Mit ‘E. G. Marshall’ getaggte Beiträge

Casey Meadows (Deborah Foreman), eine selbstbewusste, lebensfrohe junge Dame erhält eine Einladung zum mondänen Brentwood-Chauffeurdienst, um dort ihre Eignung als Chauffeur nachzuweisen. Die dort arbeitenden Männer – allesamt ältere Herren – sind entsetzt, dass ein junges Mädchen in ihre Domäne eindringt. Doch alle Versuche, sie rauszumobben, scheitern, weil Casey ihre Aufträge zwar auf unkonventionelle, aber erfolgreiche Art und Weise erledigt. Bis sich ein Fahrgast, der wohlhabende Bänker Battle (Sam Jones), in sie verliebt: Der ist nämlich, was Casey nicht weiß, der Sohn des Chefs von Brentwood (E. G. Marshall) und der hatte wiederum einen ganz besonderen Grund, Casey eine Stelle anzubieten …

Ich besitze eine wunderhübsche DVD-Box namens „Too cool for school“: Auf drei doppelseitig bespielten DVDs enthält sie 12 Teenie-/Highschool-Komödien der zweiten Reihe aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Keiner der vertretenen Filme – so ich sie bisher gesehen habe – verändert die Welt oder wäre gar als besonders gut zu bezeichnen: Bei allen handelt es sich um typischen Durchschnitt, Filme, die meist im Fahrwasser erfolgreicherer Titel an den Start gebracht wurden, sich aber nicht einmal einen kleinen Kultstatus erringen konnten, heute oft wie antike Artefakte wirken. Ich mag diese Filme: weil sie ein bestimmtes Sujet behandeln, von dem ich nicht genug kriegen kann, eine bestimmte Bilderwelt vor dem Auge entstehen lassen, die ich einfach gern sehe. Nostalgie spielt eine wichtige Rolle dabei, aber auch meine Überzeugung, dass man ein Genre erst wirklich versteht, wenn man sich intensiv mit dem biederen Mittelmaß befasst. Von einer Mandelentzündug niedergestreckt und zu platt, um mir einen „wichtigen“ Film kaputtzugucken, habe ich mir gestern also MY CHAUFFEUR aus dieser Box angesehen. Und zu meinem Erstaunen richtig viel Spaß mit ihm gehabt!

Zugegeben, die Besetzung der Hauptrolle mit Grübchen-Schnuckel Deborah Foreman bringt bei mir schon mal Bonuspunkte: Die spätere Scream Queen (u. a. WAXWORK, SUNDOWN und APRIL FOOL’S DAY) und Hauptdarstellerin des wunderbaren VALLEY GIRL überzeugt in der Rolle des vor Lebenslust übersprudelnden Eighties-Girls im Madonna-Look, rattert ihre rasanten Stream-of-Consciousness-Monologe mit der Präzision eines Epiliergeräts herunter und verbindet die so wichtige Cuteness (auch Männer sollen sich den Film ja angucken können) mit weiblichem Empowerment. Aber meine Begeisterung reduziert sich nicht auf die Hauptdarstellerin: Mit seiner episodischen Dramaturgie, seinen oft erstaunlich offenherzigen (und pointierten) Dialogen, der unspießigen Attitüde (durchaus nicht selbstverständlich im amerikanischen Achtzigerjahre-Kino) und der sympathischen, aber niemals mit heiligem Ernst verbreiteten Message heimst auch Regisseur Beaird Punkte ein. Die Handlungsprämisse – klassischer Fish-out-of-water-Stoff – rückt immer mehr in den Hintergrund, wichtiger ist die Lockerheit, mit der Casey den unterschiedlichsten Kunden gegenübertritt, am Ende (fast) jeden zufriedenstellt, ohne sich dafür zu verbiegen.

Der Liebes-Subplot ist sowas wie der unabdingbare Standard für solche Filme: Aber weil die Rolle von Caseys Love Interest mit dem einstigen FLASH GORDON und künftigen Held zahlloser DTV-Actioner Sam Jones so unbeholfen und gegen den Strich besetzt ist, es komplett irrational und unglaubwürdig scheint, dass diese beiden Charaktere ein Pärchen bilden, wird das Klischee plötzlich wahrhaftig. Vieles an MY CHAUFFEUR gelingt auf zauberhafte Art und Weise gerade deshalb, weil ihm die punktgenaue Kopie etablierter Standards so schön misslingt. Der potenzielle 08/15-RomCom-Murks erweist sich erstaunlicherweise als sehr eigenständiger, liebenswerter und lebendiger Film. Wer hätte das gedacht?

