Mit ‘Edgar Wallace’ getaggte Beiträge

In dem fiktiven afrikanischen Staat Gondra ermittelt der britische Polizist Sanders (Richard Todd) in einem Mordfall. Als möglicher  Täter kommt der Großgrundbesiter und Ganove Pearson (Bill Brewer) infrage, eine weitere Spur führt zur Klinik von Dr. Schneider (Wolf Rilla), bei dem auch Sanders neuestes Love Interest, die schöne Ärztin Dr. Jung (Marianne Koch), ihre Arbeit aufgenommen hat. Hinter dem Mord scheint ein großangelegter Diamantenschmuggel zu stehen …

Der britische Produzent Harry Alan Towers initiierte diese Verfilmung eines Abenteuerromans von Edgar Wallace auf dem Gipfel der Erfolgs der deutschen Wallace-Adaptionen, konnte damit aber die „Gruselkrimis“, die das Gros der Reihe ausmachten, nicht vom Thron stoßen. DEATH DRUMS ALONG THE RIVER fährt, seinem Genre angemessen, einige exotische Schauwerte und damals populäre Darsteller auf, wurde von Lawrence Huntington, einem bereits 63 Jahre alten Veteran kurz vor seinem Karriereende, aber äußerst hölzern und ohne echten Drive inszeniert. Wäre DEATH DRUMS nicht in Farbe und könnte man ihn aufgrund seiner Besetzung nicht eindeutig in seiner Zeit verorten, ginge er problemlos als Werk aus den Dreißigerjahren durch. Er funktionierte in erster Linie als hoffnungslos überkommener Kintopp für den Nostalgieflash, führt er doch zurück in eine Zeit, in der es völlig in Ordnung war, die weibliche Protagonistin auf die Funktion zu reduzieren, dem Helden schmachtende Blicke zuzuwerfen, Afrikaner ausnahmslos als Sklaven, Diener oder aber Wilde darzustellen und ihnen die beliebte Ongabonga-Sprache in den Mund zu legen, die damalige Dialogschreiber anscheinend aus dem FF beherrschten.

DEATH DRUMS ALONG THE RIVER profitiert vor allem von seiner knackigen Kürze, die keine Langeweile aufkommen lässt und für ihn einnimmt, auch wenn er sonst nichts Nachhaltiges zu bieten hat. Freunde des abseitigen Films werden ihn aber vor allem aufgrund seiner haarsträubend beknackten Dialoge – als Dr. Jung hat Marianne Koch neben dem Anschmachten des Helden vor allem die Aufgabe, dumme Fragen zu stellen und die Antworten dann regelmäßig mit solchen hilflosen Artikulationsfetzen wie „Ach“ oder „Ach so“ zu quittieren – und der inflationär gebrauchten „Rein-“ und „Raustrübungen“ ins Herz schließen: Es ist kaum einzuschätzen, wie viel Laufzeit dafür draufgeht, Menschen von einem Bild ins nächste latschen zu lassen. Das kulminiert konsequenterweise mit einer Bootsverfolgungsjagd in Schrittgeschwindigkeit. Kleines Kino ganz groß.

„Ein kapitales Meisterwerk des Rumpelkisten-Kinos“, sagte Christoph Draxtra von Eskalierende Träume, als ich via Facebook die Sichtung dieses Films ankündigte. Was das bedeutet, sagt Soledad Miranda, Muse des Regisseurs und Hauptdarstellerin des Films, in einer Dialogzeile etwas weniger direkt, aber kaum weniger treffend: „Ich hasse Pomade!“

Man muss explizit dazusagen, dass DER TEUFEL KAM AUS AKASAVA eine Edgar-Wallace-Adaption ist, in diesem Fall aus der CCC-Schmiede Atze Brauners. Denn selbst mit den moderneren, sich mit nackten Tatsachen und geschmacklosen Spitzen den Gepflogenheiten der neuen Zeit anpassenden späteren Einträgen der Rialto-Reihe hat Francos wüste Freejazz-Mordoper keinerlei Gemeinsamkeiten mehr. Fans der alten Wallace-Filme, die sich angelockt von Namen wie Tappert oder Schürenberg damals ins Kino verloren, dürften danach reichlich dumm aus der Wäsche geschaut haben, angesichts des Tohuwabohus, das da über sie hereingebrochen war (es waren derer nur 300.000, die bundesrepublikanische Sinnkrise blieb demnach aus). Jess Franco simuliert Agentenfilm, wirft alles in den Topf, was man mit diesem Genre verbindet – attraktive Männer, schöne Frauen, dubiose Schurken, exotische Schauplätze, geheime Schätze, düstere Motive, geheime Identitäten und natürlich geladene Pistolen –, tunkt die Kelle tief hinein ins Gebräu und holt hervor, was hängenbleibt. Umrühren oder Abschmecken? Warum? So sieht sich der geneigte Betrachter mit einem seltsamen Gerippe konfrontiert, das mehr mit absurdem Theater oder abstraktem Formalismus zu tun hat als mit saftigem Pulp. Francos Faible für ungeschliffene Improvisation tut ihr Übriges: Da ruckelt die Kamera, dass es nur so kracht, zoomt mal hierhin und mal dorthin, in der Hoffnung irgendwas zu finden, worauf sie sich richten kann, stimmen Blickachsen genauso wenig wie die Anschlüsse, die der akausale Schnitt anbietet, drehen sich die Dialoge auf der Suche nach einem Zentrum verzweifelt im Kreis, taumeln Figuren in immer schneller werdender Folge durch den Film, als hätten sie tatsächlich etwas zu tun – aber was, das bleibt ein Rätsel, ihnen und uns. Irgendwie geht es um einen radioaktiven Stein, der die Kraft hat, Substanzen in Gold zu verwandeln, und um die verschiedenen Interessenparteien, die ihn an sich reißen wollen. Aber gäbe es nicht eine Dialogspur, die das immer mal wieder zusammenfassen würde, man könnte meinen, da prügelte sich ein Haufen Männer – unter ihnen Siegfried Schürenberg als besonders freches Täuschungsmanöver – um Soledad Miranda. Was ja nun nicht die schlechteste Prämisse für einen Film ist.

Ich bin ja bekennender Franco-Verehrer, und ich weiß, dass es der halbe Spaß ist, sich durch die Abgründe von dessen unüberschaubarem Schaffen zu arbeiten, knietief im Morast zu stecken und sich selbst zu verfluchen. Ja, manchmal muss man ein bisschen leiden, muss sich durch Berge angehäufter Langeweile kämpfen, um das Juwel im Kot zu finden, das dann umso verführerischer glitzert. Das ist Teil der Rezeption und es ist das, was es so aufregend macht, sich seine Filme anzuschauen: Langsam, ganz langsam eine Ahnung zu entwickeln, wie diese Hunderte von Filmen, in denen sich Launen abzeichnen wie in Tagebucheinträgen eines Pubertierenden, ihre Identität in diesem einen Mann finden. DER TEUFEL KAM AUS AKASAVA stammt aus Francos erfolgreichster Phase, in der er, unterstützt von Leuten wie Erwin C. Dietrich, Harry Alan Towers oder eben Atze Brauner, seinen Teil zum europäischen Exploitationkino leisten durfte und dabei den ein oder anderen kleineren Hit landete, aber es ist dennoch ein durch und durch typischer Franco: Schon wenn diese unfassbare Urwaldatmo erklingt, bei der sich Löwe, Elefant, Schimpanse und Papagei guten Tag sagen und die Franco wohl auch verwenden würde, um damit den Bewuchs einer Madrider Verkehrsinsel zu untermalen, fühlt man sich zu Hause. Es steht zu vermuten, dass Franco bei der Arbeit genauso häufig das Interesse an dieser blöden McGuffin-Hinterherjagerei verloren hat wie ich heute beim Zusehen: Schnell die Protagonisten in den Nachtklub geschickt und Soledad Miranda im heißen Fummel auf die Bühne, schon ist die Stimmung wieder am Siedepunkt. „Ich hasse Pomade!“, das heißt, dass Franco keinen Hehl aus den vielen technischen Unzulänglichkeiten und seiner Unlust macht (vielleicht auch nur seiner Unfähigkeit, sich auf etwas zu konzentrieren, was ihm egal ist). Da wird nix zugespachtelt oder geschönt. Immer frontal hinein, bis dass der Schnitt uns scheidet. Am Ende stürzt Howard Vernon mit seinem blöden Stein ab und explodiert im Archivmaterial, während auf den smarten Fred Williams schon die nächste Ische wartet, als gäbe es für irgendeinen dieser Pappkameraden ein Leben außerhalb des Films. Vielleicht wollte Franco auch nur den geilen Soundtrack nochmal verwenden, den Siegfried Schwab für seinen VAMPYROS LESBOS komponiert hatte. Ich finde das vollkommen nachvollziehbar.

