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Nach den Ereignissen von DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE setzt Dr. Pohland (Walter Rilla), der willenlos gemachte Psychiater des verstorbenen Superverbrechers, dessen Werk fort. Seine erste Amtshandlung besteht darin, den wegen Mordes verurteilten Arzt Dr. George Cockstone (Dieter Borsche) aus der Haft zu befreien, ihm ein neues Gesicht und eine neue Identität zu geben und ihn auf seine Seite zu ziehen. Er soll sich das Vertrauen von Professor Laurentz (Alfred Braun) erschleichen, der eine Hypnosemaschine erfunden hat, mit der man seinen Willen auf Dritte übertragen kann. Mit dieser Erfindung hofft Mabuse, das Vereinigte Königreich zu unterjochen. Mabuses Plan gelingt und in der Folge greift der in Deutschland ermittelnde Inspektor Vulpius (Werner Peters) immer wieder Täter auf, die keine Ahnung haben, wie sie zu Verbrechern werden konnten. Weil die Spuren nach London führen, nimmt er Kontakt zu Scotland-Yard-Mann Bill Tern (Peter van Eyck) auf …

Meine im Text zum Vorgänger, einem Remake von Fritz Langs gleichnamigem Meisterwerk, geäußerte Frage, ob er im Rahmen der Mabuse-Reihe einen Neuanfang oder doch nur eine Zäsur bedeutete, kann mit einem klaren „Beides“ beantwortet werden. Zwar knüpft SCOTLAND YARD JAGT DR. MABUSE unmittelbar an Werner Klinglers TESTAMENT an, ignoriert gewissermaßen die ersten drei Filme aus Artur Brauners Mabuse-Reihe, doch nähert er sich mit seinen kruden Science-Fiction-Ideen deren Ton weitestgehend an. In der Mitte des Films gibt es eine kurze Phase, in der das beunruhigende Drohpotenzial einer Hypnosemaschine, die unweigerlich jeden, der in ihren Bannkreis gerät, zum willenlosen Sklaven macht, entfaltet wird, doch viel zu schnell ist May wieder damit beschäftigt, die roten Fäden seiner Krimihandlung aufzunehmen und weiterzuspinnen. Keine Zeit für Paranoia und Atmosphäre.

Die Unentschlossenheit, mit der der Film zwischen seinen düsteren Impulsen und seinem Unterhaltungsanspruch hin und her gerissen wird, ist wahrscheinlich auf sein Drehbuch zurückzuführen: SCOTLAND YARD JAGT DR. MABUSE basiert auf einem Roman von Bryan Edgar Wallace, der mit dem deutschen Superverbrecher rein gar nichts zu tun hatte. Paul Mays Film ist mithin ein waschechtes Crossover der beiden GruselkrimiFranchises Brauners. Doch deren jeweiligen Charakteristika passen nur bedingt zusammen: Elemente wie der Rapport zwischen Tern und seiner Kriminalromane verschlingenden Mutter (Agnes Windeck) sind zwar für sich genommen durchaus amüsant, passen aber nicht so recht zum pessimistischen Ausblick der Mabuse-Filme. Es sind dann auch immer wieder nur kurze Momente, in denen der Blick auf das schwarzes Blut pumpende Herz des Films freigegeben wird: Der Auftakt, mit der Übernahme von Pohlands Körper durch Mabuses Geist, das Bild einer verbrannten Leiche, die Willkür, mit der Mabuses Handlanger Hyllard (Wolfgang Lukschy) seine Opfer auf der Straße aussucht, der Einsatz der Hypnosemaschine bei einer Hinrichtung oder aber die dank subtiler Schärfenziehung zum blassen Schemen im Bildvordergrund verkommende Nancy Masterson (Sabine Bethmann).

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Ein angemessener Beitrag zur Reihe sicherlich, der die große Albernheit eines DIE UNSICHTBAREN KRALLEN DES DR. MABUSE erfolgreich vermeidet. Trotzdem fehlt irgendwas. Ich kann es nicht wirklich benennen. Vielleicht habe ich einfach nur Gert Fröbe vermisst.

Der Archäologe Jason Porter (Alex Cord) stößt bei Ausgrabungen alter Etruskergräber in der Toskana auf eine Zeichnung des Dämons Tuchulcha. Wenig später wird ein Liebespärchen in den Ruinen ermordet, die Leichname werden vom Mörder rituell positioniert. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Wenig später entkommt Igor (Carlo De Mejo), Sohn des alternden Dirigenten Nikos Samarakis (John Marley), mit schweren Verletzungen nur knapp dem Tod. Er hatte eine Affäre mit der Geliebten seines Vaters, der attraktiven Myra Shelton (Samantha Eggar), und die war wiederum einmal mit Jason liiert, bevor seine Alkoholsucht alles zerstörte. Eine Narbe an ihrer Brust zeugt noch immer von einem im Rausch von ihm verübten Angriff auf ihr Leben, an den er sich jedoch nicht mehr erinnern kann …