Ein Papa (Tom Atkins) entreißt seinem jungen ein Comicheft der Reihe „Creepshow“ und schmeißt es in die Mülltonne. Der Wind blättert durch das Heft und seine Geschichten. 1. „Father’s Day“: Ein missgünstiger Ehemann und Vater kommt Jahre nach seiner Ermordung aus seinem Grab, um sich endlich seinen Vatertagskuchen von seinen Hinterbliebenen abzuholen. 2. „The Lonesome Death of Jordy Verrill“: Der geistig zurückgebliebene Farmer Jordy (Stephen King) lässt über seine Träume vom großen Geld alle Vorsicht fahren und fasst einen Meteor an, der auf seinem Grundstück gelandet ist. Bald bemerkt er an seinem Körper und im Haus überall grüne Sporen, die unaufhaltsam wuchern. 3. „Something to tide you over“: Der gehörnte Ehemann Richard (Leslie Nielsen) hat sich für eine Frau (Gaylen Ross) und ihren Geliebten (Ted Danson) etwas ausgedacht. Nahe der Flutlinie gräbt er sie im Sand ein und schaut sich ihren Todeskampf mittels Kamera bequem zu Hause an. Doch abends hört er Geräusche … 4. „The Crate“: Der Professor Dexter Stanley (Fritz Weaver) entdeckt in einer alten Kiste im Universitätsgebäude eine uralte, gefräßige Kreatur, die sogleich den Hausmeister und einen Studenten vertilgt. Er erzählt seinem alten Freund und Kollegen Henry Northrup (Hal Holbrook) davon und der hat sogleich eine Idee, wie er seine ätzende Gattin Billie (Adrienne Barbeau) loswerden kann. 5. „They’re creeping up on you“: Der misanthropische Geschäftsmann Upson Pratt (E. G. Marshall) hat panische Angst vor Bakterien und Ungeziefer und lebt deshalb in einem klinisch reinen Hight-Tech-Apartement, von wo aus er seine Untergebenen über das Telefon gängelt und kontrolliert. Doch derzeit hat er alle Hönde voll zu tun, der Kakerlakenplage Herr zu werden …

Mann, habe ich den schon lange nicht mehr gesehen! Und: Mann, war das gut, den mal wieder zu gucken! Langer Rede, kurzer Sinn: CREEPSHOW, eine aus der Feder von Stephen King stammende und von George A. Romero inszenierte Hommage an die EC-Comics, die auch die Grundlage für die britischen Verfilmungen TALES FROM THE CRYPT und VAULT OF HORROR sowie die erfolgreiche Fernsehserie TALES FROM THE CRYPT bildeten, ist vor allem ein Trumph des Designs. Unter Zuhilfenahme von wundervollen Trickfilmsequenzen, eines trick- und einfallsreichen Schnitts, der erfolgreich die Panelstruktur des Comics nachahmt (ein traumhaft schönes Comicalbum zum Film wurde ebenfalls aufgelegt), der garstig-übersteuerten Effektarbeit Tom Savinis, einer traumhaft expressiven Kameraarbeit und Lichtsetzung und der superb aufgelegten Besetzung gelingt das Kunstwerk, den Geist der Comics ohne Verlust in ein anderes Medium zu übertragen. CREEPSHOW ist bunt, ohne dabei plastikhaft, plakativ, ohne platt zu sein, bösartig, ohne je zynisch zu werden, geschmacklos, aber niemals stillos und vor allem witzig, ohne dabei den Horror zu vernachlässigen. An dieser Mischung versucht sich seit knapp zwei Jahrzehnten ein ganzes Genre, ohne auch nur annähernd die Klasse dieses Films zu erreichen (gemeint ist natürlich das fürchterliche Fun-Splatter-Kino). Große Exegesen sind dann auch gar nicht nötig, die Qualität dieses Films sticht wortwörtlich ins Auge. Nur soviel: Die alttestamentarische Moral, die diese Geschichten zu vertreten scheinen, ist ja gar nicht so klar, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Tod geht dann wohl doch nicht nur streng nach dem Regelwerk vor, sondern hat durchaus einen Sinn für dramaturgische Kniffe. Warum etwa der Rachemord des betrogenen Richard Vickers eher geahndet gehört als das ja kaum weniger heimtückische Vergehen des baven Henry Northrup, darüber könnte man sicher lange Diskussionen führen.