In London wird ein Geldtransporter mit einer Ladung zur Verbrennung vorgesehener Scheine von Gangstern überfallen, dabei kommt ein Polizist ums Leben. Der für seinen Tod Verantwortliche wird mit dem Verstecken der Beute beauftragt: Er bringt sie in den in der Nähe gastierenden Zirkus Barberini, wo er von einem unbekannten Messerwerfer seinerseits ermordet wird. Inspektor Elliott (Leo Genn) nimmt die Ermittlungen auf, hat es im Folgenden aber nicht nur mit den Räubern zu tun, die ihre Beute wiederhaben wollen, sondern auch mit einem mörderischen Phantom, das die Zirkusbelegschaft dezimiert. Carl (Heinz Drache), der Vertreter des Direktors, vermutet, dass der Vater des maskierten Löwendompteurs Gregor (Christopher Lee), ein verurteilter Mörder, der vor zwei Jahren aus der Haft ausbrach und seitdem verschwunden ist, nach Hause gekommen ist …

Die dritte Verfilmung nach Stoffen von Edgar Wallace des Briten Harry Alan Towers (nach TODESTROMMELN AM GROSSEN FLUSS und SANDERS UND DAS SCHIFF DES TODES) entstand in Koproduktion mit der Constantin, die den Film daher mit etablierten Wallace-Stars wie Heinz Drache, Eddi Arent und Klaus Kinski „ausstattete“. Eigentlich in Farbe gedreht, wurde DAS RÄTSEL DES SILBERNEN DREIECK (sic!) in Deutschland in Schwarzweiß veröffentlicht und dort nicht dem eigentlichen Regisseur John Moxey, sondern seinem Regieassistenten Werner Jacobs zugeschrieben. Wie alle Filme von Towers, die ich aus jener Zeit kenne, zeichnet sich auch dieser durch ordentliche Production Values und gute Darsteller aus, ohne dass es jedoch gelänge, diese einzelnen Teile zu etwas zusammenzufügen, das größer wäre als deren Summe: Im Gegenteil, irgendwie kommt DAS RÄTSEL DES SILBERNEN DREIECK nicht so recht aus den Puschen, obwohl er dem etablierten Wallace-Konzept mit den ineinander verschränkten Verbrechen deutlich näher ist als etwa Gottliebs DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE. Der Zirkus bietet mit seinen verschiedenen Artisten (Eddi Arent spielt einen Buchhalter mit Clownsambitionen, der seine Tricks ständig am obligatorischen Lilliputaner ausprobiert) und ihren Beziehungen sowie den Attraktionen, die sie unterhalten, eigentlich genug Schauwerte für einen unterhaltsamen, spektakulären Pulp-Film, doch das alles bleibt irgendwie müde, wird nur wenig inspiriert abgespult. Richtig schlecht ist DAS RÄTSEL DES SILBERNEN DREIECK nicht, aber eben ein bisschen langweilig: Dem Film fehlt das gewisse Etwas, eine durchgehende Atmosphäre, die selbst die schwächeren Rialto-Wallaces – ich denke da etwa an DER SCHWARZE ABT – noch im Übermaß zu bieten hatten. Einzig Christopher Lee, dessen Gesicht während der ersten zwei Drittel des Films hinter einer schwarzen Maske verborgen bleibt, die Hoffnungen auf darunter zum Vorschein kommende Entstellungen weckt, verbreitet durch seine bloße Präsenz ein wenig Spannung, während der Rest wie auf Autopilot agiert. Selbst Kinski ist als Gauner lediglich körperlich anwesend. Schade, denn da wäre bestimmt mehr drin gewesen.

In die Pagode des in China lebenden reichen Briten Joe Bray (Fritz Tillman) wird eingebrochen. Die chinesischen Täter versuchen, die „gelbe Schlange“ zu entwenden, ein wertvolles Relikt, werden aber von Brays Stiefsohn Clifford Lynn (Joachim Fuchsberger) daran gehindert. Er vermutet Brays Sohn Fing-Su (Pinkas Braun) und dessen Geheimorganisation „Die freudigen Hände“ dahinter, für die die Schlange das Symbol der Weltherrschaft ist. Zunächst reist Clifford nach London, wo er Joan Bray (Brigitte Grothum), die Pflegetochter von Joes Neffen Stephen Narth (Werner Peters) heiraten soll. Narth steht mit 50.000 Pfund bei Major Spedwell (Charles Regnier) in der Kreide und erhofft sich durch die Heirat eine rettende Finanzspritze. Wenig später taucht Fing-Su in London auf und bietet Narth seinerseits das Geld für Joan an, um ihn gefügig zu machen. In Wahrheit hat er aber noch finsterere Pläne: Er will mit seiner Organisation eine chinesische Weltherrschaft errichten …

DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE wurde von Artur „Atze“ Brauners CCC-Film produziert – aufgrund der streitbaren Geschäftspraktiken Brauners als „Cahle Ciemlich Cögerlich“ verballhornt – und startete Anfang des Jahres 1963 in den deutschen Kinos. Da auch Brauners Film, wie die Konkurrenztitel der Rialto, unter dem Siegel des Constantin-Verleihs erschien, konnte Brauner auf viele Exklusivstars von deren Wallace-Reihe zurückgreifen. Sein Film wurde sogar von den blutroten „Einschüssen“ und der bekannten Grußformel eröffnet. Regisseur Franz Josef Gottlieb feierte seine Wallace-Premiere und inszenierte nur wenige Monate später DER SCHWARZE ABT für die Rialto, der den Erfolg von DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE noch übertreffen sollte. Doch trotz all dieser gewollten Gemeinsamkeiten und Parallelen zu den unter Wendlandts Ägide entstandenen Titeln unterscheidet sich Gottliebs Film Debüt erheblich diesen: Es handelt sich bei DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE weniger um einen Krimi als vielmehr um einen Abenteuerfilm mit Science-Fiction- oder Fantasy-Einschlag, der mit seinem chinesischen Schurken und dessen Weltherrschaftsplänen deutlich an die Fu-Manchu-Filme angelehnt ist.

Es ist dann auch wenig verwunderlich, dass die Kritik entsprechend reagierte, „rassistische Vorurteile“ monierte und im Film-Dienst gar Vergleiche mit Goebbels zog. Das altbackene Geschlechterbild, das der Film seinen Bösewichtern unterjubelte, fiel dabei offensichtlich weniger ins Gewicht: In einer Szene werden Frauen als „Ware“ bezeichnet und mit Finanzposten verglichen, die man beliebig dahin schieben kann, wo sie den größten Gewinn bringen. Auch wenn es richtig ist, solche Dinge anzumerken: Ich tue mich schwer damit, dem Film ein tatsächlich rassistisches oder sexistisches Weltbild zu unterstellen. Gottliebs Problem ist wahrscheinlich, einen kolonialistisch geprägten Stoff ganz unreflektiert in die damalige Gegenwart zu übertragen, aber er ist weit davon entfernt, eine Aussage über die Welt treffen zu wollen. Die chinesische Weltherrschaft und die „gelbe Gefahr“, die er malt, sind ihm kaum mehr als pulpige Klischees, die einen für das damalige Publikum reizvollen Exotismus mit sich bringen. Aber klar: Heute wäre DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE in dieser Form kaum noch denkbar und das ist auch ganz gut so.

