Mit ‘Elmar Wepper’ getaggte Beiträge

Episode 72: Drei Brüder (Theodor Grädler, Deutschland 1974)

Der Besitzer eines Spirituosenladens stirbt nach einem Überfall auf sein Geschäft mit einer Schädelverletzung. Das Letzte, was er sagen kann, ist: „Der Jork war’s.“ Doch es gibt drei Jorks, die Brüder Albert (Horst Frank), Heinz (Ralf Schermuly) und Bertram (Manfred Seipold) und alle wollen zur Tatzeit zusammen in ihrer gemeinsamen Wohnung Skat gespielt haben. Bewegung kommt in die verfahrene Situation, als Keller und sein Team Spuren einer Frau in der Wohnung der Jorks finden: Offensichtlich war die Bardame Olga (Evelyn Opela) bei ihnen, als der Mord geschah. Zwar halten die Vier dicht, doch Keller weiß, dass er nur hartnäckig genug bohren muss, bis die Mitwisser umfallen.

In DREI BRÜDER wird der bereits 1973/74 einsetzende, schleichende Übergang zu DERRICK sehr evident, denn die Zermürbungstaktik, die Keller, Heimes und Grabert fahren, erinnert sehr an die Masche, die dem Oberinspektor später so oft zum Erfolg verhelfen sollte. Mit sichtlicher Schadenfreude hängen die Kriminalbeamten in der Nähe der Verdächtigen herum, ganz genau wissend, dass ihre bloße Anwesenheit reicht, um sie nervös zu machen. Und so ist es dann ja auch. Keller hat absolut Recht mit seiner Einschätzung: Der Schweigepakt, den die drei Brüder zusammen mit Olga geschlossen haben, ist für den Täter leicht zu halten, doch für die drei, die ihn decken müssen, wird der Druck irgendwann zu groß werden. Horst Frank ist, wie wir längst wissen, geboren für diese Typen, die nichts aus der Ruhe bringt, die geradezu dazu geboren sind, krumme Dinger zu drehen und die Polizei an der Nase herumzuführen. Und Ralf Schermuly steht hier noch am Anfang an einer langen Karriere, in der er wieder und wieder den schwitzig-nervösen Mörder spielen sollte. Dazu gibt es , gewissermaßen als Bonus, die bezaubernde Evelyn Opela, Wolfgang Völz als Barkeeper und Antje Weissgerber als trauernde Witwe, die den Jorks mit Kopftuch und Handtasche auflauert und sie immer wieder fragt „Haben Sie meinen Mann ermordet?“

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Episode 73: Tod eines Landstreichers (Jürgen Goslar, Deutschland 1974)

In der Nähe eines Gasthofes wird die Leiche eines Landstreichers aufgefunden, den man am Vorabend erschlagen und dann am Fundort abgeladen hatte. Keller und Co. machen drei Leidensgenossen des Mannes ausfindig – Kamann (Hans Schweikart), Pock (Klaus Schwarzkopf) und Lumm (Walter Kohut) -, die berichten, ihr Freund habe ein Huhn stehlen wollen und sei dann nicht zurückgekommen. Im Gasthof von Eberhard Scherf (Paul Dahlke) fällt nicht nur das seltsame Verhalten des Inhabers und seiner Familie auf, die auffallend geduldig mit den drei munteren Landstreichern sind, die hauseigene Metzgerei macht das Gebäude auch zu einem verlockenden Ziel für Hungrige.

Eine schöne Episode, die sich durch den unvorhersehbaren Verlauf, das muntere Zusammenspiel der drei Landstreicher Schweikart, Schwarzkopf und Kohut sowie den insgesamt verständnisvollen und versöhnlichen Tonfall auszeichnet, der einen schönen Kontrast zu Reineckers sonstigen Abrechnungen darstellt. Zwar gibt es wieder die bekannten Tricks und Wendungen, die Lügen und falschen Alibis, die zum Inventar der Serie gehören, aber letztlich ist der gesamte Fall vor allem hochgradig tragisch. Bei der Charakterisierung der drei Vagabunden und ihrem Rapport hat der Autor sich viel Mühe gegeben und die Akteure danken es ihm mit Darbietungen, denen man die Freude anmerkt, die sie dabei hatten, die Figuren zum Leben zu erwecken. In einer Nebenrolle ist Walter Sedlmayr zu sehen.

