Mit ‘Barry Pepper’ getaggte Beiträge

Ein photogeshoppter Nicolas Cage vor Stockfoto-Collage auf einer DTV-Premiere, daneben ein aufgeblähter Laurence Fishburne, dessen Gesichtsausdruck „Paycheck“ sagt: Man kann nicht behaupten, dass die Erwartungen durch die Decke gingen, wenn man RUNNING WITH THE DEVIL in den Player wirft. Und er ist auch irgendwie typische Media-Markt-Wühltisch-Ware: Irgendwie seltsam anonym, unpersönlich, ziellos und unfertig, aber dann auch nicht ganz ohne Charme. Hinter seinem unspektakulär-routinierten Professionalismus verbergen sich ein paar gute Ideen und die Abgründe der Sparte, die manchmal den Eindruck erweckt, als bestünde sie nur aus zusammengeklebtem Schnittmüll mit Stand-ins abgetakelter Stars, werden ebenfalls vermieden.

Nicolas Cage ist „The Cook“, ein liebender Familienvater und Betreiber eines Familienrestaurants in Seattle, in dessen Küche er höchstselbst den Kochlöffel schwingt und Pizzateig knetet. Aber er hat noch eine zweite Identität: Für „The Boss“ (Barry Pepper) fungiert er in großem Stil als Drogendealer. Das Business läuft so gut, dass er mit dem operativen Geschäft eigentlich nichts mehr zu tun hat, es sei denn, etwas geht schief, so wie am Anfang von RUNNING WITH THE DEVIL: Ware wird abgezweigt, verschnitten und führt so zu mehreren Drogentoten. Betroffen ist unter anderem die DEA-Beamtin „Agent in Charge“, deren Schwester an einer Überdosis stirbt und die deshalb Jagd auf die Urheber macht. Ein armseliger Kleindealer (Adam Goldberg) wird zu „The Snitch“ und führt sie auf die richtige Spur, derweil „The Cook“ und „The Man“ (Laurence Fishburne) sich nach Kolumbien begeben, um die Spur des Stoffs nachzuvollziehen und herauszufinden, wo die Lücke ist.

RUNNING WITH THE DEVIL ist in seiner ganzen Anlage irgendwie rätselhaft: Für einen DTV-Film ist er erstaunlich ambitioniert und aufwändig, orientiert sich inhaltlich etwas an Soderberghs TRAFFIC und nutzt seine Crime-Story wie dieser, um die wirtschaftlichen Verstrickungen hinter dem Drogengeschäft bloßzulegen, andererseits greift er dabei auf Stilmittel zurück, die diese Ambitionen krass unterwandern. Die Masche, den handelnden Figuren keine Namen zu geben, sondern sie nur nach ihrer Funktion zu benennen und diese Bezeichnungen dann in Freeze Frames reinzustempeln, ist schon vor gut 20 Jahren zum Klischee geronnen, wie auch der ebenfalls in PULP FICTION popularisierte „Gag“, nervige Nebenfiguren zum Opfer plötzlicher Gewaltausbrüche werden zu lassen. Cabell scheint nicht so recht zu wissen, was er wollte – oder aber man drehte seinen Film in der Postproduktion auf links: ernstes Thrillerkino mit quasidokumentarischen Untertönen oder grelle Gewaltkomödie? Diese eigentlich unvereinbaren Ansätze unter einen Hut zu bringe, wäre auch für das größte Regiegenie eine Herausforderung gewesen, ein unbeschriebenes Blatt wie Cabell ist damit hoffnungslos überfordert.

Aber auch wenn RUNNING WITH THE DEVIL gnadenlos uneinheitlich ist und am Ende die Antwort auf die Frage „Was soll das eigentlich?“ schuldig bleibt, so gelingt es ihm immerhin, das Interesse über die Laufzeit von 100 Minuten wachzuhalten. Langweilig ist der Film nicht, es ist immer was los und worauf das alles hinausläuft, lässt sich kaum antizipieren. Bezeichnenderweise ging er noch gut 20 Minuten lang, als ich dachte, dass er jetzt zu Ende sei. Richtig schön fand ich die Szenen um das einfache kolumbianische Ehepaar, das in den Bergen des Landes eine kleine Cocaplantage hat und am bescheidenen Anfang einer Verwertungskette steht, an deren Ende Millionen verdient werden. Da ermöglicht der Film dann tatsächlich Einsichten, die er mit seiner schwarzhumorigen Klischeehuberei ansonsten eher verbaut. Kann man sich durchaus mal angucken, wenn auch nur, um die DAZED & CONFUSED-Homies Hauser und Goldberg mal wieder zu sehen.