Was Gottliebs Film strukturell von den Rialto-Wallaces unterscheidet, ist der Verzicht auf einen zweiten Handlungsstrang: In den von Wendlandt produzierten Filmen gab es ja immer zwei parallel agierende Schurkenparteien mit vollkommen unterschiedlichen Motivationen, hier dreht sich alles um die finsteren Pläne Fing-Sus und auch das Gerangel um Joan ist nur ein Aspekt seines Coups. Obwohl DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE wahrscheinlich mit ganz ähnlichem Produktionsaufwand verbunden war wie die Konkurrenzprodukte, wirkt er aufgrund dieser Tatsache doch kleiner, übersichtlicher, weniger verspielt und abwechslungsreich. Er ist zumindest auf den ersten Blick ein wenig eindimensional. Doch dieses Nebeneinander der kleinen und der großen Auswirkungen von Fing-Sus Treiben – die politische Dimension seines Tuns auf der einen und das individuelle Schicksal Joans auf der anderen Seite – sorgt für ein interessantes Spannungsverhältnis und erdet den Film trotz seines reichlich absurden Inhalts. Dem innerhalb des Films sehr abstrakt und diffus bleibenden Plan Fing-Sus wird mit Joans Schicksal etwas ganz Konkretes, Menschliches gegenübergestellt, das gerade vor diesem megalomanischen Hintergrund besonders stark wirkt. Hier zeigt sich im Gewand eines stulligen Pulp-Films plötzlich sehr deutlich und klar, wer die eigentlichen Leidtragenden sind, wenn Männer ihre idiotischen Machtspielchen spielen. Ähnliches gilt für den Bruder- und Vaterkonflikt, der sich zwischen Clifford, Fing-Su und Joe entspinnt: Er lädt die Geschichte noch zusätzlich auf und verleiht ihr eine beinahe parabelhafte, mythische Qualität (lustigerweise hat mich das alles ein wenig an Isaac Florentines NINJA erinnert). Wenn Fing-Su am Ende von seinem Vater wie ein kleiner Junge zur Rede gestellt und zurechtgewiesen wird, bekommt der größenwahnsinnige Teufel plötzlich ein ganz menschliches Gesicht, erinnert Gottlieb daran, dass auch noch der größte Despot Sohn eines Vaters ist. Das alles hebt DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE positiv aus dem homogenen Korpus der Wallace-Filme heraus und macht ihn auch heute noch sehenswert. Ich kenne beileibe nicht alles aus Gottliebs umfangreichem Schaffen („Gott sei Dank“, möchte ich mit Blick auf seine Filmografie hinzufügen), aber dieser hier dürfte ohne Frage zu seinen besten Leistungen zählen.

An einem Bahnübergang wird ein abgetrennter Kopf in einem Pappkarton gefunden. Bei dem Toten handelt es sich um Francis Elmer, Mitglied des britischen Foreign Office. Weil der Chef des Geheimdienstes, Major Staines (Siegfried Schürenberg), hinter dem Verbrechen eine politische Motivation befürchtet, beauftragt er den Sicherheitsbeamten Michael Brixan (Heinz Drache), Inkognito-Ermittlungen aufzunehmen. Hinter dem Mord verbirgt sich ein Mann, der unter dem Namen „der Wohltäter“ in Zeitungen inseriert und so seine Opfer findet. Bereits 12 Menschen sind dem „Kopfjäger“, wie ihn die Presse schnell benannt hat, bereits zum Opfer gefallen. Erste Spuren führen Brixan nach Winchester zu Elmers Nichte Ruth Sanders (Ina Duscha), die ihren Onkel dort als letzte lebend gesehen hatte. Sie wirkt als Komparsin bei Dreharbeiten zu einem Historienfilm mit, steigt jedoch unvermutet zur Hauptdarstellerin auf, als sich der weibliche Star des Films, Stella Mendozza (Ingrid van Bergen) – ihr Name wird im Film mit germanischer Galanz als „Mendotza“ ausgesprochen –, unerwartet zurückzieht. Als Brixan eine Drehbuchseite des Dramaturgen Voss (Klaus Kinski) in die Hand fällt, die auf derselben Maschine geschrieben wurde wie die Briefe des Täters, weiß er, dass er dem Täter dicht auf den Fersen ist …

Bei DER RÄCHER handelt es sich um eine Produktion der Kurt-Ulrich-Film, die die Rechte an dem gleichnamigen Wallace-Roman noch vor der Constantin und der Rialto erworben hatte, bevor die sich alle restlichen Romane des Schriftstellers unter den Nagel rissen. Nach dem bahnbrechenden Erfolg von DER FROSCH MIT DER MASKE und DER ROTE KREIS bemühte sich Ulrich nach Kräften, seinen Film so schnell wie möglich in die Kinos zu bringen, um auf den rasant fahrenden Zug aufzuspringen. Trotz einer entsprechend überhasteten Produktion – für die Dreharbeiten standen gerade einmal drei Wochen zur Verfügung – gelang der Coup und DER RÄCHER kam als dritter Wallace-Film der Nachkriegszeit knappe drei Wochen vor DIE BANDE DES SCHRECKENS in die Kinos. Die Eile machte sich bezahlt, denn auch diese Verfilmung traf auf ein begeistertes Publikum, das in Scharen in die Kinos strömte. Es war wahrscheinlich egal, dass der Film des Regieveterans Karl Anton mit dem Schwung und Witz, den Reinl und Roland für ihre jeweiligen Wallace-Filme aufgebracht hatten, nicht annähernd mithalten konnte. Die Verbindung klassischer, britisch angehauchter Whodunit-Krimiunterhaltung und makabrer Einsprengsel traf offensichtlich den Nerv des Publikums, das bereitwillig darüber hinwegsah, dass DER RÄCHER reichlich altbacken inszeniert war. Der Tscheche Karl Anton hatte die 60 zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits überschritten und war schon zu Stummfilmtagen aktiv gewesen, was man dem überwiegend in statischen Halbtotalen aufgelösten Film deutlich anmerkt. (DER RÄCHER sollte, von dem Engagement für die Fernsehserie SLIM CALLAGHAN GREIFT EIN abgesehen, seine letzte Regiearbeit sein.) Auch inhaltlich wirkt der Film etwas überkommen: Die Porträtierung des Filmteams ist geradezu rührend und hatte mit der damaligen Realität wahrscheinlich nicht mehr allzu viel gemein, die Figur des eingeborenen, vertierten Dieners Bhag (Al Hoosman im Blackface), der zu allem Überfluss auch noch einen Buckel mit sich herumschleppt, kann man kaum anders als als kolonialistisch-rassistisch bezeichnen. Solche Ausfälle erlaubte man sich bei der Rialto weder in der Früh- noch in der Spätphase ihrer Wallace-Unternehmungen. Aber wahrscheinlich tut man Anton Unrecht, wenn man ihm die Verantwortung dafür, dass DER RÄCHER allenfalls mittelprächtig ist, allein aufbürdet. Für den Schnellschuss, den der Film darstellt, ist er dann doch noch ganz annehmbar. Probleme bereitete auch das Drehbuch, das die vielen verschiedenen Elemente der Handlung einfach nicht überzeugend unter einen Hut bringt. Warum der Kopfjäger, der sich als Nachfahre eines alten Scharfrichters zum drastischen Bestrafer von lichtscheuem Gesindel entpuppt, seine Opfer über kryptische Anzeigen aufspürt bzw. warum sich auf diese Anzeigen zielgenau immer jene Kriminellen melden, die er anlocken will, dafür findet der Film keine plausible Erklärung. Der Strang um den Abenteurer Sir Gregory Penn (Benno Sterzenbach), ein sich für den eigentlichen Fall als bestenfalls von tangentiellem Interesse herausstellender Subplot, stiehlt der Suche nach dem Rächer viel zu viel Raum und Zeit, sodass dessen Enttarnung am Schluss reichlich überstürzt wirkt. Immerhin weckte mich das hübsche Guillotinen-Finale in einem alten Gewölbe noch einmal aus der Lethargie, die mich nach anfänglichem Wohlwollen bald befallen hatte. Naja.

Während die Rialto-Wallaces auch heute noch als nostalgisch angehauchtes, technisch sauber gemachtes Entertainment funktionieren und den Weg für viele nachfolgende Genre-Phänomene bereiteten, auf die sie ihren Einfluss ausübten, ist DER RÄCHER eigentlich nur noch aus historischer Perspektive interessant. Ganz ohne Meriten ist er freilich nicht, wirkte mit einigen seiner Besetzungscoups doch auch auf Wendlandts Unternehmen inspirierend: Mit Heinz Drache, Klaus Kinski und Siegfried Schürenberg hatte Kurt Ulrich einige Darsteller aus dem Hut gezaubert, die unter dem Banner der Rialto zu Stars und Aushängeschildern des blühenden Wallace-Franchises avancieren sollten.