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Episode 74: Mit den Augen eines Mörders (Theodor Grädler, Deutschland 1974)

Die Schülerin Eva Wechsler (Susanne Uhlen) kommt nach der Schule nicht nach Hause. Am nächsten Tag findet man sie tot auf, erwürgt. Ihre Spur verliert sich nach einem Treffen mit ihrer besten Freundin (Simone Rethel), mit der sie an den Französisch-Hausaufgaben verzweifelt war. Hauptverdächtiger ist der Musiklehrer Voß (Michael Heltau), der für das Mädchen schwärmte – und seine Zuneigung wohl auch erwidert fand.

Was wäre DER KOMMISSAR ohne Altherrenschmier und unangenehme Ambivalenz? Hier ist es das Geständnis des Lehrer, zwar in Eva verliebt, aber sich doch der Implikationen doch bewusst zu sein. Er will warten, bis sie mit der Schule fertig ist und sie erklärt sich einverstanden. Das ist wahrscheinlich der nüchterne Weg, mit dem Problem umzugehen, aber so ganz zufriedenstellend ist das trotzdem nicht. Gleichaltrige jugendliche Liebespaare kommen bei Reinecker nur am Rande vor, dafür sehen sich die Mädchen bei ihm auffallend oft den Avancen älterer Herren ausgesetzt. Und natürlich sind es immer ganz besondere Mädchen, denen das passiert, damit wir auch die Zwickmühle verstehen, in denen sich seine verschwitzt-geilen Herren da befinden. Susanne Uhlen hat nicht viele Szenen, aber in einer davon wirft sie sich ihrem Lehrer angetrunken (selbstverständlich Whisky), mit verführerischem Schlafzimmerblick und kurzem Schulmädchenrock an den Hals, das kleine Luder. Ich finde diese Episoden mittlerweile ja fast am besten, weil sie die ganze Verlogenheit des Bürgertums und seine gähnenden Abgründe in den Vordergrund holen, ohne sich dabei selbst der Objektivität verdächtig zu machen. Es dampft und brodelt nur so.

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Episode 75: Im Jagdhaus (Gottfried Reinhardt, Deutschland 1974)

Im Sommerhaus der Familie Schenk wird ein Toter gefunden: Es ist Paul Schenk (Harry Meyen), der Bruder und Geschäftspartner von Alwin (Herbert Fleischmann): Er war in das Haus gefahren, um dort seine Schwägerin Eva (Ursula Lingen), mit der er ein Verhältnis hat, davon zu überzeugen, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Neben den Töchtern Helga (Eleonore Weisgerber) und Sabine (Sabina Trooger) ist auch Barek (Klaus Herm) im Haus, ein Angestellter der Schenks, der sich dort ein Wochenende entspannen sollte.

Reinecker kopiert sich selbst, was nicht weiter schlimm ist, in diesem Fall aber besonders auffällig, schließlich liegt die Episode, bei der er sich großzügig bedient, „Domanns Mörder“ noch nicht allzu lang zurück. Hier wie dort zeigt eine feine Bürgerfamilie im Angesicht des Todes ihre hässlichen Seiten. Die Schenks – die davon ausgehen müssen, dass einer von ihnen der Mörder ist, und dies auch tun – decken sich ohne Zögern und schieben den Verdacht auf den armen Barek, dem der auf biedere Waschlappen abonnierte Klaus Herm seinen verdatterte Hundeblick leiht. Das ist durchweg unterhaltsam, ohne wirklich spektakulär zu sein. Am außergewöhnlichsten an der Episode ist wahrscheinlich der Score von Eugen Thomas, der dem lang Prolog eine ganz eigene Stimmung verleiht.

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Episode 76: Sein letzter Coup (Helmuth Ashley, Deutschland 1974)

Vor einem Polizeirevier wird en Toter abgeladen: Es handelt sich um einen bekannten Spitzel. Er hatte von einem „großen Ding“ erfahren, dass „Der Professor“ (Peter Lühr) nach seiner Haftentlassung plant. Zusammen mit seinen Leuten (u. a. Peter Vogel, Walter Buschhoff, Günther Stoll) will er einen Geldtransporter ausrauben. Keller und seine Leute finden heraus, wann das Ding steigen soll.