Dass die deutschen Gruselkrimis der Sechzigerjahre immensen Enfluss auf die Entstehung des italienischen Thriller-Subgenres hatten, das man außerhalb Italiens gemeinhin als „Giallo“ bezeichnet (was nicht ganz korrekt ist, da der Begriff in seinem Ursprungsland viel weiter, nämlich einfach als Synonym für „Thriller“, gefasst wird), gilt mittlerweile als Fakt. Die Verbindung weltlicher Krimistoffe und horribler Elemente, die vulgärpsychologische Thematisierung von Dekadenz und Sexualität, die grafische Ausschmückung der Morde, schließlich die hervorgehobene Bedeutung von Set-Design und Ausstattung, die etwa in den Wallace-Filmen erprobt wurde, trieben italienische Filmemacher ein Jahrzehnt später auf die Spitze und zur Perfektion. Die direkte Schnittstelle bieten einige deutsch-italienische Koproduktionen, die zu einem Zeitpunkt entstanden, als das Interesse an den Wallace-Gruselkrimis in Deutschland bereits weitestgehend erodiert war: Die Rialto co-produzierte zum Ende ihres Wallace-Engagements A DOPPIA FACCIA, COSA AVETE FATTO A SOLANGE? und SETTE ORCHIDEE MACCHIATE DI ROSSO, Atze Brauner beteiligte sich an der Produktion von Argentos L’UCCELLO PIUME DI CRISTALLO – vielleicht der finale Impuls zur Geburt des Giallos, nachdem Altmeister Mario Bava mit LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO und SEI DONNE PER L’ASSASSINO wichtige Vorarbeit geleistet hatte – und IL GATTO A NOVE CODE sowie eben dieses Films, Armando Crispinos L’ETRUCO UCCIDE ANCORA. Crispino ist keiner der im Zuge  cinephiler Wiederentdeckung italienischen Genrekinos besonders protegierten Regisseure, sein Werk mit acht zwischen 1966 und 1975 realisierten Filmen eher überschaubar, doch mit diesem Giallo gelang ihm eine unbesungene Sternstunde seines Genres, ein Film, der Giallo-Liebhaber entzücken wird, aber eigenständig genug ist, um über diesen Rahmen hinaus zu begeistern und nachhaltig Wirkung zu erzielen.

Der Mystery- und Horroreinschlag, den Titel (etwa: „Der Etrusker mordet wieder“) und Exposition mit der Idee eines etruskischen Wiedergängers suggerieren, dient weniger der barocken Aufpolierung der dramatischen Mordgeschichte (die Idee wird kaum weiter entwickelt und irgendwann einfach fallen gelassen), sondern eher dazu, das den Taten zugrundeliegende Drama bildlich zu unterfüttern und einen Assoziationsrahmen zu liefern. Per Voice-over beschreibt Jason Porter die Etrusker gleich zu Beginn als ein lüsternes und triebgesteuertes Volk, das „noch nicht einmal auf seinen Gemälden“ Anstand habe walten lassen. Von den Römern wurden sie gar als Hurenböcke beschimpft, wohl nicht zuletzt aus Neid, weil die Bewohner des Imperiums selbst „keine Ahnung von Frauen“ hatten, wie Jason zu berichten weiß. Warum das Völkchen trotz dieses lebhaften Paarungsverhaltens ausstarb, dafür hat er allerdings keine Erklärung. Crispinos Film legt nun den Schluss nahe, dass der etruskische Lustkeim in der Protagonistenschar weiterlebt und dort ähnliche Verheerungen anrichtet, wie bei seinen antiken Vorbesitzern. Lust und Liebe ergänzen sich bei ihnen nicht, sondern stehen in einem heftigen Widerstreit, der schließlich leibhaftige Opfer fordert. Die Vergangenheit ist also gleich doppelt verantwortlich für das blutige Sterben: im allegorischen Sinne jener hier kurz umrissenen historischen Abstammung, aber auch im engeren giallotypischen rein biografisch gedeutet durch ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit des Mörders. Crispino zeichnet ein Personengeflecht, dessen enge Bindungen kaum noch auflösbar sind. Hier ist jeder unrettbar verloren und wenn er nicht selbst untergeht, so kann er sicher sein, von einem anderen mitgerissen zu werden. „Kennen sie das, wenn sie sich hoffnungslos in eine Sache verrannt haben?“, fragt der ermittelnde Kriminalbeamte einmal und spielt damit natürlich auf die falsche Fährte an, auf der er sich gemeinsam mit dem Zuschauer befindet. Doch seine Worte treffen ebenso auf die dysfunktionalen Beziehungen zu, die die Charaktere miteinander unterhalten. Sie bringen sie nicht weiter im Sinne einer positiven persönlichen Entwicklung, sondern verstärken im Gegenteil nur ihre negativen Eigenschaften. In erster Linie sind hier natürlich Jason und Myra zu nennen: In ihm erweckt das Hängen an der alten Liebe immer wieder seine selbstzerstörerischen Züge, sie ist nicht in der Lage, sich ganz auf ihre neue Beziehung zu Nikos einzulassen, dem sie sich voreilig an den Hals geworfen hat, um Jason zu vergessen. Jason dürfte einer der bemitleidenswertesten „Helden“ des Giallokinos überhaupt sein: Der Alkohol hat solch tiefe Spuren bei ihm hinterlassen, dass er kurz vor dem entscheidenden Plot-Twist, wenn die Polizei der festen Überzeugung ist, in ihm den Mörder vor sich zu haben, geneigt ist, ihnen zu glauben. Sein Erinnerungsvermögen und sein Selbstbild sind so irreparabel beschädigt, dass er sich selbst nicht mehr über den Weg traut. (Die Szene, in der er mit der Tatsache konfrontiert wird, im Suff seine Geliebte mit dem Messer attackiert zu haben, ist niederschmetternd.) Nikos, ein cholerischer, selbstherrlicher Patriarch, der seine Gattin (Nadja Tiller) fast umbrachte, als er sie in flagranti mit einem anderen erwischte, führt seinerseits ein Doppelspiel, fungiert als enabler, indem er Jason in sein Haus holt (weil er Myra selbst nicht mehr befriedigen kann), und macht sich nebenbei einen Spaß daraus, seiner persönlichen Assistentin, der devoten Irene (Daniela Surina), das Zuckerbrot zu reichen, nur um ihr dann doch regelmäßig die sprichwörtliche Peitsche zu geben. Es ist kein Wunder, dass der Killer mit Sex ausschließlich Negatives verbindet: Seit Kindertagen ist er von unbeherrschten, selbstsüchtigen Hormonschleudern umgeben, die keinerlei Mäßigung kennen, stattdessen einen schwindelerregenden Veitstanz auf der Rasiermesserklinge vollführen.