Wie ich schon zu A DOPPIA FACCIA geschrieben hatte, wollte die Rialto ihre Wallace-Reihe eigentlich abschließen, zumal Fredas Film in Deutschland kein großer Erfolg beschieden war. Doch dann entwickelte sich mit Argentos L’UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO eine Wallace-Verfilmung der Konkurrenz zum Kassenschlager und stimmte Wendlandt, der ein gutes Geschäft nicht ausschlagen konnte, noch einmal um. Am 30. März 1971 startete mit DIE TOTE AUS DER THEMSE der 30. Wallace-Film der Rialto, schlappe zwei Monate, nachdem die letzte Klappe gefallen war (an der Wahl des Premierenorts Mainz mag man vielleicht die auch bei Rialto deutlich gedrosselten Erwartungen ablesen). Im Gegensatz zum italienisch koproduzierten Vorläufer handelte es sich bei DIE TOTE AUS DER THEMSE wieder um einen „echten“ Rialto-Wallace: Die Geschichte ist ein nach dem bekannten Rezept konstruierter Krimi, in dem wieder einmal ein unbekannter Mörder einem ausgeklügelten Verbrechen in die Quere kommt. Hauptfigur ist ein Scotland-Yard-Ermittler (dass man mit Hansjörg Felmy einen neuen Inspektor einführte, legt den Schluss nahe, dass man weitere Verfilmungen nicht ganz ausschloss), Siegfried Schürenberg kehrt als Sir John ebenso zurück wie andere Akteure aus dem großen Wallace-Ensemble, etwa Uschi Glas, Harry Riebauer, Werner Peters und Günther Stoll. Die Musik, eines der Highlights des Films, komponierte zum letzten Mal Peter Thomas. Obwohl man also sichtlich darum bemüht war, nach der zweijährigen Pause strukturell und tonal an die einstigen Erfolgsfilme anzuschließen, hatte man auch verstanden, dass man nicht einfach nach dem alten Schema weitermachen konnte: DIE TOTE AUS DER THEMSE ist merklich „realistischer“ und ernster als die barocken Gruselkrimis der Sechzigerjahre. Verschwunden sind die fantasievollen Verkleidungen, die pulpigen Übertreibungen, aber auch der klamaukige Humor, der vor allem in den späten Vohrer-Filmen stark ausgeprägt war, dafür wurde der Sexanteil noch einmal merklich erhöht. Konnte man die vorangegangenen Wallace-Filme noch als Vorstufe zu den in vor allem in den Siebzigerjahren reüssierenden Giallos italienischer Prägung begreifen, so ist die Differenz zwischen diesen und DIE TOTE AUS DER THEMSE fast gänzlich nivelliert.

Die Tänzerin Myrna Fergusson (Lyvia Bauer) wird in ihrem Hotelzimmer erschossen, nachdem sie Scotland Yard und Inspektor Craig (Hansjörg Felmy) geholfen hatte, einen Drogendeal platzen zu lassen. Wenig später ist ihre Leiche verschwunden. Der Fotograf David Armstrong (Vadim Glowna) hat Bilder, die belegen, dass Myrna mitnichten tot ist, doch auch er wird ermordet, nachdem er sie Danny, der Schwester Myrnas gezeigt hat, die in London weilt, um sich mit Myrna zu treffen. Sie unterstützt Inspektor Craig bei seinen Untersuchungen, gerät dabei jedoch selbst in Gefahr …

Wie oben schon erwähnt, erzählt Regisseur Philipp seine Krimigeschichte recht straight herunter, ohne dabei große narrative oder formale Spielereien zu machen. Der Look seines Films ist deutlich weniger bunt und grell als in den letzten Vohrer-Filmen, die Verbindung zweier parallel laufender Verbrechen ist nicht mehr auf den größtmöglichen verwirrenden Effekt hin inszeniert, sondern vielmehr klar und nachvollziehbar. Auch der Humor – er geht erneut auf das Konto Siegfried Schürenbergs – lässt sich nur als „gemäßigt“ bezeichnen: Sir John ist ein eigenwilliger Charakter, aber er muss nicht mehr eine Zote nach der anderen reißen. Die amouröse Beziehung, die er und sein Nachfolger Sir Arthur zur Sekretärin Mabel pflegten und die der Quell der klamaukigen Exkurse war, findet in DIE TOTE AUS DER THEMSE nicht nur deshalb keinen Platz mehr, weil die Gute durch die Vorzimmerdame Susan (Petra Schürmann) ersetzt wurde: Solche Mätzchen würden dem Geist des Filmes, der vor allem ein ernstzunehmender Thriller sein will (nehme ich an), einfach nicht mehr entsprechen. Im Großen und Ganzen gelingt es Philipp (er war schon vorher für die Regie vorgesehen, jedoch immer wieder ersetzt worden), die vermutlich an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen: DIE TOTE AUS DER THEMSE stellt eine modernisierte Interpretation des Erfolgsrezepts dar, die Story zeichnet sich durch all jene Elemente aus, die die Zuschauer von einem Wallace-Film wahrscheinlich erwarteten, überführt diese jedoch in ein realistischeres Konzept. Auf die Anwesenheit schöner junger Damen war im Verlauf der Sechzigerjahre immer mehr Wert gelegt worden, hier nun gibt es zahlreiche Szenen, in denen äußerst selbstzweckhaft unverhüllte, nackte Tatsachen zu bestaunen sind – unter anderem jene von Ingrid Steeger, die sich mittlerweile mit ihren ersten Sexfilmen – etwa ICH, EIN GROUPIE – einen Namen gemacht hatte. Das Betulich-Staubige, Spießig-Keusche, das die frühen Wallace-Filme der Rialto, der Zeit entsprechen ausgezeichnet hatte, ist in weite Ferne gerückt. Hansjörg Felmy weiß bei seiner Premiere zu überzeugen: Er ist als Ermittler weniger kumpelig und nett als Joachim Fuchsberger, weniger onkelhaft als Heinz Drache, weniger distanziert und streng als Horst Tappert, bringt dafür aber eine gewisse grimmige Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit mit. An seiner Figur zeichnet sich der Wandel vom naiven Spaßkrimi hin zum authentischen Polizeifilm wohl am stärksten ab und er bedeutet den größten Sprung für die Reihe. Es ist ein bisschen schade, dass es seine einzige Gelegenheit innerhalb der Wallace-Reihe bleiben sollte, aber man darf DIE TOTE AUS DER THEMSE wahrscheinlich als Generalprobe für seine spätere Tätigkeit als TATORT-Kommissar Haferkamp von 1974 – 1980 verstehen.

Die ganz große Begeisterung stellte sich bei mir trotz generell gutem Eindruck dennoch nicht ein: Der Film lässt ein stärker ausgeprägtes Profil vermissen und wirkt – kein Wunder nach 30 Filmen in gerade einmal 12 Jahren – etwas müde. Eine ganz große Bürde ist, zumindest für mich, Uschi Glas, deren Spiel einfach schrecklich unnuanciert und unglaubwürdig ist und die ihre Dialogzeilen spricht, als verwendete sie alle Anstrengung darauf, sich überhaupt an ihren genauen Wortlaut zu erinnern. Sie ist vor allem deshalb ein unübersehbarer Schwachpunkt, als DIE TOTE AUS DER THEMSE im Kern eine unheimlich traurige Geschichte erzählt. Doch das Wechselbad aus der Trauer über den vermeintlichen Tod der geliebten Schwester, der Hoffnung darauf, sie doch noch lebend wiederzufinden, sowie der erneuten Enttäuschung kann Uschi Glas einfach nicht überzeugend verkörpern. Sie stapft mit dem immergleichen Püppchengesicht durch den Film, drückt sich dann und wann mal ein Tränchen ab, begnügt sich jedoch weitestgehend damit, adrett auszusehen. Der Fehler liegt nicht allein bei ihr: Den finalen Schicksalsschlag darf man durchaus zynisch, grausam, geschmacklos und vor allem unnötig finden. Er scheint ganz dem Diktat unterworfen, dem Zuschauer noch einen großen Clou am Ende zu bieten. Doch anstatt noch tiefer in den Sitz gedrückt zu werden, fühlte ich mich vor allem um die verdiente Katharsis geprellt und völlig aus dem Film herausgerissen. Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen.

DIE TOTE AUS DER THEMSE bedeutete noch einmal einen respektablen Erfolg an der Kasse, ohne jedoch an die Traumergebnisse von einst anschließen zu können. Es spricht einiges für die These, dass dieser Film der letzte „echte“ Rialto-Wallace ist. Zwar produzierte Wendlandt noch zwei weitere Wallace-Verfilmung gemeinsam mit italienischen Geldgebern, doch hatten diese mit dem einstigen Konzept außer der literarischen Vorlage nicht mehr allzu viel gemein und werden heute weitestgehend als eigenständige Giallos betrachtet. Wallace-Fans sind auf diese Titel nicht wahnsinnig gut zu sprechen (was natürlich nichts heißen muss) und an der Kinokasse schnitten beide bestenfalls zufriedenstellend ab. Ich möchte meine „kleine“ Rialto-Wallace-Reihe aus diesem Grund an dieser Stelle abschließen. Das fällt mir auch deshalb leicht, weil ich sowohl über Massimo Dallamanos COSA AVETE FATTO A SOLANGE? (zu Deutsch: DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL) und Umberto Lenzis SETTE ORCHIDEE MACCHIATE DI ROSSO (zu Deutsch: DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS) bereits im Rahmen meiner Giallo-Reihe geschrieben habe, Komplettisten also lediglich auf die Checkliste verzichten müssen. Edgar Wallace wird mir aber noch ein wenig länger erhalten bleiben: Ich werde mich als nächstes den zwischen 1960 und 1971 entstandenen deutschen Wallace-Verfilmungen der Rialto-Konkurrenz widmen und hoffe natürlich, damit weiterhin auf das Interesse meiner Leserschaft zu stoßen. (Danach gibt es dann was ganz anderes.)