 

Der Krokodilfilm startete anno 1980, als Lewis Teagues immer noch sehr sehenswerter ALLIGATOR erschien, zwar mit einigem Rückstand auf Haie, Piranhas, Grizzlybären, Giftschlangen, Spinnen, Käfer, Kaninchen, Ameisen, Bienen, Vögel, Kraken, Hunde, Katzen, Killerwale oder Riesenaffen, die zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile im ertragreichen Geschäft des Tierhorrorfilms zu Hause waren, aber im Vergleich zu einigen der genannten hat er in den letzten 20 Jahren einiges an Boden gut gemacht. Neben den nicht totzukriegenden Mockbusters aus dem Hause Asylum oder vergleichbarem Käse wie Tobe Hoopers CROCODILE, dessen Sequel oder de Rossis KILLER CROCODILE II erschienen auch immer wieder ernstzunehmendere Produktionen, wie zum Beispiel der Überraschungshit LAKE PLACID, Titel wie ROGUE oder BLACK WATER oder jetzt eben CRAWL. Auch Ajas Film darf als Argument pro Krokohorror gewertet werden. Wenngleich man sich schon mit einem kleinen Tränchen an die Zeit erinnert, als der Franzose mit HAUTE TENSION als große Hoffnung am Horrorhimmel erschien. Ob er aber damals bereits davon träumte, einmal mainstreamiges Gebrauchskino wie PIRANHA oder eben CRAWL drehen zu dürfen? Wahrscheinlich eher nicht. Nun gut, es gibt schlimmere Schicksale.

CRAWL erzählt seine Krokodilhorrorgeschichte als Belagerungssszenario mit eingebautem Countdown: Mitten in einem Hurricane begibt sich die jugendliche Schwimmerin Haley (Kaley Scodelario) zum Haus ihres Vaters (Barry Pepper) und findet ihn bewusstlos im Kriechkeller unter seinem Haus. Beim Versuch, den Verletzten zu bergen, macht sie Bekanntschaft mit dem Grund für seine Lage: ein aggressiver Alligator. Weil der Wasserspiegel kontinuierlich steigt und ein Aussitzen der Situation unmöglich macht, Hilfe von außen zudem nicht zu erwarten ist, muss Haley einen Ausweg aus der Todesfalle finden. Das Dumme ist nur: Draußen ist es auch nicht besser…

CRAWL, das muss man neidlos anerkennen, ist maßgeschneidertes, funktionstüchtiges Spannungskino, an dem es rein handwerklich nichts auszusetzen gibt. Aja versteht es, Szenario mit jeder Minute klaustrophobischer werden zu lassen und die erlösende Rettung mit immer neuen unvorhergesehenen Hindernissen zu verbauen. Und wenn die Flucht aus dem Haus gelungen ist und man denkt, das Schlimmste sei überstanden, wird noch einmal eine Schippe draufgelegt. Flankiert wird der Survival-Horrortrip von einer Vater-Tochter-Geschichte, die den Ansprüchen eines Charakterdramas sicher nicht genügt, aber dank der engagierten Leistung von Barry Pepper und Kaley Scodelario ihre Wirkung trotzdem nicht verfehlt. Das ist auch die größte Stärke des Films: Er behandelt seine Geschichte und die Charaktere mit Ernst, Engagement und Drive und macht so über den Großteil der Zeit vergessen, dass er doch nur die xte Version eines reichlich abgehangenen Stoffs darstellt. Erst vor ein paar Jahren versuchte sich etwa der Sharxploiter BAIT an einem ganz ähnlichen Szenario – allerdings deutlich weniger erfolgreich und deutlich käsiger.

So ganz kann CRAWL seine Beheimatung in der epigonalen Exploitation aber nicht verhehlen: Das Drehbuch dreht sich die Dinge immer mal wieder so, wie es ihm in den Kram passt und nimmt es nicht so streng mit Konsequenz und Konsistenz. Der erleiden die beiden Protagonisten haarsträubende Verletzungen, die ihre missliche Lage noch bescheidener machen, nur um ein paar Minuten später wieder herumzuturnen, als sei nichts passiert. Papa Dave läuft mit seinem offenen Schienbeinbruch zu Höchstform auf, kaum dass er sich selbst eine Schiene gebastelt hat, und Haleys diverse Bisswunden tangieren sie im Laufe des Films kaum mehr als ein Kratzer, nachdem zuvor ein großes Drama aus ihnen gemacht wurde. Solche Schlampigkeiten unterminieren Ajas Ehrgeiz, die Dinge besser zu machen, letztlich immer wieder und entzaubern den Film, der bisweilen schnurrt wie ein gut geölter Hochleistungsmotor. Am Ende bleibt aber trotzdem ein unterhaltsamer, spannender, nicht zuletzt verdammt gut aussehender Reißer, der sich auf das Wesentliche besinnt, dämlichen Kokolores weitestgehend erfolgreich vermeidet und nicht mit doofen Anbiedereien nervt. Das ist eigentlich mehr, als man von einem Krokodilfilm im Jahre 2019 erwarten durfte.

