernimmt nun Scott Adkins. (Zu meinem Bedauern wurde Gary Daniels nicht adäquat ersetzt. Dabei hätten sich Lorenzo Lamas, Billy Blanks, Roddy Piper, Sasha Mitchell oder Jeff Speakman sicherlich über einen Anruf gefreut und wären wahrscheinlich zu Fuß zum Drehort gelaufen. Na gut, Billy Blanks vielleicht nicht, der dürfte als Tae-Bo-Guru mehr Geld gescheffelt haben als mit allen seinen Filmen zusammen.) Diese personelle Auftstockung wird aber bei genauem Blick schon dadurch relativiert, dass Jet Li bereits nach gut 20 Minuten aus dem Film verschwindet. Ein Fehler, weil es auch sein Rapport mit Dolph Lundgren war, der dem Vorgänger Herz und Seele verlieh. Und Lundgren, der eigentliche Star und emotionale Kern von THE EXPENDABLES, wird hier als hohler Comic Relief verheizt. Randy Couture und Terry Crews waren schon im ersten Teil nur Randfiguren und werden noch mehr marginalisiert. Die Szenen, die das Team bei den gemeinsamen Plauderstündchen zeigen, vermisst man schmerzlich. Gerade, weil sie auch hier wieder genau jene Momente markieren, in denen der Film die Seele offenbart, an der es ihm sonst an allen Ecken und Enden mangelt. Die Actionszenen wurden ausgebaut, sie sind länger, blutiger und auch spektakulärer, zudem – eine der wenigen echten Verbesserungen gegenüber dem ersten Teil – deutlich übersichtlicher und kohärenter inszeniert, aber sie füllen nicht die Lücke, die da sonst klafft.

Wie auch THE EXPENDABLES wird auch sein Sequel voreilig als Eighties-Revival-Action, als Dienst am Fan des guten alten Actionkinos der Achtziger bezeichnet. Das traf schon auf Teil 1 nur bedingt zu (stilistisch hatte er mit den Actionfilmen der Achtziger rein gar nichts zu tun), hier geht es vollkommen an der Sache vorbei. THE EXPENDABLES 2 ist genauso am Reißbrett entworfenes Produkt wie so viele Filme, die man sonst mit dem Arsch nicht anschauen würde. Die Ausnahme ist, dass hier Leute mitspielen, von denen man dachte, dass sie es besser wüssten. Das große Ärgernis des Films ist seine unerträgliche Selbstreferenzialität, mit der er sich eben gerade nicht an die Cracks wendet, an Menschen, die das Werk Stallones, Schwarzeneggers, Norris‘, Lundgrens oder Van Dammes in- und auswendig kennen, es studiert haben und innig lieben. Die hohlen Zitate, die da vor allem Schwarzenegger in einem fort in den Mund gelegt werden, sind genau jene Zeilen, die zu bejubeln man die Quelle gar nicht mehr kennen muss, weil sie längst in den Fundus der Popkultur eingegangen sind. Wie einfallslos und ahnungslos muss man sein, wenn man ein von Arnie geäußertes „I’ll be back“ als Pointe in einer Multimillionen-Dollar-Produktion verkauft, die sich als Oldschool-Action versteht? Wenn man ihn Bruce Willis ein „Yippiekayay“ entgegnen lässt? Das hat nichts mit Ehrerbietung oder Metahumor zu tun (und mit Insiderwitz noch viel weniger), das ist einfach nur miserables Handwerk. Ein Armutszeugnis, ehrlich gesagt. Chuck Norris‘ Auftritt wäre eine schöne Sache gewesen, wenn man sich wenigstens ein bisschen Mühe gegeben hätte, ihn halbwegs sinnvoll in die Handlung zu integrieren. So latscht er in den Film rein, weil er auch noch mitmachen muss und verwandelt ihn in eine härtere Variante von HOT SHOTS. Es hätte nur noch der Schwenk auf das mitfilmende Kamerateam gefehlt, die Entfremdung wäre dadurch kaum stärker ausgefallen.

Solcherlei Stückwerk, die unkreative, ohne Sinn für eine übergeordnete Dramaturgie erfolgte Aneinanderreihung zotiger Gimmicks zerstört dann auch den Effekt, den die gelungeneren Szenen ohne jeden Zweifel hätten haben können. Jean Claude Van Damme hat eine traurig unterentwickelte Schurkenrolle abbekommen, aber er reißt den Film in jeder seiner Szenen an sich. Er muss dafür nicht mehr tun, als anwesend zu sein und sein in den letzten zehn Jahren ausgeprägtes Eisgesicht hinter einer coolen Sonnenbrille zu verbergen. Er sieht aus wie die Muse eines Avantgarde-Künstlers, wie die Gestalt aus einem Kraftwerk-Video: unantastbar, kantig, androgyn, geil. Dem Affentheater, zu dem der Film in den letzten 20 Minuten verkommt, setzt er Arroganz, Selbstbewusstsein und Kaltschnäuzgkeit entgegen. Auch Scott Adkins nutzt seine Mini-Chance und bekommt die Gelegenheit, seinen bewährten Yuri-Boyka-Akzent in einer Hollywood-Produktion unterzubringen (vielleicht der einzig echte In-Joke des Films, schon deshalb, weil er kaum jemandem aufgefallen ist – so ähnlich wie Gary Daniels im Vorgänger). Nur Stallone kann da mithalten. Sein kurzatmig ausgestoßenes „Track him, find him, kill him!“ ist einer der raren Gänsehautmomente des Films. THE EXPENDABES 2 sollte eigentlich voll von solchen Momenten sein, aber die Prioritäten lagen leider woanders.

Der Text ist jetzt etwas schärfer geworden, als ich das vorhatte. Es ist mir tatsächlich genetisch unmöglich, THE EXPENDABLES 2 nicht doch irgendwie zu mögen, aber die Erkenntnis, dass die unantastbaren Helden nicht nur nicht unfehlbar sind, sondern auch noch unter massiven Geschmacksverwirrungen leiden, ist ziemlich schmerzhaft. Ich wollte einen anderen THE EXPENDABLES 2 als diesen. Einen, der ohne dämlichen Humor auskommt, einen, der seine Recken nicht insgeheim zu Clowns degradiert. Einen der mir nicht ständig – wink-wink, nudge-nudge – zuzwinkert und sich mit mir verbrüdern will, indem er mir Witze erzählt, die ich schon kenne. Einen mit Herz und Seele und nicht nach zielgruppenorientierter Marktanalyse zurechtoptimierten Eventklumpen. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich damit einer Minderheit angehöre. Und ich bin durchaus kompromissbereit. Das Problem an THE EXPENDABLES 2 ist nicht in erster Linie, dass er etwas macht, was ich nicht wollte. Sondern dass er das, was er macht, schlecht macht.