Die Edgar-Wallace-Checkliste:

Personal: Siegfried Schürenberg (15.), Uschi Glas, Werner Peters, Harry Riebauer, Friedrich G. Beckhaus (4.), Günther Stoll, Michael Miller, Günther Notthoff (3.), Herbert Kerz, Ingrid Steeger (2.). Regie: Harald Philipp (1.), Drehbuch: Harald Philipp (1.), Horst Wendlandt (3.), Musik: Peter Thomas (19.), Kamera: Karl Löb (15.), Schnitt: Alfred Srp (1.), Produktion: Horst Wendlandt (27.).
Schauplatz: London, Scotland Yard, ein Bordell, ein Hotel, eine Fleischfabrik. Gedreht wurde in Berlin und London.
Titel: Wer ist die Tote aus der Themse?
Protagonisten: Inspektor Craig und Danny Ferguson, die Schwester des vermeintlichen Opfers.
Schurke: Eine Drogenhändler-Ring sowie ein unbekannter Mörder.
Gewalt: Diverse Erschießungen.
Selbstreflexion: Begrüßungsformel zu Beginn.

Bereits Ende der Sechzigerjahre zeichnete sich das Ende der so erfolgreichen Wallace-Reihe der Rialto ab. Zwar hatten auch die A DOPPIA FACCIA unmittelbar vorangegangenen Filme immer noch zufriedenstellende Erträge eingebracht und jeweils rund 1,5 – 2 Millionen Zuschauer ins Kino gelockt, dennoch war ein Abwärtstrend nicht zu leugnen. Das Publikum schien mehr und mehr gelangweilt von den barocken Krimis mit leichtem Gruseleinschlag, strömte stattdessen in die neuen, heitereren und lebensnaheren Pauker- und Lümmelkomödien. DER GORILLA VON SOHO hatte laut Umfragen viele Besucher enttäuscht, eine Tatsache, die bei DER MANN MIT DEM GLASAUGE noch merklich nachwirkte, und so schien eine Kurskorrektur notwendig, wollte man auch noch die letzten Tropfen aus der ausgequetschten Wallace-Frucht herauspressen. Der leise Rückzug der Rialto aus dem etablierten Franchise kündigte sich erstmals beim italienisch koproduzierten A DOPPIA FACCIA (zu Deutsch: DAS GESICHT IM DUNKELN) ab. Die Rialto beteiligte sich nur noch mit 30 % an den Produktionskosten, Horst Wendlandts Name wurde nicht mehr im Vorspann erwähnt. Sowohl inhaltlich wie stilistisch weicht der Film stark von seinen Vorgängern ab: Die Hauptfigur ist kein Scotland-Yard-Ermittler, der Plot ist gegenüber den breit aufgespannten Intrigen geradezu minimalistisch, komische oder selbstreflexive Elemente fehlen völlig, stattdessen wird der Zuschauer tief in den Kopf einer traumatisierten Person gezogen. Vom bekannten Edgar-Wallace-Ensemble ist nur noch Klaus Kinski (und Editorin Jutta Hering, die jedoch möglicherweise nur für die deutsche, gekürzte Schnittfassung verantwortlich zeichnete) übrig, dessen Rolle aber nur noch wenig mit seinen zu einem Charakteristikum der Reihe gewordenen zwielichtigen Nebenfiguren gemein hat. Günther Stoll, der die Hauptrolle in DER BUCKLIGE VON SOHO gespielt hatte, kommt kaum mehr als eine Alibi-Funktion zu: Sein hoher Rang in der Besetzungsliste wird durch seine Rolle kaum gerechtfertigt, er scheint vor allem anwesend zu sein, um dem bisherigen Wallace-Zuschauer den Eindruck von Bekanntheit zu vermitteln. Aus produktionstechnischer bzw. marktwirtschaftlicher Sicht war A DOPPIA FACCIA zumindest aus deutscher Perspektive von Anfang an nichts Halbes und nichts Ganzes, vielmehr geprägt von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, und konnte vom angepeilten Publikum kaum als etwas anderes als als Etikettenschwindel betrachtet werden. Zwar basierte der Film – im Gegensatz etwa zu Vohrers DER MANN MIT DEM GLASAUGE oder DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE – immerhin tatsächlich auf einem Roman des britischen Krimiautors, doch damit endeten die Gemeinsamkeiten auch schon. Zu allem Überfluss erleichterte man den Film für seine deutsche Auswertung auch noch um rund zehn Minuten Handlung und machte die sanfte Verstörung, die der rätselhafte Film auslösen musste, somit komplett. Mit gerade einmal 600.000 Zuschauern markierte A DOPPIA FACCIA den finanziellen Tiefpunkt der Wallace-Reihe von Rialto, führte zu einer knapp zweijährigen Pause, einer Rückkehr zu den Wurzeln mit DIE TOTE AUS DER THEMSE und einem leichten Anstieg des Interesses, die das längst absehbare Ende der Reihe jedoch bestenfalls herauszögerten.

Zur Handlung: John Alexander (Klaus Kinski), ein stiller, beinahe verstört wirkender Mann, sieht tatenlos zu, wie seine Gattin Helen (Margaret Lee), Inhaberin eines erfolgreichen Automobilwerks und finanziell der Herr im Haus, sich immer mehr von ihm distanziert, sich vor seinen Augen hemmungslos mit ihrer Freundin Liz (Annabella Incontrera) verlustiert. Kurz nachdem sie ihm ihren Scheidungswunsch mitgeteilt hat, verunglückt sie bei einem durch einen Sprengsatz herbeigeführten Autounfall. John ist erschüttert, muss sich als alleiniger Erbe ihres Vermögens aber wenigstens keine Sorgen mehr um seine Existenz machen. Als er von einem Erholungsurlaub in die heimischen vier Wände zurückkehrt, findet er dort Christine (Christiane Krüger) vor, die sich unbemerkt in seine riesige Villa geschlichen hat. Sie nimmt den verdutzten Witwer mit in einen Club, in dem zu später Stunde ein Pornofilm vorgeführt wird. Auf der Leinwand vergnügt sich seine neue Bekannte mit niemand Geringerem als seiner verstorbenen Gattin, zumindest lassen eine verräterische Narbe am Hals der Verschleierten, ein Ring und eine Perlenkette darauf schließen. John ist überzeugt, dass Helen noch lebt und begibt sich auf die Suche nach ihr …