 

 

Das Original zum Film der Coens, das 1969 unter der Regie von Henry Hathaway entstand, ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil es John Wayne wenige Jahre vor seinem Tod endlich den Oscar bescherte, der nach rund 40 Jahren im Filmgeschäft längst überfällig war. Hathaways TRUE GRIT war sicherlich nicht Waynes bester Film – die Idee des New Hollywood war im Jahr zuvor unter anderem aus dem Grund geboren worden, um „Opas Kino“, wie es der 71 Jahre alte Hathaway verkörperte, abzulösen -, aber man ahnte wohl, dass es nicht mehr allzu viele Gelegenheiten geben würde, Wayne auszuzeichnen, und sein Rooster Cogburn in TRUE GRIT war eine jener selbstreflexiven Altersrollen, die auch heute noch gern ausgezeichnet werden. (Im Nachhinein hätte man vielleicht lieber auf Don Siegels THE SHOOTIST warten sollen, um Wayne die verdiente Würdigung zuteil werden zu lassen, aber man kann es sich halt nicht immer aussuchen – und Wayne war da auch bereits so stark vom Krebs gezeichnet, dass er von seinem Oscar nicht mehr viel gehabt hätte.) Ich mag Hathaways TRUE GRIT, weil ich mit ihm nostalgische Erinnerungen verbinde, aber es ist ein Film, der Ende der Sechzigerjahre hoffnungslos aus der Zeit gefallen war, ein bisschen hüftsteif und altmodisch, ganz so wie sein Held.

Im Werk der Coens ist TRUE GRIT sicherlich kein Fremdkörper, aber es handelt sich dennoch um einen auffallend klassischen Film: Erzählkino im besten Sinne, das ganz von der Wertschätzung seiner Macher für das amerikanischste aller Filmgenres lebt und aus seinen, sagen wir mal, gedrosselten künstlerischen Ambitionen keinen Hehl macht. Aber was heißt das schon, wenn die Coens hinter der Kamera stehen? Ihr TRUE GRIT ist so furztrocken wie Schießpulver, verliebt in die unwirtliche, aber majestätische Prärie, die wettergegerbten Gesichter seiner männlichen Protagonisten, ihre tabakverrauchten Stimmen und den spröden drawl, der ihnen so wunderbar gelassen von der Zunge rollt. Wichtiger als die Jagd auf den Mörder ist die Konfrontation der selbstbewussten, wohlartikuliert und bestimmt argumentierenden 14-jährigen Mattie (Hailee Steinfeld) und dem gammligen Veteran Cogburn (Jeff Bridges). Den „Biss“, der da eigentlich Bridges‘ Charkter zugeschrieben wird, ist ja vor allem die Eigenschaft, die die junge Mattie auszeichnet: In einer von erwachsenen Männern dominierten Welt tritt sie bedingungslos für ihre Interessen ein und Killern, Betrügern, Säufern und Strauchdieben auf die Füße – und triumphiert.

In Hathaways Film war der Charakter noch etwas weniger positiv gezeichnet worden: An Mut mangelte es Mattie auch dort nicht, aber es blieb trotzdem kein Zweifel daran, dass sie eigentlich keine Chance hatte. Gerettet werden muss sie am Ende auch in Coens Remake: Aber was bleibt ist nicht das Gefühl, dass der Wilde Westen doch nur etwas für harte Kerle ist, sondern dass der „true grit“, den Cogburn verkörpert, in Zukunft nicht mehr das Maß der Dinge sein wird. Am Ende will die mittlerweile erwachsene Mattie ihren einstigen Weggefährten wiedertreffen, auf einem Jahrmarkt, auf dem die alten Westernlegenden sich bestaunen lassen wie Zirkustiere, doch dort erfähr sie nur, dass Cogburn an auf läppische Art und Weise gestorben ist. Es bleibt der einarmigen Mattie vorbehalten, am Horizont zu verschwinden wie einst die Helden, nachdem sie den Tag gerettet hatten.Während Hathaway zur Zeit des Spätwesterns einen throwback inszenierte, einen Film, der noch einmal mit dem großen Schmelz der Klassiker gedreht war, reimaginieren die Coens den Stoff als Abgesang auf eine historische Epoche. Kritiker klagten, es handle sich nicht um einen „echten“ Coen-Film, aber das ist natürlich Quatsch: Bridges‘ Cogburn ist die alternde Westernvariante seines Lebowski, eine Episode um einen Erhängten ist ein weiterer, gelungener Beleg für den schwarzen Humor der Brüder, der Showdown wird wunderbar lässig hingeworfen, kurze angeteaserte Episoden und das Kommen und Gehen verschiedener Charaktere stärken den Eindruck, dass da eine ganze Welt im Hintergrund der Haupterzählung mitläuft. Den Coens ist mit TRUE GRIT ein wunderbarer, unprätentiöser Film gelungen(ihr kommerziell erfolgreichster überdies) und ein starker Western, dessen erzählerische Gelassenheit keine Schwäche, sondern Zeichen echter Meisterschaft ist.