Eine schöne Abwechslung von den vielen bürgerlichen Eifersuchts-, Gier- und Affektmorden, die die Serie in dieser Zeit bestimmen und schon einen Vorgeschmack auf Reineckers modus operandi bei DERRICK ermöglichen. Hier also mal wieder eine richtige Milieugeschichte mit Berufsverbrechern, einem alternden Gentleman-Gauner, den mit Keller wenn schon keine freundschaftliche, so doch eine respektvolle Beziehung verbindet, und einem Nachtclub mit zitternder Garderobendame (Eva Pflug) und schwarzer Soulröhre, Gaststar Donna Hightower, die aber leider die hüftsteife Weißbrotversion von RnB mit ihrer Stimme begleiten muss. Keller und Kollegen stellen sich ziemlich dusselig an, vor allem Grabert, dem das Geld förmlich unter dem Hintern weggeklaut wird, macht keine gute Figur und am Ende ist es nur des Professors Kinderliebe, die ihm ein Bein stellt. Eine schöne Episode.

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Episode 77: Ohne auf Wiedersehen zu sagen (Jürgen Goslar, Deutschland 1974)

Ein junges Mädchen aus dem Ruhrgebiet wird tot in einer Münchener Kiesgrube aufgefunden. Sie war zusammen mit einer Freundin vor einigen Wochen von zu Hause abgehauen, mit dem Ziel Hamburg. Der Vater (Heinz Reincke) der – wahrscheinlich – noch lebenden Franziska stürzt sich mit dem Kommissar und seinen Leuten ins Schwabinger Nachtleben, nachdem sie den Studenten Achim Merk (Bernd Herberger) ausfindig gemacht haben, bei dem die Mädchen einen Monat lang untergekommen waren. Er scheint mehr zu wissen, als er zugibt,

Erneut eine schöne Milieuepisode, von Jürgen Goslar mit Drive inszeniert. Zum ersten Mal kommt auch Elmar Wepper als Harrys Bruder Erwin über die Statistenrolle hinaus. Die Szenen, in denen er mit Reinckes verzweifeltem Vater in diversen Schwabinger Kneipen und Nachtklubs abtaucht, atmen noch einmal den Hauch des deutschen Sleaze, den man aus dieser Zeit zu schätzen weiß. Super der Kommentar, als die beiden in einem zwielichtigen Etablissement namens „Podium“ landen: „Das ist ja mal ein eindeutiger Laden!“ Die Blicke der Schläger, Loddels und Nutten, die da rumstehen sind Gold wert und so verräterisch, dass sie auch Schilder mit der Aufschrift „Ich weiß was!“ tragen könnten. Reincke gibt alles, läuft „Franziska“ rufend und gegen die Türen polternd durch die Räumlichkeiten des Puffs und der rückgratlose Merk wird rehabiltiert, als er den Mörder (Wolfgang Wahl) in einem erbitterten Faust-und-Messerkampf bezwingt. Sehr putzig dabei der Moment, in dem das Licht erlischt und der Verbrecher – trotz erkennbar guter Sichtverhältnisse – blind herumtappt.

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Episode 78: Schwierigkeiten eines Außenseiters (Michael Braun, Deutschland 1974)

Helmut Domrose, Besitzer eines Schnapsladens im Erdgeschoss eines Merhfamilienhauses, wird von einem Einbrecher aufgeschreckt und totgeschlagen. Seine ungeladene Waffe sowie die Tatsache, dass der Täter durch eine Tür entkam, die eigentlich immer abgeschlossen ist, lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass Domrose Opfer eines Anschlags wurde. Der Verdacht fällt schnell auf Theo Klinger (Raimund Harmstorf), einen Proleten, der mit dem Schnapsverkäufer im offenen Clinch lag, wegen seines lauten Motorrads bei allen Mietern verhasst ist und mit seinem alkoholkranken Vater zusammenlebt.