A DOPPIA FACCIA anhand der deutschen Fassung zu beurteilen, ist etwas ungerecht, zumindest aber problematisch. Wie oben schon erwähnt, kürzte man den Film gegenüber der italienischen Ursprungsversion um rund 10 Minuten Handlung; eine Tatsache, die den Eindruck, den der Film hinterlässt, entscheidend beeinflussen. In der vorliegenden Form ist A DOPPIA FACCIA zwar keinesfalls unverständlich – ganz im Gegenteil, ist er doch äußerst kompakt und fast ausschließlich mit dem Blick auf den Protagonisten John Alexander erzählt –, aber dennoch hochgradig seltsam, selbst wenn man ihn nicht als Edgar-Wallace-Film, sondern als Giallo betrachtet. Das beginnt schon mit der Wahl des Hauptdarstellers: Kinski ist nicht gerade der geborene Sympathikus und als trauernder, noch dazu gehörnter Ehemann, der sich im Laufe des Films wenn schon nicht in Passivität ergibt, so doch niemals wirklich Handlungsgewalt oder gar Autorität erlangt, krass gegen den Strich besetzt. Das ist natürlich mit Bedacht gemacht, schließlich soll der Verdacht erhalten bleiben, John selbst könne den Mord an der Gattin verübt haben, doch dieser Verdacht wird eher qua Konvention erzeugt als dass er tatsächlich „erzählt“ würde. So befindet man sich als Zuschauer von Beginn an in einer Haltung der Fluchtbereitschaft, versagt man dem Protagonisten die bedingungslose Identifikation, weil man stets damit rechnet, von ihm getäuscht zu werden. Und Freda tut was er kann, um diese Kluft nicht zu überwinden, sondern sie immer wieder zu bestätigen oder gar zu vertiefen. Eigentlich besteht sein ganzer Film aus Chiffren, aus Klischees, die sich über Jahrhunderte etabliert haben und von Freda kaum noch mit echtem Leben gefüllt werden. Schon Johns Trauer, die Triebfeder für den Film, ist ja eigentlich eine leere Behauptung, weil wir gesehen haben, dass es gar keine echte Liebesbeziehung zwischen ihm und Helen mehr gab. Selbst seine Aussage, sie hätten „zwei gute Jahre“ gehabt, lässt sich vom Zuschauer schwerlich nachvollziehen, da beide Menschen von Anfang an von sich und der Welt vollkommen entfremdet scheinen. Helens Tod bricht dann – in einer mit putzigen Miniaturmodellen realisierten „Actionszene“ – völlig unerwartet in den Film ein und bietet Kinski in der Folge reichlich Gelegenheit, stumm und brüterisch durch das nächtliche London zu fahren, in Bars Whiskey zu trinken oder zu Hause die Wände anzustarren. Fredas Inszenierung ist dieser Ereignislosigkeit angemessen steif und ungelenk, immer wieder werden Szenen mit Nora Orlandis Titelsong unterlegt, der eine Emotionalität und Dramatik suggeriert, die der Film äußerlich eigentlich vermissen lässt. Freda bemüht eher eine somnambule, scheintote, fremdartige Atmosphäre: Es gibt kaum Dialoge, doch das Schweigen hat auch keine beruhigende Wirkung, ist vielmehr Ausdruck größter innerer Tumulte. Die Frage ist, was da eigentlich wiedererlangt werden könnte: Haben diese Figuren überhaupt jemals ein Leben abseits des Films geführt? Alexander ist kein aktiv Handelnder, eher einer, der sich treiben oder eher ziehen lässt. Der Film hat ihn fest in seiner Gewalt und mit ihm muss sich auch der Zuschauer seinem unvorhersehbaren Fluss hingeben, einem Rhythmus, der immer wieder ins Stocken gerät, kaum dass er einmal einen Takt gefunden hat. Diesen Aspekt von Fredas Film mag die deutsche Schnittfassung, die von der um sich greifenden Seltsamkeit des Film völlig ungerührt und zielstrebig voranschreitet, sogar noch begünstigen. Völlige Fremdkörper sind die Polizisten, die unsanft daran erinnern, dass wir uns nicht im Kopf des Protagonisten befinden, sondern in einer objektiven Realität, in der der Frage nach Täter, Motiv und Opfer entscheidende Bedeutung zukommt. Doch tun sie das wirklich? A DOPPIA FACCIA hat mich an jene Filme erinnert, in denen der Zuschauer einem unzuverlässigen Erzähler auf seiner Reise ins eigene Ich ausgeliefert ist, Filme, deren anscheinend äußeren Ereignisse sich als bloße Abbilder seelischer Verwerfungen herausstellen, an deren Ende der Protagonist am Ziel angelangt erkennt, die ganze Zeit in einen Spiegel geschaut zu haben. Aber selbst diese Erkenntnis wird John Alexander vorenthalten, stattdessen wird er mit der Enttarnung eines Mordkomplotts belohnt, dessen Banalität angesichts dessen, was da offensichtlich im Argen liegt, wie Hohn wirkt.

Ein sehr, sehr seltsamer und deshalb ungemein toller Film. Ich bin bei der Sichtung gestern mehrfach eingeschlafen und wieder aufgewacht, habe Passagen zurückgespult und noch einmal gesehen, nur um dann erneut einzuschlafen. Schließlich habe ich die zweite Hälfte dann noch einmal am Stück gesehen. Ich glaube, dass der Film davon vielleicht sogar profitiert hat.

Die Edgar-Wallace-Checkliste:

Personal: Klaus Kinski (13.), Günther Stoll, Christiane Krüger (2.). Regie: Riccardo Freda (1.), Drehbuch: Paul Hengge (2.), Riccardo Freda (1.), Musik: Nora Orlandi (1.), Kamera: Gabor Pogany (1.), Schnitt: Anna Amadei (1.), Elisa Lanri (1.), Jutta Hering (12.), Produktion: Horst Wendlandt (26.).
Schauplatz: London, der Wohnsitz des Ehepaars Alexander, ein zwielichtiger Club etc. Gedreht wurde in London, Liverpool und Rom.
Titel: Der deutsche Titel DAS GESICHT IM DUNKELN bezieht sich auf die unbekannte Identität des Intriganten, der italienische („Das doppelte Gesicht“) verrät etwas mehr, nämlich dass da jemand eine andere Identität annimmt, sich hinter dem Gesicht eines anderen verbirgt.
Protagonisten: Der betrogene Ehemann John Alexander.
Schurke: Der Schwiegerpapa und die beste Freundin der toten Ehefrau.
Gewalt: Zwei tödliche Autounfälle.
Selbstreflexion: Begrüßungsformel zu Beginn.

Der_Mann_mit_dem_Glasauge[1]Die Tänzerinnen der „Las Vegas Girls“, der Hauptattraktion des Odeon-Theaters in London, fallen einem geheimnisvollen Mörder zum Opfer, der am Tatort ein Glasauge zu hinterlassen pflegt. Inspektor Perkins (Horst Tappert) ermittelt gemeinsam mit dem vorlauten Sergeant Pepper (Stefan Behrens) und kommt einem Mädchenhändlerring auf die Schliche, der aus einem Billardsalon namens „Glasauge“ heraus operiert …

Die Titlesequenz ließ mein Herz in Liebe entflammen und mich glauben, ausgerechnet in einem der letzten Beiträge der auch kommerziell fast bis zum letzten Tropfen gemolkenen Serie ihren Höhepunkt gefunden zu haben: Zum schrillen, treibenden Lounge-Jazz von Peter Thomas werden die Credits wie schillernde Neonreklame präsentiert, eingefügt in die kaum weniger verlockenden Bilder nächtlicher Londoner Vergnügungsviertel. In den wenigen Minuten, die die Sequenz dauert, bündelt Alfred Vohrer alles, was die farbigen Wallace-Filme der späten Sechziger von ihren etwas altmodischen Vorläufern unterschied, transferiert er ihren grellen Charme endgültig in die poppigen Swingin‘ Sixties, treibt er ihnen aus, was bis zu diesem Zeitpunkt noch vom Geist der staubigen Schmöker des Namenspatrons übrig geblieben war. Auch danach noch schöpft Vohrer zunächst aus dem Vollen: DER MANN MIT DEM GLASAUGE sieht nicht mehr nur bunt aus wie die unmittelbaren Vorgänger, sondern geradezu opulent. Über das subtile Farbenspiel, das sich aus dem Miteinander von Bruce‘ (Fritz Wepper) fliederfarbenem Hemd und dem Grün der Wand hinter ihm in einer eigentlich nebensächlichen Hotellobby-Szene ergibt, könnte ich wahrscheinlich mehrere Absätze lang schwärmen. Überhaupt ist DER MANN MIT DEM GLASAUGE, mit dem Vohrer seinen Abschied von Wallace feierte, ein Film der schmückenden Kontraste: Dem autoritären, beinahe elitär auftretenden Perkins mit seinem an einen Zauber- oder Exerzierstab erinnenden Zeigestock (hier übte Tappert bereits für DERRICK) steht der pubertäre, im anhaltenden Stimmbruch gefangene Sergeant Pepper gegenüber, beiden wiederum der schon fast infantile Sir Arthur (Hubert von Meyerinck), der sich nicht recht entscheiden mag, ob er nun homosexuell oder doch ein Weiberheld sein möchte. Die ruppige Härte des jedes übersinnlichen Elements beraubten Krimiplots  kollidiert heftig mit dem an frühere Wallace-Filme gemahnenden, naiven Zirkus-Setting mit seinem Buffalo-Bill-artigen Messerwerfer Rubiro (Jan Hendriks), dem dicken Bauchredner mit der hässlichen Puppe und dem „Inspizient“ im weißen Wissenschaftlerkittel. Und ist die Story ausnahmsweise einigermaßen plausibel, sind es die barocken Spielereien, die DER MANN MIT DEM GLASAUGE in die Edgar-Wallace-Welt zurückwerfen: Einmal steigen zwei der Tänzerinnen vor dem Haus eines Mannes in eine gläserne Kabine, die sie dann auf Schienen hineinfährt. Wozu dieses umständliche Brimborium abgehalten wird, wo die beiden doch sehr viel einfacher und schneller einfach zu Fuß durch die Tür hätten eintreten können, wird nicht weiter erklärt. Einer der am Fall beteiligten, der Puppenmacher Nuthacher (Rudolf Schündler) führt mit seinem überfüllten Geschäft und dem grauen Gesicht direkt zu den Wurzeln des Gothic Horrors und das Glasauge ist auch so ein ornamentaler Geisterbahn-Kniff, der reichlich überstrapaziert wird. Vohrers Film setzt sich schwungvoll und fest entschlossen zwischen alle Stühle: Da werden immer wieder kleine Papierbeutelchen mit Heroin vertilgt wie Traubenzucker, ohne dass die Auswirkungen der Sucht jemals ernsthaft thematisiert würden, gibt es plötzlich eine ausufernde Keilerei im Billardsalon, an der auch Bud Spencer und Terence Hill ihren Spaß gehabt hätten, sind Sir Arthur und seine Sekretärin Mabel (Ilse Pagé) für den Comic Relief in Form Schreikrämpfe und Facepalms induzierender Zoten zuständig.

