Eine echte Entdeckung, ein Film, der keinem gleicht, den ich bisher gesehen habe, und dem es gelingt, auf unkonventionelle Art und Weise Thrill und ebenso provokante wie intelligente Gesellschaftskritik unter einen Hut zu bringen.
THE SPOOK WHO SAT BY THE DOOR beginnt zunächst wie eine Komödie: Der schwindende Rückhalt bei der schwarzen Bevölkerung (er hatte eine „Law & Order“-Rede gehalten) beschert einem Politiker fallende Umfragewerte. Ein schwarzes Schaf muss her: die CIA! Die verabschiedet sich in einem Akt der Wiedergutmachung sofort von ihrer diskriminierenden Einstellungspolitik und rekrutiert die besten Afroamerikaner, um sie zu Topagenten auszubilden. Der ehrgeizige Dan Freeman (Lawrence Cook) kann sich am Ende gegen alle Konkurrenten behaupten und landet in verantwortlicher Position beim Geheimdienst, wo er all die subtilen und weniger subtilen Rassismen, die er sich von seinem väterlichen weißen Vorgesetzten anhören muss, mit freundlichem Lächeln hinnimmt. Die Genügsamkeit hat einen Grund: Er hat seine eigenen Pläne, wie der Zuschauer bald erfährt. Als er genug gelernt hat, kündigt Freeman seine Stelle, um in Chicago als Sozialarbeiter tätig zu werden. Doch das ist nur Tarnung: Er benutzt sein Wissen, um eine schwarze Widerstandsarmee zu gründen, zu schulen und in den Krieg gegen „whitey“ zu führen. Tatsächlich stürzen die von ihm geleiteten Stadtguerrillas Chicago in kriegsähnliches Chaos …
Dass THE SPOOK WHO SAT BY THE DOOR etwas umständlich erzählt wird, der Rekrutierung und den Eifersüchteleien unter den Kandidaten streng genommen zu viel Zeit eingeräumt wird, ist wahrscheinlich zuerst der Tatsache geschuldet, dass Drehbuchautor Greenlee auch die gleichnamige literarische Vorlage verfasst hatte und sich schwertat, auf einige Elemente ganz zu verzichten. Letztlich schadet diese fehlende editorische Disziplin dem Film nicht, weil sie seine zentrale Kritik stärkt. Wie es Freeman seinem alten Collegekumpel, jetzt in verantwortlicher Position bei der Chicagoer Polizei, erklärt: Das Ghetto ist nicht erst durch die Taten der Widerständler zum Kriegsschauplatz geworden, das Gesetz des Dschungels galt hier schon vorher. Die Staatsgewalt ist auf diesen Straßen ein ständiger Begleiter, nur ist sie nicht dazu da, die Bewohner zu schützen, sondern das Kapital, den Grundbesitz, der sich in den Händen von Weißen befindet. Der Rassismus, der keine Lynchmobs und keine Rassentrennung mehr braucht, weil er es sich im Alltag gemütlich gemacht hat, in zwischenmenschlichen Beziehungen und gesellschaftlichen Strukturen, in denen er sich hinter einer zivilisierten Maske verbirgt, ist in Dixons Film allgegenwärtig: Er zeigt sich zu Beginn in der Alibiaktion des CIA, in der Art, wie dessen Verantwortliche sich damit brüsten „integriert“ zu sein und schon planen, den „negro“ in die Empfangshalle zu setzen, damit ihn jeder sieht (darauf bezieht sich auch der Titel); in der Herablassung, in der Freemans Vorgesetzter dessen „Rasse“ fürihre sportlichen Leistungen lobt, aber gleich einschränkt, dass man wohl noch „Generationen“ brauche, um den „cultural gap“ zu schließen; aber man sieht auch die Auswirkungen unter den Schwarzen selbst, die sich damit begnügen, eine Quote zu erfüllen, anstatt wirklich ihren Platz in der Gesellschaft einzufordern.
Freemans Zorn ist ein gerechter, aber es ist natürlich recht schnell klar, dass er nicht ans Ziel führen wird, sondern nur in ein sinnloses Blutvergießen, das keine Veränderung bringt, nur mehr Schmerzen. Der Weg wird Dixon und Greenlee mit der Kühle und Akribie von Chronisten beschrieben, wie THE SPOOK WHO SAT BY THE DOOR überhaupt auffallend schmucklos ist. Gerade die Innenszenen wirken extrem trist, technisch ist der Film gerade einmal solide zu nennen, nicht weit entfernt von den drittklassigen Blaxploitern, die in dieser Zeit in Reihe entstanden. Aber das fällt nicht negativ ins Gewicht, weil Dixon und Greenlee ihre Botschaft mit solcher Inbrunst nach außen tragen, dabei so viel Stoff zum Nachdenken, Diskutieren und Streiten liefern, wie ich dasschon lange nicht mehr gesehen habe. Ein ganz wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist Hauptdarsteller Lawrence Cook, der seinen Radikalen Dan Freeman mit maximaler Überzeugungskraft, messerscharfer Intelligenz und beunruhigendem Charisma ausstattet. Während andere gerade letzteren Faktor zu Ungunsten des zweiten aufblasen und so jeden Revoluzzer zum augenrolleden Spinner degradieren, bekommt man bei Cooks Freeman einen ganz guten Eindruck davon, wie die Gründung einer solchen Organisation in der Realität tatsächlich funktionieren könnte.
Dass sich THE SPOOK WHO SAT BY THE DOOR durchaus auch als eine Art Anleitung sehen lässt, war sicherlich einer der Gründe, warum United Artists den Film kurz nach seiner Veröffentlichung vom Markt nahmen. Der Film war lange Zeit nur als Bootleg erhältlich, bis er Mitte der 2000er auf DVD wiederveröffentlicht wurde. 2012 zählte Dixons Werk zu den 25 Neueinträgen in die „National Film Registry“, in der Filme von kultureller, geschichtlicher und sozialer Relevanz für die Nachwelt bewahrt werden sollen. Verspätete Ehrung für einen Film, der zur Zeit seiner Entstehung viel zu dicht dran war an der schmerzhaften Wahrheit und kein Interesse an Vermittlung zeigte. Ein radikaler, immens spannender und packender Film, den ich hiermit allen meinen Lesern ans Herz legen möchte.