Harmstorf im Heinz-Klett-Modus macht die Episode. Mit Nickel-Sonnenbrille, kniehohen Stiefeln, Lederhose und Schlangenlederjacke über dem Unterhemd gibt er ein Bild für die Götter ab, dazu hat er für die bürgerlichen Langweiler in seinem Haus nur unverhohlene Verachtung übrig. Ganz anders ist er zu seinem Vater, einem ganz armen Tropf, den er in einer Superszene nach dem Schweinebratenessen unter den Armen packt und auf den Sozius seines Bikes hebt wie ein Papa seinen kleinen Sohn. Die Auflösung ist clever konstruiert, auch wenn die Identität des Mörders keinen, der die Serie von Anfang an verfolgt, überraschen dürfte. Mit Dirk Dautzenberg feiert ein Akteur seine Premiere, der später noch DERRICK bis in die Neunzigerjahre treu bleiben sollte.

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Episode 79: Jähes Ende einer interessanten Beziehung (Theodor Grädler, Deutschland 1974)

Der junge Mann Strassner (Vadim Glowna) wird vor der Tür seines Mietshauses erschossen als er auf dem Weg ist, sich mit Studienrätin Kämmerer (Johanna von Koczian) zu treffen, mit der er ein Verhältnis hat.

Eine von Reineckers gesellschaftskritischen, progressiven Episoden: Es geht um die Doppelmoral, mit der die sexuelle Aktivität von Frauen, vor allem solchen in „respektablen“ Berufen, sozial geächtet, ja mit dem Aus bestraft wird. Die Lehrerin Kämmerer – die schöne Johanna von Koczian spielte ein Jahr später in zwei Episoden die Geliebte von Kriminaloberinspektor Derrick – und ihre Freundin Agnes Kremp (Doris Schade), Haushälterin eines Geistlichen, lassen sich auf ein Abenteuer mit dem deutlich jüngeren Strassner und seinem Kumpel Lobach (Klaus Löwitsch) ein – und fürchten anschließend um ihre Existenz. Strassner nutzt die Angst der Frau für sich, in dem er sie zu weiteren Treffen nötigt. Der Täter ist ein bürgerliche Beschützer der Moral, der es nicht akzeptieren mag, dass ein Gammler den Ruf einer geachteten Frau in den Schmutz zieht – natürlich ohne zu merken, dass es überhaupt erst diese Haltung ist, die ein nächtliches Sexabenteuer zu einem schandhaften Akt macht. Grädler inszeniert mit großer Sympathie und der richtigen Mischung aus Direktheit und Zurückhaltung und die Koczian ist einfach wunderbar.

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Episode 80: Der Segelbootmord (Wolfgang Becker, Deutschland 1974)

Dr. Gerhard Reger (Peter Pasetti) hat sich von seiner Gattin Magda (Ruth Leuwerik) scheiden lassen und die deutlich jüngere Alexa (Gerlinde Döberl) geheiratet – sehr um Missfallen seines Sohnes Hans (Franz Winter), der in einem Internat am Starnberger See lebt. Bei einem Besuch des Vaters beobachten die beiden wie die junge Gattin mit dem Boot kentert – die Rettung für sie kommt zu spät. Reger ist sich sicher, dass seine Frau ermordet wurde. Und tatsächlich finden sich entsprechende Hinweise.

Eine gute, aber nicht besonders auffällige Episode. Am ehesten sticht das sonnig-vornehme Ambiente heraus, das schon deutlich im Kontrast zur Münchener Großstadt und den verrauchten Pinten darstellt, in die es Keller und seine Jungs sonst so verschlägt. Die sommerliche Stimmung wird vor allem von Ruth Leuwerik unterlaufen, die hier eine besonders kaltes Exemplar der Gattung Frau verkörpert. Am Schluss wird etwas gegen Scheidungen polemisiert und gegen Männer, die sich jüngere Frauen nehmen, aber das Augenrollen hält sich in Grenzen.

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Episode 81: Der Liebespaarmörder (Michael Braun, Deutschland 1974)

Die schöne Kellnerin Anita (Christiane Krüger) kann sich der Avancen der Männer in dem Lokal der Meringers (Claus Biederstaedt und Ruth-Maria Kubitschek), in dem sie arbeitet, kaum erwehren. Als ihr Freund Karl (Tommi Piper) sie abholt und zu einem abgelegenen Platz in den Wald zum Knutschen bringt, werden die beiden erst verfolgt und dann schließlich überfallen. Karl fällt dem Unbekannten beim Versuch, ihn zu verjagen, zum Opfer. Als Verdächtige kommen Kurt Meringer in Frage, der ein Auge auf seine Angestellte geworfen hatte, der Stammgast Korte (Jan Hendriks), der sich bei ihr immer wieder einen Korb abholte, und ihr Vater (Rolf Henniger), ein Künstler, der seine Tochter als Marienfigur malte.