Dieses hübsche Tohuwabohu hätte durchaus das Zeug zu einem der größten deutschen Psychotronik-Erzeugnisse gehabt, doch leider geht DER MANN MIT DEM GLASAUGE im letzten Drittel ein wenig die Puste aus. Plötzlich muss das alles eben doch noch sinnvoll zu Ende erzählt werden, auch wenn das doch eigentlich von Anfang an niemanden wirklich interessiert haben kann. Und die Auflösung ist dann eben nur halb so aufregend wie das, was Vohrer mit dem ganzen Aufbau bis dahin anzustellen wusste. Dennoch: DER MANN MIT DEM GLASAUGE ist eine Sternstunde des wilden deutschen Kinos und nimmt eine kleine Sonderstellung innerhalb der kurz vor ihrem Ende stehenden Reihe ein. Auch wenn Edgar-Wallace-Puristen diesen Film wahrscheinlich am liebsten den Fluten des Vergessens überantworten würden. Noch ein Fakt am Rande: Iris Berben feierte hier ihr Leinwanddebüt.

Die Edgar-Wallace-Checkliste:

Personal: Ilse Pagé, Jan Hednriks, Harry Wüstenhagen, Kurd Pieritz (6.), Tilo von Berlepsch, Heinz Spitzner (5.), Hubert von Meyerinck, Arthur Binder (4.), Horst Tappert, Ewa Strömberg, Rudolf Schündler, Harry Riebauer (3.), Heidrun Hankammer, Maria Litto, Narziss Sokatscheff, Otto Czarski, Franz-Otto Krüger, Paul Berger, Michael Miller, Günther Notthoff (2.), Christiane Krüger (1.). Regie: Alfred Vohrer (14.), Drehbuch: Paul Hengge (1.), Ladislas Fodor (2.), Musik: Peter Thomas (18.), Kamera: Karl Löb (14.), Schnitt: Jutta Hering (11.), Produktion: Horst Wendlandt (25.), Fritz Klotsch (6).
Schauplatz: London, Scotland Yard, ein Varieté-Club namens Odeon-Theater und ein Billardclub. Gedreht wurde in London, Berlin und Hamburg.
Titel: Ein Mörder mit Glasauge, der die fragilen Glubscher als Visitenkarte hinterlässt, sowie ein Billardclub gleichen Namens.
Protagonisten: Inspektor Perkins ermittelt erneut mit seinem Partner Sergeant Pepper. Ihr Vorgesetzter ist Sir Arthur.
Schurke: Ein Ring von Mädchenhändlern und ein unbekannter Rächer.
Gewalt: Mehrere Wurfmesser-Morde und Erschießungen, Tod durch Giftnadeln und Strangulation.
Selbstreflexion: Begrüßungsformel zu Beginn, Alfred Vohrer absolviert einen Cameo-Auftritt.

gorilla_von_soho_derDer Titel suggeriert eine Verwandtschaft mit DER BUCKLIGE VON SOHO, doch tatsächlich handelt es sich bei Rialto-Wallace-Nr. 27 um ein Remake von Vohrers eigenem DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (ursprünglich war DER GORILLA VON SOHO als eigenständiger neuer Film geplant, doch Probleme während der Preproduction machten ein Umschreiben des Drehbuchs in Richtung Remake unumgänglich). Gegenüber dem „Original“ werden nur geringfügige, kosmetische Änderungen vorgenommen, ansonsten aber ganze Handlungsstränge, Personenkonstellation und selbst kleinere Details übernommen. Tappert übernimmt die Rolle Fuchsbergers, Friedrichsen die von Eddi Arent, Uschi Glas ersetzt Karin Baal, Herbert Fux gibt den Ganoven, der zuvor von Harry Wüstenhagen gespielt wurde, Ralf Schermuly ersetzt Klaus Kinski – inklusive der Sonnenbrille – und Albert Lieven schlüpft in den Schurkenanzug von Wolfgag Lukschy. Statt des „blinden Jacks“ führt nun ein Mann im Gorillakostüm die Verbrecherbande an, die hier nun nicht mit einem Versicherungsunternehmen zusammenarbeitet, sondern mit einer Wohltätigkeistorganisation: Die wohlhabenden Männer, die ermordet werden, haben kurz zuvor die LPFP – Love and Peace for People – als Alleinerben in ihrem Testament bedacht. Leidiglich die Szenen in einem maroden Mädchenheim, in dem auch eine rußige Puppenwerkstatt untergebracht ist, scheinen eher von DER BUCKLIGE VON SOHO inspiriert. 
Stilistisch geht Vohrer seinen Weg unbeirrbar weiter, verbindet den altmodisch-gemütlichen Charme der alten Wallace-Filme mit dem bonbonbunten, grellen Popappeal der späteren, farbigen Beiträge und erzeugt so eine sehr eigenständige Pulp-Mischung. Nicht fehlen darf der Ausflug ins Rotlichtmilieu, hier eine plüschig eingerichteter Nachtclub, der durch die Anwesenheit des als sittliches Korrektiv fungierenden Tapperts gleich doppelt so sleazig und verkommen wirkt (das Hinterzimmer, in dem Hobby-Aktfotografen gegen Bezahlung leicht bekleidete Schönheiten ablichten können, gibt es auch in Vohrers 8 Jahre später entstandenen DERRICK-Folge TOTE VÖGEL SINGEN NICHT). Die Szenen in der Mädchenanstalt hingegen erinnern an die etwa zur selben Zeit in Europa populär gewordenen WIP-Filme und warten dann auch mit beliebten Versatzstücken wie dem taubstummen Mädchen auf, dass sich nur in Zeichensprache verständigen kann. Der Humor geht auf das Konto von Friedrichsen, als jungem, leicht übermotivierten und vorlauten Filou „Sergeant Pepper“ (ein Poster der Beatles hängt auch mal irgendwo rum), der am Ende die Uschi abgreifen darf, und auf das von Hubert von Meyerinck, dessen Sir Arthur ständig eine junge, auf ihn wartende Frau im Nebenzimmer seines Büros versteckt, jedem Rockzipfel hinterherjagt, die Schlussfolgerungen und Argumentationen von Perkins aber nur bedingt versteht. Als Schlussgag des Films besteigt er mit seiner gut 40 Jahre jüngeren Gespielin einen Fahrstuhl, dessen penisförmiger Zeiger dann mit einem Vibrieren auf „Ende“ stehenbleibt: Hier kündigen sich die in den Siebzigerjahren zu erreichenden Humorniederungen des deutschen Films schon an.
DER GORILLA VON SOHO reicht weder an sein Vorbild noch an DER BUCKLIGE VON SOHO heran, ist in seiner kruden, wilden Mischung aus frivolem Lustspiel, Krimischmier und Horror ein Paradebeispiel für die Freuden, die German Expoitation so bereithält. Putzig sind immer wieder die logischen Volten, die der Film schlägt, um Sensationen aufzubieten: Da wird ein Mordopfer unter Maschinenpistolendrohung an eine bestimmte Stelle gelotst, an der er dann von einer herabschnellenden Kranschaufel erschlagen werden soll. Der Plan misslingt, das Opfer kann fliehen und die Schurken werden sich fragen lassen müssen, warum sie nicht einfach geschossen haben. Der Zuschauer indes freut sich über die bedingungslos eingehaltene Unterhaltungsmaxime.