L’ETRUSCO UCCIDE ANCORA ist deutlich vielschichtiger, komplexer und emotionaler als das Gros der Giallos, die ja oft als rein formale Fingerübungen oder als anspruchslose Kurzweil durchgehen (was natürlich beides auch seinen Reiz und seine Berechtigung hat). Das Schicksal von Jason und Myra berührt tatsächlich, auch weil Alex Cord (den meisten wohl bekannt als „Archangel“ aus der Serie AIRWOLF) und Samantha Eggar die innere Zerrissenheit ihrer Figuren mit einem gewissen Understatement spielen. Das passt zu einem Film, bei dem man stets dieses unbestimmte Gefühl hat, dass es um sehr viel mehr geht, als um das, was gerade auf der Hand liegt, auch wenn man das nie so ganz benennen kann. Wohl auch, weil die Figuren selbst im Dunkeln tappen, was ihr eigenes Wesen angeht. John Marley ist überzeugend als herrisch-unbeherrschter Komponist: Hier bekam der Nebendarsteller mit dem prägnanten Gesicht eine der wenigen Gelegenheiten, in einer größeren Rolle zu glänzen. Freunde deutscher Psychotronik freuen sich außerdem über Horst Frank und Nadja Tiller: ersterer in einer saftigen Rolle als schwuler Choreograf mit Dauerwelle und Nietenarmband, letztere als intrigante Femme Fatale mit tragischer Vergangenheit. Die gleichermaßen vorantreibende wie herzzerreißende Musik stammt aus der Feder des kürzlich verstorbenen Riz Ortolani, für die exzellente Kameraarbeit (die auf der deutschen DVD wohl deutlich aufgehellt wurde, wie mir Christoph Draxtra von Eskalierende Träume schrieb) zeichnet Erico Menczer verantwortlich: Der seit den späten Fünfzigerjahren tätige Veteran war so etwas wie der Stammkameramann von Luciano Salce und stellte seine Kunst außerdem unter anderem Argento (der bereist erwähnte IL GATTO A NOVE CODE), Lucio Fulci (BEATRICE CENCI und ZANNA BIANCA), Fernando Di Leo (LA CITTÀ SCONVOLTA: CACCIA SPIETATA AI RAPITORI und I PADRONI DELLA CITTÀ), Alberto De Martino (HOLOCAUST 2000) und Giuliano Montaldo (GLI INTOCCABILI) zur Verfügung. Die deutsche Fassung wurde um 7 Minuten Dialoge gekürzt, die auf der DVD in einer separat wählbaren Komplettfassung enthalten sind – allerdings ohne Synchronisation oder Untertitel. Eine reichlich mutlose Entscheidung, die wohl niemandem wirklich etwas bringt, aber letztlich auch nicht schadet. Den Film versteht man auch ohne diese Szenen. Wer ihn sehen will, muss allerdings zur „Bryan Edgar Wallace Collection 3“ greifen, in der er zusammen mit DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE und DER TODESRÄCHER VON SOHO enthalten ist.

Analog zu DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE und DER GORILLA VON SOHO, die innerhalb der Rialto-Reihe Remakes von DER UNHEIMLICHE MÖNCH bzw. DIE TOTEN AUGEN VON LONDON darstellten, ist DER TODESRÄCHER VON SOHO das Remake in Brauners Bryan-Edgar-Wallace-Serie, und zwar von DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER. Warum man es für nötig hielt, diesen Film neu aufzulegen, was man sich davon versprach, bleibt für mich ad hoc ebenso wenig nachvollziehbar, wie die Entscheidung, ausgerechnet Jess Franco mit der Inszenierung zu betrauen. Der spanische Vielfilmer brachte die ihm eigene Erratik und Exzentrik mit und war wohl nur ganz am Rande daran interessiert, eine nach den Regeln der Dramaturgie „wohlgeformte“ Geschichte zu erzählen. Sein Film ist sprunghaft, elliptisch, fragmentarisch, täuscht Narration nur vor, ja, wirft dem, der einen Krimi erwartet und der Auflösung eines Mordfalles beiwohnen möchte, immer wieder massive Kanthölzer zwischen die Beine. Ich habe im Verlauf der nur 75 Minuten – auch das schon ein Hinweis auf Francos Strategie – irgendwann aufgehört, den expositorischen Dialogen zuzuhören oder der „Geschichte“ zu folgen: Aber gefallen hat mir DER TODESRÄCHER VON SOHO dennoch, weil Francos Improvisation innerhalb eines solch rigiden strukturierten Genres wie dem Krimi noch einmal besonders heftige Wirkung zeitigt.

Die Verzeichnungen beginnen schon damit, dass die (spanischen) Schauplätze des Films zu keiner Sekunde auch nur annähernd nach London oder England aussehen. Mehr noch: Franco verwendet nicht den Hauch von Mühe darauf, diesen Anschein überhaupt zu erzeugen. Mitten in die karge, von Felsen und krüppeligen Olivenbäumen geprägte Landschaft pflanzt er ein handgeschriebenes Schild, das den Weg zu irgendeinem Castle weisen soll. Dort angekommen findet man dann keines der britischen Herrschaftshäuser vor, sondern eine braune, wuchtige Mittelalterruine. Immer wieder benutzt er das Weitwinkelobjektiv, verkantete Kameraperspektiven und die extreme Untersicht: Stilmittel, die die Einnahme einer krimitypisch objektiven Betrachterposition nicht nur be-, sondern konsequent verhindern und selbst banalen Vorgängen noch den Anstrich des Ominösen geben. Charaktere sind keine Charaktere, sondern nur Überbleibsel einer traditionellen Narration, die Franco sonst gänzlich verwirft. Besonders frappierend fällt das bei Siegfried Schürenberg auf, dessen Persona in zig Wallace-Filmen festgeschrieben wurde und deshalb eigentlich keiner großen Herleitung mehr bedarf, der hier aber tatsächlich wie im falschen Film wirkt. Es existiert überhaupt keine Bindung, weder zwischen den einzelnen Figuren noch zwischen diesen und dem nachlässig entwickleten Plot. Folien laufen von A nach B und täuschen Erkenntnisse vor, die es nicht gibt, bevor der Film – einem sublimen Urinstinkt folgend – weitermacht. Höchst seltsam und irritierend, dabei ist nichts von dem, was da passiert, explizit merkwürdig: Wer DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER gesehen hat, wird ganze Szenen und den Handlungshergang deutlich wiedererkennen, sogar die Auflösung ist die gleiche. Aber das alles ist vollkommen leer, rein materielles Abbild ohne Seele. DER TODESRÄCHER VON SOHO ist eine leere Hülle, ein filmischer Wiedergänger, der wie die Zombies in Romeros DAWN OF THE DEAD tief im Unterbewusstsein verankerten Impulsen nachgeht, deren ursprüngliche Funktion lägst keine Bedeutung für ihn mehr hat. Faszinierend und voller in ihrer Rätselhaftigkeit wunderbarer Bilder.