Die Männer kriegen schön ihr Fett weg in dieser Episode, in der Biederstaedt mal wieder einen jener onkeligen Vergewaltiger spielt, die er drauf hat wie kein anderer. Gleich zu Beginn tratschen zwei ältere Herren über die scharfe Anita mit den langen Beinen und darüber, wie gut der Kerl es doch hat, der sie abholen darf. Hahaha, hohoho. Es ist das Grauen, vor allem weil die Frauen, allen voran die Meringer direkt danebenstehen und doch so behandelt werden, als seien sie gar nicht da.

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Episode 82: Traumbilder (Helmuth Ashley, Deutschland 1974)

Der Drogenabhängige Andreas Merkel (peter Chalet) wird auf offener Straße aus einem fahrenden Auto erschossen, Kommissar Keller beim Rettungsversuch verwundet. Der Junge war ein Freund von Martina Linnhoff (Sabine von Maydell), die vor einigen Monaten nach einem LSD-Trip in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert werden musste. Die Spuren führen in einen Appartementkomplex des reichen Unternehmers Kremer (Paul Hubschmid), der hier offensichtlich nicht nur Drogen verkaufte, sondern das Mädchen auch an den alten Weinhändler Schamberg (Alexander Rolling) verscherbeln wollte …

Die Episode erinnert mit ihrer von einem schlechten Trip geschädigten jungen Frau etwas an die spätere DERRICK-Folge EIN TODESENGEL, nur dass sich das Ganze hier nicht zum Rachedrama, sondern zu einer relativ handelsüblichen Gangstergeschichte entwickelt. Harry Mayen spielt den Psychiater, DERRICK-Stammschauspieler Wilfried Lier den Hausmeister des Wohnkomplexes. Keller unterstützt aus dem Krankenhausbett, was Reinecker später ebenfalls bei DERRICK wieder aufgreifen sollte.

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Episode 84: Am Rande der Ereignisse (Theodor Grädler, Deutschland 1976)

Der Kunstexperte Dr. Zorn (Paul Edwin Roth) wird von einem unbekannten durch die Tür seines Hotelzimmers ermordet. Kurz zuvor hatte der der Hotelsekretärin Erna Gutmann (Maria Schell) einen Brief diktiert, mit dem er von einem Geschäftspartner mehr Geld für seine Arbeit einfordern wollte. Das Diktat wurde von einem Drohanruf unterbunden, nachdem der Mann die Sekretärin fortschickte. Kurz nach dem Mord erhält auch sie einen Drohanruf. Kommissar Keller ahnt aber schnell, dass sie etwas weiß. Die Spur führt zu der Kunsthandlung von Kampmann (Romual Pekny) und seinem Sohn (Werner Pochath).

Eine eher schwache Episode: Der Mordfall gibt nicht viel her und das Drehbuch verschwendet viel zu viel Zeit auf die Beziehung der Gutmann zu ihrer an Multipler Sklerose erkrankten Tochter (Gaby Fischer): Hier gibt es wieder die Überdosis Melodram um das hübsche Mädchen, dass in krasser Verleugnung der Tatsachen und mit leuchtenden Augen frohlockt, dass es bald schon wieder tanzen gehen werde oder beim Spaziergang schon fast wieder die Kirche erreicht habe. Und Erwin Klein (Elmar Wepper) ist natürlich zu Herzen gerührt ob dieser Unverdrossenheit angesichts eines schweren Schicksals. Der ganze Subplot hat letztlich keine andere Funktion als Maria Schells Figur ein Motiv für ihr Schweigen zu geben – sie bekommt Geld dafür, das sie gut gebrauchen kann – und krankt an übertriebener Gefühlsduselei als auch an mangelnder Sensibilität im Umgang mit solchen Themen (das zeigt sich auch in späteren DERRICK-Folgen, in denen es um Behinderungen geht). Der Showdown, in dem Erik Schumann auftritt, ist ganz nette, sonst bleibt da nicht viel. Selbst Pochath wird gnadenlos verschenkt. Ganz sicher einer der raren Tiefpunkte der Serie.