Das Projekt ist durchaus löblich: Gleichberechtigte amerikanische und japanische Filmemacher erzählen die Geschichte vom Angriff auf Pearl Harbor, indem sie jeweils ausschließlich die Aktionen ihrer Seite beleuchten und der Schnitt anschließend die so unabhängig voneinander entstandenen Filme chronologisch zu einem zusammenfügt. Das Ziel von TORA! TORA! TORA! ist es, eine faktentreue, unparteiische  und demnach sachliche Aufarbeitung der Ereignisse zu liefern, die zum Einstieg der Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg führten. Dieses Ziel, das behaupte ich jetzt einmal, ohne über genauere Kenntnisse über den Pearl-Harbor-Angriff zu verfügen, wurde zwar erreicht, worüber man allerdings trefflich streiten kann, ist die Frage, ob ein solcher Ansatz für einen Spielfilm nicht tatsächlich eher bescheiden zu nennen ist. TORA! TORA! TORA! betreibt während seiner 140-minütigen Spielzeit einigen materiellen Aufwand, aber der buchhalterische Eifer, den er dabei an den Tag legt, mutet im Vergleich mit den für die ganze Welt gravierende Konsequenzen nach sich ziehenden Vorgängen, die er abbildet, merkwürdig kleinkariert an. Und dass der Film mit seinen bedeutungsvollen Treffen, hochoffiziellen Anlässen, ellenlangen strategischen Dialogen und der Katastrophenfilm-Dramaturgie nicht wenig an alte GODZILLA-Filme erinnert, lässt vielleicht erahnen, was hier schiefgelaufen ist.

Die ersten 90 Minuten behandeln den Vorlauf für den Angriff: die japanischen Überlegungen, die amerikanische Flotte aus der Luft anzugreifen und lahmzulegen, und das Versagen der zuständigen Behörden, die eingehenden Warnungen über einen bevorstehenden Angriff entweder richtig zu interpretieren oder an die richtige Stelle weiterzuleiten, auf der amerikanischen Seite. TORA! TORA! TORA! ist recht modern in seinem Verzicht, einen Bösewicht oder Schuldigen herbeizuzaubern, die Katastrophe vielmehr als das Resultat einer unglücklichen Verkettung von Fehlleistungen zu beschreiben – auch dass die Japaner ihre offizielle Kriegserklärung erst nach dem Angriff überbingen, ist auf eine solche zurückzuführen. Doch trotz dieser Ausrichtung ist TORA! TORA! TORA! von altem Schrot und Korn: Krieg ist eine Männerveranstaltung und nach einer Schlacht gibt es keine Toten zu betrauern, sondern vor allem die Überlegenheit der gegnerischen Taktik zu bewundern. Das mag auch davon begünstigt werden, dass die Kriegshandlungen hier ausschließlich von den immer noch dem Samurai-Ethos folgenden Japanern ausgehen, deren Szenen von Fukasaku und Masuda zudem in dieser gewohnt starren Form aufgelöst werden, die den zugrunde liegenden Traditionalismus und die Ritualisierung der japanischen (Militär-)Gesellschaft unschwer erkennen lässt. Aber auch Regieeinfälle wie jener, den Überraschungsmoment, als die japanische Fliegerstaffel ungestört über den amerikanischen Militärhafen fliegen kann, annähernd slapstickhaft in Szene zu setzen, spricht Bände für das Problem, das sich hinter dem lobenswerten Ansatz der „wertfreien“ Nacherzählung verbirgt: Wenn man Krieg nicht grundsätzlich kritisiert, verherrlicht man ihn. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es nichts.

TORA! TORA! TORA! ist in der unangenehm größenwahnsinnigen Mischung aus fehlgeleitetem Anspruch und megalomanischer Materialschlacht leider symptomatisch für das Schaffen Fleischers zu jener Phase. Er legte immer die stärksten Filme vor, wenn er von einer kleinen, aber packenden Geschichte ausgehen und diese dann mithilfe seines souveränen Umgangs mit der Technik und seines erzählerischen Gespürs ausformen konnte. Seine Stärke ist weniger ein brillanter analytischer Verstand als Empathie, die in breit angelegten Epen wie eben TORA! TORA! TORA! weitestgehend verschenkt ist: Fleischer hat weniger über die Welt, in der wir leben, zu sagen, als über die Menschen, die sie bevölkern. Er ist eher ein Charakter- als ein Themenregisseur, auch wenn es natürlich Themen gibt, die bei ihm immer wieder eine Rolle spielen. TORA! TORA! TORA! bringt aber seine schlechtesten Eigenschaften zum Vorschein: Fleischer scheint gegenüber überlebensgroßen Stoffen aus Respekt oder gar Ehrfurcht so sehr in Passivität zu verfallen, dass sein Film danach frei von jeglicher Persönlichkeit oder Energie ist.