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ungeheuer_von_london_city_dasWährend der Schauspieler Richard Sand (Hansjörg Felmy) in der Titelrolle des Boulevard-Theaterstücks „Jack the Ripper“ dem begeisterten Publikum Abend für Abend das Fürchten lehrt, geht auf den Straßen ein echter Frauenmörder umher. Die Ermittlungen des Scotland-Yard-Beamten Dorne (Hans Nielsen) konzentrieren sich bald ebenso auf Sand wie der Unmut des Politikers Sir George (Fritz Tillmann), pikanterweise der Vater von Sands Geliebter Ann (Marianne Koch), der das Theaterstück wegen schlechten Einflusses verbieten will. Derweil hat auch Sand Schwierigkeiten, seinen offensichtlich schlechten Einfluss mit seinem Gewissen zu vereinbaren. Oder hat seine Rolle gar Besitz von ihm ergriffen?

Edwin Zbonek hat das Glück, die wunderbaren London-Settings nutzen zu dürfen, die schon Gottliebs DAS PHANTOM VON SOHO zu seiner mit beiden Händen greifbaren Atmosphäre verholfen hatten. Es macht einfach einiges her, wenn der maskierte Butzemann durch die düsteren, vom Nebel durchdrungenen Gassen streunt und meterhohe Schatten wirft. Die Geschichte um den Killer, der die Kunst nachahmt, die das Leben nachahmt, passt sich dem an, ist ebenfalls deutlich dichter und vielschichtiger als das, was einem im Gros der damals so beliebten Gruselkrimis so geboten wurde. Das scheint mir eh ein Charakteristikum von Atze Brauners Bryan-Edgar-Wallace-Filmen: Selbst, wenn die nur im Fahrwasser von Wendlandts Erfolgsreihe schipperten, waren sie inhaltlich doch sehr eigenständig und meist ernster als die eher spaßigen, selten wirklich nachhaltig wirkenden Vorbilder. Da fällt es dann auch nicht so sehr ins Gewicht, dass Zbonek als Regisseur keine echten Akzente setzen kann: Seine Inszenierung ist ein bisschen bieder und wahrscheinlich am ehesten als „zweckmäßig“ zu beschreiben. Und die Auflösung kann den vorangegangenen 90 Minuten auch nichts Wesentliches mehr hinzufügen: Wer der Mörder ist, ist einfach nicht so wahnsinnig interessant, nachdem irgendwann klar ist, dass Sand es nicht sein kann. Trotzdem: Auch wenn DAS UNGEHEUER VON LONDON-CITY etwas schwächer ist als DER HENKER VON LONDON, DAS PHANTOM VON SOHO oder DAS SIEBENTE OPFER, darf man Brauner einen weiteren Gewinner bescheinigen.

Rund um die zwielichtige Animierkneipe „Sansibar“ kommt es zu brutalen Messermorden. Weil man bei einer Leiche eine afrikanische Götzenfigur findet, beauftragt Scotland-Yard-Chef Sir Phillip (Hans Söhnker) den Afrika-Experten Hugh Patton (Dieter Borsche) mit der Ermittlung. Der findet heraus, dass die Opfer etwas miteinander gemeinsam hatten: Alle waren sie an Bord einer Yacht, die unter ungeklärten Umständen unterging. Zu den Verdächtigen gehört Joanna Filiati (Elisabeth Flickenschildt), die querschnittsgelähmte Besitzerin der „Sansibar“, aber auch Sir Phillip, der eine Liebesbeziehung mit der Krimischriftstellerin Clarinda Smith (Barbara Rütting) eingeht, verhält sich seltsam …

Nur der Tatsache, dass DAS PHANTOM VON SOHO mit seinen 92 Minuten vielleicht einen Hauch zu lang geraten ist, habe ich es zu verdanken, dass ich mein voreilig gefälltes Urteil, DAS SIEBENTE OPFER sei Gottliebs bester Gruselkrimi, nicht revidieren muss. Hier verkneift er sich humorige Einsprengsel weitestgehend – Peter Vogel gibt das obligatorische Comic Relief, geht dabei aber wesentlich zurückhaltender vor, als man das von Eddi Arent oder Chris Howland gewohnt ist – und erzählt seinen Whodunit straight und ernst herunter. Sehr zu Gute kommen ihm dabei das wunderbare Set Design (das auch im Nachfolger DAS UNGEHEUER VON LONDON-CITY noch einmal Verwendung findet), die Fotografie von Richard Angst, der die (wahrscheinlich) im Studio aufgebauten Straßenzüge und das dekadent-verr(a)uchte Interieur der „Sansibar“ mithilfe von Nebelmaschinen und Scheinwerfern (für effektive Schattenwürfe) angemessen atmosphärisch ablichtet, und die erneut famose Besetzung. Wallace-erprobte Mimen wie Elisabeth Flickenschildt, Hans Nielsen, Werner Peters (als Masseur und „Modearzt“, der „einflussreiche Personen in den höchsten Gesellschaftskreisen massiert“), Dieter Borsche, Barbara Rütting und Stanislav Ledinek schaffen im Handumdrehen dieses gewisse Flair, in dem man sich sofort zu Hause fühlt, und spielen ihre Rollen mit heiligem Ernst. DAS PHANTOM VON SOHO weicht vom bewährten Konzept insofern ab, als das mondän-aristokratische Milieu mit seinen traditionsreichen Adelssitzen und den Lords, Sirs und Ladys, in die einen die Wallace-Krimis sonst entführen, zugunsten des Abstiegs in den Sündenpfuhl von Soho verworfen wird. Hier nimmt Gottlieb schon die Entwicklung vorweg, die die Rialto-Wallaces ab 1966 mit Alfred Vohrers DER BUCKLIGE VON SOHO einschlagen würden.