Achtung: Episode 83: Das goldene Pflaster (Wolfgang Becker, Deutschland 1975) ist aus rechtlichen Gründen nicht in der DVD-Komplettbox enthalten (es fehlt noch eine weitere Episode), vielleicht reiche ich die zu einem späteren Zeitpunkt nach.

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Episode 85: Warum es ein Fehler war, Beckmann zu erschießen (Michael Braun, Deutschland 1976)

Der Geldtransporter-Fahrer Beckmann (Dirk Dautzenberg) wird nach einem Überfall von den Gangstern um Koch (Hans Brenner) erschossen. Das hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn er war in die Planungen der Verbrecher involviert, sollte sogar mit einem Teil der Beute für sein Mitwirken entlohnt werden. Beckmanns Sohn (Jörg Pleva) führt Keller und seine Männer auf die richtige Spur. Und die führt von Koch geradewegs zum Bankdirektor Höringer (Will Quadflieg), der ein sehr seltsames Verhältnis zu seiner jüngeren Gattin (Alwy Becker) und seinem Sohn Erhard (Gerd Böckmann) pflegt …

Gute Episode, die neben dem interessanten Kriminalfall überdies mit einer tollen Besetzung aufwartet (neben den Genannten wirkt auch noch der immer gern gesehene Ulli Kinalzik als Verbrecher mit). Gleich zu Beginn läuft der Nummer-eins-Hit „Kung Fu Fighting“ (der mehrmals Anwendung findet) und in einer ultraschmierigen Nachtclub-Szene sorgt Michael Holms Schmachtfetzen „Tränen lügen nicht“ für die passende besoffen-rührselige EIn-Uhr-Nachts-Stimmung. Auch das Script ist hervorragend: Immer, wenn man glaubt, den Fortgang der Geschichte zu erahnen, gibt es eine überraschende Wendung. So ist dann auch nicht die Dingfestmachung von Koch entscheidend, sondern der sehr bizarr verlaufende Besuch von Brenner und Heines im Hause des Bänkers, bei dem vor allem Böckmann zu Hochform aufläuft und eine der verrotteten Großbürgerfamilien zum Vorschein bringt, auf die Reinecker sich dann bei DERRICK spezialisierte. Wenn es was zu mosern gibt, dann das die Auflösung nicht mehr wirklich etwas zusetzen kann – und das der gute Walter hier leider durch Abwesenheit glänzt.

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Episode 86: Ein Mord auf dem Lande (Theodor Grädler, Deutschland 1976)

Die erwachsenen Kinder des Wirtshaus-Besitzers Tolke (Walter Sedlmayr) – die Töchter Grete (Lis Verhoeven), Anni (Jutta Speidel) und Sohn Walter (Martin Semmelrogge) sowie Annies Freund Hans (Frithjof Vierock) – zittern jeden Abend, wenn ihr Vater den Laden betrunken abschließt, denn dann gibt es meist Schläge für sie. Auch an diesem Abend wird Tolke wieder übergriffig – doch am Ende liegt er selbst mit einem Beil erschlagen im Hof. Alle verdächtigen Hans, der vor Tolke nach draußen geflohen war, doch der schwört, mit dem Mord nichts zu tun zu haben. Der Nachbar Krüger (Werner Kreindl) tritt als Zeuge auf …

Dem Kriminalfall fehlt etwas der Pep, aber ich liebe diese bayrisch-zünftigen Gasthof-Settings mit Trachten tragenden Herren, die zu Blasmusik aus der Musikbox ihre Maß trinken. Ihren Wirt haben sie alle gehasst, weil sie wussten, dass er ein Schwein war, aber getan haben sie natürlich nichts – immerhin hat er ihnen das Bier verkauft. In einer schönen Szene hält einer der Trinkenden eine flammende Rede, wie gut es doch sei, dass Tolke jetzt endlich tot sei, verdient habe er es und das sei überhaupt kein Grund Trübsal zu blasen, woraufhin er demonstrativ die Musik anmacht. Das kann Keller natürlich nicht durchgehen lassen: EIn Mord ist durch nichts zu rechtfertigen, bellt er, und zieht den Stecker. Am Ende stecken hinter dem Mord ganz weltliche Motive, aber das kennt man von Reinecker ja schon.

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