Dass er sich zu einem Projekt wie TORA! TORA! TORA! dennoch hingezogen fühlte, ist indes verständlich: Als Hollywood-Player, der sich immer weiter nach oben arbeiten wollte, musste dieser Film, der zudem wieder einige logistische Herausforderungen mit sich brachte, interessant für ihn sein. Und die Aussicht, mit dem zuerst für die japanischen Szenen engagierten Akira Kurosawa zusammenarbeiten zu können, war wohl kaum weniger verlockend, als der Auftrag, einen historisch akkuraten, unvoreingenommenen, bilateralen Kriegsfilm zu inszenieren. (Fleischers Vorliebe, als Erzähler seiner Filme einen neutralen Standpunkt einzunehmen, habe ich schon mehrfach beschworen.) Der japanische Meister Kurosawa verscherzte es sich allerdings nach kürzester Zeit mit den Produzenten. Glaubt man den verschienen kursierenden Geschichten, so überzog er das Budget aus  nichtigen Beweggründen, besetzte die Rollen nicht mit Schauspielern, sondern mit Geschäftsleuten (von denen er im Gegenzug Gefälligkeiten erwartete) und verhielt sich auch sonst komplett unkooperativ und uneinsichtig. Man darf nach Ansicht dessen, was Fukasaku und Masuda vorlegten, aber durchaus spekulieren, dass Kurosawa mit dem fürchterlich dialoglastigen Drehbuch nichts anzufangen wusste.

Am Ende bleibt ein vor allem als Zeitdokument interessanter, aber eben auch enorm zwiespältiger und unproduktiver Film, der trotz aller „historischen Genauigkeit“ letztlich kaum seriöser erscheint als ein üppig bebildertes Geschichtsbuch aus dem Time Life-Verlag. Die rezeptorische Kluft verläuft dann auch ganz klar zwischen Historikern und Filmfreunden:  Die hohe IMDb-Wertung dürfte (nimmt man die verfügbaren Rezensionen als Beleg) auf Militärhistoriker zurückzuführen sein, die TORA! TORA! TORA! wegen seiner Genauigkeit gegenüber etwa Bays PEARL HARBOR als definitiven Pearl-Harbor-Film preisen, während Vincent Canby, Filmkritiker der New York Times, seinerzeit nur nüchtern diagnostizierte: „As history, it seems a fairly accurate account of what happened, although it never much bothers its head about why. As film art, it is nothing less than a $25-million irrelevancy.“ Das kann man so sehen.

Chicago 1924: Die beiden aus reichem Hause stammenden Studenten Artie Strauss (Bradford Dillman) und Judd Steiner (Dean Stockwell) sehen sich als intellektuelle Übermenschen, die über den für das gemeine Volk erlassenen Gesetzen stehen. Um diese Überlegenheit zu beweisen, bringen sie einen kleinen Jungen um – einfach so. Doch ihr Plan, mit den Behörden ein lustiges Katz-und-Maus-Spiel zu veranstalten, schlägt fehl, weil Judd am Tatort seine Brille verloren hat. Beide erwartet der Tod durch den Strang und nur der Staranwalt Jonathan Wilke (Orson Welles) wirft sich für ihr Recht zu Leben in die Bresche …