Tanja Berg weist während der Title-Sequenz mit ihrem verführerisch hingehauchten Song „Soho“ den Weg für die folgenden 90 Minuten und die Auflösung hat auch nichts mehr mit den materialistischen Erbschaftsgeschichten zu tun, die die Belegschaft der Wallace-Krimis sonst in Tod und Verdammnis führen. Hier geht es stattdessen um Menschenraub, Mädchenhandel und organisierte Massenvergewaltigung unter Drogeneinfluss sowie den Einfluss, den diese Verbrechen auf die Psyche der Opfer haben. Nachdem Gottliebs Film dem Zuschauer zwar leicht angesleazte, aber dennoch weitestgehend unschuldige Unterhaltung geboten hat, ist das Finale ein ziemlicher Downer, das einen ganz schön schlucken lässt. Man möchte fast glauben, dieser Kontrast war Absicht.

henker_von_london_derIn London werden Verbrecher, die dem Gesetz bisher durch die Lappen gegangen sind, von einem aus Vigilanten bestehenden Gerichtshof verurteilt und mit dem Original-Henkersstrick aus dem Londoner Kriminalmuseum an öffentlichen Plätzen erhängt. Der junge Beamte John Hillier (Hansjörg Felmy) ermittelt in der Sache, kann aber bislang noch keinen Fortschritt vermelden. Zeitgleich wird London außerdem von den Taten eines Frauenmörders (Dieter Borsche) erschüttert, auf dessen Konto auch Hilliers einstige Geliebte geht …

Brauner-typische Bryan-Edgar-Wallace-Verfilmung, was wieder einmal bedeutet, das ein etwas weniger großes Ensemble in einem sehr fokussiert erzählten Krimi mit atmosphärisch wertvollem Gruseleinschlag agiert. Von erhöhtem Interesse ist hier ausnahmsweise einmal die Handlung, der man durchaus so etwas wie „Relevanz“ bescheinigen möchte und die zudem viele der ein Jahrzehnt später im Zuge des Erfolgs von Michael Winners DEATH WISH ad nauseam durchgearbeiteten Selbstjustiz-Implikationen vorwegnimmt. In der Darstellung der „Gerichtsverhandlungen“ kommt die ganze Absurdität und Unrechtmäßigkeit der Veranstaltung zum Ausdruck. Über das Urteil wird „abgestimmt“, indem jeder der fünf Richter eine schwarze oder weiße Kugel in eine Schale legt: Weiß bedeutet unschuldig, schwarz schuldig. Nicht nur ist dieser Vorgang höchst umständlich, er ist auch von rein formaler Bedeutung, denn natürlich wissen die Ankläger schon im Vorhinein, welches Urteil sie fällen werden. Ihre Verhandlungen kommen ja nur deshalb zustande, weil sie Schurken der ihrer Meinung nach verdienten Todesstrafe zuführen wollen. Von vornherein gibt es keinen Zweifel am finalen Urteilsspruch, das ganze Zeremoniell – die Sitzungen finden in einem finsteren Gewölbe statt, als Pulte dienen den Richtern Särge und sie verbergen sich in schwarzen Roben und Masken – ist bereits Bestandteil der schon feststehenden Strafe.

Das Thema „Todesstrafe“ wird aber noch weitergehend behandelt in den Szenen, in denen Hillier den Vater seiner Freundin Ann Barry (Maria Perschy), den ehemaligen Richter Sir Francis Elliott (Rudolf Forster), um Rat fragt. Elliott rühmt sich damit, sich als Richter niemals von Gefühlsduseleien habe erweichen lassen, das Gesetz stattdessen mit äußerster Strenge ausgelegt, beziehungsweise genauer: in die Tat umgesetzt zu haben („auslegen“ impliziert ja das Wissen darüber, dass Gesetze interpretiert werden müssen und zwei Richter somit zu ganz unterschiedlichen Strafmaßen gelangen können). Er ist der festen Überzeugung, dass es eine richtige und eine falsche Auslegung gibt und er sich nie einen Fehler hat zukommen lassen. Stolz brüstet er sich mit den über 30 Todesstrafen, die er verhängt habe, damit, dass es wohl noch viel mehr seien, wenn er heute noch im Amt wäre, und lässt sich lang und breit darüber aus, wie Ärzte und Psychologen Verbrecher heute wie Opfer behandelten und der „Gerechtigkeit“ damit einen Bärendienst erwiesen. Und wie ein Mephistopheles wendet er sich an Hillier: Wie würde der wohl entscheiden, wenn er die Gelegenheit hätte, dem Mörder seiner Geliebten die gerechte Strafe zuzuweisen? Empfände er keine Genugtuung, wenn er ihn zum Tod durch den Strick verurteilen könnte? Hiller kennt die Antwort, aber er schweigt …

DER HENKER VON LONDON gerät in diesen Szenen fast schon zur essayistischen Auseinandersetzung mit Themenkomplexen wie dem Wesen von Gesetz, Gerechtigkeit und Strafe, der Sinnhaftigkeit und moralischen Rechtmäßigkeit der Todesstrafe – und er bezieht sehr eindeutig Position, ohne jedoch mit erhobenem Zeigefinger zu predigen. Das Handeln des Henkers ist am Ende ebenso nachvollziehbar wie klar ist, dass er sich in eine falsche Idee verrannt hat: Das Gesetz ist eben nicht dazu da, eine aus der Balance geratene Gerechtigkeitsbalance wiederherzustellen. Ein Tod lässt sich ebenso wenig rückgängig machen wie der erlittene Schmerz über den Verlust. Und Mord ist durchaus nicht gleich Mord. Das wird in der Gegenüberstellung der Taten des kranken Frauenmörders und denen des kalkulierenden Henkers frappierend deutlich. Stark.