Die Edgar-Wallace-Checkliste:
Personal: Ilse Pagé (5.), Uschi Glas, Hubert von Meyerinck, Hilde Sessak (3.), Horst Tappert, Inge Langen, Albert Lieven, Claus Holm, Bernd Wilczewski (2.),  Maria Litto, Franz-Otto Krüger (1.). Regie: Alfred Vohrer (13.), Drehbuch: Horst Wendlandt (1.), Alfred Vohrer (1.), Musik: Peter Thomas (17.), Kamera: Karl Löb (13.), Schnitt: Jutta Hering (10.), Produktion: Horst Wendlandt (24.).
Schauplatz: London, Scotland Yard. Gedreht wurde in Berlin und London.
Titel: Ein Mörder im Gorillakostüm.
Protagonisten: Inspektor Perkins ermittelt gemeinsam mit seinem Partner Sergeant Pepper und mit der Unterstützung von Susan McPherson. Ihr Vorgesetzter ist Sir Arthur.
Schurke: Der Geschäftsführer eines Wohltätigkeitsvereins und seine Handlanger.
Gewalt: Diverse Erwürgungen und Erschießungen.
Selbstreflexion: Begrüßungsformel zu Beginn, Alfred Vohrer absolviert einen Cameo-Auftritt.
Als die Angehörigen den Sarg des verstorbenen Sir Oliver Ramsey aus der Kirche tragen, ertönt urplötzlich ein schallendes Lachen. Der Bruder des Verstorbenen, Sir Cecil (Wolfgang Kieling), eh schon ein überaus nervöser, labiler Zeitgenosse, glaubt sofort daran, dass Sir Oliver von den Toten auferstanden ist. Als nur wenig später eine Gestalt mit Totenkopfgesicht gesehen und eine weitere Leiche – ermordet durch ein seltenes Gift – gefunden wird, ist Cecil felsenfest davon überzeugt, dass es sich bei seinem Bruder um einen Zombie handelt. Inspektor Higgins (Joachim Fuchsberger) greift mit seinem Vorgesetzten, Sir Arthur (Hubert von Meyerinck), ein. Und die Journalistin Peggy Ward (Siw Mattson) weicht ihnen nicht von der Seite.
 
In meinem Eintrag zu DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE erwähnte ich bereits den Rummelplatz-Charme, der vor allem die späten, farbigen Wallaces der Rialto in Beschlag nimmt. IM BANNE DES UNHEIMLICHEN fungiert zur Bestätigung meiner Behauptung als Paradebeispiel: Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie die Gestalt des „Unheimlichen“, eines Menschen mit einer klobigen Totenkopfmaske, schwarzem Hut, Mantel und Zottelperücke, von dem man immer mal wieder ein lautes, mit Echo belegtes Lachen vernimmt, nach der dritten Kurve der Geisterbahn mit glühbirnigem Blick und Kreischgeräusch aus einer Nische hüpft. Die Verkleidungen der Edgar-Wallace-Täter, zu Beginn noch recht weltlich – dem FROSCH MIT DER MASKE etwa reichte noch eine schnöde Taucherbrille, um zum Schreckgespenst für brave Bürger zu werden -, klar dem Zwecke der Tarnung verpflichtet, alte Sagengestalten höchstens als Vorbild aufgreifend, um vom meist durch und durch profanen Tatmotiv abzulenken (siehe DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE), wurden in den letzten Jahren der Serie immer absurder, unpraktischer und unverkennbar zum Selbstzweck. DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE sollte mit seinem knöchellangen roten Gewand und der hohen Zipfelmütze besser nicht in Kämpfe oder gar Verfolgungsjagden verwickelt werden, DER BUCKLIGE VON SOHO bekommt gar einen unpraktischen Plastikbuckel aufs Kreuz geschnallt, dessen Zweck einzig in seinem Schauwert besteht, innerhalb der Handlung aber völlig sinnlos ist. Nun also der Unheimliche, der die Opfer in Vohrers zwölftem Wallace-Film mit einem putzigen Skorpionring umbringt, bevor sie angesichts seiner Karnevalskostümierung einem Lachanfall erliegen.
 
Die Seriösität und der (relative) Ernst, mit dem die Wallace-Filme bis auf einige wenige Ausnahmen noch bis Mitter der Sechzigerjahre inszeniert wurden, sind in IM BANNE DES UNHEIMLICHEN fast vollständig getilgt. Die Geschichte um den vermeintlichen Rächer aus dem Jenseits setzt sich aus den sattsam bekannten Zutaten zusammen – die Adelsfamilie mit dem dunklen Geheimnis, die Dutzenden von Opfern und Verdächtigen, der skurrile Modus operandi des Mörders, das Zusammenspiel von Ermittler und Vorgesetztem, die Verortung des Geschehens in mondänen Adelssitzen und nebligen Wäldern -, die mittlerweile aber ohne echte Überzeugungskraft miteinander vermischt werden. Der Effekt ist Vohrer alles, weshalb der Plot mehr und mehr hinter die grellbunte Ausstattung und Bildkomposition zurücktritt. Am schönsten zeichnet sich dieser Drang zum Plakativen in der Figur des Steinmetzes Ramiro (Peter Mosbacher) ab. Bei seinem ersten Auftritt weiß man nicht, was einen mehr irritiert: dass er mit seinem unverkennbar grünen Teint aussieht wie der unglaubliche Hulk in der beliebten TV-Serie oder dass niemand im Film über seinen ungesunden Hautton irritiert zu sein scheint. Erst in seiner letzten Szene wird sie überhaupt einmal angesprochen, bekommt man eine Erklärung für sie (zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits an meinem Verstand oder zumindest an der Farbechtheit der DVD gezweifelt) und sie ist von beeindruckender Einfalt: Ramiro leidet an einer seltenen Krankheit, die seine Haut verfärbt. Doch dass niemand sich gewundert hat, liegt vor allem daran, dass er sich als Kreole getarnt hat, deren Haut nun einmal „olivgrün“ sei. Hier hatte man sich beim Make-up wohl von der im angelsächsischen Raum gebräuchlichen Verwendung des Wortes „olive“ zur Beschreibung eines bestimmten Hauttons allzu sehr hinreißen lassen. Ob die Zuschauer von IM BANNE DES UNHEIMLICHEN damals wirklich glaubten, dass irgendwo auf der Erde Menschen mit grüner Haut herumlaufen? Man wünscht es sich fast, denn mich riss jeder Auftritt des armen Tropfs immer vollkommen aus dem Film heraus.   
 
Als Fazit lässt sich sagen, dass IM BANNE DES UNHEIMLICHEN genauso gut oder schlecht wie seine unmittelbaren Vorläufer sind: Es ist reine Geschmacks- und Veranlagungsfrage, ob man den Mummenschanz der späten Wallaces als deutsche Variante des US-amerikanischen Exploitationkinos zu würdigen weiß oder schlicht für albern und wertlos hält. Vohrer weiß natürlich wie knarziger Kintopp funktioniert, somit gibt es handwerklich nichts an seinen Filmen auszusetzen, sehen sie stets fantastisch aus, aber auch er kann sich nicht ganz über die zunehmend einfallsloser werdenden Drehbücher hinwegsetzen. Mir hat IM BANNE DES UNHEIMLICHEN als Vertreter eines marginalsierten deutschen Bizarro-Kinos wieder etwas besser gefallen als DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE, auch weil mit Wolfgang Kieling ein Schauspieler bereitsteht, den ich immer gern sehe. Keiner gibt dieses stets vor dem Kollaps oder dem Sturz in den Wahnsinn stehende Nervenbündel mit den rotgeäderten Augen so gut wie er. Vermissen muss man hingegen Siegfried Schürenberg, der von Hubert von Meyerinck zwar mit viel Elan vertreten wird, aber eben unersetzlich ist. Er pausierte noch für zwei weitere Filme und kam dann 1971 für DIE TOTE AUS DER THEMSE noch einmal aus der Pension zurück.  
 
Die Edgar-Wallace-Checkliste:
 
Personal: Joachim Fuchsberger (11.), Pinkas Braun, Ilse Pagé, Eva Ebner (4.), Siegfried Rauch, Hubert von Meyerinck, Otto Stern, Ewa Strömberg, Thomas Danneberg (2.), Michael Miller (1.) Regie: Alfred Vohrer (12.), Drehbuch: Ladislas Fodor (1.), Musik: Peter Thomas (16.), Kamera: Karl Löb (12.), Schnitt: Jutta Hering (9.), Produktion: Horst Wendlandt (23.), Fritz Klotsch (5.).
Schauplatz: Das Schloss der Familie Ramsey und Umgebung. Gedreht wurde in Berlin, u. a. auf der Pfaueninsel, und in London.
Titel: Der „Unheimliche“ ist der masikierte Mörder – eine vermeintlich lebendige Leiche.
Protagonisten: Fuchsberger tritt erneut als Inspektor Higgins auf. Statt des pensionierten Sir John bringt er diesmal Sir Arthur mit. Higgins zur Seite steht die Journalistin Peggy Ward.
Schurke: Der maskierte Unbekannte übt die Morde aus, um sich für ein vergangenes Verbrechen zu rächen.
Gewalt: Die Mordwaffe ist ein Ring mit einem vergifteten Stachel, außerdem Erschießungen.
Selbstreflexion: Begrüßungsformel zu Beginn, Alfred Vohrer absolviert einen Cameo-Auftritt.