Richard Fleischers COMPULSION (der erste Schwarzweiß-Film Fleischers seit THE HAPPY TIME von 1952) basiert wie schon sein THE GIRL IN THE RED VELVET SWING auf einem realen Mordfall, der die USA in den Zwanzigerjahren in Aufruhr versetzte, dem nach den Namen der Täter benannten Leopold-Loeb-Fall. Bei der Motivation der Täter, dem Tathergang sowie in der abschließenden Gerichtsverhandlung orientiert sich Fleischer bzw. sein Drehbuchautor Richard Murphy an den Fakten, lediglich die Namen der Beteiligten wurden von ihnen verändert. COMPULSION lässt sich inhaltlich in zwei Hälften gliedern: die Vorgänge bis zur Verhaftung von Steiner und Strauss und schließlich die Gerichtsverhandlung. Daraus lässt sich schon ablesen, was Fleischer an dem Fall im Wesentlichen interessierte, nämlich zum einen die psychische Disposition der Mörder und das ihrer Tat zugrunde liegende Menschenbild, zum anderen die Frage nach der Legitimität der Todesstrafe, die sich auch in einem so eindeutigen Fall mit zwei durchaus als „böse“ zu bezeichnenden Tätern stellt. Bei der Schwere dieser Themen wundert es dann auch nicht, dass COMPULSION sehr dicht gewoben ist und nur wenig Freiraum lässt. Eine Szene folgt ganz zwangsläufig und notwendig auf die andere, nichts ist überflüssig oder auch nur redundant, nichts weicht auch nur den kleinsten Hauch von dem eingeschlagenen Pfad ab. Fleischer war der Film sehr wichtig, er war stolz auf das Endergebnis und zählte ihn zu einen persönlichsten Werken. Und man merkt COMPULSION das in jeder Sekunde an: Die humanistische Message steht über allem und der ordnet sich Fleischer – ganz „Dienstleister“ – unter. Er wollte, dass sein Film richtig verstanden wird, seine Botschaft ankommt.

Seine Zurückhaltung wird besonders in der Inszenierung des Mordes augenfälllig: War Fleischer hinsichtlich Gewaltdarstellungen sonst kein Kind von Traurigkeit, lässt er die Tat selbst hier ganz aus und zeigt auch die fürchterlich zugerichtete Leiche des Jungen kein einziges Mal. Diese Rücksichtnahme ist nicht selbstverständlich: Die Tatsache der Ermordung allein soll ausreichen, die Affekte des Zuschauers zu steuern. Das ist wohl das Bemerkenswerteste an COMPULSION: Wie Fleischer ein Thema, das Anlass zu billigster Polemik und Populismus geboten hätte, mit nüchterner Sachlichkeit behandelt, ohne sich dabei jedoch dem Vorwurf der Unmenschlichkeit auszusetzen. Er zeigt ganz deutlich, dass Gerechtigkeit und Recht nicht mit Emotionen vereinbar sind. Wie gut das Rechtssystem funktioniert, zeigt sich daran, wie sehr es auch in den grausamsten Fällen noch seinem  Prinzip der Neutralität verpflichtet bleibt.

Im Zentrum des Films stehen die beiden Täter, an deren Gedankenwelt der Zuschauer gezwungen wird, teilzunehmen. Dass man sie trotzdem als Identifikationsfiguren akzeptiert, liegt an der Dynamik zwischen beiden: Dem selbstherrlich-arroganten und intriganten Schnösel Strauss steht der blind nach seiner Pfeife tanzende Judd gegenüber, der wohl mehr als freundschaftliche Ambitionen gegenüber Artie hegt. So kalkuliert die beiden auch vorgehen, so abstoßend ihre Philosophie auch ist und so wenig sie Empathie oder auch nur Reue zu zeigen in der Lage sind, so sehr begreift man, dass bei diesen beiden etwas ganz entschieden falsch gelaufen ist. Etwas, für das die menschliche Gemeinschaft zusammen die Verantwortung tragen muss. Sie muss diese Mörder aushalten können.

Natürlich spielt auch Orson Welles gravitätische Erscheinung – und sein langer Schlussmonolog – eine wichtige Rolle bei der Meinungsbildung des Zuschauers (ebenso wie E. G. Marshalls auf die Todesstarfe pochender Staatsanwalt). Sein gewaltiger Körper strahlt genau jene Anziehungskraft aus, die COMPULSION endgültig auf die gewünschte Umlaufbahn bringt. Ich habe es aber doch auch als kleinen Minuspunkt empfunden, dass Fleischer diesen erklärenden Vortrag braucht, um auf den Punkt zu kommen. Ich bin aber sowieso nicht ganz glücklich mit dem Film: Fleischer zielt mir zu stringent auf ein Ziel ab. Seine Botschaft ist natürlich wichtig, aber er scheint nicht wirklich überzeugt davon, diese Botschaft auch ohne Manipulation unters Volk bringen zu können. Man bekommt nicht die Möglichkeit, sich gegen die Argumentation des Films zu stellen. (Etwas, das er im Übrigen mit vielen Gerichtsfilmen teilt, die ich mal sehr mochte, heute aber meist als steif und bevormundend empfinde.) Das kann man auch als rundum positiv bewerten. Ich fühlte mich etwas zu sehr an der Hand geführt.