7.[1]Lord John Mant (Walter Rilla) liebt sein Pferd „Satan“ über alles und setzt berechtigte Hoffnungen in das Tier: Beim anstehenden Derby gilt es als großer Favorit. Gegen den Sieg Satans hat vor allem der zweilichtige Ed Ranova (Wolfgang Lukschy) etwas: Er hat eine große Summe gegen das Tier gewettet und versucht mithilfe des für Satan zuständigen Tierarztes Dr. Howard Trent (Harry Riebauer) entsprechend negativen Einfluss zu nehmen. Es kommt zu einer ganzen Reihe rätselhafter Morde rund um das Anwesen der Mants und die zunächst große Zahl der Verdächtigen schrumpft immer mehr zusammen. Inspektor Bradley (Heinz Engelmann) nimmt die Ermittlungen auf. Unerwartete Unterstützung erhält er von Peter Brooks (Hansjörg Felmy): Der Versicherungsagent ist als entfernter Verwandter getarnt im Schloss, hat seine „Diätschwester“ Molly (Trude Herr) dabei und nimmt gemeinsam mit Lord Mants schöner Nichte Avril (Ann Smyrner) die Spurensuche auf …  

(Vorab: Die Reihenfolge ist mir hier etwas durcheinandergeraten, weil ich mich auf die richtige Ordnung der von Universum herausgegebenen Bryan-Edgar-Wallace-Boxen verlassen habe. DAS SIEBENTE OPFER ist also keineswegs der dritte Film der Reihe, sondern bereits der siebte.)

Gottliebs letzte Arbeit im Wallace-Universum (nach DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE, DER SCHWARZE ABT, dem Ripoff DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE, DAS PHANTOM VON SOHO und DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS) ist vielleicht seine stärkste. Die Verbindung von Grusel und Humor gelingt ihm hier am besten, weil beide Extreme nicht mehr bloß nebeneinander oder gar im offenen Konflikt zueinander stehen, sondern sich zu einer sehr eigenen Mischung ergänzen. Man könnte DAS SIEBENTE OPFER aus guten Gründen als Parodie auf die erfolgreichen deutschen Gruselkrimis bezeichnen. Eine besonders gelungene zudem, denn er bleibt dem bis dahin etablierten Ton und seinem Genre treu, blickt nicht von „außerhalb“ auf die Wallace-Filme herab, um sie von dieser enthobenen Position – und also aus sicherer Distanz – zu verulken. Letztlich bleibt es dem Betrachter selbst überlassen, ob er DAS SIEBENTE OPFER als bloß etwas humoriger geratenen Krimi nach bekanntem Schema oder aber als augenzwinkernden Kommentar goutieren mag. Welchen Blickwinkel er auch wählt, er wird wahrscheinlich nicht enttäuscht werden.

Was ich schon zu DER WÜRGER VON SCHLOSS BLACKMOOR schrieb, trifft auch hier zu: DAS SIEBENTE OPFER konzentriert sich ganz auf das Geschehen auf Lord Mants Anwesen und den von Beginn an etablierten Personenkreis. Wenn sich der Fall nach einiger Zeit auch in verschiedene Nebenzweige teilt, so verliert er das Zentrum dabei doch nie aus den Augen. So lernt man die einzelnen Personen und ihr Milieu gut kennen, anstatt nur einen flüchtigen Blick auf vorüberhuschende Plotpoints erhaschen zu können. Hier stehen tatsächlich die Charaktere im Mittelpunkt. Das Drehbuch, das ihnen mit äußerster Ökonomie und Pointierung der Dialoge zum Leben verhilft, wird von den Schauspielern geradezu kongenial umgesetzt. Es hilft, dass Gottlieb vielleicht auf eines der am sorgfältigsten zusammengestellten Ensembles des Wallace-Universums zurückgreifen kann: Hansjörg Felmy ist als Peter Brooks in einer Art Columbo-Rolle zu sehen, verbirgt den wahren Grund seines Aufenthalts zunächst hinter einer Tarnung als etwas linkischer „Tierzeichner“ (er erinnerte mich etwas an Ryan O’Neal in Bogdanovichs WHAT’S UP DOC?), stellt seine Beobachtungen  aus einiger Distanz an, bevor er dann mehr und mehr zum Angriff übergeht. Wolfgang Lukschy ist hervorragend als krimineller Ranova, weil er nie ganz in die Rolle des Oberschurken verfällt, sondern stets nüchtern seine Interessen verfolgt. Ebenfalls zurückhaltend, aber sehr überzeugend, interpretiert Willy-Brandt-Lookalike Heinz Engelmann seine etwas undankbare Rolle: Er lässt in seiner schlicht perfekten Intonation immer wieder den vom Treiben des Adels genervten Beamten erkennen. Helmut Lohner ist als nervöser, fahriger Sohn und Erbfolger Mants so etwas wie die Idealbesetzung: Rund zehn Jahre später würde er in der DERRICK-Episode „Johanna“ eine ganz ähnliche Rolle – mit gleichem Erfolg – spielen. Ebenfalls ein No-brainer ist Harry Riebauer als Tierarzt im Gewissenskonflikt: Grundsätzlich ein sympathischer Typ, ist er mit seinem leicht blasiert wirkenden Akzent stets gut für Charaktere auf des Messers Schneide. Hans Nielsen entwickelt sich für mich langsam aber sicher zu einem absoluten Lieblingsschauspieler: Hier ist er als Reverend mal wieder ohne Schnurrbart zu sehen. Der Fachmann weiß, was das bedeutet. Ich bin immer wieder verdutzt, wie nahtlos er sich vom lieben, gutmütigen Onkel im einen in einen hinterlistigen, gemeinen Schurken im anderen Film verwandelt und in beiden Rollen gleichermaßen überzeugt. Die eigentliche Entdeckung des Films ist aber Peter Vogel als Butler Irving und es spricht Bände, dass ausgerechnet ein Comic-Relief hier überhaupt diese Wirkung entfacht. Mit stets etwas gelangweiltem, ja herablassendem Blick brilliert er als Diener, der eigentlich über allen steht. Und das Drehbuch legt ihm zum Dank einige der schönsten Zeilen in den Mund („Es widerstrebt mir, einen Gefallenen auf dieTiefe seines Sturzes hinzuweisen.“). Auch wenn das trivial und natürlich reine Geschmackssache ist: Es macht einfach Spaß, diesen Schauspielern bei der Arbeit zuzusehen. Dass es auch in den Nebenrollen immer wieder Lichtblicke zu entdecken gibt – Anneli Sauli als verruchte Nachtlokal-Schönheit, Rolf Eden als Handlanger, Rolf Zacher als Barkeeper (ich habe ihn für einen Chinesen gehalten), Werner Peters in einem besonders unwichtigen Cameo – rundet das Vergnügen noch ab. Bleibt noch Trude Herr: Die übernimmt die zweifelhafte Funktion des Prügelknaben und ist ständigen Dickenwitzen ausgesetzt, die vielleicht am ehesten erahnen lassen, in welche Niederungen sich Gottlieb in den Siebziger- und Achtzigerjahren begeben würde. Sie trägt es aber mit äußerster Würde und der bewundernswerten Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können. Und sie ist in den ultimativ geschmacklosen Schlussgag involviert, der den Zuschauer mit einer gezielten Rechts-Links-Kombination aus dem Film entlässt.

wuerger_von_schloss_blackmoor_derIn und um Schloss Blackmoor geht ein Mörder um: Seine strangulierten Opfer ziert ein „M“ auf der Stirn. Haben die Morde etwas mit dem illegalen Treiben des Schlossmieters, dem in Kürze den Ritterschlag erwartenden Lucius Clark (Rudolf Fernau), zu tun? Er war einst in einen Juwelenraub verstrickt und arbeitet mit Unterstützung seines Butlers Anthony (Dieter Eppler), eines reichlich irren Juwelenschleifers, nun daran, die Beute in bares Geld umzuwandeln, bevor man ihm auf die Schliche kommt. Dazu ist er auch deshalb gezwungen, weil er einen Teil des für seine Nichte Claridge (Karin Dor) zurückgelegten Vermögens verzockt hat und der Verwalter desselben, der strenge Dr. Tromby (Richard Häussler), auf Rückzahlung pocht. Doch alle Juwelensendungen an den Hehler Tavish (Hans Nielsen) werden vom Würger abgefangen. Nun ist es an Inspektor Jeff Mitchell (Harry Riebauer), die Morde aufzuklären …

Mit der Verpflichtung von Harald Reinl, Urheber des ersten Eintrags der von der Rialto initiierten Edgar-Wallace-Reihe, gelang Artur Brauner im Rahmen seiner in Konkurrenz gestarteten Bryan-Edgar-Wallace-Serie ein großer Coup. Dem durchschnittlichen Kinogänger dürfte kein wesentlicher qualitativer Unterschied zwischen DER WÜRGER VOM SCHLOSS BLACKMOOR und den ungefähr zur gleichen Zeit – jeweils kurz zuvor oder kurz danach – gestarteteten Titeln DER ZINKER oder DER SCHWARZE ABT aufgefallen sein, im Gegenteil: Gerade im Vergleich zum dem von Franz Josef Gottlieb inszenierten letztgenannten Titel, der große motivische und inahltliche Parallelen zum WÜRGER aufweist, schneidet Reinls Film außerordentlich gut ab. Zwar fällt bei Brauner alles eine Nummer kleiner und konzentrierter aus als in den sich manchmal sehr in die Breite ausdehnenden Produktionen von Wnedlandt, aber das erweist sich hier eindeutig als Vorteil. Die Rachegeschichte bleibt schön kompakt und trotz der vielen Verdächtigen immer übersichtlich, die finale Demaskierung des Würgers entfaltet so einen ungleich größeren Effekt als in den Konkurrenzfilmen, bei denen zumindest ich irgendwann stets hoffnungslos den Anschluss verlor, und die einzelnen Akteure bekommen mehr Zeit, ihre Rollen mit Leben zu erfüllen. Walter Giller gibt als verarmter Schlossbesitzer (mit Schottenrock und irrwitzigem Zwirbelbart) so eine Art Comic Relief, ohne dabei jedoch komplett zur Clownsfigur zu verkommen, Richard Häussler und Hans Nielsen (ohne Schnauzbart und mit dunkel gefärbten Haaren auf den ersten Blick kaum wiederzuerkennen) sind im Schurkenmodus angemessen verschlagen und hassenswert, Harry Riebauer lenkt als Ermittler nicht allzu stark von den vielen zweilichtigen Gestalten ab und Dieter Eppler, in den Rialto-Filmen selten wirklich nachhaltig wirksam, darf sich als besessener Juwelenschleifer richtig austoben, Augenrollen inklusive: Er hat die beste Szene, wenn er die schöne Karin Dor überwältigt, sie auf seinen Arbeitstisch drückt, das Schleifgerät an ihr Gesicht führt und ihr droht, nun ihre hübschen Äuglein zu schleifen – da erreicht der Film fast transgressive, in jedem Fall verstörende Qualität. Auch die Enthauptung eines Motorradfahrers via über die Straße gespanntem Seil gerät deutlich happiger als die entweder ganz im Off stattfindenden oder wenigstens allzu grafische Details meidenden Morde bei der Konkurrenz. Das Finale im Moor bietet dann die von vielen an den Wallace-Filmen so verehrte Gruselatmopshäre, komplett mit im dunkeln Tann versteckter Nebelmaschine und Gegenlicht-Scheinwerfer sowie als letzter Gruß aus dem Morast ragender Mörderhand. Gewöhnungsbedürftig ist einzig die Musik von Oskar Sala, der keine lasterhaft schwofenden Beatstücken komponiert hat, sondern enervierende Stücke aus dissonanten Elektrofiepsern. Das lässt sich aber durchaus verschmerzen. 

Guter Film, viel mehr Worte sind nicht vonnöten.

geheimnis_des_schwarzen_koffer_dasWer ob des Abschlusses meiner Edgar-Wallace-Reihe vielleicht das ein oder andere Tränchen verdrückt hat, darf sich nun freuen, denn als nächstes nehme ich mir die Verfilmungen vor, die auf dem Werk des Sohnemanns des berühmten Krimiautoren basieren. Für die Produktion dieser Filme verantwortlich zeichnete Artur Brauner mit seiner CCC-Filmproduktion: Nie um eine geschäftstüchtige Idee verlegen, riss der sich ob des großen Erfolgs der Wallace-Filme die Filmrechte an den Romanen und dem Namen des fast genau so wie sein berühmter Papa heißenden Sohnes unter den Nagel. So erschienen nicht nur direkte Verfilmungen von dessen Büchern, es wurden auch frei erfundene Stoffe mit dem wohlklingenden Namen versehen und in die Kinos gebracht. Zwischen 1962 und 1972 erschienen insgesamt 11 Titel, darunter sowohl die beiden Argento-Giallos DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE und DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE als auch das Dr.-Mabuse-Crossover SCOTLAND YARD JAGT DR. MABUSE (Brauner hatte sich schon um die Mabuse-Reihe der Sechzigerjahre verdient gemacht). Den Auftakt markierte 1962 also DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER: Für die Regie gewann Brauner mit Regisseur Klingler einen seit den Dreißigerjahren in zahlreichen Genres erfahrenen Filmemacher, für das angepeilte Wallace-Feeling sorgte Kameramann Richard Angst, der für die Rialto kurz zuvor DIE SELTSAME GRÄFIN fotografiert hatte (und in den Folgejahren zwischen beiden Reihen hin und her pendeln sollte). Gert Wilden komponierte die jazzige Musik.

In London werden mehrere Männer durch gezielte Messerwürfe ermordet. Kurz vor ihrem Tod finden Sie einen mit ihren Sachen gepackten Koffer als Ankündigung ihrer bevorstehenden Ermordung vor. Scotland-Yard-Inspector Finch (Joachim Hansen) steht vor einem Rätsel: Weder finden sich Spuren auf den Täter am Tatort noch besteht eine erkennbare Verbindung zwischen den Opfern. Auch der Kriminologe Curtis Humphrey (Hans Reiser) kann nicht helfen. Eine vom Tatort verschwundene Reisetasche führt zu Dr. Bransby (Leonard Steckel), der wie durch einen Zufall stets kurz vor den oder aber direkt nach den Morden in Erscheinung tritt. Aber auch der hilft nicht weiter. Immerhin lernt Finch dort die schöne Arzthelferin Susan Brown (Senta Berger) kennen. Die ist aus Amerika nach London gekommen, weil sie hofft, in der britischen Hauptstadt eine Spur ihres verschollenen Bruders zu finden: Der war in den USA für das FBI tätig und ermittelte in einer großen Drogensache …

DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER ist routiniert gemachte, wenngleich nicht übermäßig aufregende Krimiunterhaltung, die mit Einflüssen aus dem Horrorbereich – ganz im Stile der frühen Wallace-Filme – noch sehr sparsam umgeht. Das Mysterium der gepackten Koffer tritt zudem bald in den Hintergrund und macht Platz für eine ganz weltliche Selbstjustizgeschichte: Hinter dem Ganzen steckt die Rache eines ehemaligen Opfers an einem Drogenkartell, das die Welt mit der tödlichen Droge Mescadrin in Gefahr bringt. Der Bruch, den diese Fokusverschiebung bedeutet, geht etwas unsanft vonstatten, es dauert eine Weile, bis man begreift, warum es plötzlich um Drogen geht, aber diese Irritation hält andererseits auch das Interesse wach. Zwar sind echte herausragende Momente oder gar spektakuläre Szenen eher Mangelware, dennoch entfaltet der Film einen gewissen Reiz, den ich nur schwer erklären kann. Die Irrwege des Plots sind etwas weniger selbstzweckhaft als in vielen der Wallace-Filme, die Verortung nicht in den höheren Kreisen der Gesellschaft mit ihren Schlössern und Villen, sondern in einem bondeständigeren London gibt dem Film einen moderneren Anstrich. Dass bis auf ein paar Archivmaterial-Szenen ausschließlich im Nachkriegsberlin gedreht wurde – wo Klinger und Angst besonders triste Industriebrachlandschaften und Belege urbaner Ödnis ablichteten – und die Kluft zwischen beiden Städten für den Zuschauer unüberbrückbar ist, unterstreicht diesen realistischen Einschlag noch. Finch darf einmal sogar einen Kurzabstecher in die USA machen: In den dem Commonwelath huldigenden Rialto-Wallaces undenkbar! Das einzige, womit ich dann tatsächlich nicht so recht warm wurde, ist das Comic Relief Chris Howland, der mich tatsächlich Eddi Arent herbeisehnen ließ. Insgesamt also ein nicht überwältigender, aber doch akzeptabler Einstand.